GRAUSAMES SCHICKSAL von Jannett TEIL 1 -- TEIL 2 -- TEIL 3 -- TEIL 4 -- TEIL 5 -- TEIL 6 -- TEIL 7 -- TEIL 8 -- TEIL 9 -- TEIL 10 -- TEIL 11 -- TEIL 12 -- TEIL 13 -- TEIL 14 TEIL 15 -- TEIL 16 -- TEIL 17 -- TEIL 18 -- TEIL 19 -- TEIL 20 -- TEIL 21 -- TEIL 22 -- TEIL 23 -- TEIL 24 -- TEIL 25 -- TEIL 26 -- TEIL 27 -- TEIL 28 -- TEIL 29 TEIL 30 -- TEIL 31 -- TEIL 32 -- TEIL 33 -- TEIL 34 -- TEIL 35 -- TEIL 36 -- TEIL 37 -- TEIL 38 -- TEIL 39 -- TEIL 40 -- TEIL 41 -- TEIL 42 TEIL 43 -- TEIL 44 -- TEIL 45 -- TEIL 46 -- TEIL 47
Feedback bitte an: Jannett Kommentar: Warum soll eigentlich immer Taku der Leidtragende sein? Mal sehen, ob ich es schaffe die Charaktere beizubehalten.
TEIL 1In einem weiträumigen Raum mit schweren Teppichen und verschiedenen Waffen an den Wänden standen zwei Männer. Der eine arrogant mit erhobenem Haupt, die Kleidung wohl gewählt und aus edlen Stoffen. Der Andere in leicht abgetragenen Gewand, in etwas geduckter unterwürfiger Haltung, mit verschränkten Armen vor den Oberschenkeln und auf Anweisungen wartend. Der gut Gekleidete ging zu dem Schreibtisch der sich vor dem Fenster befand und setzte sich. Dann öffnete er eine der Schubladen, holte ein Schriftstück und ein Foto heraus und legte beides auf die Kante vom Tisch. „Das wirst du vielleicht brauchen. Finde ihn und töte ihn.“ „Ja.“ „Ich wünsche, dass es so schnell wie möglich und ohne großes Aufsehen erfolgt. Niemand darf erfahren, dass der Auftrag hierzu aus diesem Hause stammt. Es soll so aussehen, als ob er weggelaufen sei, dann sein Leben nicht mehr ertragen hat und es beenden wollte. Allerdings ... muss seine Leiche spätestens nach drei Tagen gefunden werden und zwar in einem Zustand, dass man ihn noch erkennen kann. Alles andere überlass ich dir.“ „Sehr wohl. Ich verstehe. Ich werde alles in die Wege leiten, um ihn so schnell wie möglich zu finden und aus dem Weg zu räumen.“ Hirose erhob sich aus seinem lederbesetzten schwerem Lehnstuhl, der hinter einem ebenfalls monströsen Schreibtisch stand und maß den Mann der vor ihm stand, mit einem kalten verächtlichen Blick. Einem Blick, der den Nanjo’s eigen war. Diese Familie war zwar sehr reich, aber auch absolut skrupellos, sogar gegen ihre eigenen Familienmitglieder. Die jüngste Familienangehörige Nadeshiko, seine Schwester, war bereits als Säugling versprochen worden. Sie sollte, wenn sie alt genug dazu wäre, den Erben eines benachbarten reichen Clans heiraten, um die freundschaftlichen Beziehungen auch familiär zu bestärken. Die Mitgift hatte man bereits ausgehandelt und ausgehändigt. So fiel sie aus dem Testament des Vaters heraus, als das Oberhaupt des Nanjo - Clans starb. Zur allgemeinen Überraschung vermachte das Oberhaupt das gesamte Erbe, seinem seit 12 Jahren ‚verschollenen’ Sohn. Am Ende des Testamentes standen dann noch Bedingungen, die erfüllt werden mussten, um das Erbe offiziell in Hirose’s und Akihito’s Hände zu legen. Was der Vater nicht wusste - war, dass am Verschwinden seines jüngsten Sohnes Kojiro, seine beiden älteren Söhne die Schuld trugen. Hirose Nanjo hatte solange der Erbe „nicht zufinden“ war, die Geschäfte der Familie stellvertretend übernommen, und er war nicht bereit, dass so mühsam Erworbene wieder herzugeben oder sich aus den Händen reißen zu lassen. Er war eiskalt, wie sein Vater. Wenn er mal lächelte, was selten genug vorkam, dachte jeder der ihm dabei ins Gesicht sah, er müsste jeden Moment erfrieren. Ohne Kurauchi eines weiteren Blickes zu würdigen, ging er zu einem wuchtigen Tisch hinüber, setzte sich daran und schnitt mit einem Dolch dessen Schaft vergoldetet war und den er immer mit sich herum trug, eine Keule von dem köstlich angerichteten großem Vogel, welcher auf dem Tisch stand. Er fing an zu essen und dabei wanderten seine Gedanken in die Vergangenheit, während Kurauchi lautlos das Schriftstück und das Foto an sich nahm und sich damit zurück zog, um die Anweisungen seines Herrn zu erledigen. *** ‚Eines Tages hatten er und sein jüngerer Bruder Akihito mit Leuten, welche aus einem entfernt lebenden anderem Clan, auf Geschäftbesuch bei ihrem Vater gewesen waren, beim Spiel einen hohen Betrag verloren. Eigentlich war es Akihito. Ich hatte schon vorher kein Geld mehr in den Taschen und hatte mich mit einem Mädchen zurückgezogen. Als ich wieder den Raum betrat, war der Schuldenberg von Akihito so hoch gewachsen, dass er nicht mehr wusste, wie er alles bezahlen sollte. Der Vater hatte uns, seinen älteren Söhnen, auf Grund unserer Verschwendungs- und Spielsucht die Geldmittel stark gekürzt. Es sah nicht so aus, als ob er bereit wäre, darauf einzugehen und einem von uns die Schulden zu begleichen. Nach einigem hin und her - zwischen Akihito und mir - schmiedeten wir einen gemeinen Plan, da wir wussten, dass zwei der Spieler zu einem Ring zählten, der mit Kindern handelte. Und so wurden die Spielschulden mit dem Leben von einem kleinem 5jährigem Jungen bezahlt. Der Pakt wurde mit einem von mir abgefassten Schreiben besiegelt, das lautete, dass die Fremden für unbestimmte Zeit zu den neuen „Eltern“ eines 5jährigen Jungen, mit Namen Koji, gemacht wurden. Sie konnten mit dem Kleinen machen was sie wollten: ihn für sich arbeiten lassen, verprügeln, töten und auch weiter >verkaufen<. Das war Akihito und mir völlig egal. Nur durfte der Junge nie wieder in dieser Gegend gesehen werden. Damit erklärten die Leute sich einverstanden. Niemand von den Leuten hatte damals geahnt, dass dieser Koji in Wirklichkeit ihr eigener Halbbruder war.’ Und so nahm das Schicksal des Jungen seinen Lauf. Ja, sie hatten ihren verhassten Bruder damals „verkauft“. Beide... waren sie froh, ihn nie wiederzusehen und erhofften sich auf diese Art und Weise die Liebe und somit auch das Erbe ihres Vaters wieder zu erlangen, wenn sie dafür sorgten, dass Kojiro für immer unauffindbar bleiben würde. Viele Schmiergelder hatten sie an die Männer gezahlt, die ihr Vater auf der Suche nach seinem jüngsten Sohn aussandte, damit sie Kojiro nicht finden. Doch inzwischen war der alte Mann tot und wie zum Trotz sollten sie noch zehn weitere Jahre in Kojiro’s Schatten leben, wenn seine Leiche nicht bis dahin gefunden wurde. ‚Also gab es nur diesen einen Ausweg. Er musste auftauchen. Aber er durfte nicht leben!’
TEIL 2 - RückblendeDer Junge lebte indes unter dem Namen Koji in der Familie Izumi. Koji lebte dort als Spielgefährte des ältesten Sohnes, verrichtete auch kleinere Arbeiten mit im Haus, lernte gemeinsam mit Takuto lesen und schreiben und wurde wie ein Sohn behandelt, obwohl er nur vorrübergehend im Haus bleiben sollte. Ein sehr entfernter Verwandter hatte den Izumi’s den Jungen - mit einer rührenden Geschichte - damals ins Haus gebracht, und sie gebeten auf ihn aufzupassen. Auf dem Nachhauseweg war er von der Polizei geschnappt worden, und saß noch immer fest. Warum, wussten sie nicht. Sie erhielten keine Auskunft. Niemand fragte nach dem kleinen Jungen. Also behielten sie Koji bei sich. Takuto und er waren Freunde geworden, obwohl Koji niemanden so ohne weiteres an sich heran ließ. So verbrachte er hier vier unbeschwerte Jahre. Das Oberhaupt dieses Clans lag schon lange Zeit in einer Blutfehde mit einem benachbartem Clan. Koji erlebte die ständigen Streitereien des Clans oft mit. Im Alter von 9 Jahren geschah dann das großes Unglück, was sowohl seins als auch das Leben der Izumi’s veränderte. Sowohl der Vater als auch die Mutter wurden bei einem Anschlag getötet. Der Vater war zwar noch in der Lage den Angreifer, das Oberhaupt des anderen Clans niederzustrecken, erlag dann aber seiner tödlichen Verletzung. Da dieser Mann keinen direkten männlichen Erben hinterließ, endete die Fehde in einer blutigen Tragödie und die jetzigen Waisenkinder entkamen dadurch weiteren Anschlägen. Der Clan wurde von den Horiuchi’s übernommen, Verwandten ihrer Mutter. Koji wurde von diesem anderen Verwandten abgeholt, da er gerade sein Zeit im Knast abgesessen hatte. Und die drei Kinder der Izumi’s wurden von den Horiuchi’s aufgenommen. Noch bevor Takuto was dagegen unternehmen konnte, hatte der Mann Koji fortgebracht. Und wieder kam Koji zu neue Personen. Doch diesmal geriet er an keine guten Menschen. Er wurde herumgestoßen, wegen jeder Kleinigkeit verprügelt, bekam nicht genug zu essen und lernte darum das Nötigste zu stehlen, um nicht zu verhungern. Eines Abends wurde er sogar von seinem betrunkenen „Besitzer“, der eine Art Bordelle mit Spielhölle führte, missbraucht. Zwei Tage später, erneut. Doch diesmal nicht nur von seinem Besitzer, sondern anschließend noch von drei Trunkenbolden, die sich seine Freunde nannten. Koji dachte schon, dass sein letztes Stündchen geschlagen hat, als er so von seinem eigenen Blut besudelt auf dem Boden lag. Doch er wurde von einer anderen Mitbewohnerin des Hauses, mit der er sich in diesen schrecklichen Zeiten etwas angefreundet hatte, versorgt. Sie hatte miterlebt, wie aus dem fröhlichen und lebhaften Jungen, durch die Brutalität, der er tagtäglich ausgesetzt gewesen war, ein eisiger, berechnender und mitleidloser junger Mann wurde, der den Kinderschuhen - trotz seines jugendlichen Alters - schon längst entwachsen war; der die Schmerzen die ihm zugefügt wurden, still ertrug - ohne einen Laut von sich zu geben - und der jede Möglichkeit zur Flucht nutzte. All das machte Koji noch härter und gefühlsloser anderen gegenüber. Als er wieder in der Lage war, auf eigenen Beinen zu stehen, lief er nochmals davon. Doch leider war seine Flucht auch diesmal nicht sehr glücklich. Er wurde aufgespürt und zurückgebracht. Man peitschte ihn zur Strafe mit einer Pferdepeitsche durch und die Qualen begannen anschließend wieder aufs Neue. Mehrmals versuchte er seinen peinigenden Besitzern zu entfliehen, aber jedes Mal wurde er gefasst. So gingen 7 weitere Jahre ins Land. Koji war inzwischen 16 Jahre alt, und hatte sein vergittertes Zimmer schon seit Ewigkeiten nicht mehr alleine verlassen dürfen. Musste er zu einem Kunden oder einer Kundin, wurde er geholt und hinterher hier wieder eingesperrt. Viele seiner Gefährten waren inzwischen verstorben, da sie die Tortour nicht ausgehalten hatten. Aber ihn hatte dies nur noch härter und verschlossener gemacht. Er wusste, dass er durch diese Leute keine Chance hatte zu entkommen, da er und auch die Anderen ständig durch eine Kamera - bei den perversen Spielchen ihrer Kunden - beobachtet wurden. Einerseits um die „Ware“ im Auge zu behalten - bzw. besser gesagt, um sich an den Spielchen der anderen zu ergötzen -, andererseits legten sich ihre Besitzer durch Erpressungsgelder noch einen kleinen Nebenverdienst zu. In all der Zeit musste er immer wieder an die schöne Zeit bei den Izumi’s denken. Er fragte sich immer öfter, was aus seinem Spielgefährten Takuto geworden ist. Aber dadurch, dass die Familie fortgezogen war und die drei Kinder mitgenommen hatten, hatte er nichts mehr von ihnen gehört. Es war, als ob es sie nie gegeben hatte. Nach und nach verblasste ihr Bild immer mehr, nur Takuto konnte er nicht vergessen. Eines Abends, als sein „Besitzer“ wieder einmal mit Freunden beim Spiel zusammen saß, hatten sie, - wie sie glaubten - zwei neue „Opfer“ gefunden. Da das Spiel nicht so lief, wie sie es sich erhofft hatten, verschwand einer nach dem anderen für einige Zeit in den angrenzenden Nebenraum. Die Beiden wunderten sich, was die Anderen taten und sahen sich fragend an. Einmal hörten sie einen entsetzlichen Aufschrei, der aber sofort wieder verstummte. Sie sprangen auf und in der nächsten Sekunde waren sie schon an der Tür zu dem Raum, doch die Männer wollten sie daran hindern hineinzugehen. Sie meinten es handele sich nur um einen Bediensteten, dessen Leben sowieso bald vorbei sei. Aber Katsumi Shibuya ließ sich nicht davon abhalten. Er schlug die angetrunkenen Kerle - gemeinsam mit seinem Freund Taka - zusammen und stürmte hinein. Was er sah, verschlug ihm glatt die Sprache. Mit offenem Mund starrten sie das, was sie vor sich sahen an. Der Abschaum, der wenige Minuten vorher in diesen Raum verschwunden war, reagierte offensichtlich seinen Unmut - über die verlorenen Gelder - an einem gefesselten jungen Mann auf eine Art und Weise ab, über die sich Katsumi nur empören konnte. Die Stellung in der er sich gerade befand und der Gesichtsausdruck des Jungen ließ keinen Zweifel bei Katsumi daran aufkommen, dass es gegen seinen Willen geschah. Sein Magen drehte sich um. Ihm dämmerte nun, mit was für Menschen er es hier zu tun hatte. Katsumi sprang auf den Kerl zu und riss ihn von dem Jungen weg. „Wie viel?“ „Wie viel - wofür?“ „Für ihn.“ Damit zeigte er auf dem am Boden liegenden Jungen. „Ihr kennt ja sicher nur das Gesetz des Geldes. ALSO?“ „Du willst deinen Spaß mit ihm?“ „Du Hund, sag schon! Oder soll ich erst die Polizei rufen?“ „Tja..., du kannst ihn haben, wenn... du mir alle Spielschulden erlässt. Aber viel Freude wirst du an ihm nicht haben. DER HIER ist bald hinüber.“, sagte er im verächtlichen Ton. „Das lass meine Sorge sein. Hau ab hier! RAUS! Ich will ihn sofort mitnehmen.“ Der Mann beeilte sich und Katsumi verließ nach ihm den Raum. Aber nicht ohne noch einen mitleidigen Blick auf das zitternde magere Etwas auf dem kalten Boden zuwerfen. Der Junge blieb alleine zurück. Als er das Schriftstück in seinen Händen hielt, warf Katsumi den anderen Männern vernichtende Blicke zu. Am liebsten hätte er sie getötet, aber dass ließe sich noch nachholen. Erst einmal musste er sich um den Jungen kümmern und ihn in Sicherheit bringen. Er steckte den Brief ein, ging zu ihm, befreite ihn von seinen Fesseln und nahm ihn mit sich.
TEIL 3Katsumi hatte mit Takasaka schon seit längerem eine Reise durch ganz Afrika geplant. Eigentlich war alles vorbereitet, doch im letzten Moment musste Taka absagen. Also entschloss sich Katsumi Koji mitzunehmen. ‚Der Junge könnte die Abwechslung gut vertragen. Sieht was von der Welt, und könnte in der Zeit wieder lernen, dass es auch noch andere Menschen gab, als die mit denen er die letzten Jahre verbracht hatte.’, dachte er sich. Also beantragte er die Änderung der nötigen Papiere und los ging’s. Zuerst hielten sie sich an die gebuchten Veranstaltungen, doch nach drei Wochen beschlossen sie die Gegend auf eigene Faust zu erkunden. Sie kauften einen bequemen Geländewagen, in dem sie auch mal schlafend die eine oder andere Nacht verbringen konnten. Unterwegs beobachteten sie Giraffen, die von den Bäumgipfeln Blätter zupften. Einmal trafen sie an einem Wasserloch auf eine Gruppe Elefanten. Weiter ging’s mit dem Jeep durch die unberührte Landschaft. Hin und wieder trafen sie auf ein Eingeborenendorf. Stiegen aus und gaben den Dorfbewohnern kleinere Geschenke. Dafür wurden sie dann von ihnen zum Essen eingeladen oder konnten im Dorf übernachten. Katsumi bemerkte erfreut Koji’s Entwicklung, als er ihn so mit den fremden Menschen beobachtete. Er schien ihm wieder etwas lebenslustiger und aufgeweckter als in der ersten Zeit. Er fing langsam wieder an, auf Menschen zu zugehen, obwohl er oftmals noch sehr aggressiv und abweisend reagierte. Aber nirgends hielten sie sich lange auf, damit er nicht groß Freundschaften schließen konnte, um dann anschließend wieder den Abschiedsschmerz ertragen zu müssen. Doch all die Zeit, ihre Erlebnisse, die Schönheit der Natur und auch die Armut und Bescheidenheit der Leute konnten Koji’s trübe Gedanken nicht ganz vertreiben. Und so hatte Koji immer noch Alpträume des Nachts und je länger sie währten, um so länger glaubte Katsumi sie würden nie vergehen. So manches mal, hatte er Koji aus seinen Träumen gerissen, ihn geweckt und dann beruhigt, dass alles vorbei sei. Den zitternden Jungen in seinen Armen gehalten, ohne doch in der Lage zu sein, ihm wirklich helfen zu können. Die Erinnerungen an das Gewesene würden zwar nie ganz aus seinem Gedächtnis verschwinden, aber er hoffte, dass sie mit der Zeit noch etwas mehr verblassen würden. Nicht mehr ganz so bedrohlich auf ihn wirkten. Nach und nach schaffte Koji es, diese Bilder durch ein anderes zu ersetzen. Wie schon unzählige Male vorher, wenn er am Leben verzweifelte und er nicht wusste wie es weiter gehen soll... wenn wieder ein Fluchtversuch misslungen war und man ihn brutal zusammengeschlagen oder zur Arbeit gezwungen hatte... wenn er hinterher zusammengekrümmt blutig in einer Ecke lag... all die unzählige Male die er sich wünschte für immer verschwinden zu können, sich plötzlich in Luft aufzulösen und an einem schöneren Ort erst wieder aufzutauchen, wenn er sich nichts sehnlicher als den Tod erbat... dann tauchte ein Bild vor ihm auf, was ihm wieder Mut machte. Und dieses Bild, dass wie ein guter Geist durch seine Träume spukte, war – Takuto Izumi. Später schaffte Koji es sogar, seine Angstträume mit Izumi’s Bild zu vertreiben. Immer häufiger gelang es ihm. Aber selbst diese Träume endeten nicht so, wie er sie sich erhoffte. Aber was erhoffte er sich eigentlich von ihnen? Er wusste es nicht. Immer wieder grübelte er darüber nach, was er eigentlich für seinen Freund empfand. Warum sein Bild vor ihm auftauchte, wie ein rettender Engel, den er nicht erreichen konnte. Nacht für Nacht träumte er manchmal so von ihm. Statt das die Erinnerungen an ihn in all den vielen Jahren verblasste, wurde sie von mal zu mal stärker und seine Fantasie fing inzwischen an, Ereignisse die so nie stattgefunden hatten, zu erfinden. So sah er ihn erst, wie sie als Kinder zusammen spielten. Wie sie gemeinsam mit der Familie der Izumi’s einen Ausflug in die Berge machten. Sah wie sie zwischen den Felsen umhertobten, versuchten sich laut lachend gegenseitig zu fangen. Dann... war er plötzlich dunkel. Sie hockten mit der Familie vor den Zelten – rund um ein loderndes Feuer – und hielten Stöcke mit verschiedenen Lebensmitteln über die Flamme, rösteten Kartoffeln in der Glut. Alles außer dem Feuer und Izumi sah nur noch schattenhaft aus. Die Konturen der Anderen verschwanden immer mehr. Sie lösten sich wie im Nebel auf. Koji war plötzlich mit ihm allein. Der Hintergrund war nur noch ein schwarzes Loch. Doch rund um Izumi herum, tauchte aus dem Nichts eine Korona aus goldenem Licht auf. Koji konnte nicht mehr still sitzen bleiben. Irgendwas zog ihn zu diesem Licht hin, dass die Dunkelheit stärker erhellte als das Feuer. Viel stärker. Viel heller. Immer mehr. Der Sog dorthin war so stark, dass er spürte: ‚Es gibt KEIN ENTKOMMEN. ENTWEDER ich berühre dieses Licht, lass mich von ihm aufsaugen, sogar verbrennen, wenn es sein muss, ODER ich sterbe.’ Er näherte sich ihm. Jeder Schritt dauerte so lange wie eine kleine Ewigkeit. Es war als ob die Zeit in Zeitlupe ablief, ja fast so als ob sie beschlossen hatte, jeden Moment stehen zu bleiben... Wie der Moment... kurz davor... kurz bevor sie wirklich stehen blieb. Der Drang ihn zu berühren wurde stärker. Es zerriss ihn fast. Doch der Weg war so weit, obwohl sie nur wenige Schritte von einander entfernt waren. Er sah wie Izumi größer wurde. Erwachsener. ‚Ja, es waren inzwischen einige Jahre vergangen. Als er ihn zum letzten mal sah, war er neun. Doch nun musste er älter sein. Die Zeit war nicht stehen geblieben. Er war ja auch älter geworden.’ Izumi’s Gesichtszüge lösten sich auf – doch die Augen blieben. Alles was er noch wahrnahm, waren seine unvergesslichen Augen. Der Ausdruck in ihnen. Das Funkeln, wenn er etwas wollte oder bekam und dieser wilde Ausdruck, wenn er mit Koji und den anderen Kindern Fußball spielte. Aber er spielte hier nicht. Hier war kein Ball. Kein Ball den er sehen konnte. Den Ausdruck den er sah... ja er war... flehend... so als ob Koji zu ihm kommen sollte. ... Zu ihm... Das Licht war inzwischen gleißend weiß! Es blendete. Er konnte nicht mehr direkt hineinsehen, ohne sich die Augen zu verblitzen. Aber er konnte auch nicht wegsehen, konnte nicht stehen bleiben. Er musste weiter zu ihm. Musste ihn durch das Licht hindurch berühren. Berühren um zu LEBEN oder um endlich Ruhe zu finden. Ruhe um zu sterben. Ruhe um all das Leid - für immer und ewig – vergessen zu können, was sie ihm angetan hatten. Ruhe um wieder ein normales Leben führen zu können. Oder gab es vielleicht noch etwas, was ihm jetzt noch nicht bewusst war? Was er erst erfuhr, wenn er den Lichtschein wirklich berührte? Ihn durchdrang? ‚Noch zwanzig Zentimeter... fünfzehn Zentimeter... zehn Zentimeter... fünf Zentimeter... vier Zentimeter... drei Zentimeter... zwei Zentimeter... ein Zentimeter... ... Gleich...!’ Koji’s Herz pochte laut, drohte zu zerspringen. ‚Gleich hab ich es geschafft. Gleich weiß ich es...!’ Er wollte das Licht gerade berühren, als er erwachte. Ein Schrei hallte noch durch den Raum. Sein Schrei! Sein Puls raste. Seine Atmung ging flach und viel zu schnell. Er zitterte am ganzen Leib! ‚Wieso? Wieso kann ich es nicht berühren? Fünfzig Mal - Hundert Mal – vielleicht auch schon öfter, hatte ich diesen Traum. Doch ich schaffe es nie. Doch auch noch nie war ich ihm so nah, wie dieses Mal... Warum kann ich es nicht durchdringen, ihn nicht erreichen? So nah bin ich ihm und doch jedes Mal so unendlich fern. Ich spürte den Luftzug seines Atems. Spürte das Lächeln auf seinen Lippen. Sah seine wundervollen aber dennoch traurigen Augen, seine bronzefarbene Gestalt vor mir, doch es war irgendwas bei uns, was es mir jedes mal erschwert ihn zu erreichen. Es zieht mich magisch zu ihm und doch verhindert es jede Berührung...’ Eine Träne lief ihm über das Gesicht. Er fühlte sich leer. Vermisste was. Das Licht und die Wärme die von Izumi ausgegangen waren, waren nicht wirklich gewesen. Die Nacht war nur schwarz und kalt. Voller Dunkelheit. Nicht einmal Sterne waren zu sehen. Er fühlte wie Kälte von ihm Besitz ergriff, höher und höher stieg, ihm eine Gänsehaut an den Stellen hinterließ. Das Zittern verstärkte. Spürte wieder die Einsamkeit seines Herzens, als die Kälte in seiner Brust ankam. Fühlte sich von Izumi verlassen... einsam... zurückgelassen... verloren. Katsumi war wieder neben ihm erwacht. Der Schrei den Koji dieses Mal ausgestoßen hatte, war so laut, so herzzerreißend, dass es ihm einen Stich versetzte. Er rutschte an ihn heran und nahm ihn beschützend in die Arme. Dann wiegte er ihn wie ein kleines Kind hin und her, um ihn zu beruhigen. Er fühlte sich auch dieses Mal hilflos, so elend. Wusste nicht, wie er Koji helfen konnte. Wusste nicht, wovon er Nacht für Nacht wirklich träumte. Was sich in seinen Träumen abspielte. Wusste nicht, dass die einen Alpträume inzwischen durch andere abgelöst worden waren. Das aus dem guten Geist, der Koji in der ganzen Zeit beschützt hatte, inzwischen etwas Unerreichbares geworden war, was er mit seiner ganzen Seele erstrebte. ES WOLLTE! IHN WOLLTE! Wusste nicht, dass es schon fast an Besessenheit grenzte. Das er sich in all den Jahren ein Bild gemalt hatte, das wahrscheinlich so nie existierte. Das er sich ein Idol geschaffen hatte, das ihn erst vor allem Übel innerlich beschützte, ihm Hoffnung gab und nun dieses Innere auffraß. Ihn von innen her verzerrte. Schon bevor sie abgereist waren, hatte Katsumi beschlossen, Erkundigungen über Koji’s wahre Eltern einzuziehen. Er hatte sich mit Bekannten und Verwandten in Verbindung gesetzt, um über Koji’s Herkunft was in Erfahrung zubringen. Hatte verschiedene Detektive beauftragt und sie, falls sie was herausbekommen sollten, an Takasaka verwiesen, da er in jeder größeren Stadt mit ihm Kontakt aufnahm. Als sie sich wieder einmal auf den Weg machten, um in einer Stadt in Südafrika ihren Lebensmittelvorrat aufzufüllen, wunderte sich Koji, warum Katsumi immer solange im Hotel auf eine Verbindung mit Japan wartete. Er hätte viel lieber die Stadt unsicher gemacht. Wäre an den Schaufenstern vorbeigeschlendert und hätte den Mädchen nachgeschaut. Schließlich war er inzwischen 17. Katsumi erzählte ihm von seiner Suche und versuchte ab da, immer wieder in ihren Gesprächen, etwas von seinen kindlichen Erinnerungen hervorzulocken. Doch die Erinnerungen an seine Zeit als Fünfjähriger waren dürftig. Hin und wieder fiel ihm was ein. Aber erinnern konnte er sich eigentlich an nichts genaues. Nichts, was Katsumi wirklich weiter half. Also versuchte er erst einmal, alles über diesen Takuto Izumi - von dem er ihm erzählte - und dessen Familie in Erfahrung zubringen. Fast ein Jahr reisten sie so durch den Kontinent, bevor sie wieder nach Hause flogen. Das erste was Takasaka ihnen dort mitteilen konnte, war: Das man inzwischen was über Koji herausgefunden hatte. Das man durch Takuto Izumi’s Adoptiveltern, die Geschichte des Jungen bestätigt sah. Das man - mit Hilfe eben dieser Leute - sogar die wahre Familie in Erfahrung bringen konnte. Das Koji in Wirklichkeit eigentlich Kojiro hieß. Aber den Namen wollte er nicht. Seit 12 Jahren war er nur mit Koji angeredet worden. 12 lange Jahre und so wollte er dann auch weiter heißen. ‚Koji – denn nur unter diesem Namen kannte ihn Takuto Izumi! Wie sollte er ihn sonst finden, wenn er es je vorhaben sollte?’ Das andere wollte Taka Katsumi nur unter vier Augen mitteilen. Als er den Jungen so in Gedanken sah, versuchte er Katsumi durch einen Blick darauf aufmerksam zu machen, der hätte Wände sprechen lassen. Katsumi verstand Takasaka’s Blick und lud ihn ein, mit ihm einen kleinen Rundgang über das Anwesen zumachen, um – wie er sagte – zusehen, wie es in seiner Abwesenheit verwaltet wurde. Als sie sich unbeobachtet fühlten, teilte Takasaka Katsumi mit, das Koji ein Mitglied der Familie Nanjo sei. Katsumi starrte ihn mit großen Augen an. „Ein Familienmitglied der Nanjo’s? Hab ich richtig verstanden DER NANJO’S!? „Ja, genau DER Familie Nanjo.“ „Das gibt’s doch gar nicht. Wie kann das sein? Taka lass diese Scherze! Mir ist nicht zum Lachen zu muten.“ „Das ist nicht zum Lachen. Es ist die Wahrheit. Ich habe Familienfotos die bei den Izumi’s gemacht worden sind und Zeitungsausschnitte von damals miteinander vergleichen lassen. Es ist der gleiche Junge! ... Katsumi, du erinnerst dich doch vielleicht noch daran, dass vor einigen Jahren das Familienoberhaupt der Nanjo’s seinen jüngsten Sohn überall suchen ließ. In Zeitungen, sogar auf Plakaten und im Fernsehen war sein Gesicht eine Zeit lang zusehen.“ „Aber warum haben die Izumi’s das nicht bemerkt?“ „Keine Ahnung. Takuto erzählte, dass sein Vater Fernsehen nicht mochte. Lieber sind sie in die freie Natur gegangen - fischen, wandern, klettern - Camping halt. Deswegen hat niemand ferngesehen. Er stand zu Hause nur rum, ohne je eingeschaltet worden zu sein. Die Plakate mit Koji’s Abbild waren jeden Morgen in der gesamten Stadt unkenntlich gemacht worden. Die Schmutzfinken wurden nie gefasst. Tja und Zeitungen, keine Ahnung, warum er die Mitteilung darin nicht gesehen hat. Niemand in der Familie schien eine Ahnung zu haben, wer Koji wirklich war. Na ja auf jeden Fall schien ne Menge gekaufter Hände damit beschäftigt zu sein, Koji’s Identität zu verschleiern. Sein Auffinden unmöglich zu machen. Inzwischen ist das Familienoberhaupt verstorben und rate mal, wer der eingesetzte Erbe ist.“ „Koji...?“ „Erfasst! Und du wirst jetzt sicher lachen. Der alte Nanjo hat doch tatsächlich das Testament so abfassen lassen, dass... sollte Koji nicht innerhalb von 10 Jahren nach seinem eigenen Tod gefunden worden oder bereits verstorben sein, erst dann geht das Erbe zu gleichen Teilen an Koji seine beiden Brüder!“ „An - seine - Brüder...“, sagte Katsumi nachdenklich. „Dann ist also einer von Beiden... oder aber sie sind sogar Beide an Koji’s Tragödie nicht so ganz unschuldig.“ „Stimmt. Die Schriftproben, die ich von einem Vertrag der Nanjo’s entnehmen konnte, weisen daraufhin, dass der Vertrag, den du mir damals gegeben hast, von Hirose persönlich abgefasst wurde und auch Akihito’s Namenszug als Unterschrift trägt.“ „Also BEIDE!... Hm,... wenn ich das richtig verstanden hab, heißt das jetzt: Koji ist in Gefahr, sollten sie heraus bekommen, das er hier lebt. Sie werden sicher alles daran setzten um ihn endgültig aus dem Weg zuräumen, um sich das Erbe zu sichern. Hirose wird es sich nicht nehmen lassen, nachdem er damals schon so skrupellos versucht hat, ihn aus dem Weg zu räumen.“ „Ja, deshalb wollte ich nicht, dass Koji es erfährt. Verbotene Früchte schmecken bekanntlich süß und ich glaube er würde was unbedachtes unternehmen. Er ist noch nicht volljährig. Würde so lange unter der Vormundschaft seiner älteren Brüder stehen und dann wäre ein plötzlicher Unfall wahrscheinlich sein Ende. Falls sie nicht schon selbst schlimmeres geplant haben. Wir waren nicht die Einzigen, die sich für Koji interessiert haben. Mir wurde berichtet, dass seit kurzer Zeit - genauer gesagt, seit dem Tod des Familienoberhauptes - wieder jemand nach Koji sucht.“ „Seine Brüder!“ „Wahrscheinlich. Er hat noch eine jüngere Schwester, die erst geboren wurde, als Koji bereits nicht mehr bei den Nanjo’s lebte. Aber ich schließe aus, dass sie ihn sucht. Sie würde nicht so nachdrücklich darauf achten lassen, dass sie keine Spuren hinterlässt. Sie hat ihn nämlich bereits mit ihrem Vater zusammen suchen lassen. Also nicht heimlich.“ „Ja, dann ist es unwahrscheinlich, dass sie ihn sucht. Aber falls doch..., würde mich interessieren, was sie von ihm will. Sie kennt ihn nicht mal. Könntest du sie...“ „Na klar, lass ich machen.“ Taka räusperte sich und als Katsumi ihn entgeisterte ansah, deutete er mit dem Kopf auf Koji, der gerade heran kam. Schnell wechselten sie das Thema und unterhielten sich über den Zustand des Anwesens.
Einige arbeitsreiche Monate waren seit ihrer Ankunft vergangen. Katsumi hatte eine „kleine“ Feier organisiert, um das was er vorhatte zu vertuschen. Es sollte eine Überraschung für Koji werden. Die Besucher - die erwartet wurden - kamen vorgefahren. Die Tür sprang auf und ein kleiner lustiger Junge sprang heraus. Ihm folgte ein Mädchen mit langen dunklen Haaren, von etwa 14 / 15 Jahren und dann stieg ihr älterer Bruder aus. Koji besah ihn sich ein Weilchen. Seinem Aussehen nach konnte er nicht älter als er selbst sein. Zuerst sah Koji nur seinen Rücken, doch wie er sich umdrehte, stockte sein Herz. Er glaubte es würde jeden Moment stehen bleiben oder aber zerspringen vor Freude. Das dann die Eltern der Kinder ausstiegen bemerkte er nicht mehr. Er starrte nur auf den ältesten Sohn. Koji’s Herz fing auf einmal an schneller zu schlagen. Er hörte das unruhige Pulsieren. Sein dunkles Haar schimmerte im Licht der untergehenden roten Sonne und es sah aus als ob tausend Sternlein darauf funkelten. Seine Lippen waren schmal, aber wohlgeformt. Sie wirkten weich und sinnlich zugleich. Am auffallendsten war aber seine Haut. Sie schimmerte wie Bronze. Sein Blick war noch nach unten gerichtet. Seine Brauen waren perfekt geformt und seine Wimpern ... sie waren für die eines Mannes ungewöhnlich lang. Dann sah der andere Junge auf. Einen Moment kreuzten sich ihre Blicke. Jedoch seine Augen... seine Augen waren faszinierend. ‚Diese Augen...! Das konnte doch nicht wahr sein?! Die Besucher waren die Horiuchi’s, aber die Augen gehörten eindeutig zu Takuto Izumi. Wie kam das nur? War das die Familie, die die Kinder damals aufgenommen hatte?’ Er hatte die Eltern nie gesehen. War damals gleich irgendwie getrennt von den Kindern und weggebracht worden. Er hatte sich damals noch nicht einmal von Takuto verabschieden können. Es war alles sehr schnell gegangen. Koji wusste inzwischen was er wollte, als er Takuto nach all den Jahren endlich wiedersah. Ihm war schon vor einiger Zeit bewusst geworden, dass er sich in den Spielkameraden aus seinen früheren Kindertagen verliebt hatte. Nur das konnte der Grund dafür sein, weswegen er dessen Bild, in all den vielen Jahren der Hölle hindurch, ständig vor Augen hatte. Was ihn in all der Zeit am Leben erhielt. Was ihm auf der Reise mit Katsumi des Nachts den Schlaf raubte. Er wollte ihn immer schon wiedersehen, ihn für sich gewinnen. Deswegen hatte er ihn nie vergessen, so wie die Anderen der Familie, obwohl er sich mit allen gut verstanden hatte. Gedankenversunken träumte er vor sich hin und malte sich sein Wiedersehen mit ihm aus. Letztendlich war ihm klar, wie er es anstellen wollte. Koji wusste - durch Katsumi, dass der älteste Sohn der Horiuchi’s, damit müsste er Takuto gemeint haben -, also dass Takuto sich hier in der Nähe öfter mit einem gleichaltrigen Mädchen traf. Es seien nur freundschaftliche Gefühle, was die Beiden verbindet, meinte er weiter, aber die Eltern würden wohl einer Verbindung nicht ganz abgeneigt gegenüber sein. Also überlegte Koji nicht lang, sondern schrieb einen Liebesbrief, unter falschem Namen, genauer gesagt unterschrieb er ihn mit ihrem Namen, und lockte ihn so in der darauffolgenden Nacht hinaus in den kleinen Lustgarten der zum Haus gehörte. Takuto fühlte sich, seit er angekommen war, beobachtet. Irgendwas machte ihn nervös. Ständig hatte er das Gefühl, als ob ihm Augen folgten, bei allem was er tat, wo er auch hinging. Aber nirgends war jemand zu sehen. Einige Zeit verging... und Koji musste noch länger warten. Der Zeitpunkt war schon verstrichen..., als er ihn auf einmal den Weg durch den Park zu seinem kleinen Versteck im Pavillon kommen sah. „Ich dachte schon, du würdest gar nicht mehr kommen.“ Takuto sah sich um. ‚Wen meinte er? Und vor allem, wer ist das? Ich denke ich bin hier alleine? Wo ist Minako?’ Star vor Entsetzen wurde Takuto plötzlich in eine leidenschaftliche Umarmung gerissen. Feste Lippen verschlossen seinen Mund mit einem fordernden Kuss. Erst nach einer Ewigkeit, wie ihm schien, hob der Fremde den Kopf. Doch als er empört protestieren wollte, presste dieser erneut seine Lippen auf Takuto’s Mund. Diesmal war der Kuss zärtlicher, lockender. Aber als Takuto merkte, dass der Andere seine Zunge drängend zwischen seine Zähne schob, erwachte er aus seiner Benommenheit und wehrte sich heftig. Sein Protest war allerdings nur von kurzer Dauer. Eine unerklärliche süße Wärme durchströmte seinen ganzen Körper und er fühlte, wie seine Knie weich wurden. Takuto schwankte. Er vermochte kaum zu atmen. Statt weiter dagegen anzukämpfen, klammerte er sich haltsuchend an den breiten Schultern fest. Flüchtig wurde er sich bewusst, dass der Andere ebenfalls ein Mann war. Zumindest gehörte diese sinnlich klingende Stimme, die zwischendurch immer wieder Koseworte hauchte keiner Frau und er wurde auch nicht an die erregenden weiblichen Formen eines Wesens des schönen Geschlechtes gedrückt. Gleich darauf verflogen aber diese Gedanken, denn Takuto’s Körper schien seinen eigenen Gesetzen zu folgen. Es war schön dieses Gefühl, einfach wunderbar, unbeschreiblich. Wohlige Schauer durchrieselten ihn, während Koji seinen Mund erforschte und seine erfahrenen Hände aufreizend langsam über Takuto’s Körper glitten. Ohne die Lippen von Takuto zu lösen, hob er ihn auf die Arme und trug ihn hinüber in die eine Ecke des Pavillons, wo er auf dem Boden eine Matte ausgebreitet hatte und an den geschlossenen Wänden ein paar Kerzen standen. Er schlief dort selbst manchmal, wenn ihn die Luft in seinem Zimmer zu erdrücken schien und ihn die Alpträume der Vergangenheit einholten. Dort bettete er ihn also behutsam in die Kissen, welche er vorsorglich darauf ausgebreitet hatte. Plötzlich stemmte Takuto die Hände gegen Koji’s breite Brust und stieß ihn von sich. Schwer atmend sprudelte plötzlich aus ihm heraus, was sein Verstand ihm selbst - schon die ganze Zeit über - versuchte klar zu machen. „Was soll das?... Warum machst du das mit mir?... Das darf nicht sein,... wir sind schließlich beides Männer.“ Koji ließ Izumi sofort los und dieser wich ein Stückchen von Koji zurück, bis sein Kopf gegen die Wand stieß und ihn am Entkommen hinderte. Aber was er dann in Koji’s Augen sah, erstaunte ihn doch. Er hatte ihn heute Nachmittag zum ersten mal gesehen, als er der Familie als Koji vorgestellt wurde, ohne Familiennamen, was alle verwunderte. Er selbst dachte, es sei ein Künstlername. Und so hatte er das Ganze längst schon wieder vergessen, da dieser Koji für seinen Aufenthalt hier nicht weiter von Bedeutung war. Er war dem Wunsch seiner Eltern, sie zu begleiten, nur nachgekommen, als sie ihm sagten, dass er Minako hier ebenfalls treffen würde. Ansonsten wäre er lieber zu Hause geblieben, hätte er lieber weiter trainiert. Dieser Koji hatte noch vor einer Stunde in der Halle bei Klavierbegleitung zur Unterhaltung der Gäste, ein paar sehr schöne Lieder, vorgetragen. Sein Stimme war sanft und einschmeichelnd, aber sein Blick hingegen eiskalt. So als ob er schon eine Menge durchgemacht hatte und er niemand Fremden an sich heranlassen wollte. Total auf Abwehr jedem Fremden gegenüber. Statt dieser Kälte, die er bei seinem musikalischem Vortrag aufsetzte hatte, sah Takuto nun einen warmen Glanz darin erstrahlen. Er besah ihn sich genauer. Koji war groß, mit breiten Schultern und schmaler Hüfte. Wie es aussah, war er größer als Takuto. Seine Haare hatte er sich lang wachsen lassen. Sie hüllten sein Gesicht ein, ließen es noch geheimnisvoller in der Dunkelheit erscheinen. Takuto wusste immer noch nicht, mit wem er es genau zu tun hatte. Deswegen versuchte er im dämmrigen Kerzenlicht, die Züge des Fremden zu entschlüsseln. Total in den Anblick seines Gesichtes versunken, tief in seiner Gedankenwelt, beachtete er nicht das, was um ihn herum geschah. Er war wie in einer Art Trancezustand, weil er nicht verstand was hier eigentlich passierte. Koji sprach bereits die ganze Zeit beruhigend auf ihn ein und hatte ihm, geschickt wie ein Dieb und unbemerkt von Takuto, die Oberbekleidung geöffnet. Und während Koji weiter sprach, drückte er ihn sanft in die Kissen zurück und legte sich zu ihm. Als er sich jedoch halb über ihn schob, hob Takuto wieder abwehrend die Hand, um ihn erneut fortzustoßen. Erschrocken schnappte er nach Luft, als er Koji’s bloße Haut unter seinen Fingern spürte, er hatte nicht darauf geachtet, das der Andere die Zwischenzeit ebenfalls genutzt hatte, um seinen Oberkörper zu entkleiden, da er sich nur auf dessen Gesicht konzentriert hatte. Als er die Hand hob, um den Anderen zu schlagen, ergriff Koji ihn kurzerhand am Handgelenk und presste ihn gegen seinen Körper. Ohne weitere Vorwarnung beugte er den Kopf und küsste Takuto – mit aller Brutalität, die der unbändigen Wut entsprach, die inzwischen von ihm Besitz ergriffen hatte – auf die Lippen. Doch plötzlich spürte Takuto wie Koji’s Kuss sich wieder veränderte. Dessen Wut wandelte sich wieder in Verlangen. Er umfasste ihn und streichelte mit dem Daumen spielerisch die rosige Brustwarze. Es war als ob Takuto ein Blitzstrahl durchfuhr. Eine Woge sinnlicher Empfindungen durchströmte ihn und ließ ihn aufstöhnen. Koji kostete derweil zärtlich seine Lippen, immer und immer wieder. Dann wanderten Koji’s Lippen, später dann seine Zunge, über seine Kehle hinab zu Takuto’s Brustwarzen. Viel später bedeckte er auch Takuto seine Augenlider, seine Schläfen und wiederum seinen Mund mit zärtlichen Küssen. Sein Kuss wurde immer inniger, so dass Takuto sich mit Leib und Seele nach ihm sehnte. Takuto war so entsetzt über seine Reaktionen auf ihn, dass er ihn nur mit weit aufgerissenen Augen stumm anstarrte. Plötzlich ließ Koji ihn los und setzte sich bequem hin. Seufzend streckte Takuto sich aus. Er fühlte sich plötzlich so kraftlos und fragte sich verwirrt, weshalb der Fremde ihn nicht länger berührte. „Brav! Dein Körper hat also doch schon gelernt nachzugeben. Komm, setz dich auf meinen Schoss.“, forderte er Takuto auf. Da dieser aber nicht auf seine Aufforderung hin folgte, streckte er den Arm aus und zog ihn mit einem festen Griff zu sich hinüber und auf seinen Schoss hinauf. Sein heißer Atem strich Takuto über den Rücken. Dabei war er sich mit jeder Faser seines Körpers Koji’s Nähe bewusst. – Seines Armes, der besitzergreifend um seine Taille lag und ihn daran hinderte aufzuspringen, seiner muskulösen Oberschenkel unter ihm, seiner Brust, als Koji sich zu ihm vorbeugte und mit den Fingern unbeholfen an den übrigen Kleidungsstücken fummelte. „Lass dass! Ich will das nicht! Wer bist du überhaupt? Und was fällt dir ein, mit zu küssen und zu streicheln.“ „Ich bin der, der dir den Brief geschickt hat.“, raunte er ihm zu. „Nein. Der kam von meiner Freundin.“ „Irrtum, der kam von mir, Takuto Izumi.“ Das amüsierte Lächeln war aus Koji’s Gesicht verschwunden. „Wieso hast du den Brief geschrieben?“ „Weil ich dich unbedingt wiedersehen wollte. Es mag egoistisch klingen, aber ich wollte dich haben. ... Erkennst Du mich nicht?“ „NEIIIIINN! Ich erkenn dich nicht und ich will das auch nicht. Lass mich gehen.“ „Bist du dir da ganz sicher?“ Sanft strich er Takuto dabei mit dem Finger über eine seiner Brustwarzen. Takuto entwich ein leises lustvolles Stöhnen. „Siehst du, es gefällt dir. Sieh mich mal genauer an. Wir kennen uns Beide von früher. Aus einer anderen Zeit. Aus einem anderen Leben. Einem Leben vor diesem und doch ist es erst ein paar Jahre her.“ Takuto sah ihn ungläubig an. ‚Was faselte er da? Der spinnt ja. >Aus einem anderen Leben... erst ein paar Jahre her <. Blödsinn.’ „NEIN. Ich kenn dich nicht!“ Koji beugte sich zu ihm hinunter. „Dann sollte ich dich vielleicht erst überzeugen mein zu werden, bevor ich dir sage, wer ich bin.“ Und wieder fuhr er mit seiner Zunge über Takuto’s Lippen, der sie wiederwillig zusammenkniff. „Magst du es nicht? Ist es nicht ein schönes Gefühl?“ „Wir sollten d...“ Sogleich fand Koji’s Mund wieder den von Takuto. „Hmm. Du meinst, wir sollten das nicht tun? Warum nicht?“, unterbrach Koji ihn. Takuto drehte sich alles. ‚Wie kann er nur. Wieso ignoriert er, dass ich ein Mann bin? Wieso?’ Als ob Koji seine Gedanken erriet, während seine Finger weiter versonnen mit Takuto’s Lippen spielten, sagte er: „Es ist mir egal ob du ein Mann oder eine Frau bist, ich liebe dich Izumi. Ich liebe dich schon sehr lange, habe dich in all den Jahren nicht vergessen können. Nur der Wunsch dich wiederzusehen hat mich am Leben erhalten, mich alles ertragen lassen.“ „Am Leben erhalten... alles ertragen lassen...? Wovon redest du da? Was soll das? Ich sagte, ich erkenne dich nicht. Also sprich nicht in Rätseln. Sag mir endlich, wer du bist.“ In dem Moment passte Koji nicht auf und Takuto konnte ihm entwischen. Aber an Stelle wegzulaufen, zog er sich nur an die andere Wand zurück. Um rauszukommen, hätte er an Koji vorbei gemusst, in die andere Richtung. „Das weißt du! Ich bin Koji!“ Koji streckte die Hand aus und wollte wieder näher zu ihm heran rücken. Takuto sah das. Sein Blick gefror fast. Seine Hände gingen abwehrend auf Position. „Komm nicht näher! Bleib wo du bist... und antworte... Koji – wer?“ Koji zog sich für den Augenblick wieder zurück auf den Platz, wo er bis eben saß, nein fast. Ein paar Zentimeter war er dichter. Nur ein paar Zentimeter! „Einfach nur Koji. Wie viele kennst du, die so hießen?“ „Weiß nicht!“ „Denk mal drüber nach. Du kannst doch nicht alles vergessen haben.“ „Hmm...“ Wieder versank er in Koji’s Gesichtszüge. „Und du willst mir wirklich keinen Tip geben?“ Koji sah in seine fragenden Augen. Dieser Blick. Dieser intensive und doch zu gleich ängstlich beobachtende Blick faszinierte ihn noch mehr. Ließ die Hitze in ihm wieder aufsteigen und er befürchtete, dass er noch bevor Takuto herausbekam, wer er wirklich war; er erneut über ihn herfallen und dann nicht mehr aufzuhalten war. Er krallte seine Nägel in die Matte, dass ihm die Finger schmerzten. Er musste Takuto Zeit geben oder es könnte sein, dass er ihn verliert. „Nein, noch nicht!“ Unsicher klang es, als er es als Antwort auf Takuto’s Frage sagte, unsicher weil es eigentlich seinen Unausgesprochenen Gedanken galt. Mehr für sich selbst bestimmt, als für ihn. „Hmm, ich weiß nicht... ich kannte... hmm...“ „JAA?? Weiter...“ Koji’s Augen funkelten vor Freude. Er schien sich zu erinnern. Hatte ihn also doch nicht ganz vergessen. ‚Aber warum zögerte er?’ „Nein... das ist unmöglich!“ „Was ist unmöglich?“ Der Glanz der eben noch seine Augen erstahlen ließ, verschwand und statt dessen sah Takuto wieder Traurigkeit. ‚Verzweiflung? Nein, dass kann nicht sein.’ „Na ja, einen Augenblick dachte ich an den Koji, mit dem ich ein paar Jahre - als ob wir Brüder wären - aufgewachsen war... hmm...“ „Und... warum nur einen Augenblick?“ „Er... er ... lebt nicht mehr... ist... tot.“ „WAAAAAAAAAS? Wieso tot?“ „Am Tag als meine Eltern starben, war es das letzte Mal, dass ich ihn sah.“ „Das letzte Mal...“ Koji senkte den Kopf. Die Erinnerung an diesen Tag tauchte wieder auf. Er war dabei gewesen, hatte alles mit angesehen. Den Anschlag mit erlebt und wie ein Wunder unbeschadet überlebt. Aber durch die Zeit danach hatte er die Bilder verdrängt, sie vergessen. Deshalb sah er wohl nur noch Takuto in seinen Träumen. Er wollte sich an die Eltern nicht erinnern wie sie starben, sondern wollte sie ursprünglich so in Erinnerung behalten, wie er sie vor diesem Tag kennen gelernt hatte. Er hatte alles vergessen... alles, was an diesen folgenschweren Tag erinnerte... alles, was ihn von dort wegbrachte... alles - außer Takuto! „NEEIIN!!!!!!!! Ich bin nicht tot. Ich lebe! Ich lebe! Hörst du – ich lebe! Lebe nur deinetwegen noch... nur deinetwegen noch...“ Seine Stimme wurde immer leiser, verzweifelter. Die letzten Worten klangen, wie ein Bestätigung für sich selbst... ein Flüstern... von Tränen erstickt. „WAAAAAS?? DU BIST....“ Takuto schluckte. „A- Aber sie sagten doch... Sie haben versucht... Sie konnten Dich nicht finden. Nein, dass ist nicht wahr, du bist nicht Koji. Sie haben uns allen gesagt, du seiest tot! Wir haben daraufhin nicht weiter gesucht... Das ist nicht wahr... Du benutzt nur seinen Namen... Du kannst es nicht sein... Nein niemals... dann wäre alles nur...“ „Doch... ich bin der Koji, den du kennst... Der eines Tages bei euch abgegeben wurde, ängstlich, weil der fremde Mann mir gedroht hatte, wenn ich nur ein Wort sage, dass er nicht mein Vater sei, prügelt er mich grün und blau. Der mit dir und deiner Familie jahrelang glücklich zusammengelebt hat. Ich fühlte mich bei euch wohler, als bei meinem leiblichen Vater. Ich fühlte zum ersten Mal, dass ich nicht allein war. Hatte Kinder um mich herum, nicht nur Erwachsenen und Kampfwütige. Wurde nicht zum Klavierspielen gezwungen, sondern konnte spielen, wenn es mir Freude machte. Kein Zwang. Kein Müssen. Ich wollte nie wieder von euch weg... doch an... er fand mich an dem schlimmsten Tag meines Lebens. An dem Tag den ich immer verflucht hab... Er holte mich aus eurem Haus... und nahm mich mit... mit in ein Leben... Ein Leben? Nein, DAS war KEIN Leben! Nur ein einziger Überlebenskampf. Nur der Gedanke an deine Familie ... an ein Leben, was ich bei euch kennen lernen durfte... nur das hielt mich am Leben... du hieltst mich am Leben... du... nur du...“ Wieder ein Schluchzen... wieder neue Tränen... sie wollten nicht abbrechen. Was Katsumi in all den Monaten nicht aus ihm herausbringen konnte, löste sich jetzt. Die Erinnerungen überfielen ihn, als ob sie nur auf diesen Moment gewartet hatten. Bahnten sich einen Weg an die Oberfläche, sprengten das kleine Loch, dass sich auf tat, als er die Izumi’s wiedersah. Das er für immer verschließen wollte. Quollen daraus hervor, als ob sie es darin nicht länger aushalten könnten. Er brach zusammen. Saß da wie ein zitterndes Bündel Elend, hatte all seine Selbstbeherrschung verloren. Es war egal, wenn Izumi ihn so sah, weiter war niemand hier, vor dem man sich verstecken musste. Er legte seine Arme fest um seinen Körper, um sich vor der Kälte, die in ihm aufstieg zu schützen und doch wurde ihm nicht wärmer. Nein, die Kälte fraß ihn auf. Wie gerne hätte er jetzt Takuto so engumschlungen in seinen Armen gehalten. Aber... Takuto glaube ihm nicht, wer er war. Oder wollte nicht glauben, wer er war? Aber wenn er nicht Koji war, wer war er dann? Wieso hatte er diese gemeinsamen Erinnerungen mit ihm? Er musste Koji sein... oder doch nicht? Mussten sich jetzt auch noch zu allem diese Zweifel in ihm breit machen? Waren die Erinnerungen nicht schon stark genug. Fraßen sie ihn nicht schon auf? Takuto sah und hörte was Koji sagte und danach tat. Sah die Veränderungen die in ihm aufstiegen. Konnte die Angst und Verzweiflung in seinem Gesicht erkennen. Hätte ihn am liebsten in den Arm genommen und ihn getröstet. ‚Aber war das nur Show oder war es echt? Was, wenn es nur Show war, um an ihn heran zu kommen? Würde er dann erneut über ihn erfallen, ihn küssen, bis er die Kontrolle über seinen Körper verlor und es dann vielleicht schamlos ausnutzen, dass er nicht in der Lage war sich zu wehren. Oder war es echt. Echte Angst. Echte Verzweiflung. Dann allerdings brauchte er Hilfe. Und weit und breit war niemand zu sehen. Sie schliefen sicher schon alle. Nur er könnte ihn dann noch beruhigen, bevor er vielleicht in dem Zustand auf dumme Gedanken kam und ins Wasser ging oder so.’ Vorsichtig stand er auf, um sich ihm zu nähern. Doch Koji verstand es falsch. Er dachte er wolle gehen, sich aus dem Staub machen, ihn in seinem Kummer verlassen. Ihn allein lassen. Allein wie er all die Jahre war. Nein, er wollte nie wieder allein sein. Etwas bäumte sich in ihm auf, er riss sich zusammen. Angst und Verzweiflung ließen erneut seine Kräfte erwachen, stärkere Kräfte... Er hielt ihn fest und klammerte sich völlig verzweifelt an ihn, nicht bemerkend, das er Takuto damit sehr weh tat. Das er ihm seine Fingernägel in den Rücken bohrten, aus Angst verlassen zu werden. Er zitterte stärker als vorher und Takuto bemerkte es. Beruhigend sprach Takuto eine ganze Weile auf ihn ein, während er die Schmerzen stillschweigend ertrug. Versicherte ihm, dass er nicht weg gehen würde und bat Koji, ihn nicht so fest zu umklammern. Koji sah ihn mit tränenverhangenden großen Augen an, lockerte etwas den Griff. Takuto konnte seine Arme befreien und legte sie um Koji. Dieser kuschelte sich augenblicklich an ihn, schutzsuchend wie ein kleines Kind. Erst saßen sie so eine ganze Weile. Takuto wiegte Koji in seinen Armen. Dieser schluchzte immer wieder, während die Tränen seine Wangen hinunterliefen. Dann fing er an zu erzählen, was so in den Jahren passiert war, die sie von einander getrennt waren. Wie sehr er sich nach ihrem gemeinsamen Zuhause zurückgesehnt hatte. Drei geschlagene Stunden erzählte Koji. Er redete sich alles mögliche von der Seele, in der Hoffnung Takuto könnte ihn dadurch besser verstehen. Anschließend löschten sie gemeinsam die Kerzen und gingen zurück ins Haus. Vor Koji’s Zimmer trennten sie sich. Wünschten sich gegenseitig eine GUTE NACHT und während Koji mit einem sehnsüchtigen Blick auf Takuto in seinem Zimmer verschwand, suchte Takuto sein Gästezimmer auf. *** Es war eigentlich schon tiefe Nacht. Doch Takuto konnte nicht schlafen. Viele Fragen geistern ihm durch den Kopf und so beschloss er wieder hinaus zu gehen, um frische Luft zu schnappen. Dabei musste er jedoch erneut an Koji’s Tür vorbei; blieb einen Moment stehen und sah in Gedanken noch mal, was im Pavillon passierte. Seine Hand ergriffen automatisch die Klinke. Am liebsten würde er ihm jetzt gleich all die Fragen stellen, die ihm durch den Kopf schossen. Aber am meisten interessierte ihn die Frage nach dem: warum er? Viel hatte Koji ihm erzählt. Sehr viel. Mehr als er je an einem Tag früher von ihm gehört hatte. Auch über die schlimmste Zeit seines Lebens, welche ihm das grausame Schicksal beschert hatte. Wie Katsumi ihn dann befreit hatte und sich seitdem Tag um ihn gekümmert hat. Aber nicht, warum er sich so ihm, Takuto gegenüber, verhalten hatte. Doch dann besann er sich, dass es schon spät war, dass Koji nach seinem nervlichen Zusammenbruch sicher etwas Ruhe nötig hatte. Er ließ die Klinke los und ging hinunter in den überdachten Wintergarten. Koji indes, hatte genau bemerkt, dass jemand draußen stand. Er lag schon die ganze Zeit wach und grübelte darüber nach, ob er Takuto nun für immer verloren hatte. Inzwischen hatte er sich wieder beruhigt. Die Tränen waren versiegt. Er hätte mit ihm zuerst sprechen sollen, statt ihn gleich zu bedrängen. Die Einsicht kam spät, aber sie kam. Er hatte Angst einzuschlafen, nachdem all die Erinnerungen heute Abend wieder aufgetaucht waren, fürchtete er sich vor seinen Träumen. Wenn Takuto doch reingekommen wäre... Wenn er doch heute Nacht bei ihm geblieben wäre... Wenn er doch mit ihm das Bett geteilt hätte und seine Nähe hätte spüren können... dann hätte er vielleicht auch einschlafen können. Aber so... Er lag wach im Bett. Hände unter dem Kopf verschränkt. Er hört das Zögern vor seiner Tür ... wusste instinktiv wer da war, war aber wie gelähmt. Sogar sein Atem hatte für einen Moment ausgesetzt. Er konnte sich nicht rühren, ihn nicht rufen. Dann... war es zu spät. Die Schritte entfernten sich.
Ganz früh am nächsten Morgen nahm Takuto seine Badesachen und ging zum Privatstrand hinunter. Auch jetzt fühlte er sich irgendwie beobachtet. Immer wieder sah er zu dem dichten Gestrüpp, konnte aber nichts entdecken. „Angsthase, wer sollte dich hier schon beobachten und dann noch um die Zeit. Die schlafen sicher alle noch.“, murmelte er vor sich hin. ‚Na ja, vielleicht auch nicht alle.’, schaltete sich eine Stimme in seinem Hinterkopf ein. ‚Schließlich will meine Familie ja nachher einen Ausflug in die Umgebung machen. Aber von denen rennt jetzt bestimmt noch keiner hier rum.’ Um seine Unruhe abzureagieren, schwamm er diesmal weit hinaus. Weiter als sonst, wenn er hier war. Soweit, dass er vom Wasser aus die stufenartige Anlage mit dem Haus und auch den Park mit dem Pavillon erblicken konnte. Kurz darauf tauchte jemand neben seinen Sachen auf. Er konnte in der blendenden, aufgehenden Sonne nur eine Silhouette erkennen und diese winkte ihm zu. Doch er ignorierte es und schwamm noch weiter hinaus, weil er über den Vorfall vom gestrigen Abend nachdenken wollte. Vor allem über die Frage, wie es nun weitergehen sollte. Wie er selbst zu Koji stand und wie er sich ihm gegenüber verhalten sollte, wenn sie alleine waren. Wie konnte er Koji das ausreden? Sollte er alles vergessen was war? Konnte er das überhaupt? Und vor allem was würde seine Familie dazu sagen, wenn heraus käme, was im Pavillon passiert ist. Noch immer hatte er keine Antworten auf seine Fragen. Er fühlte sich müde und erschlagen, nachdem er die restlichen Stunden der Nacht auf einer Bank schlafend, im Wintergarten verbracht hatte und erhoffte sich, dass es ihm durchs Schwimmen wieder besser geht. Irgendwann drehte er erneut den Kopf und sah zurück. Die Gestalt hatte sich neben seine Sachen gesetzt und es sah nicht so aus, als ob sie wieder gehen wollte, bevor er nicht aus dem Wasser heraus war. Er wusste, dass er bald zurück musste, da er nicht länger gegen die Strömung anschwimmen konnte. Seine Kräfte ließen nach. ‚Was wäre, wenn ich ihm...’ Plötzlich schluckte er Wasser. Er hatte die Welle nicht kommen sehen, die das Motorboot verursachte, dass unweit an ihm vorbeirauschte. Hilflos ruderte er mit den Armen um sich und schnappte nach Luft. Panik überfiel ihn, als er feststellte, dass er erschöpfter war, als er selbst gedacht hatte. Das Ufer war so weit weg, das Boot hatte ihn nicht einmal bemerkt... Er versuchte sich treiben zu lassen, aber die Strömung war zu stark und würde ihn in die falsche Richtung abtreiben, ein Stück weiter abwärts, kam ein kleiner Wasserfall. Das wusste er noch, da Katsumi ihm den vor drei Jahren gezeigt hatte, als er das erstemal mit Minako zusammen hier war. Koji der neben Takuto’s Sachen am Ufer saß, sah das scheinbar etwas mit ihm nicht stimmte. Er lief zum Bootssteg, sprang in das Motorboot, warf den Motor an und fuhr zu Takuto. Da Katsumi gerade erst vor einer halben Stunde zurückgekommen war, hatte er den Schlüssel noch stecken lassen, während er beim Ausladen war. Bei Takuto angekommen, stoppte er, hechtete ins Wasser um Takuto, der gerade unterging aus dem Wasser zu fischen und ins Boot zu schieben. Dann sank er erschöpft neben ihn im Boot nieder. Nur Sekunden später hatte er wieder genug Luft um nach Takuto zu sehen. Der versuchte gerade krampfhaft das Wasser, dass er in die Lunge bekommen hatte, heraus zu husten. „Was machst Du nur? Ich hatte wirklich Angst um dich. Versprich mir, dass Du nie wieder so weit rausschwimmst.“, sagte er und umarmte ihn dabei. „Ich sah.. das.. Boot nicht...“, kam nur eine kläglich klingende Antwort, während Takuto weiter nach Luft rang. Wieder am Ufer angekommen, ließ er es sich nicht nehmen. Takuto hochzuheben und ins Haus zu bringen, obwohl dieser lautstark ablehnte und sagte, dass er selber laufen kann. Er zappelte unruhig hin und her, bis Koji sagte „Du solltest dich erst einmal ausruhen und nicht überanstrengen. Und jetzt bleib ruhig, sonst lass ich dich gleich fallen.“ Ohne ein weiteres Wort ging er direkt auf das Haus zu, durch die Eingangstür die weit offen stand und die breite Treppe hinauf. Als er ihn auch noch die letzte Treppe hinauf bringen wollte, wurde ihm langsam die Luft knapp. „Lass mich endlich runter oder willst du, dass wir beide stürzen.“ „Nein, natürlich nicht.“ Er setzte ihn ab und sie standen noch eine Weile nebeneinander und blickten sich stumm an. „Danke, dass du mich rausgeholt hast.“ Ihm wurden schon wieder die Knie weich, aber er riss sich zusammen. Er wollte Koji nicht zeigen, wie erschöpft er wirklich war. „Hmm.. war doch selbstverständlich.“ Er beugte sich ihm entgegen und flüsterte ihm ins Ohr. „Ich brauche dich. Ich liebe dich, da werde ich doch nicht zusehen, wie du vor meinen Augen absäufst.“ Dann zog er sich von seinem Ohr zurück und schenkte ihm ein bezauberndes Lächeln, als er bemerkte das sich Takuto’s Gesichtsfarbe in ein helles Rot verwandelt hatte. Takuto senkte verschämt den Blick. Da seine Familie bis zum Nachmittag einen Ausflug unternommen hatte, waren sie beide allein im Haus. (Katsumi lief irgendwo draußen umher.) Takuto hatte gestern abgelehnt mit ihnen zu fahren, da er eigentlich gehofft hatte, mit Minako was unternehmen zu können. Doch der gestrige Abend war anders gelaufen als geplant. Er hätte sich seiner Familie ja heute früh noch anschließen können, tat er aber auch nicht, sondern beschloss stattdessen darüber nachzudenken , was passiert war. Seine Gedanken ordnen und wieder Ruhe in sein aufgewühltes Gemüt bringen, dass hatte er eigentlich vor gehabt. Nun aber stand er unschlüssig mit Koji hier auf der Treppe. Das war eigentlich nicht seine Absicht, denn Antworten hatten er auch jetzt nicht auf die Frage was weiter passieren soll. „Ach ja, beinahe hätte ich es vergessen... Letzte Nacht... Wenn du das nächste Mal nachts in mein Zimmer willst, brauchst du nicht davor zu stehen und dann wieder zu gehen... Komm einfach rein, egal wie spät es ist, ja?“ „ICH?“ „Ja, für dich ist meine Tür immer offen. Tag und Nacht.“ „Koji...“ „Komm geb’ dir schon ’nen Ruck.“, grinste er ihn an. „Was wolltest du?“ „Koji... ich... ich suchte nur Antworten.“ „Antworten? Worauf?“ „Warum? Warum wolltest du...? Warum hast du im Pavillon...“ „Ich liebe dich. Ist das nicht Antwort genug.“ „...“ Plötzlich wurde er aufgeschreckt. Katsumi rief Koji, den er überall schon verzweifelt gesucht hat. Koji sah Takuto bedauernd an. „Kommst du klar?“ „Ja“ , war die knappe Antwort. Koji drehte sich um und lief die Treppen hinab. Dann... war er weg. Takuto atmete erleichtert auf. ‚Was nun?’ Nachdem er sich in seinem Zimmer ein Weilchen erholt hatte, schlenderte er alleine durch den Park. Katsumi hatte währenddessen Koji mit Aufgaben, für das Fest das am Nachmittag und am Abend stattfinden sollte, betraut. Er würde kaum Zeit haben, um ihm wieder aufzulauern. Takuto sog den frischen Duft der Bäume ein. Immer tiefer ging er in den Park hinein, weg vom Haus, weg vom Pavillon, in entgegengesetzter Richtung. In den Bäumen hingen für den Abend bereits die Lichterketten, überall standen Baldachine, lange festlich gedeckte Tische, geschnitzte Holzstühle, bequeme Sitzgruppen und auch Hollywoodschaukeln darunter. Aber Takuto schritt ziellos weiter, um in einen ruhigeren Teil des Parks zu kommen und sich dort unter einem großen alten Baum auf einer Bank niederzulassen. Die Ruhe tat gut. Er entspannte sich. Nach einer Weile schlief er durch das sanfte Rauschen des Windes, in den Ästen des Baumes über ihm, ein. *** Das Fest das Katsumi gab, hatte begonnen. Die Halle und auch die Räume waren mit Blumen geschmückt, durch die geöffneten Fenster drang der Duft unzähliger Rosen hinein. Viele Leute hatten sich in festlichem Gewand bereits in den Garten begeben oder hielten sich in der großen Halle auf, in der ebenfalls zum Tanz aufgespielt wurde und wiegten sich bereits nach der Musik. Plötzlich ging die Tür auf. Und ein junges Mädchen mit einem Lächeln, dass allen den Atem nahm, betrat die Halle. Sofort herrschte absolutes Schweigen. Sogar die Musiker hatten für ein paar Sekunden aufgehört, um die Hereinkommende anzustarren. Sie trug ein mitternachtsblaues Kleid, welches sich betont an ihren Körper anschmiegte. Mit einem Lächeln entschuldigte sie sich für ihr spätes Erscheinen. Doch Koji, dessen Tischdame sie sein sollte, hatte nur noch Augen für sie. Takuto sah es und seine Augen wurden traurig. Er musste während des Essens fortwährend Koji’s Anblick ertragen, da er seiner Tischnachbarin genau gegenüber saß. ‚Erst verführst du mich, bringst meinen Verstand und meine Gefühle durcheinander, und nun bin ich schon uninteressant für dich. Was bist du nur für ein Mensch, Koji - oberflächlich, lasterhaft, selbstsüchtig. Es war bestimmt nur eine Gefühlsaufwallung von ihm. Er hat es nicht ernst gemeint mit mir, gestern Abend – heute früh. Nichts weiter als eine romantische Stimmung oder ein Anflug von Leidenschaft der durch die Wiedersehensfreude oder Ähnlichem, dass nichts mit Liebe zu tun hatte, ausgelöst wurde. Worte sind schnell ausgesprochen, aber ernst gemeint, kann er sie nicht haben. Wenn er schon im nächsten Augenblick, einem Rock hinterher rennt.’ Er drehte sich um, nickte seiner Schwester - die neben ihm saß - kurz zu, stand auf und verließ den Saal. Hinter sich das Raunen der Leute hörend, die dieses Verhalten nicht verstehen konnten. Koji’s Augen in seinem Nacken. Er wollte endlich Ruhe in seine Gefühle einkehren lassen. Seine Gedanken sammeln, nachdem er am Vormittag auf der Bank eingeschlafen war. Auch sollte niemand bemerken wie sein Gesicht vor Zorn immer mehr Farbe annahm. Kurz nachdem Takuto aufgestanden war, hob Katsumi die Tafel auf. Auch er hatte das seltsame Verhalten seines jungen Gastes bemerkt. Takuto zog sich sogleich vom Fest zurück, auf sein Zimmer. Er konnte den Anblick von Koji einfach nicht mehr ertragen. Wäre er im Saal geblieben, hätte Koji ihn sicher in wenigen Minuten wieder belagert. Immer wieder sah er die Szene im Pavillon vor sich. Immer wieder hörte er seine Stimme, wie sie ihm zärtliche Worte ins Ohr flüsterte. Wieder war ihm so, als ob er Koji’s Finger, seine Lippen und seine Zunge auf seinem Körper spürte. Er legte seine Arme fest um sich, lehnte sich von innen gegen seine Tür und schloss die Augen. ‚Und doch war alles nur Lüge’, sagte er sich. ‚Es kann nicht anders sein, schließlich bin ich ein Mann und er natürlich auch. Das kann nicht gut gehen,’ dachte er weiter. ‚Es ist völlig normal, dass er sich zu dieser jungen Frau hingezogen fühlt und ihr seine ganze Aufmerksamkeit schenkt.’ Plötzlich klopfte es. Takuto erschrak. Er drehte sich um und öffnete die Tür. Da stand Serika. „Takuto, Mutter schickt mich. Was ist los? Du kannst nicht so einfach aufstehen und gehen. So was macht man nicht.“ „Ich weiß.“ „Kommst du wieder mit runter?“ „Gleich. Noch einen Moment... Ist Minako inzwischen da?“ „Nein, sie kommt heute auch nicht mehr. Sie musste kurzzeitig mit ihren Eltern verreisen. Aber du kannst doch mit mir tanzen. Tust Du das?“, bat sie ihn. Er nickte ihr zu. Gemeinsam gingen sie hinunter und durchschritten die Tür zur Tanzfläche auf der Terrasse. Während sie tanzten, konnte er Koji für ein paar Minuten vergessen. Bis... Ja, bis er selbst auch auf der Tanzfläche erschien. Immer noch klammerte dieses Mädchen an Koji, von der Takuto gar nicht wissen wollte, wer sie war. Eins war sicher, sie war jünger als er und hatte langes schwarzes offenes Haar, länger als Koji seins. Das dunkle Kleid ließ sie auf den ersten Moment älter erscheinen, als sie wirklich war. ‚Nein ich will nicht mehr daran denken. Alles war nur Lüge.’ Er wollte ihn nicht länger sehen, der Anblick war ihm unerträglich. „Serika, lass uns für einen Moment aufhören. Kommst du mit in den Park? Ich brauche ein bisschen Luft.“ „Aber Takuto wir sind doch schon draußen...“ Dann lief sie ihrem Bruder nach, der sie einfach stehen gelassen hatte und ging. „Okay Takuto, ich komme mit.“ Er bot ihr seinen Arm. Sie hackte sich bei ihm – ganz Dame – ein und lehnte sich an ihn. Vorbei ging es an den anderen Gästen. ‚Kann es sein, dass ich für ihn was empfinde? Quatsch, ich war nur zu überrascht von seinen Verführungskünsten. Er hat mich einfach übertölpelt. Mich überrollt wie eine Lawine. Bin ich vielleicht eifersüchtig? NEIN! WAS DENK ICH DENN DA. Das kann nicht sein. Was hat er nur mit mir angestellt? Aber auch so was mit mir zu machen.’ Takuto versteifte sich. Serika blickte verwundert auf. „Hast du was?“ Koji der nach langem Suchen Takuto mit Serika auf der Tanzfläche erspäht hatte, führte seine Tischdame eigentlich nur dahin, um Takuto nah zu sein, ihm im Auge zu haben. Als dieser jedoch scheinbar wieder einmal fluchtartig Reißaus nahm, folgten seine Augen ihm aufmerksam, bis er aus seinem Sichtfeld verschwand. ‚Warum geht er, wo ich ihn endlich gefunden habe? Flieht er vor mir?’ „Nein es ist alles in Ordnung, Schwesterchen.“ „Takuto? Das glaube ich dir nicht. Dazu müsstest du etwas mehr versuchen, nicht so bedrückt auszusehen. Was ist los mit dir? Alles feiert, ist fröhlich und du ziehst schon den ganzen Tag ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter.“ „Hmmm.....“ Serika sah mit großen Kulleraugen auf ihren Bruder. Da er aber keine Anstalten machte sich weiter mit ihr zu unterhalten, ließ sie ihn stehen und eilte zu den Tanzenden zurück. Takuto hingegen setzte sich etwas abseits vom Trubel auf eine etwas versteckt liegende Bank, die sich zum Eingang eines angelegten Labyrinthes aus lauter meterhohen Hecken befand, welches er am Vormittag entdeckt hatte und starrte hinauf auf die schmale Mondsichel, die langsam durch Wolken verdeckt wurde. Als sie verschwand, schloss er seine Augen. Aber er sollte nicht lange alleine bleiben. Koji’s Tischnachbarin, war längst wieder gegangen, damit ihre eigene Familie sie nicht vermisste. Langsam näherte Koji sich von hinten der Bank, um ihn nicht zu verschrecken. Erstaunt riss er die Augen auf. Tränen stiegen Takuto in die Augen und obwohl er sie geschlossen hielt, stahlen sie sich unter den Lidern hindurch und bahnten sich ihren Weg ins Freie. Takuto schluckte und doch versuchte er zu lächeln, als er Koji plötzlich ansah. Er hatte seine Gegenwart gespürt und sah es als sinnlos, schon wieder vor ihm fliehen zu wollen. Koji schloss ihn tröstend in die Arme. Takuto schluckte erneut, gewann aber schließlich seine Selbstbeherrschung zurück und machte sich von Koji frei. Er drehte sich auf der Bank so, dass er ihm in die Augen sehen konnte. „Warum bist du hier? Warum nicht bei dem Mädchen?“ „Welches Mädchen?“ „Tu doch nicht so! Du weißt ganz genau von wem ich rede. Von deiner Tischnachbarin.“ „Auch so. Die ist schon nach Hause.“ „Ach, und da hast du dich an mich erinnert, dass ich auch noch da bin. Ja?“ „Izumi...“ Koji riss ihn wieder in seine Arme und drückte ihn enger - als beim erst mal - an sich. „Das war meine Schwester.“ „Deine WAS?“ Takuto löste sich von ihm und Koji gab ihn frei. Takuto sprang auf und stand Koji direkt gegenüber. Die Bank nun zwischen ihnen. „Meine jüngere Schwester Nadeshiko.“ „Du hast eine Schwester?“ „Ja, Katsumi hatte Erkundigungen eingezogen, über mich und meine Familie, als er mich herbrachte. Er erzählte mir auch, dass ich noch eine jüngere Schwester habe, und hat ihr von mir erzählt. Dann hat er sie hierher eingeladen und uns so das Treffen ermöglicht, ohne dass meine ehemalige Familie was davon mitbekommt. Es sagte nur, dass es besser so sei. Nicht aber warum. Und ich solle sie nicht über die Familie ausfragen. Deshalb eigentlich das Fest.“ „....“ Takuto starrte ins Leere. „Izumi, an was denkst du?“ „An dich.“, erwiderte Takuto, ohne seinen Blick von der Ferne zu lösen. „Du denkst an mich.“, wiederholte er, zog ihn an sich und küsste ihn auf die Wange. „Mein Ein und Alles... wie schön, dass ich dich wieder gefunden hab.“ „Koji, ich muss in zwei Tagen zurück.“ Er sah sehr bedrückt aus. „Das kannst du mir nicht antun – Izumi – mein Liebling!“ Koji riss ihn fest in seine Arme. „Bleib hier. Verlängere Deinen Aufenthalt.“ „Auch der geht wieder zu Ende.“ „Daran will ich nicht denken. Bis dahin wissen wir, wie es weiter geht.“ „Nein, ich fahre. Ich hab es meinen Eltern schon gesagt.“ Damit befreite er sich erneut aus seinen Armen und ging. Koji stand wie vom Blitz getroffen, nur seine Augen folgten Izumi, der sich immer weiter entfernte, bis er im Haus verschwand. Die Tür schloss sich hinter ihm und bei Koji löste dies eine Angst aus. Eine unbeschreiblich große Angst. Was er gerade gefunden hatte, drohte er schon wieder zu verlieren. ‚Warum? Warum nur? Deine Familie bleibt doch auch noch? Warum willst du gehen?’ Takuto legte sich so wie er war auf sein Bett, legte seinen rechten Arm über die geschlossenen Augen, wobei er seinen Kopf auf seiner linken Hand ruhen hatte und wollte an nichts mehr denken. Er zwang sich förmlich andere Gedanken auf, aber sie taten ihm nicht den Gefallen. Immer wieder schweifte sein Geist ab und er sah Koji’s Gesicht, dessen Lippen tonlos Koseworte hauchten oder hörte seine Worte wie aus einer anderen Dimension kommend. Wenig später folgte Koji ihm langsam. Der Schritt schleppend. Im Saal konnte er ihn nirgends entdecken. Da traf er auf Katsumi. „Was ist los, Koji?“ „Hast Du Izumi gesehen?“ „Welchen meinst du?“ „Takuto“ „Dacht’ ich’s mir doch. Der ist vorhin die Treppe hoch. Ich denke er ist vielleicht auf seinem Zimmer.“ „Danke Katsumi. Ich leg mich dann hin. Gute Nacht.“ Damit drehte er sich um und lief beschwingt die Treppe hinauf. Katsumi sah ihm erstaunt nach. „Was? Du legst dich hin? Ich glaub mein Schwein pfeift. Das sieht aber nicht nach Müdigkeit aus.“ Plötzlich klopfte es an der Tür von Takuto’s Zimmer. „Wer ist denn da?“, rief er ohne die Augen zu öffnen. Keine verständliche Antwort, nur ein Gemurmel war zu hören. „Kommen Sie herein! Es ist offen.“ Koji trat ein und schloss die Tür hinter sich. Da lag sein Izumi voll bekleidet auf dem himmelblauen Bett, wie in Wolken gepackt. Als Takuto noch immer nicht hörte, was der Besucher wollte, öffnete er die Augen und fuhr erschrocken hoch. Vor seinem Bett, genau zu seinen Füßen stand Koji und hielt eine Flasche und 2 Gläser in der Hand. „Wie wäre es mit einem Glas Champagner, vor dem Schlafen gehen?“ fragte er mit einem unschuldigen Blick und einem Augenaufschlag, der Takuto’s Herz bis zum Hals schlagen ließ. „Aber nur wenig für mich.“ Koji’s Herz hüpfte Saltos. Er hatte schon befürchtet rausgeschmissen zu werden. Doch das, klang wie die Erlaubnis zum Bleiben. Eifrig ging er zum Tisch um die Flasche zu öffnen und die Gläser zu füllen. Dann nahm er sie und brachte sie zum Bett. Takuto hatte sich inzwischen aufgesetzt und an die Rückwand gelehnt. Als Koji ihm sein Glas hinhielt, nahm Takuto es ihm ab. „Du bist doch nicht nur wegen dem Champagner hier, oder?“ „Nein.“ „Also warum dann?“ „Ich wollte mit dir reden. Dich überreden, dass du noch bleibst, Izumi.“ „Hmm. Ich bleib dabei, ich fahre in zwei Tagen. Da gibt es nichts zu bereden.“ „Aber ich liebe dich...“ „Du hast mir immer noch nicht meine Fragen beantwortet. Wieso ich? Warum? „Ich... Du warst mein bester und einziger Freund, der einzige Mensch den ich nie vergessen konnte. Ich habe lange versucht dagegen anzukämpfen, konnte mir selbst nicht erklären, wieso ich immer wieder nur dein Bild vor den Augen hatte. Und doch war es so. Und es ist auch jetzt noch so. Ich liebe dich und ich will nur dich. Nur dich, Izumi!“ Er nahm ihn in die Arme und Takuto spürte wie heiß seine Haut war und er sah einen fiebrigen Glanz in Koji’s Augen. Seine Augen füllten sich mit Tränen. „Nein Koji, nein es darf nicht sein. Hörst du. Ich weiß nicht einmal, ob ich dir glauben soll. Übrigens... ich werde Minako heiraten.“ „WAS? NEIN, das darfst du nicht. Du gehörst mir. Hörst du? Nur mir! Mir ganz allein. Ich will dich nicht hergeben. Nie wieder.“ „Lass mich los, Koji. Es ist so am Besten. Glaube mir. Es ist vorbei. Vergiss mich oder behalte mich als Freund in guter Erinnerung, als Bruder.“ „Als Bruder? Du bist aber viel mehr für mich! Ich sagte dir doch Takuto: ICH LIEBE DICH!“ Takuto zuckte nur mit den Schultern, stand auf und ging ans Fenster, stellte auf dem Weg dahin sein Glas zurück auf den Tisch. Dort blieb er stehen bis Koji mit hängenden Schultern und zutiefst betrübt das Zimmer verließ. Der Champagner und die beiden Gläser blieben auf dem Tisch zurück. Obwohl er eigentlich noch zwei Tage bleiben wollte, reiste Takuto schon am nächsten Tag alleine ab. Seine Familie war sehr erstaunt darüber, blieb aber doch noch die kommende Woche.
Koji fühlte sich müde, matt und zerschlagen, wie schon lange nicht mehr. Katsumi glaubte schon seine Erinnerung hätte ihn wieder eingeholt, begriff dann aber, das es was anderes sein musste, da Koji selbst in den ersten Tagen, hier bei ihm, nie so schlimm ausgesehen hatte. Er machte sich ernsthaft Sorgen um ihn und wusste doch nicht, was mit ihm los war. Er bemerkte nur, dass er seit dem Fest nicht mehr vernünftig gegessen hatte und den Augenrändern nach zu urteilen, auch kaum mehr schlief. Dazu kam seine ziemlich blasse Hautfarbe. Ihm war abwechselnd entsetzlich heiß, dann fror er vor Kälte. Am darauffolgenden Tag war das Fieber so hoch, dass er in die Klinik musste. Die Horiuchi’s beschlossen daraufhin ihren Besuch abzubrechen und nach Hause zurück zukehren, damit Katsumi sich nicht noch um seine Gäste kümmern musste. Kaum waren sie zu Hause angekommen, erklärten sie den erstaunten Takuto, ihre frühe Abreise. Als Takuto hörte, dass Koji erkrankt sei und sich im Krankenhaus befindet, war er im ersten Moment sehr erstaunt. Er konnte sich das nicht vorstellen. In der darauffolgenden Nacht schlief er schlecht. Immer wieder musste er an Koji denken und schreckte schweißgebadet aus seinen Träumen hoch. Am nächsten Morgen war er entschlossen in die Klinik zu fahren. Der Weg kam ihm unendlich lang vor. Die Minuten erschienen ihm wie Tage. Endlich war er im Krankenhaus, von dem seine Eltern gesprochen hatten, angekommen. TROPENMEDIZIN stand draußen dran. ‚Er wird sich doch nicht auf der Reise, die er mit Katsumi gemacht hatte, was eingefangen haben? Die Reise war doch schon so lange her? Waren sie nicht schon seit einigen Wochen zurück?’ An der Klinik-Info hatten sie ihm die Zimmernummergesagt. Koji lag im 5. Stock. Ein Fahrstuhl war aber gerade nicht da und da sie sich beide gerade ganz oben befanden und er nicht solange warten wollte, nahm er die Treppe – immer zwei Stufen auf einmal. Als er oben ankam, brauchte er einen Moment Luft. Dabei sah er sich nach Koji’s Zimmernummer um. 588 – da war sie. Seine Füße waren plötzlich wie Blei. Schleppend langsam steuerte er auf das Zimmer zu, wartete einen Moment. Sah nach rechts und links, ob weitere Leute auf dem Flur waren. Nein. Er war allein. Er atmete tief ein und klopfte. Von drinnen, hörte er: „Herein!“ ‚Katsumi!! Das war seine Stimme.’ Takuto drückte die Klinke herunter und öffnete die Tür. „Hallo Takuto! Du hier?“ „Hallo Katsumi. Meine Familie sagte mir, dass Koji im Krankenhaus ist, und so wollte ich selbst nach ihm sehen. Wie geht es ihm?“ Dabei warf er einen Blick auf Koji. Er war von allen möglichen Geräten und Infusionsständern umgeben. Koji hatte die Augen geöffnet und starrte an die Decke. Sein Blick war leer, als ob er sich weit weg befand. Das Fieber war immer noch sehr hoch. ‚Er muss gesund werden. Er darf nicht sterben.’, hämmerte es in seinem Herzen. Jedes Wort war wie ein Herzschlag. „Weißt Du Takuto, er ist zwar bei Bewusstsein, scheint aber niemanden zu erkennen. Seine Temperatur will einfach nicht sinken.“ Takuto legte seine kühle Hand auf Koji’s Stirn und dieser zuckte zusammen, als ob er Takuto’s Gegenwart gespürt hatte. Sein Blick blieb zwar leer, aber eine einzelne Träne lief ihm über die Wange. „Er scheint dich zu bemerken?! Das wundert mich. Es ist seine erste Reaktion seit er eingeliefert wurde.“ „Was hat er?“ „Die Ärzte rätseln noch, aber sie denken, er hat sich was eingefangen, als wie letzten Monat Freunde aus Afrika zu Besuch hatten, vielleicht hatte er sich aber auch schon was in Afrika geholt, als wir gemeinsam da waren und das ist erst jetzt zum Vorschein gekommen. Keiner kann sagen, woher das Fieber kommt. Alle Tests waren bis jetzt negativ. Ich hoffe nur, dass das Fieber bald sinkt. Aber wie es aussieht, kann das noch ziemlich lange dauern.“ „...“ „Sein Körper war sehr geschwächt, als wir nach damals nach Afrika aufbrachen. Ich hielt es für eine gute Idee, um ihn auf andere Gedanken zu bringen. Ich wollte, dass er die schlimme Zeit, die hinter ihm lag, vergisst. Und da die Reise sowieso schon geplant war und Taka abgesagt hatte, nahm ich ihn mit.“ „Schlimme Zeit? Was meinst du Katsumi?“ „Du weißt doch, was passierte, als deine Eltern starben?“ „Du weißt davon?“ „Ja. Was dachtest du denn? Ich ziehe doch Erkundigungen über die Leute ein, die unter meinem Dach leben.“ „Hm... und?“ „Also er geriet damals an einen Kinderhändler. Du weißt schon, solche die Kinder für ...“ „Du brauchst nicht weiter zu erklären, ich weiß was du meinst. Was war dann mit Koji?“ „Na ja. Er geriet immer wieder an schlechte Leute. Zum Schluss war er in einer Spielhölle mit Bordell.“ „Bordell? Du machst Witze?“ „Nein. Leider nicht! Taka und ich holten ihn daraus. Seitdem lebt er hier und ich habe dafür gesorgt, dass er wieder normal leben kann. Das er alles vergessen kann. Er hat wieder angefangen mit Klavierspielen, was er mal als Kind gelernt hat. Er war für mich wie eine Herausforderung. Ich wollte aus ihm wieder einen fröhlichen Menschen machen. Erst dachte ich, ich hätte es geschafft. Aber irgendwie hat das wohl doch nicht so ganz geklappt. Er war in den letzten Tagen so niedergeschlagen und ich weiß nicht, ob es damit zusammen hängt, dass die Erinnerungen zurückkommen oder es vielleicht schon an der Krankheit lag. Er wollte mir nichts sagen.“ ‚Dann stimmt also doch alles, was er mir erzählt hat.’ „Du machst dir ernsthaft Sorgen um ihn. Stimmt’s?“ „Du etwa nicht, Takuto? Oder warum bist du hier?“ „Ich... wollte...“ „Sag lieber nichts. Ist gut. Ich freue mich, dass du hergekommen bist. Aber das war deine Sache. Setz dich endlich. Oder musst du gleich wieder weg?“ „Nein, ich möchte bleiben, bis er wieder gesund ist.“ „Okay. Das wird ihm sicher helfen. Er ist hin und wieder in einer Art Fieberwahn, stammelt wirres Zeug. Ach übrigens, er sagt auch immer wieder: Izumi. Weißt du, wenn von euch dreien er meint. Serika?“ „... – Nein... mich.“ „Dacht’ ich es mir doch. Deswegen seine Reaktion vorhin. Hm. Willst du bei mir die Zeit wohnen oder ins Hotel?“ „Weißt du, am liebsten würde ich hier...“ „Hier in Koji’s Zimmer?“ „Hmmm.“ Takuto’s Gesichtsfarbe nahm einen leichten rosa Hauch an. „Wenn er dann was braucht oder wieder zu sich kommt, wäre ich gleich da.“, sprudelte es aus ihm heraus. „O man. Mal sehen, was sich machen lässt. Werde mal mit dem Arzt sprechen. Ich komme gleich wieder!“ „Ach Katsumi.“ „Ja, ist noch was?“ „Wieso ist er eigentlich in diesen Ring geraten?“ „Tja, er gibt halt immer noch einige Organisationen die mit Kindern handeln und wer einmal in diesen Kreislauf rein kommt...“ „Weißt du denn, wie es dazu kam.“ „Ja. Ich habe viel nachgeforscht. So wie es aussieht, haben seine eigenen Brüder ihn damals als „Spieleinsatz“ weggegeben. Damals kam er dann zu euch. Hat dein Vater dir das nie erzählt?“ „Nein. Ein entfernter Verwandter brachte ihn eines Tages und wir wuchsen wie Brüder auf. Da fällt mir ein, ich hab ihn eigentlich nie gefragt, wo er her kam.“ „Dein Vater war ein guter Mensch. Ich glaube nicht, dass er die ganze Wahrheit wusste. Er hätte das Koji jedenfalls nicht angetan. Aber als deine Eltern starben, tauchte der Kerl wieder auf, der Koji „gewonnen“ hatte. Vier Jahre war er im Gefängnis wegen diverser kleinerer Vergehen. Kinderhandel konnte man ihm damals nicht nachweisen, da das Kind spurlos verschwunden war.“ „Wieso haben die ihm Koji so ohne weiteres eigentlich überlassen. Kannst du mir das sagen?“ „Tja, also wie ich erfahren habe, wusste die Horiuchi’s nicht von einem vierten Kind, das bei den Izumi’s leben sollte, bis du selbst nach Koji gefragt hast.“ „Sie waren sehr erstaunt damals, das stimmt.“ „Ja und sie hatten auch schon Nachforschungen nach Koji angestellt, aber die verliefen im Sand.“ „Sag mal, Katsumi. Woher weißt du das eigentlich alles?“ „Zum einen, weil ich bei meinen Nachforschungen auch auf ihren Namen gestoßen war. Zum anderen weil ich, als du bereits abgereist warst, deine Eltern daraufangesprochen habe. In dem Jahr wo wir in Afrika waren, waren in der Zwischenzeit mehrere Detektive und andere Leute damit beschäftigt, Nachforschungen über Koji’s früheres leben anzustellen. - So, jetzt suche ich aber den Arzt. Bleibst du hier oder willst du mit?“ „Ich... bleib...“, sagte er nachdenklich. „Hm, bis gleich.“ Katsumi stand auf, warf einen Blick auf Koji und ging hinaus. Takuto rutschte auf den anderen Stuhl rüber; auf den Stuhl, auf dem vorher Katsumi gesessen hatte. Lange starrte er in Koji’s Gesicht. „Was musst du nicht alles durchgemacht haben. Und jetzt das noch. Langsam ist es genug, was das Schicksal für dich bereit hielt. ... Zum Glück bist du auf Katsumi gestoßen. Was wäre wenn nicht? ... Ich mag gar nicht darüber nachdenken.“ Eigentlich wollte er das nur denken, aber er sagte es laut vor sich hin. Sprach seine Gedanken aus, welche durch den Raum hallten. Wieder zuckte Koji’s Hand. Takuto’s Augen weiteten sich. Mit großen Augen starrte er auf sie, dann griff er danach und drückte sie. „Koji, hörst du mich? Ich bin hier – Takuto. Koji, bitte, du darfst nicht sterben. Hörst du? Kämpfe, kämpfe gegen das Fieber... und um dein Leben. Komm zurück.“ Täuschte er sich oder erschien auf Koji’s Gesicht der Anflug eines Lächelns. Bewegte er seine Lippen? Takuto beugte sich über ihn und hörte, was Koji murmelte. „I-zu-mi... mein... I-zu-mi.“ Ganz leise kam es, war kaum zu verstehen. Aber Takuto’s Herz schlug schneller. Wie er sich wieder zurücklehnte, sah er das Koji die Augen geschlossen hatte. Er schien eingeschlafen zu sein. ‚Sicher ist das das Beste für ihn. Schlaf tief und fest. Schlaf dich gesund.’ Takuto beugte sich zu ihm herunter und gab dem Schlafenden einen Kuss auf die Wange. Dabei bemerkte er, dass Koji scheinbar gar nicht mehr so heiß was. Das erste Fieber war gefallen und überstanden. Hoffen wir das es kein zweites gibt. *** Es wurde Weihnachen bis Koji wieder so gesund war, dass er das Krankenhaus verlassen konnte.
Inzwischen war es Frühling geworden. Takuto hatte Urlaub bekommen und war zu Katsumi und Koji gefahren. Er saß mit angezogenen Beinen in einem übergroßen bequemen Sessel und sah Fußball. Gerade war Halbzeit und so hatte er genügend Zeit einen Blick auf Koji zu werden, welcher schräg vor ihm auf der Couch lag und ein wenig ruhte. ‚Er hatte sich in den letzten Wochen gut erholt.’, hing er seinen Gedanken nach. Verträumt sah er sich fest und ließ die letzte gemeinsame Zeit noch mal vor seinem inneren Auge Revue passieren. Leider durfte er ja laut dem Oberarzt damals nicht im Krankenhaus, und schon gar nicht in Koji’s Zimmer übernachten, weil so was in dem Haus nicht üblich war. Also übernachtete er in der Zeit bei Katsumi. Richtete sich bei ihm häuslich ein, war aber nur wirklich zum Schafen dort, da er jede Minute der Besuchszeit an Koji’s Krankenlager oder aber draußen verbrachte. ... Heiligabend hatten sie dann zu Dritt gefeiert. Am 1. Weihnachtstag war Katsumi bei seiner Familie, Koji und Izumi allein zu Hause und am 2. Weihnachtstag war Takuto’s Familie überraschender Weise bei Katsumi aufgetaucht.... Koji war schon eine ganze Weile wach, hielt aber seine Augen noch geschlossen. Er bemerkte genau Izumi’s Augen in seinem Nacken. Plötzlich stand er auf und fasste Takuto sanft an der Hand und hob ihn aus dem Sessel hoch. „Was ist?“ „Komm doch einfach mit, ich will Dir was zeigen.“ „Aber die 2. Halbzei...“ „Die kannst du heute Abend sehen, dass Video läuft nicht weg. Und... Das Ergebnis kennst du doch. Du weißt, dass kein Tor weiter fällt.“ Er zog ihn mit sich in den großen Park. Dieser war rund herum von efeuüberwucherten Mauern umgeben, bis zu denen Takuto noch niemals zu Fuß gelangt war. Vorbei ging es am Pavillon und von dort hinunter ans Wasser. Dort säumten alte steinerne Figuren, die Takuto bei der ersten Begegnung mit Koji gar nicht beachtet hatte, ihren Weg. Wie oft war er in der letzten Zeit vormittags hier gewesen und hatte sich alles genau angesehen, wenn erst am Nachmittag wieder Besuchszeit war. Eine ganze Weile waren sie zu Fuß unterwegs. Der Park war sehr gepflegt und ordentlich angelegt, aber dorthin, wohin Koji ihn jetzt führte dort war er noch nie gewesen. Plötzlich änderte sich nämlich die Landschaft. Die Pflanzen wuchsen wild, der Rasen war nicht mehr gemäht worden und man konnte verschiedene blühende, aber eben wilde Blumen und Pflanzen sehen, die es in einem gepflegten Garten natürlich niemals geben würde. Hier war das Anwesen zu Ende. Die Mauer war zu sehen und ein paar Meter von ihr entfernt, lag ein kleiner versteckter Quellsee. Hier war die Natur absichtlich noch so, wie sie eigentlich sein sollte, wie sie sich selbst erschaffen hatte. Keine Menschenhand kümmerte sich am dieses Fleckchen Erde. Auf dem glitzernden Wasser des Sees, zu dem Koji Izumi führte, konnte man allerlei Vögel und unter anderem sogar ein stolzes junges Schwanenpärchen sehen, welches hier gerade einen Zwischenstopp eingelegt hatte. Koji beobachtete Takuto lächelnd, wie er die Landschaft förmlich in sich aufsog. Es war hier so viel anders als in der Stadt. Die Luft roch viel frischer. Man fühlte sich dem Himmel ein ganzes Stück näher. Der Wind spielte fröhlich mit ihren Haaren. Und die Ruhe wurde nur vom lustigen und aufgeregten Gezwitscher der Vögel unterbrochen. Kein Autolärm war weit und breit zu hören. Keine Abgase schwebten in der Luft. Koji setzte sich neben dem See ins hohe Gras das von dichtem Moosgeflecht durchwachsen war, ließ aber Takuto dabei nicht aus seinen Augen. Der Boden auf dem er saß, war so weich, dass kein Kissen hätte bequemer sein können. Das Sonnenlicht schimmerte durch das Grün der vereinzelnd stehenden großen und teilweise uralten Bäume, die das Ufer säumten, und den Vögeln und Besuchern Schatten spendeten. ‚Was tue ich da? Warum kann er mich so verzaubern?’ Takuto setzte sich zu ihm und Beide sahen ein Weilchen aufs Wasser hinaus. Sahen zu, wie der Wind über das Wasser glitt und die Vögel die kleinen Wellen brachen, bis Takuto plötzlich der idyllischen Stille ein Ende setzte. „Es gefällt mir hier. Bist du oft hier, Koji?“ „Hmm. Manchmal, wenn mir die Decke auf den Kopf fällt und ich es drinnen nicht mehr aushalte.“ Während er sprach, drehte er sein Gesicht wieder Takuto zu. „Das Gelände ist groß, weißt Du, überall kann man schöne neue Sachen entdecken, fehlt eigentlich... nur noch ein hoher Berg zum klettern. Aber dafür ist das Anwesen wohl doch zu klein.“ Koji lächelte bei dem Gedanken. Plötzlich zog er Takuto in seine Arme. Es überwältigte ihn und er musste Izumi einfach küssen. Koji küsste ihn wieder und wieder. Er streichelte ihn voller Zärtlichkeit, sanft und behutsam über sein Haar und anschließend wieder Küsse voller Leidenschaft, auf Izumi’s bebende Haut. Takuto’s Lippen brannten und sie brachten all seine Gefühle durcheinander. Er konnte nicht mehr denken, nicht sprechen, kaum atmen. Die Hände auf Koji’s Brust gepresst, um ihn abermals von sich fort zustoßen, erlahmten und fielen kraftlos hinunter. Aber das alles erschien ihm unwichtig. In seinem Kopf und in seinem Herzen brauste nur eine wunderbare Melodie, ein Lied des Glücks. Er schmiegte sich dichter an Koji und wagte nicht, den Zauber durch das kleinste Wort zu zerstören. ‚Er gehört von jetzt ab mir – mir ganz allein. Am liebsten wünschte ich, dass alle so glücklich sind, wie ich es im Moment bin.’ „KOOO-JI ...“ „Schei... Katsumi, was suchst du hier.“ „Na, wen meinst du wohl. Wo finde ich dich, wenn nicht am Fluss oder beim Pavillon? „Mist... musst du gerade jetzt auftauchen.“ „Jup. Und ich glaube gerade noch rechtzeitig. Ich muss mit dir reden. - Erst mal besser... ALLEIN!“ „Ich geh dann mal langsam zurück.“ Takuto erhob sich mit leicht gerötetem Gesicht. Ihm war die ganze Situation sichtlich peinlich. „Izumi!“ „Lass ihn...“, fauchte Katsumi Koji böse an. „Sag schon, was du willst Katsumi.“ „Was ich dir sagen will? Das ist nun erst einmal unwichtig geworden. Das hier ... das ist im Moment wichtiger. Du bist beinahe perfekt – dein Aussehen, deine Art und Weise mit Menschen umzugehen, wenn du was von ihnen willst. Aber in Punkto Liebe hast du anscheinend noch nicht den richtigen Überblick. Da verlierst du den Boden unter den Füßen und hast keinen Bezug mehr zur Realität. Deine Eifersucht, wie du ständig um Takuto herum scharwenzelst und nun das hier... Es ist fast nicht mehr zu ertragen. Hast du vergessen, dass Takuto Izumi ein Mann ist, Koji?“ „Mann oder Frau? Ist das nicht egal, wenn man liebt?“ „Du liebst aber nicht, du bist besessen. Das muss dir mal einer sagen.“ „Hast du ja nun. Und? Was erwartest du von mir, Katsumi? Du weißt doch genau wie mein Leben vorher aussah. Hast es sogar gesehen. Wärst du nicht gewesen, ich weiß nicht, was dann wäre...“ „Ich weiß Koji, aber ist das ein Grund um das Takuto anzutun? Wie soll ich seinen Eltern gegenübertreten, wenn sie herausfinden, dass du ihren Ältesten verführt hast? Denkst du immer nur an dich? Zählen andere nicht mehr? Sollte ich dich so falsch eingeschätzt haben? Sag mir, was soll ich sei...“ „Hör auf Katsumi. Ich habe die letzten Jahre genug gegen das Gefühl angekämpft. Aber es wurde immer stärker, Tag für Tag schlimmer. Ich liebe ihn nun mal. Na und? Was ist dabei. Willst du es mir verbieten? Das kannst du nicht.“ „Nein, da hast du recht. Das kann ich nicht. Aber du leidest still vor dich hin und das ist entsetzlich. Er wird dich niemals so lieben, wie du. Das weißt du auch. Er ist mit Minako verlobt. Du bist nur ein guter Freund. Ein Freund aus Kindertagen, den er sehr lange nicht mehr gesehen hat. Er mag dich mal sehr geschätzt haben und in dir eben immer noch den Jungen von damals sehen. Aber mehr ist da nicht.“ „Verlobungen kann man lösen...“ „Wenn du meinst..., nur mir welcher Begründung sollte er das tun? Lass ihm Zeit, sich seiner Gefühle klar zu werden. Überfall ihn nicht, hörst du? ... Aber lassen wir das jetzt. Ich denke, du hast es verstanden. Ach ja Koji, bevor ich es wieder vergesse... du musst gut auf dich aufpassen....“ „Aufpassen – immer nur aufpassen! Worauf denn noch?“ „Hirose, einer deiner Brüder...“ „Hirose? Was hat mein Bruder nun schon wieder angestellt?“ „Darf ich vielleicht mal aussprechen? Dann erfährst du es. Also, Hirose hat jemanden auf dich angesetzt, der dich suchen und töten soll.“ Koji riss die Augen auf und starrte Katsumi ungläubig an. „O nein! Ist der denn nie zufrieden. Erst nimmt er mir meine Kindheit und nun... nun will er auch noch mein Leben?“
Als Koji und Katsumi später nach Hause kamen, ging Koji sofort zu Izumi’s Zimmer. Als auf sein Klopfen niemand antwortete, öffnete er die Tür und trat ein. Das Zimmer war leer. Er wollte sich gerade umdrehen, als sein Blick zum Bett fiel. Er sah einen Abdruck darauf und... Er ging näher heran. In der Kuhle auf der Bettdecke lag ein Zettel.
Hallo Koji,
„KA - TSU - MIIII !!!!!!!!!!“, hallte es durch das ganze Haus.
*** Takuto wusste hierauf keine Antwort, nur Ausreden... ging es ihm durch den Kopf.. ‚Ja, warum bin ich eigentlich nicht... Was kann Katsumi schon dagegen haben, wenn ich Koji besuche? Wir sind zusammen einige Jahre aufgewachsen und er weiß, dass ich Koji ... freundschaftliche Gefühle entgegen bringe. Wie ich meine Eltern aushorchte, ob Katsumi nach mir gefragt hatte, waren sie sehr erstaunt. ‚Ja, natürlich. Er hatte sogar dein Zimmer herrichten lassen und war ganz perplex, dass du nicht mit kamst.’ Ich werde hinfahren, so bald als möglich. Ich werde die Sache klären.’
***
Eines Tages... Früh am Morgen stürzte Koji in Takuto’s Zimmer. Takuto war durch die Geräusche nicht erwacht. Er lag immer noch friedlich schlummernd, mit leicht angewinkelten Beinen auf seiner rechten Seite, die Decke leicht verrutscht, - Blick in Richtung Tür, sollte er erwachen. Also setzte sich Koji auf sein Bett und strich ihm zärtlich die Haare zurück, welche über seinen Augen lagen. Er konnte einfach nicht widerstehen und strich sanft mit der Hand weiter über Izumi’s Wange. „Hng“, hörte er leise und Takuto bewegte sich leicht, drehte sich aber nicht weg. Seine Lippen waren leicht offen und ‚er sieht so schön aus, wie er so da liegt’ - dachte sich Koji. ‚Wie ein schlafender Engel.’ Langsam - um ihn nicht schon vorher zu wecken - beugte sich Koji zu ihm hinunter, nahm Izumi’s Gesicht vorsichtig in beide Hände. Sein eigenes Gesicht näherte sich ihm immer weiter und dann... strich Koji’s Zunge sanft über Takuto’s Lippen, um sie kurz darauf mit seinen Eigenen zu berührten. Er weckte ihn mit einem langen und zärtlichen Kuss. Takuto öffnete langsam die Augen. „Guten Morgen, kleiner „Langschläfer“, aufstehen. Draußen ist herrliches Wetter. Komm, wir Beide machen einen kleinen Ausflug.“ „Guten Morgen Koji. Was... Du bist schon wach? Das ist doch noch so früh.“, sagte er nach einem Blick auf die Uhr. „Ist doch gar nicht deine Zeit.“ „Ich hab mir extra einen Wecker gestellt, damit ich nicht verschlaf. Komm... raus aus den Federn mit dir.“
*** Als sie anhielten, öffnete Koji die Beifahrertür und half Takuto beim Aussteigen. Als dieser gleich darauf die Augenbinde abnehmen wollte, hörte er nur: „Noch nicht Izumi, noch ein paar Meter. Ich führe dich.“ Takuto fühlte die warme Sonne auf seiner Haut, die leichte Brise die ihm um die Nase wehte und die Luft roch leicht nach Tang - Seetang - stellte er fest. Dann nahm er auch das Rauschen des Meeres wahr und den Seesand unter seinen Schuhen, der bei jedem Schritt leicht nachgab. ‚Sie waren also am Meer. Eigentlich in Japan nix besonderes’, dachte Takuto, ,da es ja rundherum vom Meer umgeben war. Aber wieso dann die Augenbinde?’ Noch ein paar Meter, dann drehte Koji ihn leicht nach rechts und nahm ihm endlich das Tuch ab. Takuto riss erstaunt die Augen auf. Tatsächlich sie befanden sich am Meer. Die Sonne strahlte inzwischen heiß auf sie herab, als ob sie wusste, dass hier heute was besonderes stattfinden sollte. Es war eigentlich so gar viel zu heiß für die Tageszeit, selbst für diese Jahreszeit. Die milde Brise die der Wind aufkommen ließ, verschaffte eine angenehme Kühlung. Weit und breit war keine Menschenseele, bemerkte Takuto, als er den einsamen Strand auf und ab sah. Nur sie Beide, der Wind, die Sonne und das große weite blaue Meer, an dessen Horizont er ein paar große Schiffe erkennen konnte, welche dort wohl auf Reede lagen, da sie sich auch nach längerem Hinsehen nicht bewegt hatten. Koji war inzwischen weiter gegangen und Takuto’s Blick folgte ihm in die Richtung. Doch da... was sah er da auf einmal? Da war etwas aufgebaut, auf 4 jungen Baumstämmen, die mitten in den Strand eingebuddelt und welche durch waagerechte Stämme welche oben dran befestigte waren zusammengehalten wurden, spannte sich ein großes weißes Tuch - welches sind durch den Wind leicht bewegte - um dem, was sich darunter befand, Schatten zu spenden. Denn mitten darunter - inmitten des Seesandes - stand ein Tisch, ebenfalls aus Baumstämmen zusammengezimmert, wie man trotz des längeren blütenweißen Tischtuchs darauf, noch unschwer erkennen konnte. Rechts und links standen 2 große Lehnstühle, ebenfalls aus Holz mit dicken Polsterkissen darauf, für den Rücken und die Sitzfläche. Der Tisch war für zwei Personen gedeckt und mit Donnerkeilen, echten kleinen Seesternen und anderem Meeresgetier aus kristallähnlichem Material dekoriert, dazwischen kleine längliche Spuren von Seesand, welche der Wind inzwischen rauf geweht hatte. In einer großen Obstschale, welche in der Mitte des Tisches stand und um die, die anderen Speisen - welche sich unter großen Glocken befanden und so geschützt auf die Ankunft der hungrigen Gäste warteten - herum aufgebaut waren, ragten Blumen heraus. Blumen in dunkelrot und weiß. Takuto blieb der Mund offen stehen. Die Augen wurden immer größer, als er nicht weit von diesem Unterstand auch noch ein riesengroßes Zelt aufgebaut sah. Kein Zelt wie man es gewöhnlich zum Camping nahm, sondern ein großes rundes, welches ebenfalls auf Baumstämmen errichtet war. Davor eine Art Baldachin und daneben Koji der gerade den Zelteingang öffnete und seine große Tasche, welche er noch im Auto mitgebracht hatte, ins Zelt rein legte. Rechts und Links vom Eingang standen - wieder mitten im Sand eingebuddelt - zwei große Vasen mit Gestecke aus weißen Orchideen und dunkelroten Rosen. Und etwa 10 Meter daneben ein sauber angelegter Feuerplatz, neben dem bereits einige Holzscheite einladend aufs anzünden warteten. ‚Ein Traum... alles nur ein Traum...’, ging es Takuto durch den Kopf. Als Koji wieder aus dem Zelt kam, und sah das Izumi immer noch mit offenen Mund da stand und zögerte, ging er lächelnd auf ihn zu, griff ihn am Arm und zog ihn ins Zelt. In der Mitte war - ebenfalls aus Holz gezimmert - ein flaches aber großes Bett mit dicken Matratzen darauf. In einer anderen Ecke sah er einen kleinen leisen Kühlschrank neben einem kleinen Tisch und 2 Stühlen. Auf der anderen Seite eine kleine Anrichte mit Blumen. Auf das Bett hatte Koji die große Tasche geschmissen und zog inzwischen einen Fußball, Badesachen und Handtücher heraus. „Ko.. Koji!“ langsam fand Takuto die Sprache wieder. „Wa... was soll das alles?“ Jetzt trat Koji auf ihn zu, lächelte und sagte: „Happy Birthday, Izumi!“ Damit beugte er sich vor, nahm Takuto’s Gesicht zärtlich in die Hände und küsste ihn. „Happy… Meinen Geburtstag... hast Du nicht vergessen?“ „Warum sollte ich? Du bist so selten da.... und ich sehnte mich in der letzten Zeit so sehr nach dir. Was liegt da näher, als dass ich dich ... etwas überrasche? Und uns so zwei schöne Tage bereite. Zwei Tage lang gehört dieser Strand nur uns beiden. Kein Katsumi der stört. Niemand. Nur du und ich, das Meer und wenn du willst ...“ „Zwei Tage?“, fragte Takuto ungläubig. „Ja Izumi, zwei Tage. Nur du und ich. Wir haben alles hier, was wir brauchen. Allerdings keinen Fernseher, kein Radio, keinen Videorecorder. Das hier ist aber noch nicht alles, guck hier...“ Hiermit hielt er den Ball in die Höhe, „...wenn du willst können wir beide Fußball spielen oder schwimmen gehen. Hinter dem Zelt steht ein richtiges Fußballtor. Das hat der Besitzer von all dem hier, extra auf meinen Wunsch hin, für dich aufstellen lassen. Na? Wie wär’s?“ Koji warf Takuto eines seiner bezauberndsten Lächeln zu. „Aber Koji... da seh’ ich... nur EIN Bett.“ „Ja und? Haben wir als Kinder nicht manchmal auch in einem Bett geschlafen? Wo sollte da das Probleme sein. Komm zieh dich um, lass uns schwimmen gehen.“ „Hmmmmm. Ja schon, aber...“ „Nix aber. Mach schon, wir wollen doch noch vor dem Essen ’ne Runde schwimmen. Ich geh dann schon mal vor.“ Er schmiss seine Hose aufs Bett, zu seinem Hemd und rannte raus. ‚Puh... schwere Geburt...’, dachte er. ‚Hoffentlich werden die zwei Tage so schön bleiben....’ Takuto zog sich inzwischen die Badehose an, die Koji für ihn eingepackt hatte und trat dann vors Zelt. Langsam ging er ans Wasser, kniete sich am Ufer nieder und erfrischte Handgelenke und Gesicht mit dem feuchten Nass. Als sich die Wasseroberfläche wieder geglättet hatte, blickte er schweigend auf das klare Wasser und auf sein Spiegelbild. Koji kam aus dem Wasser heraus, schlenderte heran, ließ sich neben ihm nieder und spritzte sich selbst das kühlende Wasser ins Gesicht. Als er die Finger ins Wasser tauchte, zerrann Takuto’s Spiegelbild wieder. Dieser richtete sich auf und sah zu Koji hinunter. Alles war zu unwirklich. Was war nur los mit ihm? Eigentlich wollte Takuto ins Wasser gehen, aber sie blieben noch ein Weilchen schweigend am Ufer sitzen. Nichts jagte sie. Hier am Wasser war es bei der Hitze angenehm. Das einzige Geräusch kam vom Wind und dem Meer. Verstohlen warf Takuto einen vorsichtigen Blick auf Koji, der immer noch aufs Meer hinaus sah. ‚Er sieht gut aus. Seine langen Haare, sein ebenmäßiges Gesicht, die breiten Schultern...’ Betroffen über seine eigenen Gedanken, senkte Takuto die Lider? ‚Was denke ich da bloß.’ Als Takuto seinen Blick abwenden wollte, spürte er wie Koji ihn ansah. Sein Blick brannte wie Feuer auf seiner Haut und ließ ihm sofort eine starke Röte ins Gesicht schießen. Schnell stand er auf und wollte sich gerade dem Wasser zuwenden um eine Runde zu schwimmen, als Koji das restliche Wasser aus seinen Händen rinnen ließ, auf stand und zu ihm hinüber ging. Er umfasste ihn von hinten und drückte ihn an sich. „Möchtest du mich nicht küssen?“... „Ko-ji“ Takuto senkte verschämt den Blick. ‚Hat er etwa bemerkt, dass ich ihn beobachtete. Gefühlt was ich dachte?’ Koji zog Takuto noch fester zu sich heran. Takuto konnte genau Koji’s angenehm kühle feuchte Haut spüren, feucht durch das Meereswasser. Behutsam faste Koji ihn an der Schulter, drehte ihn um, und zog ihn mit sich hinab in den feuchten Seesand. Sanft sagte er. „Ich will dich nur küssen. Izumi, und ein wenig streicheln. Mein Wort, nicht mehr. Izumi - Ich liebe dich so sehr.“ Takuto’s Herz schlug ihm bis zum Hals. ‚Warum wollte Koji das immer wieder? Warum sagte er dies immer wieder zu ihm? Wieso konnten sie nicht einfach nur Freunde sein, wie in früherer Zeit?’ Mit einer raschen Bewegung hatte Koji ihn so gedreht, dass er auf ihm lag. Ihre Körper drückten sich aneinander. Takuto’s Herz pochte heftig. Koji strich ihm behutsam über die Lippen, bis er sie öffnete. „Koji, nicht“, bat Takuto ihn leise. „Ich glaube, wir sollten das nicht tun.“ Doch Koji überhörte einfach seine Worte und küsste ihn. „Niemand ist hier. Auch Katsumi nicht. Der ist weit weg.“ Erneut küsste er ihn und rollte sich wieder neben ihn, wie er bemerkte, dass sich Takuto unter ihm versteifte. „Wir sind allein. Niemand sieht es. Niemand erfährt es, wenn du es nicht willst.“ Während Koji noch sprach, hatte Takuto sich ihm genähert. Seinen Kopf auf Koji’s Brust gebettet und sich fest an ihn geschmiegt. Takuto’s Körper glühte... sein Herz klopfte zum zerspringen. Wie sehr er ihn doch auch wollte, wie sehr er ihn doch auf seiner brennenden Haut spüren wollte. Koji drückte ihn mit sanfter Gewalt nieder. „Izumi“, flüsterte er dabei „Izumi, ich liebe dich.“ Unterdessen hatte Koji schon begonnen, seinen Körper überall zu liebkosen. Takuto hob den Kopf und berührte Koji’s Lippen verlegen mit seinen Eigenen, der sie aber sofort erwartungsvoll öffnete damit sich ihre Zungen fanden. Eine stärkere Woge rollte langsam heran, überschüttete die beiden Liebenden mit salzigem Meerwasser, doch sie ließen sich davon nicht stören und Koji erforschte Izumis Körper begierig weiter. Nach einer Weile erhoben sie sich und gingen schwimmen, später aßen sie von den Köstlichkeiten welche unter den Glocken auf dem Tisch standen. Koji holte dazu eiskalte Getränke aus dem kleinen Kühlschrank im Zelt. Später am Nachmittag als es wieder erträglicher wurde, spielten sie bis tief in die Nacht hinein Fußball. Koji stand natürlich im Tor und schaffte es auch hin und wieder einen von Takuto’s Bällen zu halten, was diesen jedoch nur noch mehr anstachelte. So vergingen die Stunden des ersten Tages. Unterm Sternenhimmel gingen sie noch einmal im Meer baden, bevor sie dann erschlagen Arm in Arm einschliefen. Der zweite Tag sollte leider nicht ganz so schön ablaufen. Nachdem sie morgens Arm in Arm aufgewacht waren, Koji mit dem glücklichsten Lächeln wie schon seit Ewigkeiten nicht mehr auf den Lippen, konnten sie noch mal - bei dem anfänglichem Sonnenschein am frühen Morgen - das Meer genießen. Aber leider hatte der da oben es sich dann bald anderes überlegt, und nach und nach zogen dicken graue Wolken am Himmel auf. Die Sonne verdunkelte sich. Der Wind frischte auf. Die Böen wurden stärker. Das Meer verfärbte sich zusehend schwärzer, wurde unruhig, die Wellen wurden höher. Und mit dem Wind kam auch die Kälte. Es wurde ungemütlich im Zelt. Hätten sie noch einen Tag mehr gehabt, wären sie sicher wieder ins Bett gekrochen, aber so war es besser die Sachen zu packen, den Besitzer anzurufen, dass sie gleich abreisten und nicht erst gegen 20.00Uhr, wie Koji es abgesprochen hatte und stattdessen in irgendeinem Hotel oder Restaurant zu Mittag zu Essen. Koji bedauerte es sehr, dass das Wetter so umschlug. So lange hatte er nach was geeignetem gesucht und war überglücklich als er dann, von einem von Katsumi’s Bekannten, von diesem Plätzchen gehört hatte. ‚Aber wenigstens war Izumis Geburtstag schön geworden.’ Ein verträumtes Lächeln lag in seinem Gesicht, als er an den schlafenden Jungen in seinem Armen dachte, während er den Wagen heimwärts steuerte.
Bei Takuto’s nächstem unverhofften Besuch, war Koji nicht zu Hause. Katsumi wusste auch nicht, wo er sich gerade rumtrieb und so machte sich Takuto auf den Weg zum kleinen Quellsee auf Katsumi’s Anwesen, dorthin wo Katsumi sie damals überrascht hatte. ‚Vielleicht ist er ja dort.’, kam es ihm in den Sinn. Aber als er hinkam, fand er den Ort verlassen vor. Also durchstöberte er die Gegend genauer. Ein kleiner Rinnsal schlängelte sich von dem kleinen See durch die Wiesen und glitzerte in der Sonne. Diesem Wasserlauf folgte er ein bisschen. Dann ließ er sich erschöpft, ein Stückchen entfernt unter einem großen Baum mit schattenspendenden, weit ausladenden Ästen im Gras nieder und schloss für einen kurzen Moment die Augen. ‚Vielleicht hätte ich statt spazieren zu gehen, lieber ein Bad im See nehmen sollen, es ist immer noch drückend heiß.’, dachte sich Takuto. Er hing so seinen Gedanken nach, als ihm ein tiefer Seufzer aus der Kehle entfuhr. „Koji, wo bist du nur?“ Koji indes war ein Stückchen spazieren gegangen, als er Takuto in der Ferne sah, folgte er ihm und kam gerade in dem Augenblick leise bei ihm an, als dieser sein Stossgebet zum Himmel schickte. „Hast du mich gerufen, Izumi?“ Takuto schrak hoch, riss erstaunt die Augen auf und sah in ein strahlendes Augenpaar. Augenblicklich fühlte er sich ertappt und bemerkte wie ihm das Blut in den Kopf schoss. Er setzte sich auf, drehte den Kopf weg und hoffte das Koji seine Farbe nicht bemerkt hatte. Doch dieser streckte sich gerade lächelnd neben ihm Gras aus. „Komm leg dich wieder hin“, hörte Takuto wie Koji sagte. Ein kurzer Blick auf ihn, zeigte ihm, dass dieser in den Himmel starrte. Koji’s Hemd klebte an seinem Oberkörper und jeder Muskel zeichnete sich darunter ab. Die engen Hosen spannten sich knapp über Koji’s sehnigen Schenkeln. Takuto ertappte sich dabei wie er Koji genau ansah. Wie er diesen Anblick genoss. „Guck mal da oben...“ Koji zeigte mit den Fingern auf eine große weiße Wolke. „Die sieht aus wie ein riesiges Schaf... und die daneben... wie ein kleiner Engel mit weißen Flügeln auf dem Rücken und an den Hacken... Siehst du?“ Takuto drehte sein Gesicht in die gezeigte Richtung, da aber die Äste einen Teil der Sicht versperrten, legte er sich wieder hin und ... tatsächlich er konnte das Schaf und auch den Engel erkennen. Aber der Wind trieb die Wolken unterschiedlich schnell auseinander und die Gebilde lösten sich langsam wieder auf. „Schön, ne?“, fragte Koji, und drehte sich lächelnd auf die Seite zu ihm. Dann streckte er seinen linken Arm aus um Takuto mit den Fingern zärtlich und sanft durch die Haare zu fahren. Takuto liebte dieses Gefühl, also schloss er die Augen. „Ich hab dich so vermisst, Izumi!“ Koji’s Finger berührten kurz Izumi’s Lippen, der sie bei dieser sanften Berührung leicht öffnete. Koji beugte sich zum ihm und küsste ihn zärtlich. Dann setzte er sich auf, lehnte sich aber leicht gegen Takuto’s Oberschenkel. Obwohl Takuto den Kopf gleich wieder senkte, spürte er wie Koji’s sinnlicher Blick über seinen Körper streifte, seine Hüfte, seine Brust, hoch zu seinen Lippen. Sanft legte dieser einen Finger unter Takuto’s Kinn und hob sein Gesicht wieder zu sich hinauf. Behutsam strich er über seine Wange. Die sinnliche Spannung zwischen ihnen hatte keineswegs nachgelassen. Takuto fühlte wie ein leichtes Kribbeln sich seines Körpers bemächtigte. Koji hatte ihm indes langsam die Kleidung geöffnet und beides nach unten abgestreift. Jetzt schob er seine Hand unter Izumi’s Shirt. Er achtete nicht weiter darauf vorsichtig zu sein, er wollte ihn endlich ganz sehen, seinen Körper spüren, doch die Kleidung störte ihn hierbei nur, als... er auch schon hörte wie der Stoff riss. Aber es war ihm egal. Plötzlich hörten sie ein Rascheln. Im nächsten Augenblick waren sie von einer Gruppe Männer eingekreist, die über die angrenzende Mauer geklettert kamen und über den Rinnsal gesprungen waren. Sie sprangen beide auf. Koji stellte sich schützend vor Takuto. Da griffen die Kerle sie auch schon an. Ein harter Schlag von hinten traf Takuto am Kopf und setzte seiner Gegenwehr ein jähes Ende. Ein erstaunter kleiner Laut erstickte ungehört, dann sank er zu Boden. In seinem Kopf drehte sich alles, Dunkelheit umfing ihn. Er schmeckte Blut auf den Lippen. Und dann merkte er gar nichts mehr.
*** Am Strand und im Pavillon fand er sie nicht, also machte er sich genau wie Takuto am Nachmittag auf den Weg zum See. Aber auch dort fand er keine Spur von ihnen. Dann fing er an die nähere Umgebung abzusuchen und lief, wie einer Eingebung folgend dem Verlauf des Rinnsals nach. Nach einer ganzen Weile kam er an dem Baum vorbei, unter welchem die Beiden sich Nachmittags hingelegt hatten. Plötzlich sah er da etwas liegen, was da nicht hingehörte. Eilig kam er näher heran und sah das es Takuto war. Er hatte eine große blutende Wunde am Hinterkopf. Das Blut war inzwischen zwar dort getrocknet, aber er schien ohne Bewusstsein zu sein. Er drehte ihn vorsichtig um und bemerkte, dass er beim Fallen wohl mit der Stirn auf einen Stein aufgeschlagen sein musste, denn auch auf seiner linken Stirnhälfte prangte er fingerdicker Riss. Das Haar war verklebt von Blut und Schmutz. Vorsichtig überprüfte er den Puls von Takuto. ‚Zum Glück, der war zwar schwach, aber da.’ Er schien wohl einiges an Blut verloren zu haben. Schnell gab er das Signal ab, einen Schuss aus einer Leuchtpistole, damit die anderen wussten, dass er ihn gefunden hatte. Kurze Zeit später eilten auch schon drei Leute, die in der Nähe waren, heran. Katsumi machte ein Tuch mit Wasser feucht und wischte kurz die Wunde sauber um zu sehen, ob die Blutung inzwischen gestoppt war. Dann trugen sie den immer noch Besinnungslosen zurück zum Haus. Dort angekommen, schickte er die anderen aus, um nach Koji zu suchen, obwohl er selbst inzwischen daran zweifelte, dass sie ihn finden würden. So gut er es vermochte, säuberte er nun die beiden Kopfwunden von Takuto und befestigte das Spezialpflaster, damit die Wunde nicht genäht werden musste. Danach schaffte er ihn erst einmal in sein Zimmer und legte ihn ins Bett. Wie Katsumi es sich schon dachte, fanden sie Koji an diesem Abend nicht mehr.
Ein stämmiger Mann öffnete die Tür und blieb im Türrahmen stehen. Koji sprang auf und starrte ihn an. Kurz darauf sackte er wieder zusammen. ‚Diese Hunde, was haben die gemacht. Mich unter Drogen gesetzt? Wieso ist mir so schwindelig?’ Kurz zuvor war er erst wieder zu sich gekommen. Takuto sah er nirgends. Er erinnerte sich: Nachdem sie ihn außer Gefecht gesetzt hatten, hatten sie Koji selbst mit fünf Mann überwältigt. Ihn K.O. geschlagen und wahrscheinlich hierher geschleppt. Nur, wo war dieses ‚hierher’? „Hello, wen ham wy denn da? Is dat nich nett? De reiche Erbe de Nanjo-Clans, Kojiro Nanjo, entpuppt sick as de kleene rotzfreche Bengel Koji. Ach - aver dat hett ik nich gedacht!“ „Auch das noch! Wenn du mir was zusagen hast, red’ gefälligst vernünftig mit mir.“ „Och, noch frech werden, was? Und dass, obwohl de in uns’rer Gewalt bist.“ „Wo ist Takuto Izumi? Was habt ihr mit ihm gemacht?“ „Gemacht? Nix! Der lag noch da, wie wir gingen. Mit ‘ner blutenden Beule am Hinterkopf. Aber nun mal zurück zu dir. Entweder deine reichen Brüder zahlen das Lösegeld für dich, oder aber... dein ehemaliger Besitzer wird sich freuen, wenn er erfährt, dass wir dich wieder haben. Mir is’ zu Ohren gekommen, dass er dich schon ziemlich bald vermisst hat, genauer gesagt... schon zwei Tage später. Und darum wird er wohl zahlen. Auf jeden Fall kommen wir an unser Geld, egal wie. Wer hätt’ dat gedacht, dass ik dich doch noch mal wiedersehe, mein Schätzchen...“ Höhnisch grinste er Koji an, der gar nicht erst wissen wollte, was in dem kranken Hirn gerade mal wieder abging. „Zahlen? Ihr wollt Lösegeld für mich?“ „Jo, mein Kleener, aber erst nachdem wir...“ „Yamada! Komm raus da! Ich muss mit dir reden!“ Der Angesprochene drehte sich um. „Musst de mir immer den Spaß verderben?“ „Komm schon...“ Ein grimmiges Gemurmel kam von nebenan, die Worte waren nicht zu verstehen. „Jo, jo... de kannst mich ma’...“ Dann wandte er sich zurück an Koji. „Wir sind noch nich’ fertig miteinander. Aufgeschoben heißt nich’ aufgehoben.“ Laut lüstern lachend verließ er den Raum. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss. Koji hörte wie der Schlüssel umgedreht wurde. ‚Zu... Eingesperrt... Gefangen... Aussichtslos die Lage... Warum nur immer ich? Aber... was hatte der Fiesling gesagt? Wie hatte er mich angesprochen? Nanjo? Ich soll ein Erbe sein? Reiche Brüder haben?? Ich dachte...’ Wie ein Blitz durchfuhr es ihn. ‚Der Scheißkerl weiß, wer ich einmal war!!!... Nanjo. Also Nanjo heiße ich mit Familiennamen. Aber warum wollte mir Katsumi das nicht verraten?’, ging es ihm durch den Kopf. Dieser miese Typ war ein häufiger Kunde in dem Bordell gewesen, wo man ihn damals gefangen hielt. Er selbst musste bereits mit ihm Bekanntschaft schließen. Koji kauerte sich noch tiefer in der Ecke zusammen. ‚Ich dachte es ist endlich vorbei. Und nun? I-ZU-MI! KA-TSU-MI! Wo seid ihr? Holt mich hier raus!!’ Er legte seinen Kopf auf die angezogenen Knie und schluchzte laut auf. Die Tränen rannen wie Bäche aus seinen Augen herab, aber er spürte diesmal keine Erleichterung. Panik machte sich in ihm breit und er konnte nichts dagegen tun. Die Geister der Vergangenheit wurden wieder erweckt. Bilder aus dieser Zeit, mit diesem widerlichen Kerl kamen wieder in ihm hoch. Keine schönen Bilder, eher grauenvolle. Bilder die er geglaubte hatte, endlich vergessen zu haben. *** In der Zwischenzeit hatten die Entführer sich mit Hirose Nanjo telefonisch in Verbindung gesetzt und waren erstaunt, über dass was sie hörten...
„Herr Hirose Nanjo?“
„Kurauchi, da war gerade ein Anruf. Sie haben Kojiro gefunden. Wollen Lösegeld. Moment... Da waren so Geräusche im Hintergrund...“ Er dachte eine Weile nach. „Geräusche wie... Ja. Sie müssten im Hafenviertel sein. Such’ sie zuerst dort. Sorge dafür, dass er tatsächlich stirbt. Geh’ jetzt. Beeil’ dich.“ „Ja!“ Er drehte sich um und verschwand lautlos. *** „Wat is’? De siehst geschockt aus. Wat sagt’ de Nanjo?“ „Er hat einfach aufgelegt. Das Schwein zahlt nicht. Sagt, es sei nicht Kojiro.“ „Nich’? Aber...“ „Natürlich ist er das, Yamada. Ich hab schließlich lang genug auf des Alten Anweisung hin nach dem Bengel gesucht. Wäre aber nie auf den Gedanken gekommen, dass die Nanjo’s vielleicht selbst was mit seinem Verschwinden zu tun haben könnten. Aber das sieht ganz so aus. Ich denke, ich weiß jetzt, was da lief. Von denen haben wir kein Geld zu erwarten. Fragt sich nur, wo wir jetzt welches herbekommen. Zum Umbringen ist der Kleine zu hübsch. Da lässt sich doch bestimmt was draus machen.“ „Sag mal, weißt de eigentlich, wo dieser „Kojiro“ die Jahre verbracht, die der Alte ihn gesucht hat?“ „Nein. Sag jetzt nicht, dass du es weißt.“ „De wirst es nich’ glauben, ik kenn’ ihn von früher. Der hat im Harumi - Bordell gearbeitet.“ „Harumi...?“ „Jo. Was hältst de davon, wenn wir ihn wieder an seinen alten Besitzer verkaufen? Ik war zwar schon ’ne ganze Weile nich’ da... Aber ik denk’, er würd’ ihn gerne wieder haben wollen. Oder wir verkaufen ihn an eins der and’ren Bordelle.“ „Ha-ru-mi... Harumi... HARUMI? Das hat einen neuen Besitzer - seit etwa... einem Jahr oder so.“ „Schon seit einem Jahr? Dann is’ es wohl doch scheinbar ein bisschen länger her, dass ik zuletzt da war. Sag mal, hast de ’ne Ahnung, wo er die letzten Monate gelebt hat.“ „Nein, nur die letzten Wochen, bei diesem Katsumi Shibuya.“ „Sh.. Shibuya...? Der hat doch och Geld wie Heu. Wat wär’, wenn wir vorher noch Lösegeld von ihm erpressen. Vielleicht zahlt ja der? Auf jeden Fall kommt hier bestimmt mehr Geld bei raus, als aus den anderen Möglichkeiten.“ „Dann lass aber deine Finger von dem Jungen, Yamada. Wenn du ihn anrührst, könntest du es bereuen.“ „Wie kommst de da drauf. Wat meinst de mit bereuen?“ „Tja, ich weiß nicht was dran ist, da läuft so ein Gerücht. Aber EIN Junge wurde vor etwa einem Jahr halbtot von zwei Spielern aus dem Harumi - Bordell rausgekauft. Und es könnte sein, dass der eine dieser Beiden der Shibuya ist. Er war eine Zeitlang nicht in Tokyo – etwa ein Jahr. Das passt alles irgendwie zeitlich zusammen. Erst danach konnten wir Kojiro überhaupt ausfindig machen.“ “Hmm... de willst mir also den Spaß mit dem Jungen verderben, mir Vorschriften machen, wat ik zu tun und zu lassen hab’?“ „Nein. Ich meine nur, dass die Shibuya – Familie sehr einflussreich ist und wenn der Junge da nebenan sein Lover geworden ist, könnte das größten Ärger geben.“ „De weißt es nich’ genau...?“ „Na höre mal! Glaubst du, du kannst das Schlafzimmer eines Shibuya verwanzen? Du kommst nicht einmal so einfach bis in den Garten... Was meinst du, warum wir solange gebraucht haben, um ihn zu finden. Er verlässt selten das Anwesen. Scheint Menschen nicht gerade zu mögen. Wenn er wirklich im Harumi war, ist das allerdings kein Wunder. Nur der Bordellbesitzer sitzt inzwischen und jemand anderes führt das Lokal weiter..“ „Der sitzt...?“ „Ja - sag ich doch, seit etwa einem Jahr und wird wohl auch nicht mehr rauskommen, der hat lebenslang. Die Polizei hat das Nest damals komplett ausgehoben... Jetzt wo du es sagst, es könnte sein, dass dieser Shibuya da seine Hände mit im Spiel hatte. Erst holt er den Jungen da raus und dann hetzt er eine Woche später die Polizei auf den Laden und verschwindet erst einmal selbst. Den Jungen hatte er wahrscheinlich mit.“ „Und nu...?“ „Es ist nichts bewiesen, dass der was mit der Sache zu tun hat. Ist nur ne Theorie von mir, die auf die verschiedenen Gerüchte basiert. Es passt jetzt nur alles so klar zusammen. Kann ja auch reiner Zufall sein. Ansonsten... Wir müssen halt cleverer sein als er. Er darf uns nicht mit dem Jungen in Verbindung bringen. Wir müssten jemanden mit der Forderung beauftragen, der uns nicht kennt. Ich mach das schon. Aber... LASS DEN JUNGEN IN RUHE!! Egal ob Koji oder Kojiro! Sonst könnte dein Leben genauso enden, wie das von ... na ja, ich glaub ich brauch nicht weiter zu reden. Ich hoffe du hast es auch so verstanden.“ „Jo, jo. Spielverderber!“ „YAMADA!“ „Schon gut, ik versprech’s ja. Schad’ nur...“ Damit verschwand er aus dem Zimmer. Während der andere sich erneut den Telefonhörer griff.
„Katsumi, was hast du da?“ „Hm... ne Lösegeldforderung. Sie haben Koji!...“ Katsumi sah auf. Takuto stand nur 2 Meter vor ihm im weißen Bademantel. „Aber was suchst du hier. Marsch, leg dich wieder hin.“ „Ist doch nur ne Beule. Und in zwei Tagen muss ich eh wieder zurück.“ „Ach ja, und den dicken Verband trägst du wohl nur, weil Turban gerade in Mode kommt. Nix da, ab ins Bett. Nicht, dass dir noch schwindlig wird, du umkippst und dir am Ende noch das Genick brichst, weil du dich nicht auf der Treppe halten konntest. Dann bekomme ich Ärger.“ *seufz* „Du schon wieder. Muss das sein? Sag lieber..., was ist mit Koji.“ „Okay, du legst dich hin und ich komm mit.“ Sie gingen ins Gästezimmer, in welchem Takuto seit ihrem ersten Besuch übernachtet hatte, und er legt sich hin. „So, nun lieg ich und weiter? Wie viel wollen sie?“ „Zu viel.“ „Was heißt: ZU VIEL?“ „Na ja, selbst wenn ich alles, was ich flüssig machen kann, bis morgen früh verkaufe, kann ich es nicht alleine aufbringen. Ich muss ein paar Telefonate führen. Taku, du bleibst liegen und schläfst erst einmal. Ich hoffe, dass ich dir morgen früh mehr sagen kann. Der Arzt sagte ein paar Tage Bettruhe und die wirst du auch einhalten, und wenn ich dich anketten oder einschließen muss. Ich kenne inzwischen deinen Dickkopf. Die Entführer melden sich erst um 10 Uhr morgen Vormittag telefonisch. Mach dir aber keine Sorgen, wir bekommen Koji zurück. Das verspreche ich dir.“ Damit ging er ohne eine Antwort abzuwarten hinaus.
***
*** Auf Takuto’s Frage, ob er das Geld zusammen hätte, nickte er nur, wollte sich aber nicht weiter dazu äußern. Nach ihrem Frühstück, räumte Katsumi das Geschirr ab und kurze Zeit später hörte Takuto die Türglocke. Takuto sah auf die Uhr: ‚08:21 - noch gut 1 1/2 Stunden, bis die anriefen.’ Er lehnte sich zurück. Obwohl er sich wie erschlagen fühlte, konnte er einfach keine Ruhe finden. Immer wieder wanderten seine Gedanken zu Koji oder zu Katsumi. Also lauschte er, ob er irgendwas im Haus wahrnehmen konnte. Da... schon wieder die Türglocke. Und ein paar Augenblicke später erneut. Zu gerne wüsste er, wer da alles gekommen ist, aber Katsumi hatte jedes Gespräch daraufhin abgeblockt und ihm gesagt er solle im Bett bleiben. Er würde ihm hinterher alles sagen. Die Minuten wurden endlos lang. Die Zeit schlich dahin. Hin und wieder hörte er die Türen unten klappern. Einige Leute gingen. Andere schienen zu kommen. Takuto sah wieder zur Uhr. Immer noch nicht viel später. Um seine Neugier vielleicht zu befriedigen und eventuell auch das eine oder andere Wort aufzuschnappen, stand er auf und zog sich etwas über. Dann öffnete er die Tür und tat so, als ob er auf den Weg zur Toilette wäre. Im Moment war es unten still, also ging er die Treppe runter. Unten war schließlich auch eine, dachte er sich. Noch 10 min bis die Entführer anrufen wollten. Takuto war auf der vorletzten Stufe, als plötzlich das Telefon klingelte. Schnell lief er hinter die Tür um dort zu lauschen, hörte aber nur einen ungehaltenen Katsumi, der kurz darauf den Hörer aufknallte. Scheinbar, waren sie das nicht. Als Takuto Schritte hörte, die sich seiner Türe von innen näherten, verschwand er schnell und hatte gerade die Badezimmertür hinter sich geschlossen, als die Stubentür aufging und er zwei Leute das Haus verlassen hörte. ‚Puh, Glück gehabt, dass hätte beinahe Ärger mit Katsumi gegeben.’ Er wartete bis 1 min vor 10, dann verließ er das Bad und stellte sich erneut hinter die Türe. Punkt 10:00 klingelte das Telefon und Katsumi stellte auf Lautsprecher, so dass alle Anwesenden mithören konnten. Nur fünfzehn - zwanzig Wörter sagte der „Entführer“, dann legte er ohne ein weiteres Wort auf. Katsumi und die Polizisten schüttelten den Kopf. Sie konnten ihn nicht orten, die Zeit war zu kurz. Vielleicht würde die Analyse der Geräusche was bringen. Takuto hatte indes auch gehört, was der Kerl gesagt hatten. ‚Übergabeort des Geldes und Uhrzeit. Falls es nicht da wäre oder Polizei eingeschaltet wird, stirbt er.’
*** Genau zu dem Zeitpunkt sah Katsumi, der mit dem Aktenkoffer an der angegebenen Stelle stand, einen Müllwagen um die Ecke auf den Fischmarkt zu fahren. Er wartete, aber dann passierte etwas, womit niemand der anwesenden Polizisten in ihren Verstecken in dem Moment gerechnet hatte. Ein Streifenwagen kam von der Kyosumi-dori direkt auf den Fischmarkt zu, um überall nach dem Rechten zu sehen. Der Müllwagen verrichtete seinen Dienst, fuhr weiter. Katsumi stand 20 min später, immer noch, mit seinem Geldkoffer in der Hand, da. Keine Übergabe war erfolgt. Zu Hause angekommen, wartete Takuto schon ungeduldig auf ihre Ankunft. Als er Katsumi niedergeschlagen durch die Tür kommen sah, gefolgt von Polizisten und Männern in Zivil, ging er mit ihnen zusammen ins Zimmer, um zu erfahren was los war.
*** „NEEEEEEEEIIIIIIIIIINNNNN!!!!!!! --- Das darf nicht sein.“, hallte Takuto’s Schrei plötzlich durch das riesige Haus. Katsumi der unten stand und die Polizisten gerade verabschiedete, sah erschrocken zur Treppe hoch. Schnell schob er die beiden letzten Polizisten raus, schloss die Tür und rannte die Treppe hoch, immer zwei Stufen auf einmal nehmend. Langsam, wie betäubt stand Takuto auf und ging zu seinem Schrank. Holte seinen Rucksack heraus. Nachdenklich ging er zum Bett, legte ihn darauf und öffnete ihn. ‚Ich will dich suchen.... Will dich finden!...’ An Takuto’s Tür blieb Katsumi stehen. Kein Laut mehr von drinnen. Er klopfte. „Takuto? Kann ich reinkommen?“ Nichts. „Takuto, ich bin’s... Katsumi. Geht’s Dir gut?“ Immer noch keine Antwort. Katsumi fasste die Tür an. „Abgesperrt?“ - „Takuto, mach bitte auf...“ Wieder nichts. „Was machst du, geht es Dir gut? Du hast abgesperrt...“ Langsam machte er sich ernsthaft Sorgen: Das war nicht seine Art. So was hatte er bei ihm noch nicht erlebt. Bei Koji schon eher, nicht aber bei Takuto. Nachdem dieser auch jetzt nicht antwortete, nahm er Anlauf und schmiss sich mit voller Wucht gegen die Tür. Erst beim dritten Mal gab sie nach. Sich seine Seite reibend, betrat er das Zimmer und sah sich um. In der Zwischenzeit ging Takuto zurück zum Schrank griff sich ein paar Teile und während er seinem Rucksack, mit den wichtigsten Utensilien packte, die er vielleicht brauchen würde, wurde er mit jedem Griff, jedem Schritt, in Richtung seines Rucksackes zurück, selbstbewusster. Er wusste immer deutlicher was er wollte, was er tun musste. Seine Gedanken, waren bei Koji, galten allein ihm. ‚Ich ... werde dich finden! Egal wie weit ich gehen muss, und wo du jetzt stecken magst. Ich werde dich finden, Koji! Warte auf mich, halt aus. Ich finde dich und hole dich da raus. Und wenn ich die ganze Gegend auf den Kopf stellen muss - ich ins kleinste Rattenloch kriechen muss - ganz Tokyo nach dir wie eine Nadel im Heuhaufen durchsuchen muss... Niemand kann mich aufhalten. Auch nicht Katsumi. NIEMAND!’ Mit jedem Satz kehrte sein Mut, seine Kraft mehr und mehr zu ihm zurück. Als er den Rucksack gerade schloss, stand Katsumi neben ihm. Erschrocken fuhr er auf. ‚Hatte ich nicht zugesperrt?’ Ein Blick auf die Tür verriet ihm, was geschehen sein musste. „Oh...- Katsumi? Hab’ ich dich nicht gehört?“ „Nein, scheinbar wohl nicht. Obwohl nun bestimmt die gesamte Nachbarschaft auf der anderen Seite des Flusses Bescheid weiß.“ „Hmmm?“ Takuto sah ihn ungläubig an. Katsumi reagierte darauf aber nicht, stattdessen warf er einen Blick auf das Bett und obwohl sich Takuto vor den Rucksack gestellt hatte, erkannte er auf den ersten Blick, was hier lief. „Was hat das zu bedeuten, Takuto? Du willst dich doch wohl nicht etwa selbst auf die Suche nach der Höhle des Löwen wagen?“ „DOCH!“ „Sag mal, spinnst du?“ „Nein“ „Scheinbar doch. Du solltest wissen, dass mit solchen Leuten nicht gut Kirschen essen ist. Und was willst du machen, wenn du weißt, wo Koji ist? Die Polizei denkt das es wenigsten 2 - 4 Männer sind. Die kannst du nicht alleine ausschalten. Nicht alle. Auch wenn du in guter Kondition, durch dein Fußballtraining, bist. Vergiss eins nicht, deine Kraft liegt in den Beinen, nicht in den Armen. Du kannst nicht alleine gegen sie ankommen, falls sie alle unverhofft da sein werden. Das schaffst du n-i-e, und schon gar nicht mit deinem jetzigen Brummschädel.“ „ICH muss es versuchen. Wenn nicht, mach ich mir ein Leben lang Vorwürfe, wenn ihm was passiert.“ „Ich versteh dich ja, aber ich kann das nicht zulassen. Was soll ich Deinen Eltern sagen? Solange du hier bei mir bist, habe ich die Verantwortung für dich. Aber ich versprech’ Dir, wenn die Polizei und die angeheuerten Detektive ihn nicht finden, suchen wir beide nach ihm.“ „Dann ist es vielleicht schon zu spät... Warum nicht gleich?“ „G-L-E-I-C-H-??? Ich hoffe immer noch, dass die Privatschnüffler mir jeden Moment mitteilen, dass sie ihn gefunden haben, damit die Polizei ihrer Arbeit nachgehen kann.“ „Detektive, Polizei - die finden doch nix. Hast du doch gerade gehört. Er sprach von 24 Stunden. Katsumi, die Zeit drängt... Ich hab Angst... Angst um Koji... verstehst du... richtige Angst um ihn. Ich will nicht länger nutzlos hier rumsitzen. Ich muss was unternehmen oder ich werde verrückt.“ „Und wo willst du suchen?“ „Was heißt hier wo? Du hast doch selbst gehört, welche Geräusche beim Telefonat rausgefiltert wurden. Und was meinst du wohl, wo man die findet? So viele Ecken gibt es da nicht.“ Er griff hinter sich, erfasste den Rücksack, zog ihn ran, sah Katsumi fest in die Augen. Der Blick war fast tödlich. Trauer, Angst, Entschlossenheit, Wut und Zorn alle Gefühle auf einmal stürzten Katsumi aus Takuto’s Augen entgegen. Ließen keinen weiteren Widerspruch gelten. Katsumi erschrak zutiefst, und ging vor lauter Schreck einen Schritt zurück. Das war auch besser so, denn Takuto stürzte sogleich aus dem Zimmer hinaus, hinunter in die Küche, um sich noch etwas zu Essen einzupacken, bevor er das Haus verließ. Wäre Katsumi nicht ausgewichen, hätte er ihn sicher ohne Rücksicht über den Haufen gerannt. „Dieser Kindskopf... er hat doch alleine gar keine Chance...“ Katsumi schüttelte den Kopf. Sah sich noch einmal im Zimmer um, ging dann ins Arbeitszimmer und rief eine der großen Detekteien an, die bereits Koji suchte. Er teilte denen mit, was Takuto beabsichtigte und sie versprachen ihn mit drei Leuten zu überwachen und notfalls ihm zu Hilfe zu eilen und die Polizei zu verständigen. Beruhigt atmete Katsumi auf, als er den Hörer aus der Hand legte. Auf diese Leute konnte er sich verlassen. Es waren Profis. Die bestausgebildeten Leute weit und breit. Erst irrte Takuto ziellos durch die Straßen, hielt Ausschau nach Leuten, die eventuell über so was sprachen. Graste die Viertel ab, in denen er sich sonst aus Sicherheitsgründen niemals aufhalten würde. Schaute hin und wieder in verräucherte Kneipen rein, setzte sich an Tische neben verdächtig aussehende Personen, belauschte heimlich deren Gespräche, während er vorgab, sich voll und ganz seinem Getränk oder Essen zu widmen. Aber über nichts dergleichen wurde dort geredet. Also zog er weiter, näherte sich damit immerweiter den Lagerhallen im Hafenviertel. Bald würde dort überall Feierabend sein. Er tat so, als ob er auf Arbeitssuche wäre, obwohl er für diese Arbeit sowieso nicht kräftig genug gebaut war. Aber so kam er in die Hallen - zumindest kurzfristig rein - weil er den Chef suchte. Drinnen sah er sich unauffällig um, während er wartete. In sechs Hallen war er schon. Gerade war er in Begriff sich auf den Weg zur siebten zu machen, da sah er einen Mann der sich mehrmals auf seinem Weg umdrehte, als ob er befürchtete, verfolgt zu werden und sich in Sicherheit wiegen wollte, dass dem nicht so wär’. Schnell verschwand Takuto im Schatten der großen Halle und achtete genau da drauf, wo der Mann hinverschwand. Da ... jetzt öffnete er eine kleine Seitentür, verschwand dahinter. Plötzlich tauchte noch einmal sein Kopf auf... sah nach rechts und links... und dann wurde die Tür rangezogen. ‚Koji - bist du da drin? - Kann es sein, dass ich dich so schnell gefunden habe? Oder sind das nur irgendwelche Dealer, die hier ihr Versteck haben. Wenn du da drinnen bist... dann lebst du noch... sonst würde er sich nicht so verdächtig benehmen.’ Er wartete noch eine Weile..., wollte eigentlich warten bis es ganz dunkel ist... Inzwischen hatte er sich hinter einem Berg von frischgeschlagenem Holz verschanzt, welches dicht neben der Halle unter einem riesigen Vordach lagerte. Er hatte einen guten Blick auf die Seitentür, hinter welcher der Kerl verschwunden war. Als er gerade im Begriff war und sein Versteck verlassen wollte, um sich dem Gebäude zu nähern, faste ihm von Hinten jemand an die Schulter um ihn aufzuhalten. Dieser Jemand drückte ihn schnell wieder runter, hinter das Holz. Die Seitentür öffnete sich und der Mann der vor einer halben Stunden dahinter verschwunden war, kam in Begleitung eines Anderen hinaus. Sie sahen sich unruhig um, schlossen die Türe ab und gingen in verschiedene Richtungen davon. „Wahrscheinlich nach Hause.“, hörte Takuto hinter sich jemanden leise sagen. Der Griff um Takuto lockerte sich und er drehte sich um, sah den Anderen fragend mit großen Augen an. „Keine Panik, Katsumi lässt grüßen.“ „KATSUMI?“ „Ja, ich bin ein Freund von ihm. Er rief mich vorhin an. Kurz nachdem du das Haus verlassen hast, hingen wir schon an deinen Hacken. Wir sind zu deinem Schutz da und um dir zu helfen. „Ehrlich? Aber wieso „wir“?“ Takuto war erstaunt. Er hatte die ganze Zeit geglaubt alleine zu sein, warf ein Blick in die Runde, konnte aber nirgends irgendjemanden entdecken. „Ehrlich. Wir sind hier fünf Leute, jeder hockt hier hinter irgendwelchen Tonnen oder Kisten, rund um die Tür verstreut, die du beobachtet hast. Einer hatte schon vor dir den Verdacht, dass hier was nicht stimmt. Aber nun hör zu. Die Polizei ist benachrichtigt, die treffen hier jeden Moment ein und führen ne Razzia durch. Da die Beiden abgeschlossen haben, dürfte wohl keiner der Ganoven mehr da drin sein.“ Kaum hatte er das gesagt, rollten mehrere Autos in Zivil (ohne tatü tata) heran. Kreisten das Gebäude ein. Scharfschützen gingen hinter den Wagen in Deckung. Und ein Polizist näherte sich Takuto’s bisherigen Versteck. Der Mann neben ihm war aufgestanden und ging dem Polizeibeamten entgegen. Sie unterhielten sich kurz, während der Detektiv mit der Hand mehrmals zu verschiedenen Türen zeigte. Der Polizist nickte verstehend und gab seine Anweisungen weiter. Kurz darauf wurde der Ring der Polizisten enger um das Haus. Takuto saß wie auf Nadeln. Er war unruhig, aber der andere Mann ließ ihn nicht gehen. „Du würdest nur die Polizei behindern. Wenn Koji drin ist, darfst du sofort zu ihm.“, dass hatte er ihm versprochen. In der Zwischenzeit wurde die bewusste Türe aufgebrochen. Drei Beamte mit gezogener Waffe verteilte sich drinnen. Die anderen folgten nach einiger Zeit. Die Hintertüren blieben gesichert. Ein Raum nach dem anderen wurde durchsucht, bis man vor einer verschlossenen Türe stand. Schnell wurde auch diese vom Polizeischlosser geöffnet und Tatsache fand man darin, eine männliche Person welche zusammengekauert sich in eine Ecke gedrückt hatte, als ob er sich dort verstecken wollte. Einer der Beamten lief raus zu dem Detektiv und dieser nahm Takuto leicht am Arm und sagte zu ihm, „Sie haben jemanden... Kommst du?“ Takuto nickte, stand auf und fühlte wie seine Beine nachgaben. Eigentlich wollte er hineilen, aber die Angst, dass es jemand anderes sei, war zu groß. ‚Ach Quatsch, wer sollte es schon sonst sein...’, dachte er sich und wollte sich zusammenreißen. Der andere stützte ihn, bis sie kurz vor der Tür waren. Mit letzter Kraft riss er sich dann von ihm los und eilte auf die Türe zu. Was er sah, ließ ihm sein Herz erbeben. Es war Koji! Und er war es auch nicht. Das was er sah, war nur ein kleines Häufchen Elend. Wie ein Kind hatte er sich in die Ecke gekauert. Die Beine angewickelt den Kopf auf den Knien liegend und wippte vor und zurück. „KO-JIIII!“ Takuto eilte auf ihn zu, an den Polizisten vorbei und hockte sich zu ihm. Wollte ihn in den Arm nehmen und wurde zurück gestoßen. „Koji?... Koji, ich bin es... Takuto... Izumi... erkennst du mich nicht? Ko-ji?“ Noch einmal wagte er es ihn zu umarmen und als dieser sich dagegen wehrte, verstärkte er seine Kraft. Hielt ihn mit aller Macht an sicht gedrückt, so dass Koji gezwungen war in seiner Bewegung - diesem ewigen hin und her... hin und her... vor und zurück... inne zu halten. Langsam hob er den Kopf und Takuto sah, wie ihm lautlos die Tränen über das Gesicht liefen. „Ko-ji, keine Angst , ich bin da, alles ist vorbei. Wir gehen gleich nach Hause.“ Ein Polizist kam und wollte Takuto helfen, Koji aufzurichten und ihn notfalls zu stützen, doch Koji stieß den Hilfsbereiten weg. Seine Augen sahen ihn an, wie nur ein Irrer sehen konnte. Hätte er in diesem Moment in einem Spiegel gesehen, hatte er sich wohl vor sich selbst erschreckt. Der Mann zuckte mit den Achseln und sah Takuto fragend an. Dieser nickte ihm nur freundlich zu und sagte: „Ist schon gut. Danke.“ Dann richte er Koji auf. In dem Moment stand Katsumi schon in der Türe . Wortlos eilte er auf Koji zu, und half Takuto. Der Polizist stand da wie Falschbier und fragte sich, was der junge Mann, der gerade gekommen war, wohl für eine Beziehung zu dem Anderen hatte, da dieser ihn nicht wegstieß. Koji hatte inzwischen klein bei gegeben, als er sah, dass Takuto ihm nicht alleine helfen konnte. Vor Katsumi hatte er keine Angst, da dieser ihn bereits einmal aus ähnlicher Lage befreit hatte. Auch da war er verstört gewesen und Katsumi hatte ihm geholfen. Willenlos lies er sich von den Beiden rausführen. Der Krankenwagen war inzwischen auch angekommen, musste aber unverrichteter Dinge wieder abfahren, da sich Koji mit Händen und Füßen wehrte in ihn einzusteigen. „Tja, da ich den Holzhammer nicht mit habe, wirst Du wohl oder übel freiwillig in mein Auto einsteigen müssen, Koji. Oder willst du nach Hause laufen?“, sagte lächelnd Katsumi an Koji gewandt. Obwohl Takuto stark bezweifelte, dass Koji im Moment zu Scherzen aufgelegt war, beobachtete er genau Koji’s Reaktion. Wie erwartet, reagierte dieser mit Unverständnis, ließ sich aber zu Katsumi’s Auto bringen. Takuto stieg mit Koji hinten ein, der sich immer noch wie eine Last an ihn klammerte, aus Angst Takuto könnte plötzlich verschwinden, ihn an diesem ungastlichen Ort alleine lassen. Er hatte die ganze Zeit über Angst gehabt, dass seinem Izumi Schlimmes passiert wäre. Sie sagten zwar, sie hätten ihn liegen gelassen, aber konnte man wissen, ob er am Ende ohne fremde Hilfe nicht verblutet wäre. Koji fiel ein riesiger Steine vom Herzen. Er kuschelte sich noch dichter an seinen Izumi. Katsumi wechselte inzwischen noch ein paar Worte mit dem diensthabenden Polizisten und seinem Freund, dem Detektiv, bevor er sich hinter das Steuer setzte und alle nach Hause fuhr. Vorsichtshalber folgte ihnen ein Polizeiwagen und ab dem nächsten Tag waren immer mehrere Personen rund um die Uhr auf Wache, welche das Grundstück bewachen sollte. Langsam beruhigte sich Koji im Auto wieder, unterwegs blieben sie zu allem Unglück auch noch in einem Stau stecken, welcher sich über 2 Stunden hinzog. Koji hatte sich indes auf dem Rücksitz auf Takuto’s Schoss mit seinem Kopf bequem gemacht, seine Nase ruhte dabei an Takuto’s Bauchnabel und er atmete ruhig den vertrauten Geruch von ihm ein. Bei ihm fühlte er sich sicher und geborgen. Er schloss die Augen, während Takuto ihn die ganze Zeit über beruhigend streichelte und sich fragte, mit was für Rückenschmerzen er nach dieser unbequemen Lage, in dem Auto, selbiges wohl verlassen wird. Knapp vier Stunden nachdem sie Koji gefunden hatten, waren sie endlich wieder zu Hause. Als Koji sich sicher fühlte, konnte er das Auto ohne Hilfe verlassen, auch wenn Takuto ihm hilfreich unter die Arme griff. Erleichtert sah er wie sein Izumi ihn in sein Zimmer begleitete. Nachdem Koji eine heiße Dusche genommen hatte, und er mit Izumi gemeinsam noch etwas gegessen hatte, was Katsumi in der Zwischenzeit für beide hatte bringen lassen, legte er sich ins Bett. Takuto hatte sich den großen Sessel neben das Bett geschoben und hatte gesagt, er würde noch ein wenig bleiben, bis Koji eingeschlafen wäre. Dabei hielt er Koji’s Hand ganz fest in seiner. Doch die Aufregung des Tages war wohl doch ein wenig zuviel für ihn. Dunkler und dunkler wurden die braunen Augen, die Lider immer schwerer. Endlich fiel Takuto in einen traumlosen Schlaf der Erschöpfung. Koji stand auf, hob ihn behutsam aus dem Sessel hinaus, legte ihn in sein Bett und deckte ihn zu. Selbst etwas erleichtert, streckte er sich an seiner Seite aus. Er empfand dankbar die Nähe eines menschlichen Wesens – seines Geliebten – wie ein Schutzschild gegen das Grauen des Erlebten. Im Stillen dankte er nochmals Gott: Sie lebten. Beide! Am Morgen kuschelte sich Takuto an Koji, den Kopf an Koji’s Schulter. Als Koji aufwachte, fuhr er im ersten Moment verduzt in die Höhe. Dann erst begriff er. Es war ja sein Izumi. Ach ja! Er hatte eine schlimme Nacht gehabt, hatte immer wieder angstvoll gestöhnt und geschrieen. Da er ihn nicht wecken wollte, legte er sich vorsichtig in die Kissen zurück.
Inzwischen war Koji schon einige Wochen wieder zu Hause. Aber er verlor immer mehr den Halt. Takuto war die ersten drei Tage noch da, doch dann musste er wieder abreißen, da er sich nicht ewig bei Katsumi einnisten konnte. Außerdem hatte er Verpflichtungen, denen er nachkommen musste. Urlaub war die nächste Zeit bei ihm auch nicht in Sicht, da wichtige Spiele anstanden, wo er nicht fehlen konnte... wollte... und durfte. Wie auch immer seine Ausreden waren, sie liefen auf eins hinaus: Katsumi quälte sich in dieser Zeit mit Koji alleine herum. Herumquälen war das richtige Wort. Es war zur Qual geworden. Katsumi selbst fühlte sich mit Koji total überfordert, da Koji ihn nicht an sich heran ließ. All die Zeit, die Zeit die sie gemeinsam verbracht hatten, schien verloren zu sein. Er fühlte sich wie am Anfang, als er nicht zu Koji durchdringen konnte. Die Entführung schien alles wieder in ihm aufgewühlt zu haben. Koji sprach nicht, nahm nicht an den gemeinsamen Mahlzeiten teil, trieb sich öfters bis zum Morgengrauen rum, um dann endlich - aber völlig besoffen - nach Hause zu kommen. Schon bevor er gegen Mittag zum Frühstück runter ging, hatte er den ersten Alkohol getrunken und immer öfter im Laufe des Tages griff er zur Flasche. ‚Er spricht kein Wort mehr, sondern starrt nur vor sich hin, wenn er zu Hause ist. Ja, wenn er es mal war.’, sagte Katsumi seufzend so vor sich hin. Eigentlich wollte er es nur denken. Schon seit Stunden saß er hier im Zimmer und wartete darauf, dass er heimkam. Endlich... er hörte Geräusche vor seinem Zimmer. Die Tür stand offen, so dass er ihn sehen konnte. Ohne ein Wort ging Koji an der offenen Tür vorbei in sein Zimmer. ‚Na ja von gehen kann wohl kaum noch die Rede sein und zu überhören ist er jedenfalls auch nicht.’ „Hmm...“ Ein tiefer lauter Seufzer entkam Katsumi. Die Alkoholfahne, den kalten Rauch und das billige Parfüm, welches Koji in der letzten Zeit ständig anhafteten, konnte Katsumi bis weit in sein Zimmer hinein riechen. ‚Was soll ich bloß mit ihm machen? Ich kann ihn doch nach all dem nicht in eine psychiatrische Einrichtung stecken. Er muss wieder zu sich kommen und nicht noch mehr Leid sehen.’, dachte Katsumi und ging kopfschüttelnd zur Tür, um sie von innen zu schließen. ‚Zum Glück morgen ist schon Freitag. Takuto wollte übers Wochenende kommen. ZWEI TAGE!!! Vielleicht schafft er es ja diesmal, ihn zu erreichen. Ich hoffe es so sehr, dass Taku es schafft... wenn, dann kann es nur er... Aber ob zwei Tage dafür ausreichten?’ *** Freitag Abend:
„Hallo Katsumi!“ „Ich hab allen Alkohol im ganzen Haus vernichtet. Also beschafft er ihn sich in irgendwelchen Kneipen. Und wenn er da nichts mehr kriegt, lässt er sich von irgendwelchen Frauen abschleppen und säuft da weiter, bis er nicht mehr denken kann.“ Katsumi seufzt tief. „Er hört nicht auf gute Ratschläge. Als ich ihn in sein Zimmer schloss, kletterte er aus dem Fenster und verschwand. Ich kann ihn doch nicht in den Keller sperren, dass würde noch mehr schlimme Erinnerungen in ihm hervorrufen. Schließlich lebte er jahrelang in so einem vergitterten Raum im Keller, um ihn an der Flucht zu hindern. Er verschließt sich wieder, lässt niemanden an sich ran. Ich kann nur hoffen, dass er zu dir anders ist.“ „Oh Gott, was macht er bloß, war er damals auch so?“ „Nein. Damals war er zwar verschlossen, sprach nicht sehr viel und zog sich in irgendwelche Ecken und Nischen zurück, wo er sich zusammenkauerte, bis er endlich begriffen hatte, dass ich ihm nichts tun will. Du glaubst gar nicht wie viele Nischen es hier gibt.“ Katsumi lachte auf. „Ich hatte keine Ahnung, wo ich ihn jedes mal suchen sollte.... Aber nun? Er versucht die Erinnerungen zu betäuben, lässt sich nur noch voll laufen und versucht sich an jeder Frau, die ihn dann noch will zu beweisen, dass er doch noch ein Mann ist. Obwohl... sie ihn diesmal wohl nichts angetan haben. Die Kerle wurde ja am nächsten Morgen beim Betreten der Halle gleich von der Polizei geschnappt und eingesperrt. Sie haben die Entführung gestanden und dieser - wie hieß er nich gleich - Ya... Yamada, ja, der hoch und heilig versprochen ihn nicht angefasst zu haben. Allein der Schock, dass er einem dieser ehemaligen „Kunden“ gegenüberstand... in ihrer Gewalt war... nicht wusste, was sie mit ihm tun würden... die Angst davor, vielleicht wieder in dieses Milieu zurück zu müssen... das alles war wohl zu viel für ihn. Doch nun ist es genug, Taku. ... Geh zu Bett. Es ist schon spät. Ich werde ihn abfangen und ihm sagen, dass du da bist.“ „Lass mal, Katsumi. Ich bin nicht müde. Ich bleibe und werde ihn in Empfang nehmen. Sonst bringt es nichts. Leg du dich lieber hin und schlaf dich aus. Du hast ja schon dunkle Ringe unter den Augen.“ „Okay, aber ich glaube nicht, dass du heute noch viel erreichst bei ihm.“ „Ich weiß. - Ach Katsumi, ich kann etwas länger bleiben. Den Trainer und vier der Topspieler hat eine Virusgrippe ans Bett gefesselt, das heißt, die nächsten Spiele fallen aus. Du hast doch nichts dagegen, dass ich sagte ich bleib solange hier? Sie rufen hier an, wenn’s weiter geht.“ „Nein, hab ich nicht. Die bist ein Schatz, Taku. Ich danke dir.“ „Doch nun leg dich hin, ‚Gute Nacht’!“ „Gute Nacht - Taku.“ Damit verschwand Katsumi lächelnd. ‚Er bleibt länger, dann könnte er es vielleicht schaffen.’ Ein kleiner Funke Hoffnung tauchte auf. Takuto ließ die Tür auf und setzte sich vor den Fernseher. Gegen die Frische der Nacht hatte er sich in eine Decke eingewickelt. Im Fernsehen lief gerade die Wiederholung ihres letzten Spiels. Die 1. Halbzeit war bereits vorbei, doch Koji war immer noch nicht da. Sie hatte 1:1 gespielt, kein sehr berauschendes Ergebnis, gegen diese Mannschaft. Takuto war mit diesem Unentschieden nicht zufrieden. Sie hätten gewinnen müssen, aber leider waren da schon zwei der Topspieler ausgefallen. Noch 10 Minuten bis zum Ende der 2. Halbzeit... da war er unerwartet auf der Couch eingeschlafen. Da... plötzlich...ein Geräusch. Takuto erwachte. Sah auf die Uhr und stellte fest, dass es bereits 7 Uhr morgens war. Er hörte jemanden laut schimpfen. ‚KO-JI!’ Takuto sprang auf und lief zur Tür. Sie war immer noch zu. Er hörte wie Koji versuchte das heruntergefallene Schlüsselbund aufzuheben und den Schlüssel... Takuto riss die Tür auf. Koji der sich an der Tür abgestützt hatte, um das Schlüsselloch besser treffen zu können, flog Takuto geradewegs entgegen. „Furchtbar! Welch ein Gestank!“ schrie Takuto nur entsetzt auf und stieß ihn von sich. ‚Eine entsetzliche Alkoholfahne, kalter ekliger Tabakrauch und billiges Parfüm’, fügte er in Gedanken dazu, ‚...wie Katsumi erwähnte.’ Koji war viel zu durcheinander. ‚I... Izumi ... hier ... heute ... jetzt???’ Er riss die Augen auf und starrte ihn entsetzt an, so als ob er einen Geist vor sich sah. ‚Warum hatte Katsumi nichts gesagt? Oder hatte er? Hatte er wieder mal nicht hingehört, ihn einfach reden lassen, ohne ihn zu beachten? Aber sonst hatte er es doch wenigstens mitbekommen, wenn er sagte das Izumi kam?’ Ohne dass Koji etwas erwiderte, packte Takuto ihn, zog ihm den offenen Mantel aus, warf ihn über die Lehne und schleppte Koji erst einmal unter die Dusche. Dort drehte er das kalte Wasser an. Koji kämpfte eine ganze Zeit lang gegen das kalte Wasser an, aber Takuto ließ ihn nicht los, bis er merkte, dass der andere aufhörte sich dagegen zu sträuben.
„Geht’s wieder?“ Koji schüttelte den Kopf. Taku drehte das Wasser ab, griff nach einem Handtuch und rubbelte sich die Haare trocken. Dann sah er an sich herunter und lachte. „Ich glaube die Haare alleine reichen wohl nicht.“ Er ging zum Haken, griff sich die zwei Bademäntel die dort hingen, und warf den Größeren zu Koji. „Wasch dich erst mal und zieh dich um.“ Damit begann er sich auszuziehen. Koji starrte ihn nur ungläubig an. Als Takuto die nassen Klamotten runter hatte, wickelte er sich in den Bademantel ein, und sah mit einem triumphierenden Blick zu Koji. Doch der stand immer noch da und starrte nur auf Takuto. „Soll ich dir helfen... oder kannst du dass alleine. Du holst dir eine Erkältung.“ Wieder schüttelte Koji nur leicht den Kopf. Er legte den Bademantel über die Wanne, zog sich aus und stellt die Dusche auf warm. Nachdem er wieder einigermaßen hergestellt war, und er sich in den Bademantel gehüllt hatte, folgte er Takuto in die Stube. Als er dort zielstrebig in Richtung auf den Barschrank zu ging, wurde Takuto wütend. „KO-JI!“ Takuto’s Stimme klang fast streng. Er eilte zu ihm, packte ihn an den Schultern und schob ihn in Richtung Fenster, mit dem Blick nach draußen - hinaus auf den Park. „Sieh dort hin.“ Er zeigte auf einen großen Baum der unter dem starken Wind der draußen aufgekommen war, seine bunten Blätter fallen ließ. „Schau dir die Blätter an.“ Koji drehte sich zu ihm und in seinen Augen stand nur eine Frage: ‚WARUM Izumi?’ Er wollte sich ganz zu ihm herumdrehen, doch da spürte er Takuto’s Hände, die sich schmerzlich in seine Haut pressten und ihn wieder noch vorne drehten. Da Takuto hinter ihm stand, konnte Koji sein Gesicht nicht sehen. Aber seine Worte, seine harte Aussprache ließ keine Wiederrede zu. „Sieh sie dir an!“ Koji zuckte mit den Schultern, was soviel hieß wie: ‚Na und?... sie fallen.’ „Ja, sie fallen. Sie treiben ohne jeglichen Halt umher. Wie ein willenloses Spielzeug im Wind. Ihres sicheren Platzes am Baum entledigt, werden sich ihre übermütigen Kräfte bald erschöpfen. Mach es ihnen nicht länger nach, Koji!“ Er ließ ihn los und trat neben ihn, um ihn ansehen zu können. Doch dann erschrak er. Koji’s Blick war leer. Er hatte sich wieder in seine Welt zurück gezogen. Nichts schien er mitbekommen zu haben. Takuto packte ihn an den Schultern und schüttelte ihn. „KO-JI!!! HÖRST DU WAS ICH SAGE! Antworte gefälligst!“ „Ja...“, kam es fast tonlos. „KOJI - DU MUSST DAMIT AUFHÖREN. HÖRST DU? DU MACHST DICH KAPUTT! KO-JI!!! ICH BITTE DICH, HÖR AUF DAMIT.“ Hilflos lehnte er sich an Koji’s Brust. Koji zuckte kurz zusammen. Takuto bemerkte es und umarmte ihn fester, achtete jedoch darauf, ihm dabei nicht wehzutun. Koji ließ es mit sich geschehen, ohne jedoch zu reagieren. ‚Eine Wand! Ein Eisblock!’, dachte Takuto nur traurig. „KO-JI!“ Takuto beugte sich zu ihm hoch, und berührte flüchtig Koji’s Lippen. ‚Kalt, aber er wehrt sich nicht.’ Noch mal neigte er sich zu ihm und Koji spürte Takuto’s Lippen diesmal voller Heftigkeit auf seinen. Doch sie blieben auch jetzt kalt und leblos. Takuto wandte sich ohne ein weiteres Wort von ihm ab. ‚Sinnlos...!’ Tränen standen ihm in den Augen, als er sich in Richtung Tür wendete. ‚Es ist alles sinnlos! Wie soll ich nur zu ihm durchdringen?!’ Takuto verzweifelte.
Stille. ‚Morgen... Vielleicht morgen.... Vielleicht... wenn er nüchtern ist. Erst einmal darüber schlafen und dann bevor er wach wird, ihn aufsuchen und es gleich noch mal versuchen. Ja... ich gebe nicht auf. Morgen... Morgen ist ein neuer Tag... ein neuer Versuch...’ Mit diesen Gedanken wollte er gerade das Zimmer verlassen, als... „I...zu...mi“ Langsam, gedehnt und leise kamen die Silben aus Koji’s Mund. „I...zu...mi“ ‚Er reagiert????’ „Ja?“ Takuto blieb stehen, mit dem Rücken zu Koji. ‚Wenn er was will, muss er mit mir reden. So sehe ich nicht, was er will.’ „I...zu...mi - bleib bitte!“ Takuto drehte sich langsam um. ‚Nur nicht zu schnell bewegen, sonst verschreck ich ihn.’ „Warum? Du redest nicht mit mir,... hörst mir nicht zu... und zum Saufen brauchst du mich nicht...“
„Ich... ich...“ Takuto ging langsam auf ihn zu. Koji’s Augen folgten ihm, doch er rührte sich noch immer nicht von der Stelle. Wie angewurzelt blieb er stehen. Nur die Augen wurden lebhafter. Aus Koji’s Kehle stieg jetzt ein heißes kaum hörbares Schluchzen, während sich Takuto zu ihm neigte. Dieser sah ihm immer noch fest in die Augen und erschrak plötzlich. Sie zeigten Verbitterung und Selbstverachtung, die Takuto schmerzten.
„Hast du das Saufen nötig? Bietet dir das Leben so wenig, dass du das
daraus machst?“ „So, wie ich es gesagt hab.“ Damit drehte er sich um und sah wieder hinaus auf die fallenden Blätter die der Wind aufwirbelte und wieder zu Boden tanzten. „Oh - Izumi.“, flüsterte er schmerzlich, als ihm die Erkenntnis kam, dass dieser Recht hatte. ‚Wie recht du doch hast. Ich bin nichts weiter als ein loses Blatt im Wind. Es fällt, wenn du nicht da bist und wird kurz wieder aufgewirbelt, wenn du in meiner Nähe bist.’ Takuto ging zu ihm ergriff ihn am rechten Arm. Koji drehte sich zu ihm und lehnte sich nun mit dem Rücken ans Fenster. „Wie könntest du auch. Du bist nie da. Immer nur für 2 - 3 Tage, wenn ihr mal spielfrei habt. Ansonsten... .... Außerdem brauchst Du dich nicht mit solchen Erinnerungen, mit solch einer Vergangenheit herumzuärgern. Du hast zwar früh deine Eltern verloren, aber du hast deine Geschwister und die Horiuchi’s. Ich hingegen...“, traurig senkte er die Augen, löste Takuto’s Hand von seinem Arm und drehte sich wieder zum Fenster, damit Takuto seine Tränen nicht sah, die ihm in dem Augenblick lautlos über die Wange liefen. „Machst du mir jetzt zum Vorwurf, dass ich dein Schicksal nicht geteilt hab?“ „NEIIIN! Was denkst du von mir!“ Leiser fügte er hinzu, „Du hättest es nicht überlebt, so wie viele andere und dann... dann wäre ich auch gestorben. Was für einen Sinn hätte dann das Leben noch gehabt?“ „Du vergisst da aber etwas. Du bist nicht mehr allein. Du hast Katsumi. Er ist wirklich sehr besorgt um dich. Als ob du sein kleiner Bruder wärst. Oder kannst du etwa nicht mit allen Sorgen und Problemen jederzeit zu ihm gehen? Er ist zu deiner Familie geworden. Aber du... du schließt ihn jetzt einfach aus. Redest nicht mit ihm, ignorierst ihn sogar. Auch Taka kümmert sich um dich. Ständig hast du viele Leute um dich herum, die es gut mit dir meinen. Niemand der dir hier etwas Böses will. Taka hat inzwischen dafür gesorgt, dass du mit deiner Musik Geld verdienen kannst und sie verkaufen sich gut, wie Katsumi mir sagte. Aber sag ehrlich, glaubst du, du kannst so dieser Arbeit nachkommen? Wenn du dich so hängen lässt und du ständig blau bist? Denkst du auch mal an die Fans, welche deine Musik kaufen?“ „Aber ich will keine Fans... keine fremden Leute... nicht Katsumi...“ „Hm? Wieso machst du das denn? Nur um Katsumi und Taka einen Gefallen zu tun? Du hast doch auch gesungen, als wir uns hier das erste Mal trafen und...“ Takuto riss erstaunt die Augen auf. Wie ein Blitzschlag traf ihn die Erkenntnis... er sah plötzlich die Szene im Pavillon. „Und...? Du erinnerst dich ja? ... Ja dieses, und DAS ist es was mir fehlt... DU Izumi. Ich sagte dir schon, die ganzen Jahre war es DEIN Bild vor Augen, was mich am Leben hielt. Nur DU. Nun hab ich dich endlich wiedergefunden nach all der langen Zeit und immer wenn ich dir näher kommen will, kommt irgendwas oder irgendwer dazwischen. Immer wenn ich denke, ich erreiche dich - bist du weiter weg als zuvor. Wie in meinem Traum. So nah - wie in Zeitlupe - doch bei Null löst du dich in Luft auf. Katsumi, das Unwetter und dann diese Kerle. Ich liebe dich! Hast du das vergessen? Ich brauche DICH! Aber du...“ Koji’s Stimme wurde immer leiser. „...du bist nie da. Nie da, wenn ich dich brauche. Du hast immer nur deinen Fußball im Kopf, deine Spiele, dein Team. Und ich? Wo bleib ich da? Hier - allein - bei Katsumi. Du weißt, dass ich das Anwesen vorerst nicht verlassen darf. Hirose’s Männer lauern draußen und versuchen mich umzubringen. Wenn ich rausgehe, dann auf eigene Gefahr.“ „Aber Katsumi...“ „IMMER NUR KATSUMI, KATSUMI, KATSUMI...!“ „KOOO-JI! - Er versucht doch schon alles, damit er die Männer draußen dingfest kriegt.“ „Ja, er versucht... Aber wie soll das klappen, wenn sie ihr Opfer nicht kriegen und keine andere Straftat begehen? Kannst Du MIR das verraten? Sie wegen ‚Beobachten des Anwesens’ einsperren lassen? Das ich nicht lache. Du denkst das ist so einfach... ja? .... Du fährst in zwei Tagen wieder weg und ich bleib wieder alleine hier. Ohne dich und jetzt sag nicht: ABER KATSUMI IST DA. Er ist kein Ersatz für dich, dass solltest du wissen.“ „Ach ja?... Darf ich jetzt auch mal. Du besäufst dich, ziehst durch die Gassen von Kneipe zu Kneipe, reißt ständig irgendwelche Frauen auf und beklagst dich hier, dass du nicht raus kannst. Sag mal... merkst du noch was? Du widersprichst dir selbst. Macht das der Alkohol...?“ „Lass den Sarkasmus. Er steht dir nicht.“ „Und was, wenn die Kerle dir in der Bar oder auf dem Weg dahin, dir auflauern und dich erwischen, dich aus dem Hinterhalt erschießen oder sonst was? Hast du daran mal gedacht oder ist dein Kopf zu benebelt um die Gefahr zu erkennen, Koji?“ „Ja, ich hab dran gedacht.“ „Und?“ „Dann ist es vorbei. Keine Verfolgungsträume mehr, keine Angst vor dem Erwachen und den endlosen Tagen ohne dich, keine grausamen und quälenden Träume in der Nacht in denen ich dir nah bin und du bei Berührung dich auflöst. Nie wieder...“ „KOOO-JIIII!!! HÖR AUF! ICH WILL DAS nicht hören.“ „Nein. Du willst nicht? Ach was... Du profitierst doch auch davon. Schließlich quäle ich dich dann nicht mehr mit Vorwürfen, Eifersüchteleien und du bist F-R-E-I. Frei zu tun, was du willst, um Fußball zu spielen... deine Geschwister zu...“ „KO-JII!!! Es reicht. Ich hab begriffen.“ Takuto schmiss sich ihm an den Hals und umarmte ihn fest. „Was hast du begriffen? Was Izumi?“ „Ich... ich allein trage für all dein Leid jetzt die Schuld. Nur meinetwegen setzt du dein Leben so aufs Spiel, bist absichtlich so nachlässig mit deinem Leben. Nur ich...“ „IZUMI?!“ „Das war es doch, was du sagen wolltest? Stimmt’s? Weil ich nicht hier war die ganze Zeit über, weil ich immer nur an Fußball dachte... weil ich dir nicht das Gleiche entgegen bringe, wie du mir.“ „I-ZU-MI! - Izumi - hör auf - hör auf damit.“ Koji’s Hände die eben noch schlaff an seinem Körper herunterhingen hielten Takuto inzwischen fest im Arm und drückten ihn an sich. „Izumi - ich liebe dich. Ich will ohne dich nicht weiter leben....“ „KOJI? TAKUTO?“ „Oh nein... Katsumi...“, entkam es Koji benahe wütend. „Ja, Katsumi. Ich wohn’ hier. Vergessen?“ „Nein, aber du kommst immer im falschen Augenblick.“ „Tschuldigung, aber wisst ihr wie spät es ist? Es ist Frühstückszeit - gleich 8.00Uhr! Ward ihr gar nicht im Bett?“ „N - E - I - N!!! Verdammt noch mal! Waren WIR nicht! Aber NUN... Gute Nacht.“ Er packte Takuto am Arm und wollte ihn hinter sich her ziehen... Doch dieser war von seiner Reaktion gegenüber Katsumi so geschockt, dass er einfach stehen blieb. Koji drehte sich um. „Izumi?“ „Lass man Koji, ich bin im Moment nicht müde. Leg dich ruhig hin und schlaf den Alkohol raus. Ich frühstücke mit Katsumi und lege mich danach dann ebenfalls hin.“ „Wie du willst, Izumi.“, sagte er, ließ ihn los, aber nicht ohne ihm einen traurigen Blick zuzuwerfen. „Schlaf gut.“ Dann drehte er sich um und griff seinen Mantel, der immer noch über der Lehne lag.
„Koji?“
„Du hast es ihm ganz schön gezeigt, was? Das er wieder spricht... ich
wusste, dass du es schaffst.“
Nach dem gemeinsamen Frühstück hatte sich Takuto wirklich in sein Zimmer zurückgezogen. Vorher hatten sie beide noch einiges wegen Koji abgesprochen und Katsumi machte sich sofort daran, es in die Tat umzusetzen. Um Koji wieder auf andere Gedanken zu bringen, beschloss Katsumi zu Taka zu fahren und mit seiner Hilfe Koji mehr einzuspannen. Sie legten seine Termine so, dass er innerhalb der nächsten Wochen, wenn Takuto wieder bei seinem Training war, - von Montag Mittag bis Freitag Mittag -, kaum Zeit für irgendwelche Dummheiten hatte. Abends sollte er so erschöpft ins Bett fallen, dass ihn keinerlei Träume quälen konnten. Außer vielleicht Albträume wegen seiner vielen Arbeit. Katsumi musste grinsen, als sie ihren Plan fertig hatten. Er würde kaum Zeit zum Atmen finden, dafür würde seine Gesangskarriere aber sprunghaft nach oben führen. Während sie die Pläne ausklügelten und neue Termine für die darauf folgenden Tage arrangierten, unternahm Takuto jeden Tag was anderes mit Koji. Sie durchstreiften die Gegend, sahen sich in Museen und Ausstellungen um, und besuchten auch den Ostgarten und den Park vor dem Kaiserpalast. Der Palast selbst blieb ihnen allerdings versperrt. Aber egal. Wo sie auch hingingen, immer folgten ihnen in gewisser Entfernung fünf von Katsumi angeheuerte Leibwächter, welche die Beiden beschützen sollten, solange Koji in irgendeiner Gefahr wäre, welche zum Beispiel noch immer von seinen Brüdern ausging. Doch irgendwann hatte Koji es satt, immer von fünf Augenpaaren überwacht zu werden, auch wenn sie sich so unsichtbar wie möglich benahmen. Schon allein das Wissen, nirgendwo ungestört mit Izumi sein zu können, außer in Katsumi’s Haus, machte ihn verrückt. Immer öfter versuchte er sie durch irgendwelche >Glanzleistungen< auf den Straßen abzuschütteln, auch wenn Takuto ernsthaft versuchte ihn davon abzuhalten. Aber leider waren diese Burschen hartnäckige Profis, die sich selten mal von Koji reinlegen ließen. Endlich hatte er es geschafft. Sie waren schon eine ganze Weile mit dem Zweisitzer unterwegs, aber keiner von ihnen war wieder aufgetaucht. Er hatte diesen Wagen absichtlich in den letzten Tagen gewählt, da er sonst einen ungebetenen Gast, mit im Wagen sitzen gehabt, hätte. Da es Takuto beim letzten Mal so am Strand gefallen hatten, nutzte er die Möglichkeit und wollte mit ihm nach Hamamatsu, wo er gedachte einem Bekannten einen Besuch abzustatten, der dort in der Nähe - oder besser gesagt, ein Stückchen außerhalb - wohnte. Er hatte ihn und seine Familie bei Katsumi kennen gelernt und war von diesem schon öfter eingeladen worden, hatte aber das Angebot bis jetzt nicht angenommen. Irgendwie schien ihm jetzt der richtige Moment. Auch wenn sie keine Sachen mithatten, hätte er dort mit Izumi sicher ein 2 - 3 Tage bleiben können. Zielstrebig steuerte er auf Hamamatsu zu. Kurz vor der Stadt jedoch bog er ab und folgte der Wegbeschreibung, die ihm sein Freund bereits mehrmals gesagt hatte. Koji freute sich bereits darauf ihn wiederzusehen und anschließend mit Izumi dort ein paar unbeschwerte Stunden - ohne Bewacher - zu verbringen. Doch es sollte alles anders kommen. Als Koji endlich vor dem Haus angekommen war, klang kein lustiges Kindergeschrei daraus hervor. Auch auf klingeln wurde nicht reagiert. Von den Nachbarn erfuhren sie, dass sie vor zwei Tagen verreist waren. ‚Pech’, dachte sich Koji, ‚...aber egal, sehen wir und die Gegend an, wandern vielleicht ein bisschen am Strand entlang, machen uns einen schönen Tag und fahren dann eben wieder nach Hause.’ Takuto wäre am liebsten gleich wieder zurückgefahren, sah aber ein, dass sie sich die Ecke wenigstens mal ansehen könnten, wenn sie schon da sind. Also ließen sie den Wagen dort stehen und machten sich zu Fuß auf Erkundungstour. Zuerst besahen sie sich die nähere Umgebung des Anwesens, dann ging es hinunter an den Strand. Eine ganze Weile liefen so am Strand entlang, bis sie bei einem Bootsverleiher sich ein Boot mieteten. Da es bereits kurz vor der Mittagspause war, sollten sie es anschließend nur am Steg wieder befestigen. Sie fuhren hinaus und konnten so die Landschaft besser genießen. Takuto hatte sich die Ruder geschnappt und ließ sie durchs Wasser gleiten. Nach einer ganzen Weile hielt es Koji einfach nicht mehr auf dem Platz ihm gegenüber aus, er tat so als ob er ihm die Ruder abnehmen wollte, wollte ihm aber erst einmal einen Kuss stehlen. Takuto erschrak über die ruckartige Bewegung, das Boot geriet ins Schwanken und ehe sich Takuto versah, kippte es zur Seite und Takuto landete im Wasser. Koji schaffte es irgendwie sich im Boot zu halten und dafür zu sorgen, dass dieses nicht umkippte. Als Takuto wieder auftauchte, half Koji ihm aus dem Wasser heraus. Wie er jedoch wieder im Boot war, klebte ihm sein Haar am Kopf und das Wasser rann ihm aus der Kleidung. Koji grinste ihn ganz frech an. ‚Er sieht aus wie ein nasser Hund, aber gleichzeitig sehr verlockend.’ Kurz darauf verdrängte er jedoch die lüsternen Gedanken und sah sich besorgt um. Aber außer dem Wasser, und dem Strand war weit und breit nur der Bootssteg zu sehen. Als Takuto so an sich hinunter sah, war es mit seiner Beherrschung vorbei. „Shit, wieso lag ich im Wasser und du nicht?“ Dabei funkelten seine Augen Koji böse an. Doch dieser ging nicht näher darauf ein. Was hätte er auch sagen sollen? Statt dessen ergriff er die Ruder und brachte das Boot so schnell als möglich ans Ufer zurück. Dort sammelte er ein bisschen Holz, entfachte mit seinem Feuerzeug das Feuer, damit sich Takuto daran wärmen konnte, ihm war klar, dass das nicht reichte. Takuto würde sich eine Erkältung zuziehen und das wollte er nicht. Immerhin war es Herbst und die Sonne hatte nicht mehr die Kraft wie im Sommer. Als das Feuer brannte, lief er zum Auto. Fuhr es dichter an den Strand heran, holte die Decke von Rücksitz und brachte sie Takuto. „Zieh dir die nassen Sachen aus, du erkältest dich sonst noch. Hier.“ Mit diesen Worten hielt er ihm die Decke hin. Takuto tat wie ihm geheißen, obwohl ihm nicht sehr wohl bei dem Gedanken war, sich vor Koji’s Augen auszuziehen, denn dieser konnte es einfach nicht lassen und starrte ihn dabei mit großen Augen an. Er wollte seine Shorts anbehalten, doch Koji schüttelte den Kopf: „Alles. Du wirst sonst krank.“ Also streifte er sich diese mit hochrotem Kopf ab, während er Koji sein Hinterteil zeigte. Als Takuto in die Decke gehüllt vor ihm stand, schob er ihn dicht ans Feuer, während er selbst sich um Takuto’s Kleidungsstücke kümmerte. Sie so gut es ging ausdrückte und zum Trocknen auf ein Gerüst stellte, welches er neben dem Feuer aus Ästen errichtete. Dann sah er sich um und beschloss eine Art schrägen Unterstand aus Zweigen und Blättern zu errichten, wie einen Windfang, um die Wärme besser halten zu können. Er holte sich mehrere große Äste, da nicht weit von dem Platz, wo er das Auto geparkt hatte, zwei große Bäume gefällt worden waren. Die lagen noch da, man hatte zwar die großen Ästen bereits vom Stamm getrennt, aber zum Glück sie noch nicht geteilt. Hastig nahm er die Teile heraus die er gebrauchen konnte, holte sich aus dem Kofferraum seines Wagen die Rolle mit dem Band, welches er schon seit längerem drin hatte und kehrte beladen zu Takuto zurück, wo er den Unterstand nahe beim Feuer errichtete, und zwar so, dass der Wind nicht reinblasen konnte, sondern abgehalten wurde. Als er ihn mit kleineren Ästen und Blättern fertig gestellt hatte, setzte sich Takuto dahinter, während Koji den vorbereiteten Korb mit dem Essen holte, welche er vorsichtshalber für die Fahrt eingepackt hatte. Takuto bekam erst mal einen heißen Tee aus der Thermosflasche. Hunger hatten beide nicht. „Hm. Du hast wohl an alles gedacht, was Koji?“, sagte Takuto während er sich am Becher wärmte. „Nein! An alles wohl nicht, sonst wären deine Sachen jetzt nicht klitschnass!“ „Wir können doch weiter nach Hamamatsu fahren, und uns dort ein Hotel suchen.“ „Hm. Ja, können wir.“ Koji musterte Takuto. „Daran hab ich im ersten Moment auch gedacht. Aber willst du da splitternackt in eine Decke eingehüllt und ohne Schuhe reingehen?“ Takuto bekam bei der Vorstellung einen knallroten Kopf. „Nicht unbedingt“, flüsterte er. „Siehst du, dass dacht’ ich mir. Also trocknen wir hier erst einmal deine Sachen etwas. Eben so gut es geht. Kurz vor dem Hotel ziehst du sie im Auto wieder an und im Hotel geben wir sie gleich in die Reinigung. Zwei Stunden später sind sie wie neu. Okay?“ „Ja, wenn du meinst. Könnten wir nicht einfach nach Hause? Du stellst einfach die Heizung im Auto an?“ „Nach Hause? Du willst... zurück?“ „Hm.“ „...“ „Koji?“ „...“ „Du nicht. Nicht wahr?“ „...“ „Koji? Rede mit ...“ „Muss ich darauf antworten? Du kennst die Antwort. Ich hatte gehofft hier 2 - 3 Tage bleiben zu können und da sie nicht da sind, bleiben wir halt im Hotel und unternehmen was von da aus.“ „... Okay, fahren wir ins Hotel. ... Mit Pool?“ „Mit Pool? Wieso? War dir das heute nicht genug Wasser?“ Koji lachte. „Okay, Hotel mit Pool.“ *** Genau wie Koji sagte, taten sie es. Als die Klamotten nur noch so feucht wie nach einem Regenguss waren, löschte er das Feuer, packte ihre Sachen wieder ein und sie fuhren weiter. Nach einem passenden Hotel am Stadtrand brauchten sie nicht lange zu suchen. In einer Abzweigung hielten sie kurz. Büsche verdeckten die Sicht auf die Straße und Takuto wickelte sich aus der Decke und zog mit leicht gerümpfter Nase seine feuchten Sachen wieder an. ‚Unangenehm’, schoss es ihm durch den Kopf. Koji musste laut lachen, als er das Bild im Rückspiegel sah. Takuto sah hoch und als er das immer noch lächelnde Gesicht Koji’ im Spiegel sah, platzte es aus ihm heraus. „Du - Spanner.“ „Den Anblick kann ich mir doch nicht entgehen lassen. Oder würdest du?“ „Ich würde nicht gucken!“ „Ah wirklich? Und wenn ein schönes junges Mädchen auf der Rückbank sitzen würde... auch nicht?“ Wieder schaffte er es Takuto zum Erröten zu bringen, doch dann brauste dieser los: „Auch dann nicht!“ „Glaub ich zwar nicht ganz, aber wenn du meinst.“ Dann lächelte er nur. „Fertig.“ „Kommst du nach vorn?“ „NEIN!“, kam es ziemlich barsch von hinten, während sich Takuto die Decke zusätzlich umlegte. „Oh, da schmollt jemand.“ Noch mal grinste Koji in den Rückspiegel, dann fuhr er los. *** Auf dem Weg zum Hotel hielt er unterwegs kurz an, stieg aus und verschwand um die eine Häuserecke. ‚Was er da wohl wollte?’ Sie waren zwar gerade da langgefahren, aber er hatte nicht darauf geachtet was da wohl zusehen war. Nach etwa 15 Minuten kam er zurück, in der einen Hand trug er eine große Plastiktüte, in der anderen einen Karton. Den Karton reichte er Takuto gleich nach hinten, dann griff er in seine Tüte und holte auch noch ein paar Socken raus. Als Takuto den Karton öffnete sah er darin neue Turnschuhe. Seine waren ja nicht mehr zu gebrauchen gewesen, nach dem Bad. Schnell zog er sich an und lächelte Koji dankbar an. Leise kam ein „Danke, Koji“. Eine Straße weiter war das Hotel. Koji nahm eine Suite für sie und als sie oben waren, übergaben er dem Zimmerservice Takuto’s feuchte Sachen. Als er mit Takuto alleine war, welcher inzwischen in dem weißen Hotelbademantel gehüllt aus dem Fenster sah, holte Koji aus seiner Plastiktüte zwei Badehosen hervor. „Wenn du in den Pool willst, bis deine Sachen wieder da sind, können wir gehen.“ sagte Koji, als er mit den beiden Hosen in der Hand neben ihn trat. Dieser stand erst noch eine Weile da und besah sich die Umgebung, doch dann drehte Takuto sich um, nickte ihm zu, nahm die Hose und zog sie an, ohne den Mantel zu öffnen. Dann ging er zur Tür. Koji hatte sich inzwischen auch umgezogen und den 2. Bademantel übergeworfen. Sie gingen hinaus und Koji schloss die Tür. *** Am Pool angekommen, waren sie zuerst allein. Sie sprangen ins Wasser und tobten sich im Wasser aus, schwammen beide um die Wette von Beckenrand zu Beckenrand und wieder zurück. Takuto war diesmal schneller als Koji. Laut lachend hielt er sich am Beckenrand fest und Koji sah ihm, als er auftauchte, nur tief und bewundernd in die Augen. Er liebte es wenn Takuto so fröhlich war und wollte ihn an sich ziehen und küssen, doch Takuto entwischte ihm und schwamm erneut hinüber. Koji folgte ihm. Wieder ging es hin und her. Inzwischen hatte sich jedoch noch ein Familie eingefunden. Während die etwa 14-15jährige Tochter ebenfalls in den Pool sprang, blieben die Eltern oben sitzen, um sie im Auge zu behalten. Koji tauchte am gegenüberliegenden Beckenrand auf. Sein Puls raste, er atmete schnell. Solch einer Belastung war er schon Ewigkeiten nicht mehr ausgesetzt gewesen. Er jappste nach Luft. Takuto kam heran und sah wie erschöpft er war. Schnell kletterte er heraus und bot Koji die Hand. „Komm ich helf’ dir.“ Koji griff lächelnd danach, doch im nächsten Moment verwandelte es sich in ein Grinsen und er zog Takuto erneut ins Wasser. Dann tauchte er ihm unter Wasser nach und hielt ihn fest. Er klammerte sich an ihn und ihre Lippen fanden einander. Atemlos tauchten sie ein Weilchen später wieder auf. Ein Blick auf die Familie zeigte, dass sie nichts mitbekommen hatten. Sie tollten noch eine ganze Weile im Wasser umher, bis Koji doch zu erschöpft war und sich diesmal von Takuto aus dem Wasser helfen ließ. Die Umgebung und die Menschen auf der anderen Seite des Beckens vergessend, griff er plötzlich nach Takuto’s Taille und grinste ihn lüstern an. Takuto befreite sich von den Armen und hob drohend die Hand. Schnell hielt Koji sie fest und verdreht ihm den Arm. Damit der Schmerz erträglicher wurde, drehte Takuto sich hastig um, da spürte er schon Koji’s Lippen in seinem Nacken und gleich darauf ließ Koji ihn los. Er wirbelte herum, starrte ihn einen Moment lang aufgebracht an und schlug ihm mit aller Kraft ins Gesicht. Vor Wut nicht fähig, etwas zu sagen, wandte er sich brüsk ab und stampfte dem Ausgang zu. Nicht aber, ohne noch vorher einen Blick auf die sie anstarrende Familie zu werfen. ‚Warum muss er immer wieder die Kontrolle verlieren, kann er nicht einmal, wenn wir nicht alleine sind, auch mal an meine Gefühle denken? Er weiß genau, dass mir nicht egal ist, was andere über mich denken. Wieso verhält er sich dann eigentlich so?’ Koji stand noch eine ganze Weile perplex am Beckenrand und starrte ihm nach. ‚Verzeih mir - Ich konnte mich einfach nicht mehr beherrschen. Izumi, ich liebe dich so.’ Dann setze er sich langsam in Bewegung, griff im Vorbeigehen die beiden Bademäntel und den Zimmerschlüssel und eilte ihm dann nach. *** „Wie wolltest du reinkommen, ohne Schlüssel?“ „Ich hätte den Zimmerservice gefragt.“ „Verstehe.“ Koji schloss auf. Takuto sah seine sauberen Sachen die gebügelt auf dem Stuhl lagen, nahm sie mit in sein Zimmer und riegelte die Tür von Innen ab. „Mist. Versaut hab’ ich’s!“, sagte Koji leise. Ging dann ins Bad und richtete sich nach einer Dusche wieder her. Takuto’s Handabdruck war noch immer gut zu erkennen. ‚Einen tollen Schlag hast du drauf, Izumi.’ Koji musste grinsen, aber seine Augen blickten traurig. Eigentlich hatte er sich von dem Ausflug mehr erhofft. *** In dieser Nacht lagen sie beide noch sehr lange wach. Beide ließen den Tag noch mal in Gedanken vorbei ziehen und jeder lauschte heimlich, ob der Andere sein Schlafzimmer wohl verlassen täte. Aber alles blieb ruhig. Den nächsten Tag schlenderten sie durch die Stadt und gegen Nachmittag machten sie sich beide zurück auf den Heimweg.
Einige Tage später hatte Koji es wieder geschafft, seine Bewacher abzuschütteln. Frohgemut lenkte Koji den Wagen durch Tokyo. In zwei Stunden wären sie am Ziel, wenn nichts dazwischen käme. *** „Wir sind wieder am Strand, wo damals das Zelt stand?“, fragte Takuto ungläubig. „Gut erkannt. Ich wollte dir eigentlich damals noch was zeigen, aber das Wetter spielte am zweiten Tag nicht mit. Erinnerst du dich?“ „Ja.“ „Komm.“ Koji griff Izumis Hand und zog ihn hinter sich her. Sie gingen eine Weile vorne am Wasser lang. Die Schuhe trugen sie in der Hand. Die Hosenbeine waren bis zum Knie aufgekrempelt, so dass es sie nicht störte, wenn eine Welle weiter oben auf dem Land erst brach und sie dabei bis an die Waden nass wurden. Anfangs war das Wasser kalt, aber schon bald empfanden sie beide es angenehm. Nach einiger Zeit wurde der Strand durch Steine abgelöst, welche sich bis tief in das Wasser hineinzogen. Doch Takuto empfand selbst diese Klippen als wunderschön. Übermütig kletterte er auf die feuchten Steine, um von dort aus besser aufs Meer hinaussehen zukönnen. Koji hatte inzwischen Takuto’s Schuhe in der Hand, damit dieser besser klettern und das Gleichgewicht dabei halten konnte. Kleine Steinchen und feuchter Sand bröckelte unter seinen Füßen ab und Takuto bemerkte, wie angstvoll Koji ihn beobachtete und ihm jedes Mal beim rauf und runter klettern hilfreich unter die Arme griff, um ihn vor einen möglichen Abrutschen zu bewahren. Auf einmal hörte der Weg vor einem steilen Felsen, der wahrscheinlich bei Flut mitten im Wasser stand, auf. Takuto war bis hierher im Wasser von Stein zu Stein vorwärts gegangen und wollte gerade umdrehen, da hörte er Koji: „Komm Izumi, hier müssen wir weiter.“ Damit deutete er an dem Felsen vorbei. Takuto zögerte einen Herzschlag lang, da er nichts als Steine, Wasser und eben diesen großen Felsen sah. Er sah sich gerade um, wo man am Besten hinunterspringen konnte, ohne nass zu werden, als Koji auch schon die Schuhe fallen ließ und ihm mit ausgestreckten Armen Hilfestellung bot. So warf er sich vertrauensvoll gegen Koji’s Brust. Koji wankte zwar einen kurzen Moment, blieb aber stehen. Er hielt Takuto eine kleine Weile an sich gedrückt, so dass dieser deutlich Koji’s rasenden Herzschlag spürte. Dann trug er ihn hinüber zu den Schuhen und setzte ihn dort auf dem kleinen schmalen Streifen Boden ab. Er ergriff mit der einen Hand die Schuhe mit der anderen Hand Izumi, lächelte ihn an und sagte, „Bleib einfach hinter mir.“ „Wohin gehen wir eigentlich Koji?“ „Zu einer Höhle, die ich hier bei meinem ersten Besuch entdeckt habe.“ „Ähmm...“ Trotz der aufgekrempelten Hosenbeine waren sie bereits triefend nass und der Stoff der Hosen hing schwer herunter, als sie über die niedrigen Felsblöcke weiter gingen, die von schlüpfrigen Seetang überzogen waren, vorbei an großen Wasserlöchern in denen kleine Fische schwammen, die bei Ebbe hier gefangen zurückgeblieben waren und erst durch die nächste Flut wieder befreit wurden. Völlig außer Atem vor Aufregung und Spannung, was Koji ihm wohl zeigen wollte, rauschte Takuto das Blut in den Adern. Plötzlich gähnte ein riesiges Loch vor ihnen, als sie um die Ecke des Felsens herumgeklettert waren. Hier hatten die rastlosen Gezeiten den Felsen im Laufe der Jahre ausgewaschen. Takuto blieb der Mund offen stehen. Er hatte mit einem ganz kleinen Höhleneingang gerechnet, wo man sich vielleicht noch bücken musste, um hineingehen zu können. Koji zog ihn in den Eingang der Höhle. „Ist es auch sicher hier?“, fragte Takuto die Höhle bewundernd, als er sich die zerklüfteten Felsen genauer ansah. „Gewiss doch. Oder meinst du, die Hölle wartete nur darauf, um über unseren Köpfen zusammen zu brechen?“ Koji grinste. „Außerdem, ist bis zum Einsetzen der nächsten Flut noch viel Zeit. Wir können noch stundenlang hier verweilen.“ Dann kletterte Koji zu einem versteckt liegenden Vorsprung, den die Flut nicht erreichen konnte und holte trockenes Brennholz hervor, welches er in einem riesigen Plastiksack, um es auch vor der Luftfeuchtigkeit, hier drin, zuschützen, verstaut hatte. Als Takuto sah, was er machte, suchte er schnell ein paar trockene Steine für die Feuerstelle in der Höhle zusammen und legte sie in einem Kreis vor zwei großen Steinen - die da nebeneinander standen - aus. Sie entfachten das Feuer, damit sie ihre Hosen trocknen konnten, welche sie inzwischen runtergekrempelt und im Wasser noch mal befeuchtet hatten, damit der Stoff glatt liege. Eine Weile saßen sie nur stumm da. Zum Glück, war heute noch mal ein schöner sonniger Tag, auch wenn man von der Wärme in der Höhle nicht viel mitbekam. Koji legte von Zeit zu Zeit ein Reisig oder später auch einen Holzscheit nach, während sich Takuto, von seinem Platz aus, in der Höhle umsah. Seit er wusste wohin sie gingen, fragte er sich, warum Koji auf einmal mit ihm hierher wollte und nun auch, woher er wusste, dass dort Holz lag. Koji, der indes Takuto genau beobachtet hatte, ahnte was in ihm vorging. Er legte wieder einen Holzscheit nach und fing dann zu erzählen an. „Das Holz hatte ich schon zwei Tage vor unserem gemeinsamen Besuch hier versteckt. Eigentlich wollte ich am 2. Tag mit dir hier her. Weißt du, ich liebe das Meer und habe mich erinnert, dass ich als Kind auch schon gerne in so einer Höhle gesessen hab?“ Takuto horchte auf. „Als Kind? Wann denn?“ „Ja, wenn ich was angestellt hatte und ich nicht nach Hause wollte, verkroch ich mich in so einer Höhle. Stundenlang habe ich es darin ausgehalten. Keiner wusste, wo ich war und wenn die Flut nachts wieder zurück gegangen war, habe ich mich still nach Hause geschlichen. Allerdings hat mein Vater immer auf mich im Zimmer gewartet gehabt. Pech. Er wusste sehr bald, wann ich etwa kam, aber niemand wusste, wo ich die Zeit über steckte. Bis... Irgendwann entdeckte Akihito mich da, durch einen dummen Zufall und als ich das nächste Mal in mein Versteck wollte, war die Höhle nicht mehr vorhanden. Statt dessen lagen riesige Steinhaufen da und versperrten den Eingang. Ich nehme an, dass sie die Höhle mit Sprengstoff zum Einsturz gebracht haben. Das war... einige Zeit, bevor ich zu euch kam.“ „Meinst du, er hat daran Schuld?“ „Hmmm, ich weiß nicht. Kann mir aber vorstellen, dass er Hirose davon erzählt hatte. Vielleicht hat er? Vielleicht Vater? Wer sollte sonst ein Interesse daran haben, eine einsame Höhle zu verschließen, außer das man sie dann nicht mehr betreten kann? Sie als Versteck unbrauchbar ist. Vielleicht hatten sie die Nase voll mich dort zu suchen. Die Höhle lag immerhin zwei Stunden Fußmarsch weit weg. Sie hätten ja fahren können, aber... verschließt man sie, braucht man nicht hin, weil ich ja nicht drin sein kann.“ „Tja, dass macht Sinn. Aber meinst du, dass sie damals schon so wütend auf dich waren? Ich dachte immer, nachdem mir Katsumi die Umstände erklärt hat, wie du damals zu uns kamst, dass es vielleicht nur eine Art ... >Notlösung< für sie war, um aus den Schulden rauszukommen, ohne Geld. Denn du wurdest damals ja nicht direkt als Einsatz gesetzt, oder?“ „Ob direkt oder nicht... was macht das heute noch für einen Unterschied? Meine Brüder hassten mich. Sie hassten mich so sehr, dass sie mich loswerden wollten. Reicht das nicht als Erklärung? Mir schon...“ Koji klang sehr verbittert und Takuto bereute inzwischen, dass er in den tiefen Wunden weiter gebohrt hatte. Er hauchte nur ein „Ja schon... entschuldige...“. Dann war er wieder still. Takuto schluckte, ihm war als ob ein Kloß in seinem Hals steckte. Unwillkürlich berührte er mit der Hand Koji’s Wange, der neben ihm saß. „Du hast es wirklich nicht leicht gehabt.“ „Nicht doch!“ Stolz warf Koji seinen Kopf in den Nacken. Takuto begriff blitzartig, dass Koji keinerlei Mitgefühl vertragen konnte, und erschrak zutiefst über die Wirkung seiner eigentlich trostspendenden Worte. Deshalb zog er sich innerlich von dem Thema zurück, starrte nur auf das flackernde Feuer, dass langsam ihre Hosenbeine wieder trocknete. Koji indes sah Takuto aufmerksam an, ergriff die Hand welche ihn eben noch berührte mit beiden Händen und streichelte sie zärtlich. „Zugegeben ich war nicht glücklich dort. Nur die Brüder, die mich seit dem ersten Tag nicht mochten, mich wie einen Eindringling behandelten, keine anderen Kinder und dann das harte Training bei meinem Vater...“ Eine kleine Pause entstand. „Das einzige Gute damals war, dass er mich zum Klavierunterricht zwang. So lernte ich schon sehr früh Noten, was ich sehr gut für meine Musik jetzt gebrauchen kann... Denn was sollte ich jetzt sonst tun? Die einzige Zeit über die ich je eine Schule besucht habe, war die Zeit bei euch.“ Er lächelte Takuto an. „Früher habe ich es gehasst Klavier zu spielen, bin öfter mal fortgelaufen, wenn der Lehrer kam. Ich war heil froh, als deine Eltern es mir dann über ließen, ob ich spielen wollte oder nicht. Ganz ohne Zwang macht es mehr Spaß seine Gefühle so auszudrücken. Heute bin ich froh, dass ich wenigstens das kann, um Katsumi nicht den Rest meines Lebens auf der Tasche zu liegen...“ „Das du deswegen mit dem Singen angefangen hast, wusste ich nicht.“ Koji presste seine Lippen plötzlich zusammen, seine Augen blitzten gefährlich dunkel und stürmisch auf, als er daran dachte, wie glücklich er hätte sein können, wenn er weiter mit Takuto hätte in die Schule gehen können. Etwas verbittert fügte er dann hinzu, „...was blieb mir denn schon anderes übrig, als zu singen. Ich kann doch sonst nichts. Katsumi hat jetzt sogar einen Lehrer engagiert, der mir dreimal in der Woche Abends ein bisschen Nachhilfe gibt, damit ich die versäumten Schuljahre wenigstens etwas wieder ausgleichen kann... ... ... Aber ich finde, es war eine gute Idee mit der Musik Geld zuverdienen. Zumindest solange mich die Leute hören wollen. Danach kann ich ja versuchen weiter zu komponieren. Meinst du nicht?“ Takuto sah ihn an. Seine Augen funkelten beim Licht des flackernden Feuers und Koji wäre am liebsten für immer in diese Augen versunken. „Ja, doch. Du singst so gefühlvoll, so wunderbar, dass man dir einfach zu hören muss. Jeden ziehst du damit in deinen Bann. Du hast bestimmt schon eine riesige Fangemeinde...“ Takuto lächelte ihn an und leise, fast flüsternd, fügte er hinzu, „...ich mag deine Musik auch ... wirklich...“ Leise summte er eine Melodie vor sich hin. Ein Leuchten blies die Unmut in Koji’s Augen weg. Das war das schönste Kompliment, welches er sich wünschen konnte. Er strahlte Takuto an, so dass dieser verschämt auf den Boden sah. Eigentlich wollte er Koji nur über seine Bitterkeit hinwegtrösten, welche die Erinnerung heraufgeschworen hatte, doch tief in sich fühlte er, dass es wirklich so war. Er fing an Koji zu mögen. Er liebte bereits seine Musik, seine Stimme; seine Mimik und Gestik, wenn er sang oder komponierte. Koji streckte die Hand aus und zwang so Takuto ihm sein Gesicht zu zuwenden. Seine sanfte Berührung ließ Takuto’s Wangen erglühen. Wie unter einem magischen Bann konnte Takuto jedoch seine Augen nicht abwenden von den uferlos tiefen Augen, denen er plötzlich so nah war. Auch Koji fühlte ähnliches. Er versank immer mehr in den Augen dessen, den er so sehr liebte. Nur ein Wort schrie noch in seinen Gedanken: >IZUMI<. Dann beugte er sich zu ihm vor. Takuto öffnete den Mund, um instinktiv ein Wort der Abwehr hervorzustoßen, doch er kam nicht mehr dazu, da Koji’s Lippen seine bereits leidenschaftlich verschlossen. Takuto konnte auf einmal nichts mehr denken und so überließ er sich ganz der sinnlichen Berührung dieses festen, warmen Mundes. „Izumi“, flüsterte Koji leise, seine Augen sahen ihn schmachtend an. Langsam stand er auf und zog ihn mit sich in die Höhe, um ihn besser an sich drücken zu können. Seine Arme hielten ihn ganz fest und Takuto konnte nicht anders als seinen Kopf an Koji’s Schulter zu legen und seine Hände in Koji’s Haare zu vergraben. Wieder küsste Koji ihn, erst sacht dann etwas verspielt. Takuto versagten langsam die Knie, er klammerte sich immer fester an Koji und presste sich fest an ihn. Zu irgendwelchen Gedanken war er nicht mehr fähig, nur noch diese übermächtigen Gefühle fanden Platz in seinem Körper. Koji zog ihn noch näher an sich heran und spürte erfreut, dass sein Izumi diesmal keine Anstalten machte sich zu wehren, sondern seinem immer drängender werdenden Verlangen nachzugeben. Seine Begierde ließ den Druck seiner Arme ungestümer werden, seine Lippen fordernder. Wieder drohte dieses etwas ihn zu überwältigen... etwas das bereits vor Jahren begonnen hatte und gegen das er seither angekämpft hatte. ‚Angekämpft ja, aber gegen das ich auch schon öfter verloren habe. Erstmals verloren, als ich Izumi nach all den Jahren, bei Katsumi wieder traf und dass mir beinahe alles zerstört hätte.’ Takuto spürte die Veränderung, ließ sich aber von der Erregung seines Körpers diesmal mitreißen, fühlte den schnelleren Schlag seines Herzens, die Begierde. ‚Begierde?’ Irgendwo in seinem Innersten warnte ihn eine Stimme vor der unmittelbar drohenden Gefahr. Doch plötzlich stieß Koji ihn leicht zurück. Seine Hände sackten nach unten und mit einem Ruck drehte er sich um, sah in Richtung Höhleneingang. Takuto verstand nicht, was in ihn gefahren war. So verhielt er sich doch sonst nicht. Seine Beine die ihm den Dienst verweigerten sackten zusammen und er ließ sich wieder auf dem Stein nieder. ‚Sonst lässt er mich doch erst gehen, wenn ich ihm unmissverständlich gezeigt hatte, dass er aufhören sollte. Wenn ich merkte, dass er zu weit gehen wollte... Hatte ich meine Hände denn schon auf Koji’s Brust gelegt um ihn zu bremsen, indem ich ihn wegstieß?... Nein. ???’ Diesmal konnte er es nicht. Ihm hatten einfach die Kräfte dazu gefehlt. Und er wollte es auch nicht. „Was ist...?“, fragte Takuto. „Lass uns einfach gehen...“ Er drehte sich nicht um, starrte weiter gerade aus, auf das Wasser, um seine Gefühle zu ordnen. „Koji?“ Langsam drehte sich der Angesprochene um. „Wir müssen...“ „Koji, ich versteh nicht.“ ‚Er sagt doch ständig, dass er mich liebt, warum l...’ „Komm, wir fahren zurück.“ „Ich will wissen, was eben los war?“ Takuto war aufgesprungen, blieb aber stur stehen. Das Wasser begann langsam in die Höhle zu fließen. Die Füße berührten schon das feuchte Nass. Aber das war trotzdem kein Grund um so überhastet aufzubrechen. Bis die Flut ein Verlassen unmöglich gemacht hatte, wäre noch einige Zeit verstrichen. „Was meinst du?“ Koji glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. „Warum hast du eben so plötzlich aufgehört.“ „Dich zu küssen?“ „...hmm...“ Takuto errötete, aber Koji sah es nicht, da er ihm immer noch den Rücken zu wandte. „...“ „Koji - ich warte...“ „Ich bin nicht besser als ER.“ „Als er? Was meinst du?“ „Immer wieder versuche ich dir meine Gefühle aufzuzwingen. Dich zu etwas zu bringen, was du eigentlich nicht willst. Dabei müsste ich doch allzu gut wissen, wie es ist... Aber ich verdränge es immer. Ich liebe dich so sehr, dass ich es nicht sehen will. Das ich mich vergesse, wenn du in meiner Nähe bist. Ich habe nie erfahren, was es heißt, richtig zu lieben. Weiß es einfach nicht. Aber eben...“ Koji schwieg. Takuto ging durch das ansteigende Wasser auf ihn zu. „Was war eben?“ „Ich glaubte - für einen Augenblick - SEIN dreckiges Grinsen zu sehen, wie er über mich herfiel. Damals, als ich noch...!“ Wieder schwieg er. Takuto umfasste ihn von hinten mit beiden Armen und lehnte sich an Koji, drückte seine linke Wange fest an Koji’s Rücken. „Izumi?“ „Denk nicht mehr daran, Koji. Es ist schon lange vorbei. Niemand tut dir mehr was.“ Ihm fehlten einfach die Worte des Trostes, des Zuspruchs. Konnte man in so einer Situation überhaupt die richtigen Worte finden? ‚Nein. Konnte man nicht. Wie auch? Das hätte vielleicht nur jemand gekonnt der Ähnliches erleben musste.’ Takuto fühlte sich hilflos. Er wollte ihm helfen, konnte aber nicht. Plötzlich horchte er auf, als Koji wieder zu sprechen begann. „Es wird... nie... vorbei sein“, kam ganz leise von ihm. „Ich werde die Bilder nie los, werde sie immer vor mir sehen. Höre oder sehe ich Ähnliches im Fernsehen, in der Zeitung oder im Kino, begegnen mir Leute aus der damaligen Zeit... ist es wieder da. Selbst nachts... wach ich auf - gebadet im kalten Schweiß - und mit stark erhöhtem Puls. Mein Herz droht zu zerspringen und ich will die Bilder vergessen. Sie ausmerzen... Aber... ich kann es nicht.“ „Deswegen der ganze Alkohol, wenn ich nicht da war?“ „Ja... einen Augenblick alles vergessen können. Keine Erinnerungen daran haben zu müssen. Nicht noch einmal Nacht für Nacht alles miterleben. Die Träume sind schmerzhaft. Ich habe das Gefühl... es wieder... und wieder... und wieder zu erleben. Und ich will es nicht. Aber ich glaube, dass sagte ich dir schon.“ „Kann ich dir dabei nicht irgendwie helfen?“ „Helfen? Nein. Ich glaube nicht. Damit muss ich alleine fertig werden. Oder kannst du in mein Gehirn einsteigen und diese Erinnerungen herausreißen? Kannst du das Rad der Zeit zurück drehen und alles ab dem Tod deiner Eltern ungeschehen machen? Wenn du das könntest Izumi, dann könntest du mir helfen. Aber sag..., welcher Mensch vermag das schon?... ... ... Das Einzige...“ Erwartungsvoll schaute Takuto auf, löste seine Hände vor Koji’s Bauch und ging um ihn herum, stellte sich vor ihn, um ihn besser sehen zu können. „Das Einzige?“ „...hmm... Sei einfach da... Verlass mich nicht... Am Besten wäre, du brauchtest nie wieder weg... aber das ist wieder so ein unmöglicher Traum, der nie in Erfüllung geht. Dafür liebst du deinen Sport viel zu sehr...“ ‚...um ihn für mich aufzugeben.’, fügte Koji still in Gedanken hinzu. Aber er wagte es nicht, es offen auszusprechen. Er wusste wie sehr sein Izumi das Fußballspielen liebte und das es, wenn sie beide gemeinsam spielten, für Izumi keine echte Herausforderung war, nur gegen ihn zu spielen, niemanden zu haben, dem er den Ball abspielen musste. Eine Zeit lang sahen sich beide tief in die Augen, dann brach Koji den Blickkontakt ab und deutete auf das Wasser, welches ihnen inzwischen schon bis an die Waden ging. „Wir müssen hier raus. Lass uns gehen.“ Takuto nickte leicht. Koji ging inzwischen die Sachen holen. Die Hosen waren getrocknet. Er legte sie zusammen und steckte sie in die Plastiktüte, in welcher auch schon ihre Socken lagen. Dann nahm er ihre Schuhe und ging in Richtung Ausgang. Das Feuer war bereits erloschen und die Feuerstelle würde dort auf dem Podest in einiger Zeit überspült werden. Takuto sah sich noch einmal in der Höhle mit einem Rundblick um und folgte dann Koji, der schon dem Ausgang zustrebte. *** Kurz bevor sie den Strand verließen, nachdem sie sich wieder vollständig bekleidet hatten, um in das Auto zu steigen, zog Koji Izumi noch einmal dicht an sich heran. Takuto schloss die Augen und öffnete seine Lippen um Koji zuzeigen, dass er nichts dagegen hätte. Sie versanken beide in einen langen Kuss, der leider aber nicht unbemerkt geblieben war. Auf der anderen Straßenseite, war gerade ein Wagen vorbei gekommen, dessen Fahrer mit Erstaunen, das Pärchen auf dem Strandweg, wenige Schritte vor einem ihm bekannten Wagen sah. Um sich zu vergewissern, ob sie es wirklich waren, fuhr er seinen Wagen an den Straßenrand und wartete dort, bis sie sich von einander lösten, einstiegen und davonfuhren. Dann setzte er mit einem Grinsen die Fahrt fort. ‚Wer hätte das gedacht, Takuto Izumi...’ Die Autofahrt verlief ziemlich stumm. Takuto hoffte, Koji würde noch mehr von seinen Gefühlen ihm gegenüber preisgeben, wollte deswegen kein Gespräch beginnen, um ihn eventuell zu unterbrechen. Außerdem konnte er sich nicht vorstellen, dass Koji jetzt an irgendwelchen Fachsimpeleien über Fußball interessiert wäre. Und Koji selbst war jetzt nicht zum Reden zumute. Er versuchte sich auf den Verkehr zu konzentrieren, während wieder Bilder auf ihn einstürmten, welche dieses Gespräch hervorgerufen hatte. So gerne würde er Izumi davon erzählen, sich alles zur Erleichterung von der Seele reden, damit er ihn besser verstehen konnte. ABER... er fand nicht die richtigen Worte. Er wollte seinen Izumi nicht verängstigen. Ihn an dem Grauen nicht teilnehmen lassen, um ihn selbst so davor zu schützen. Es reicht, wenn er selbst Nacht für Nacht das Grauen erlebte. Izumi sollte gar keine Vorstellungen davon haben, was er in den Jahren erlebt hatte. Er wünschte sich so sehr, dass er nie wieder einem dieser Menschen über den Weg laufen musste. Aber war das überhaupt möglich? In den Kreisen, in denen er sich jetzt aufhielt, würde er ihnen wohl weniger begegnen... Aber sollte das Schicksal es bestimmt haben, dass er einem von ihnen über den Weg läuft, würde selbst eine einsame Insel ihn nicht davor bewahren können, dass diese Person durch ein Unglück auf der Insel landet. Also musste er auf der „Insel“ - auf der er jetzt lebte, auf Katsumi’s Anwesen - ausharren, welches jetzt noch stärker bewacht wurde.
TEIL 15Takuto schlenderte durch das Haus. Ihm war langweilig. Kôji war unverhofft bis zum frühen Abend nicht zu Hause, sondern hatte irgendwelche Termine. Katsumi hingegen war heute bei Freunden zu Besuch, wie er selber gesagt hatte. Takuto besah sich die Zimmer, die er noch nicht kannte und entdeckte eines, was wohl aussah wie ein gemütliches „Kaminzimmer“, aber mit einer riesigen Bücherwand auf einer Seite. Davor stand ein großer schwarz glänzender Flügel und in einer Ecke daneben befand sich eben der erwähnte Kamin. Wie er sich umdrehte sah er auch hinter sich, rund um die Türe herum, lauter kostbaren Bücher - bis unter die Decke. Keine einzige Paperbackausgabe spukte dazwischen herum, wie er feststellte. Auf der anderen Seite befanden sich mehrere Sitzmöglichkeiten aus dunkelbraunem Leder. Wahrscheinlich um den Zuhörern kleinerer Gesellschaften Platz zu bieten. Der Raum selbst war dunkelbraun getäfelt. Neben dem Kamin war bereits alles für ein Feuerchen bereit gelegt und so entzündete er ihn. Als das Feuer lustig im Kamin flackerte und sich in dem bereits etwas kühlen Raum eine wohlige Wärme ausbreitete, war es draußen bereits schummrig geworden. Die Ecke beim Kamin wurde nur durch Kerzenlicht erleuchtet, welche Takuto ebenfalls anzündete. Er hätte sich zwar die Stehlampe ranholen können, empfand es aber so viel gemütlicher. Er nahm sich eins der alten Bücher, zog den Sessel noch ein Stückchen dichter an die an der Kaminwand befindlichen Kerzenhalter heran, wickelte sich in die auf dem Sessel liegende Decke und las. Die Zeit verging, inzwischen war es draußen Dunkel. Kôji kam nach Hause und sah schon vor dem Haus, dass sich jemand in dem kleinen Eckzimmer im Erdgeschoss aufhalten musste. Da auf sein Rufen - als er das Haus betrat - niemand antwortete, ging er, nachdem er sich Mantel und Schuhe ausgezogen hatte, in das vorgenante Zimmer.
Auf den ersten Blick schien der Raum leer zu sein. Doch halt, der riesige Sessel war verschoben und ihm war so, als hätte sich darin was bewegt. Er ging näher heran und schaute über die Lehne. In eine Decke gekuschelt war Takuto - über das Buch, welches er gerade las - eingeschlafen. Friedlich schlafend hatte er sich in die rechte Sesselecke gekuschelt. Das Buch war ihm vom Schoss gerutscht und lag unten zusammengeklappt auf dem Boden. Wie er Takuto da so liegen sah, trat ein Leuchten in seine Augen und ein sanftes Lächeln legte sich auf seinen Mund. Vorsichtig ging er um den Sessel herum, bückte sich, nahm das Buch weg und legte es auf den kleinen Lesetisch, der neben dem Sessel stand. Dann deckte er ihn mit der Decke, die etwas nach unten verrutscht war, zu und legte noch zwei Scheite Holz ins Feuer. Ein Blick auf die Kerzen zeigte ihm, dass sein Izumi scheinbar schon eine ganze Weile hier gewesen sein musste. Am Liebsten hatte er sich zu ihm in den Sessel gesetzt und ihn gehalten. Platz war genug, obwohl Izumi mit angezogenen Beinen im Sessel hockte. Aber er wollte ihn nicht wecken. Also entschloss Kôji sich, in dem zweiten Sessel, der etwas Abseits neben dem Klavier stand, nieder zu lassen Von dort aus konnte er Izumi gut sehen. Schon oft hatte darin gesessen und hatte still darin gearbeitet, wenn Izumi nicht da war. Gerne hätte er ihn näher an den Kamin geschoben, aber da er sehr schwer war, würde es nicht so leise von sich gehen, wenn er ihn schob. Also ließ er ihn erst einmal stehen. Kôji atmete erleichtert auf, als er sich setzte und daran dachte, dass Katsumi sie heute nicht würde stören können. Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Tief atmete er ein und ließ die Luft langsam wieder heraus. Der Tag heute war anstrengend gewesen. In fünfzehn Tagen würde er ein großes Konzert geben. Eigentlich wollte er ja nicht, aber Katsumi und Taka hatten ihn bekniet und ihm versprochen, dass Izumi dann noch da sein werde. Während er Izumi beim Schlafen beobachtete, ließ er in Gedanken noch mal die Proben und die vorgesehenen Songs vorbeiziehen. Irgendwie fehlte ihm was. Keines der Lieder die er vortragen würde, konnte es mit Izumi’s schlafender Schönheit auf sich nehmen. ‚Wie ein wunderschöner, schlafender, süßer Engel’, schoss es ihn durch den Kopf. Kaum dachte er das, als sich auch schon eine himmlische Melodie in seinem Kopf erhob und sich vor seinem inneren Auge die Worte aneinander reihten. Schnell griff er zu Notenpapier und Stift, welches schon seit langer Zeit immer griffbereit in diesem Raum lag und der Stift flog nur so über das Papier. Zwischendurch warf er immer wieder einen Blick auf den schlafenden Izumi. ‚Sein Tag muss anstrengend gewesen sein, wenn er jetzt bereits so tief und fest schläft.’ Kôji lächelte wieder. ‚Ach, Izumi.’ Ein tiefer Seufzer entkam seiner Kehle und wieder fielen ihm einige Takte ein, welche er sogleich zu Papier brachte. Danach warf er erneut einen Blick auf den immer noch schlafenden Jungen. Es juckte ihn in den Fingern zum Klavier zu gehen und das eben zu Papier gebrachte zu spielen, aber er zwang sich selbst zur Ruhe.
Fast zwei Stunden waren inzwischen vergangen, seit Kôji den Raum betreten hatte. Kôji blickte eine Weile schweigend auf Takuto’s „schlafendes“ Gesicht. Er hatte sehr wohl bemerkt, dass dieser schon seit ein paar Minuten wach war und die Augen nur geschlossen hielt, um hin und wieder Kôji verstohlen, durch die Augenlieder hindurch, beobachten zu können, wie er so da saß und schrieb. Langsam stand er auf, ging auf den Kamin zu und beugte sich nieder. Das Feuer war inzwischen fast ausgegangen, nur noch Asche glomm zaghaft darin. Er legte einige dürre Ästchen nach, schürte die erwachende Glut, dass sie aufloderte, und speiste sie dann mit kleineren Holzscheiten. Er ließ sich Zeit, bewegte sich absichtlich langsam, denn er spürte genau, wie Takuto’s Blick ihm dabei folgte. Er richtete sich erst gemächlich wieder auf, als das Feuer zu flackern begann und wieder knisternd brannte. Wie er sich umdrehte, hatte Takuto die Augen wieder zu. Doch Takuto’s Herzschlag hatte sich inzwischen etwas erhöht. Ihm fiel es immer schwerer so ruhig in seinem Sessel zu hocken. Kôji feixte innerlich. ‚Du kannst mir nichts mehr vormachen, Izumi...’ Er ging wieder hinüber zu seinem Stuhl und überlegte gerade, wie lange Izumi dieses Spielchen wohl noch mit ihm treiben wollte. Er würde mitspielen, egal wie lange es dauern würde, er hatte Zeit und Izumi könne ja nicht ewig so in dem Sessel kauern. Irgendwann müssten ihm eigentlich die Beine wehtun. Kôji setzte sich hin und nahm wieder seine bisherige Beschäftigung auf. Aber lange musste er nicht mehr warten. Denn plötzlich wurde Izumi unruhig in seinem Sessel. Schnell legte Kôji alles was er bis eben getan hatte auf dem Klavier ab und eilte zu ihm. Er hockte sich vor ihn auf den Boden und wollte gerade wieder die nach unten gerutschte Decke liebevoll über Izumi ausbreiten, als Izumi mit einem tiefen Stossseufzer, der nach „Kô-ji?“ klang, ‚langsam zu sich kam’. Kôji konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Takuto schielte durch einen Augenspalt und sah Kôji, wie dieser inzwischen mit einem besorgten liebevollen Blick, die Decke zärtlich um ihn hüllte und wieder feststeckte. Er spürte seine Hände, welche ihn wie zufällig streiften, ihm wurde an der Stelle heiß und dann öffnete er langsam die Augen. „Kôji? Du bist schon da?“ „Schon? Schon seit über zwei Stunden, Izumi. Du hast so schön geschlafen.“ „Geschlafen? Oh! So lange?“ Er streifte die Decke die Kôji bis zu seinem Hals hochgezogen hatte, herunter um die Arme freizulegen und umarmte den erstaunten Kôji. „Izumi? Was ist?“ „Nichts. Ich freue mich nur, dich zu sehen. Oder darf ich nicht?“ „Aber doch.“ Doch dann war es mit Kôji’s Selbstbeherrschung vorbei. „I-zumi. - Ich habe dich den ganzen Tag so vermisst und du kommst wirklich, zum Konzert?“ Seine Arme legten sich um den im Sessel kauernden und drückten ihn fest an sich. „Ja! Hat Katsumi dir doch schon gesagt, und ich doch mindestens auch dreimal. Oder?“ „Hmhm. Aber ich wollte es noch mal von dir hören. Nicht das du es, dir den Tag über, anders überlegt hast.“ „Okay. Ja - ich komme zum Konzert und bleibe danach auch noch ein paar Tage. Hab etwas Urlaub genommen. Warte mal...“ Er ließ Kôji los und streckte sich zum Tischchen, was nicht ganz einfach war, da dieser ihn erst nicht loslassen wollte. Er wühlte kurz unter den darauf liegenden Büchern, welche er dort abgelegt hatte und plötzlich strahlten seine Augen. Kôji hatte den Kopf leicht zur Seite gelegt und sah ihn fragend an. Triumphierend hob Takuto einen blau beschrifteten Umschlag hoch. Dann machte er ihn auf und holte zwei Karten heraus, mit denen er Kôji unter der Nase herum wedelte. „Hier sitze ich.“ „Zeig her!“, sagte Kôji und wollte danach greifen, doch Izumi war schneller. Er sprang auf und stellte sich auf den Sessel und hob die Karten in die Luft. Kôji sprang jetzt ebenfalls auf und wollte erneut nach den Karten greifen, doch die waren zu hoch für ihn. Auch wie er sich auf die Zehenspitzen stellte, klappte es nicht. Izumi lachte fröhlich, aus vollem Hals. Also umarmte Kôji ihn und wollte ihn gerade herunterheben, als Takuto sich mit einem Mal von ihm frei machte und vom Sessel sprang. Die Karten hochhaltend lief er durch den Raum. Kôji ihm nach. Es ging rund um den Tisch, über die Stühle und Sessel, aber Takuto war schneller als Kôji. Bis er einen Fehler machte und zu seinem Sessel zurücklief, statt zur Tür hinaus. Aber war es Fehler? Nein. Es war Absicht. Takuto wollte schließlich das Kôji wusste, wo er saß. Also sprang er erneut auf den Sessel am Kamin und ließ sich diesmal von Kôji überwältigen. Kôji packte ihn schon ganz außer Atem und umarmte ihn fest, zog ihn vom Sessel auf die Sitzfläche und versank auf seinen Lippen. Seine Hand griff derweil in die Richtung der Karten und entwendete sie Takuto, als dieser kraftlos seine Arme fallen ließ. Kôji wusste inzwischen sehr genau, wie er seinen Izumi schwach machen konnte. „Ich hab sie! Ätsch“ Fröhlich sprang Kôji auf, trat schnell zwei drei Schritte zurück und während Takuto lächelnd in die hohe Lehne vom Sessel fiel und auf Kôji schaute, besah dieser sich die Karten. „Waaas? Woher hast du die?“ „Beziehungen“, grinste Takuto. „Beziehungen sind das halbe Leben.“ „Katsumi?“ „Taka“ „Nein.“ „Doch!“ „Aber das sind doch Karten für die Loge genau der Bühne gegenüber. Da kommt man doch nicht so ohne weiteres rein. Die Loge ist nur für die höchsten Ehrengäste und...“ „Bin ich denn kein Ehrengast?“ Takuto grinste ihn schelmisch an. „Nein. Du bist MEIN Izumi.“ „Okay, trotzdem hab ich die Karten und die komplette Loge. Serika kommt auch mit, sie hat ihre Karte schon.“ „Und warum dann noch zwei? Für wen...“ „Na denkst du, Katsumi lässt sich das entgehen? Er kommt natürlich auch.“ „Puuuh ... ich dacht schon für Minako.“ „Minako? Wie kommst du auf sie? Willst du denn, das sie mitkommt?“ „Nein, nein, nein… bloß nicht. Katsumi ist in Ordnung.“ „Wie kommst du jetzt auf Minako?“ „Na ich dachte..., weil ihr..., na ja... ihr seit doch immer noch verlobt miteinander... sagte Katsumi.“ „Ja und?“ „...“ Kôji wurde plötzlich ganz heiß, er hatte Takuto, den Brief, den sie ihm geschrieben hatte, unterschlagen. Ihn stattdessen gelesen und wusste, dass die ganze Familie wieder zurück war. Außerdem hatte sie etwas anderes erwähnt, was auf keinen Fall passieren durfte. Nicht umsonst hatte er Takuto die letzten Tage tagsüber immer vom Haus ferngehalten, damit ihn kein ungebetener Gast oder noch schlimmer Anrufe erreichen konnten. Ihm stieg die Farbe ins Gesicht und er drehte sich schnell weg, bevor sein Izumi dahinter käme. „Kôji, was ist?“ „Liebst du sie?“ „Minako?“ „Gibt es noch eine? Du weißt doch das ich sie meine, also warum fragst du.“ „Ich weiß nicht. Minako und ich sind eigentlich nur gute Freunde. Unsere Eltern wollen, dass wir heiraten. Ich lernte sie kennen, als ich bei den Horiuchi’s lebte. Die beiden Familien sind schon lange miteinander befreundet. Du warst damals so plötzlich weg, und als dann die Sasaki’s zu Besuch waren und Minako sah wie traurig ich war, hat sie mich aufgeheitert. Sie konnte es sehr gut. Machte oft Späße, kann aber auch tierisch ernst sein. Eben ein prima Kumpel für alle Lebensbereiche.“ Trotz der kühlen Zurückhaltung die Takuto Kôji nach außen hin immer entgegengebracht hatte, spürte er innerlich sehr wohl, dass er von Kôji’s Nähe nicht so ganz unberührt blieb, wie er diesem immer versuchte weiszumachen. Ebenso wie sein Körper auf jeden Blick, auf jede Berührung jetzt von ihm ansprach. Sein Körper erzitterte leicht, trotz der Decke in die er eingehüllt war und als Kôji sich umdrehte und langsam auf Takuto’s Sessel zuging, konnte er die Zärtlichkeit die ihm dieser entgegen bringen wollte, bereits an seinen schmachtenden Augen, in welchen zugleich leidenschaftliche Glut lag, ablesen. Takuto zog die Decke höher und kuschelte sich tiefer in die Ecke des Sessels, so als ob er ihm Platz machen wollte, um sich neben ihn zu setzen. Doch Kôji ließ sich neben Takuto’s Sessel auf den Boden nieder und ergriff seine Hand. Der flackernde Schein des Kaminfeuers warf einen unruhigen Schatten in den Raum, doch zugleich auch Lichtreflexe in Takuto’s Gesicht und auf sein Haar. Kôji fiel es immer schwerer sich zu beherrschen und so streckte er die Hand aus und strich ihm über die Wange. Schon diese einfache Berührung von Kôji’s Hand war beinahe zu viel für Takuto. Es drängte ihn, sich ihm in die Arme zu werfen und es fiel ihm sichtlich schwer, die leidenschaftliche Erregung nicht deutlich zu zeigen, die Kôji’s Nähe inzwischen in ihm auslöste. ‚Ich darf es ihm nicht allzu leicht machen!’ Fragend sah Takuto ihn an. „Selbst wenn du schläfst, siehst du aus wie ein süßer kleiner Engel.“, sagte Kôji und drehte sich so, dass er sich an ihn lehnen konnte und schloss die Augen. „Um nichts auf der Welt möchte ich dich wieder verlieren, Izumi.“ Takuto strich ihm durch sein Haar; doch plötzlich konnte er nicht anders. Ihn übermannte es einfach und er umschlang Kôji mit beiden Armen. Eine ganze Weile saßen sie so da. Kôji traute sich nicht, sich zu bewegen. Es war einfach zu schön von ihm in den Arm genommen zu werden, seinen Kopf an Kôji’s Schulter ruhen zu fühlen. Er wollte diesen Augenblick nicht zerstören. Doch langsam wurde es unbequem. Seine Muskeln machten sich schmerzhaft bemerkbar und so sah er sich gezwungen aufzustehen. Lächelnd erhob er sich. Takuto’s Gesichtsausdruck ließ aber das Bedauern erkennen. Kôji reckte sich kurz, dann löschte er die Kerzen im Raum, warf einen Blick auf den Kamin, stellte das Kamingitter davor, damit keine Glut herausfallen konnte. Das Feuer würde bald wieder erlöschen. Takuto musterte ihn argwöhnisch, bei seinem Tun.
TEIL 16Doch als alles im Raum zu Kôji’s Zufriedenheit war, ging er auf Izumi’s Sessel zu, hob die Hand und legte sie Takuto sanft um den Nacken. Als er ihn dann behutsam aufhob, schlang Takuto ihm vertrauensvoll die Arme um den Hals. Liebevoll lächelte Kôji ihn an und doch sah Takuto dahinter das Verlangen, bemerkte das Feuer, das in Kôji’s Augen flackerte, mühsam verhalten, doch unmissverständlich. Takuto begriff jäh, was Kôji vorhatte. Kôji zog Takuto fest an sich. Er wehrte sich nicht, war wie gelähmt, als besäße er keinen eigenen Willen mehr. Die Wirklichkeit hörte auf zu existieren, sie war einfach nicht mehr da, als Takuto von Kôji behutsam in Kôji’s Armen in sein eigenes Zimmer getragen wurde. Dort legte er ihn sanft ab, um gleich darauf mit langen Schritten zur Tür zurückzukehren und sie vor unerwünschten Besuchern von innen zu verschließen. Er zog noch die kostbaren Vorhänge zu, nachdem er die kleine Lampe im Zimmer eingeschaltet hatte und streckte sich dann neben Takuto aus, welcher es sich in der Zwischenzeit in der Mitte des Bettes bequem gemacht hatte. Er zog seinen Izumi dichter an sich heran. Stumm starrten sie sich an. Kôji spürte Takuto’s Blick, fühlte, wie eine unbeschreibliche Hitze durch seine Adern flutete, wie das Blut sich in glühende Lava zu verwandeln schien und sein herz in lodernden Flammen zu versetzen drohte. Deutlich spürte Takuto, wie erregt Kôji schon war und bereitwillig lehnte er sich an seine Schulter. Er schien fast so, als lägen sie zum aller ersten Mal in den Armen des Anderen. Kôji’s Hand legte sich auf Izumi’s Wange und streichelte sie. Die Berührung dieser Hand, sanft und behutsam, war beruhigend und erregend zugleich. Takuto drückte seine Wange fester gegen die Handfläche. Und als Kôji sich zu ihm hinunter beugte, um ihn noch fester an sich drücken zu können, konnte Takuto auch Kôji’s Herzschlag, da wo er an seiner Brust ruhte, und seine Erregung spüren. Takuto schloss seine Augen. Doch Kôji nutze sogleich die Chance und küsste seine Augenlider innig und liebevoll. Sanft erst und schmeichelnd ließ er seine Zunge dann mit der von seinem geliebten Izumi spielen, immer darauf bedacht nicht allzu viel zu fordern. Wieder und wieder küsste er ihn, bis ihre Lippen brannten und ihre Körper eine Flut lustvoller Empfindungen durchströmte. Takuto stöhnte leise auf, und als Kôji seine Lippen das nächste Mal suchte, antwortete er mit aller Inbrunst. Heiße Wellen rannen durch ihre Leiber, überwältigt von seinem ungewohnt heftigen Verlangen, als Takuto’s Zunge die von Kôji fand. Zugleich schien alle Kraft aus ihm zu weichen und überrascht spürte er, wie sehr alles in ihm danach strebte, eins mit Kôji zu werden. Doch Kôji war diesmal besonders sachte. Er wollte eine Abweisung – egal in welcher Form – diesmal aus dem Wege gehen, wollte diesmal nicht so ungestüm bedrängen, also bezwang er seine wachsende Erregung.
Dann liebkoste Kôji mit seinen Lippen Takuto’s Nacken, während er mit einer Hand versuchte unter seine Kleidung zu kommen. Takuto’s Hände wanderten zu Kôji’s Haaren um sich darin zu vergraben, doch Kôji zog schnell seine Hände an seinen Mund und küsste Takuto’s Handgelenke. Dabei spürte er Takuto’s wilden Pulsschlag. Er wusste genau, dass auch er bereits erregt war, als er ihm sanft, aber bestimmt die Kleidung vom Körper hoch streifte. Sehr behutsam berührte Kôji die bronzene Haut dort, wo das T-Shirt sie freiließ, mit warmen, zärtlichen Lippen. Dabei streichelte er jedes Fleckchen seiner Schultern, seiner Arme. Selbst als er ihm nun die Kleidung über den Kopf streifte, ließ Takuto es widerstandslos geschehen. Takuto seufzte nur einmal ganz leise, regte sich aber nicht. Zärtlich strich Kôji mit seinen Fingerspitzen über Takuto’s Körper und genoss das leichte Beben seines Körpers. Als seine Finger am Hosenbund ankamen, beugte Kôji sich zu ihm herunter und während er und Takuto wieder in einem Liebesspiel ihrer Zungen versanken, öffnete er die Hose von ihm und streifte auch diese so weit er konnte ab. Als sich ihre Lippen lösten, ließ er seinen liebevollen Blick über Takuto’s Körper streifen. Sehr behutsam glitten seine Hände über die weiche Haut. Nicht länger verhüllt, betrachtete Kôji Takuto’s Formen, seine Hüfte, seine Schenkel. Kôji stockte der Atem. Sein Blut strömte brausend in den Lenden. Dennoch bezwang er sich, tastete sich nur langsam an Takuto heran, um ja nichts zu überstürzen, keine erneute Zurückweisung seinerseits zu erfahren. ‚Katsumi ist nicht da. Diesmal wird er uns nicht stören.’ Ein Grinsen legte sich kurz auf sein Gesicht, als er daran denken musste, welches Takuto mit einem fragenden Blick beantwortete. Kôji strich ihm zärtlich über die Wange und warf ihm sofort einen liebevollen Blick zu, welcher Takuto beruhigte. Obwohl nun selbst, in höchster Erregung, zwang sich Kôji zur Geduld. Noch durfte er sich nicht vergessen, nicht bevor er erreicht hatte, was er sich selbst vorgenommen hatte. Wieder wanderten seine Hände aufreizend über Takuto’s Oberkörper, während er selbst mit seinen Lippen den Weg von Takuto’s Mund, seinen Hals hinunter zu seiner linken Brustwarze nahm und diese mit seinen Lippen liebkoste und daran zu saugen begann. Dies entlockte Takuto stöhnende Aufseufzer des Entzückens und Schauder durchzuckten seinen Körper. Es war ihm nicht länger möglich die Erregung seiner Sinne zurückzuhalten. Jede Faser seines Körpers vibrierte unter Kôji’s Küssen und Liebkosungen. Takuto konnte die Wonne nicht fassen, die er empfand, und doch wollte etwas in ihm immer noch nicht frei werden, wartete gespannt darauf, dass sein Verstand sich wieder einschaltete und die Gegenwehr anknipste. Takuto lag atemlos da, konnte Kôji nicht abwehren und wollte es auch nicht… Er wusste … diesmal gab es kein zurück. Sein einziger Gedanke war, er wollte das Kôji nicht aufhörte, wollte ihm gehören, um endlich zu wissen, wie es war, in den Armen dessen aufzuwachen, den er liebte. Er wünschte sich sehnlichst, diese Erfahrung zu machen. Kôji indes saugte wollüstig an seiner Brustwarze und das feine Ziehen, brannte bis in die Tiefen seines Leibes. Diese Empfindung war etwas unsagbar Süßes. Er schlang die Arme um Kôji, hob den Kopf, als wollte er ihn nie wieder loslassen. Kôji hob nun ebenfalls den Kopf, ihre verschleierten Augen trafen sich, kurz bevor sich Kôji über Takuto’s andere Brust schob, um nun die andere Brustwarze mit seinen Lippen zu umschließen und zu verwöhnen. Takuto schrie entzückt auf. Er hielt sich mit beiden Händen an Kôji’s langen Haaren fest, bäumte sich ungeduldig auf. Kôji schaute auf, lächelte ihn liebevoll an und erneut streifte sein Blick bewundernd Takuto’s bronzenen Leib. Takuto erschien ihm hinreißend, wie ein Engel. Blitzschnell warf er seine eigene Kleidung zu Boden. Takuto kuschelte sich an Kôji’s nackte Brust und fühlte seine jetzt so empfindsame Haut, auf seiner. Er presste sich fester an ihn heran. Kôji entwand sich sanft seiner fieberhaften Umklammerung, um mit den Lippen wieder tiefer zu wandern. Auch das letzte Stückchen Stoff, mit dem Takuto jetzt noch bekleidet war, und das bis jetzt seine Männlichkeit verhüllte, wurde nun abgestreift, und Kôji’s Lippen suchten begierig nach dem, was bis eben noch vor seinen Blicken verborgen war. Takuto spürte heiß die Liebkosungen und jeder klare Gedanke schwand dahin, als er sich der wollüstigen Wonne hingab, in die Kôji ihn entführte. Kôji hingegen fühlte die warme Feuchtigkeit, welche sich tropfenweise von Izumi’s Spitze löste und seine brennende Begierde. Takuto indes glaubte vor Glück zu vergehen, unter Kôji’s behutsamen Zärtlichkeiten, die ihn fast bis zur Unerträglichkeit erregten und an den Rand des Wahnsinns trieben. Er wollte nur noch eines – ihm gehören – damit er ihn endlich davon erlöste, aber er war immer noch zu stolz es ihm zu sagen. Wild drängte er ihm seine heiße Männlichkeit entgegen und fühlte sich von unsäglichem Glück erfüllt, als Kôji seinem Drängen entgegen kam und seine Bemühungen so weit steigerte, bis Takuto in seinem Mund endlich die erwünschte Erlösung fand, und kam. Obwohl es Kôji mit aller Macht danach verlangte seinen unbändigen Trieb zu stillen, legte er sich noch eine Weile zu ihm, nahm ihn fest in die Arme und versenkte seine Lippen wieder auf die von Takuto, um ihn seinen eigenen ‚Lebenssaft’ kosten zu lassen. Eine Zeitlang blieben sie noch eng aneinander gekuschelt liegen. Kôji sog tief Izumi’s Duft ein. Er wollte ihm auch Zeit geben, seine Gedanken wieder zusammeln, bevor er die nächste Attacke auf ihn startete. Er hob leicht seinen Kopf, um einen Blick von Izumi zu erhaschen. Dieser drehte sich daraufhin zu ihm um. In Kôji sein Hochgefühl mischte sich wieder so etwas wie ein Schuldgefühl, so wie schon in der Höhle. ‚War es richtig, ihn so zu überfahren?’ Aber Izumi sah glücklich zu ihm auf, bevor er seine Augen schloss und sich fest an ihn kuschelte.
Ein Weilchen später, hob Kôji Izumi’s Kinn und küsste wieder und wieder Izumi’s Mund, wieder streichelte seine Hand einen kurzen Augenblick danach Izumi’s Körper. Und wieder bemerkte Takuto wie die Erregung zurückkam. Während Kôji sich erneut mit seinen Lippen, den Händen und seiner Zunge auf die Wanderschaft begab, streichelten Takuto’s Hände Kôji. Langsam wanderten seine Hände tiefer und tiefer, die sich anfangs wieder in Kôji’s Haare verkrallt hatten, nun dessen Rücken hinab, so weit es ihm möglich war. Kôji leckte ihm indes jetzt den Bauchnabel, was Takuto erneut ein Kribbeln durch den ganzen Körper jagte. Langsam wanderte sein Zunge wieder weiter hinab und während Kôji erneut mit seinen Lippen Izumi’s Männlichkeit aufreizend berührte, um sie dann in seinem Mund aufzunehmen, streichelte seine Hand sanft über seinen Rücken und massierte anschließend seine Pobacken. Plötzlich, ganz ohne Vorwarnung, drang er mit einem Finger in Takuto’s kleine Öffnung ein. Schmerz durchfuhr ihn, aber Kôji sorgte dafür, dass er bald nachließ und sich erneut wollüstige Gefühle in ihm ausbreiteten. Ein zweiter Finger gesellte sich zum Ersten. Izumi biss die Zähne zusammen um nicht laut zu schreien… später ein Dritter. Diesmal hatte er schreien mögen vor Schmerz, aber Kôji verschloss ihm schnell den Mund. Dann drang er selbst in Takuto ein, blieb reglos in ihm und nahm mit steigender Erwartung wahr, wie Takuto in seinen Armen so nach und nach entspannte und nachgab. Dann erst begann er sich in ihm zu bewegen. Und Takuto kam ihm mit zärtlicher und zugleich auch drängender Leidenschaft entgegen. Sehr schnell, fast zu schnell wand Takuto sich und kreiste, hob sich den Stößen entgegen und stieß atemlos kleine wollüstige Schreie aus, die Musik in Kôji’s Ohren waren. Er führte seinen Geliebten auf den Gipfel der Erwartung, dann hielt er inne mit seinen Küssen und Liebkosen. Takuto presste ihm die Nägel in den Rücken, doch Kôji bewegte sich unbeirrt weiter und nichts hätte ihn nun davon noch abhalten können. Denn als Kôji sich wieder Izumi’s Männlichkeit zuwandte, begann Takuto laut zu stöhnen. Heiße zuckende Wellen liefen unaufhörlich durch Izumi’s Körper. Kurz darauf ließ sich Kôji von Izumi’s Leidenschaft mitreißen und nach dem letzten ungestümen Stoß, kam er tief in ihm, bevor er schwer atmend neben ihm sank, und seine Hand zum Mund führte, um sie von Izumi’s Erguss zu reinigen. Niemals zuvor hatte Takuto so eine berauschend, feurige Lust verspürt. Er löste sich langsam aus dem Bann, der ihn immer noch gefangen hielt. Im Stillen musste Takuto sich eingestehen, dass er Kôji inzwischen fast genau so brauchte, wie Kôji ihn. Glücklich und erschöpft, strich Takuto Kôji eine Strähne seiner langen Haare zurück, die sein Gesicht bedeckten, lächelte ihn an und hauchte dann ein „Danke, Kôji.“ „Nicht… Izumi.“ Seine Stimme zitterte immer noch nach diesen gewaltigen Empfindungen. „Ich liebe dich, Izumi. Mein Izumi.“ Dann lagen sie beide eng glücklich beieinander, erschöpft von der Kraft ihrer Gefühle, die sie erlebt hatten. Kôji legte einen Arm um Takuto’s Taille und zog ihn noch näher an sich heran und flüsterte ihm ins Ohr. „Du bist wunderbar, Izumi. Ich liebe dich.“ Takuto fühlte wie die tiefe Stimme in seinem Körper vibrierte und erneut heiße Wellen ihn durchströmten. Mit einem erstickten Laut drängte er sich noch dichter an ihn, fühlte seinen muskulösen, warmen Körper an dem Seinen. Kôji lächelte ihn mit strahlenden Augen an und streichelte zärtlich über seine Wange. Zugleich fühlte Kôji sich betroffen, dass es schon wieder in seinen Lenden zuckte und seine Männlichkeit erstarken ließ. Takuto war das jedoch nicht entgangen. Er rückte noch dichter an ihn heran und Takuto tastete mit beiden Händen nach den geheimsten Stellen von Kôji’s Körper. Kôji stöhnte auf, sein Atem ging stoßweise, seine Erregung wuchs, als könnte er so seine Leidenschaft noch steigern. Takuto war überwältigt von der sinnlichen Macht, die er über Kôji hatte. Er der einfache Junge, der bisher nichts so sehr liebte wie den Fußball, sich einzig und allein, voll und ganz während des Spiels sich verlor, konnte es gar nicht fassen, dass er bei jemandem wie Kôji Empfindungen erregen konnte, so dass dieser sich nicht mehr beherrschen konnte. Es war ein wunderbares Gefühl, diese neue Erkenntnis und er genoss es sehr. Gerne ließ er sich von Kôji berühren, hatte inzwischen alle Ängste und Vorurteile besiegt und ließ sich inzwischen gerne mal von ihm in die Arme nehmen oder verführen. Takuto schenkte ihm die gleiche Lust, die Kôji in ihm geweckt hatte und liebkoste ihn mit Lippen und Händen, bis Kôji sich nicht mehr zurückhalten konnte. „Izumi“, stöhnte er zwischen zwei endlos langen Küssen, „...du bringst mich um den Verstand.“ Eh Takuto sich versah, nahm Kôji ihn zum zweiten mal, aber diesmal wild und gewaltsam, was Takuto nun genoss und ergab sich ihm hin mit all der Begierde, die sich in der letzten Zeit bei ihm angestaut hatte. Und wieder vereinigten sich die beiden Körper zu höchsten Wonnen, bis Takuto keiner klaren Gedanken mehr fähig war. Nun kannten sie den Unterschied zwischen überwältigender sinnlicher Leidenschaft und hemmungslos, grausam abartiger Lust an der nackten Gewalt.
Als sie selig und ermattet, eng umschlungen nebeneinander lagen, wusste Takuto, dass er der Wahrheit nicht länger ausweichen könnte. Haltlos strömten die Tränen über seine Wangen. Er presste sein Gesicht gegen Kôji’s Schulter und spürte dabei wie die Röte in seine Wangen stieg. Es gab nur noch ein Hindernis aus dem Weg zu räumen, welches ihn von Kôji trennte. Eine unerfreuliche Angelegenheit, die er lieber vergessen hätte. Aber Kôji bekam von all dem nichts mehr mit. Völlig erledigt hatte ihn der Schlaf eingeholt.
TEIL 17Endlich war es so weit. Für den heutigen Tag hatten die beiden befreundeten Familien den großen Tag festgelegt. Endgültig sollte heute das Band zwischen den Familien gefestigt werden und für ewig miteinander verbunden. Und alle hofften, dass es für zwei Mitglieder ihrer Familie zum schönsten Tag ihres jungen Lebens werden sollte. Minako sah glücklich aus. Sie strahlte schon am frühen Morgen über das ganze Gesicht, obwohl sie vor Aufregung nicht hatte schlafen können. Ihre Mutter kam ins Zimmer, in dem sie gerade vor ihrem Hochzeitskleid stand. Sie gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Guten Morgen, mein Kind. Schon auf?“ „Ja Mama. Ich hielt es nicht mehr aus.“ „Freust du dich?“ „Ja, ich habe ihn schon so lange nicht mehr gesehen. Unsere Reise war zwar schön, aber ich habe Takuto doch sehr vermisst.“ „Glaub mir, dass war gut so. Du weißt, Vater hatte berufliche Verpflichtungen. Wir konnten dich nicht die ganze Zeit hier alleine lassen. Aber so wie du dich freust, ihn nach der langen Zeit wieder zu sehen... Was meinst du, wie schön da erst eure Hochzeitsnacht wird.“ „MA-MA...“ „Ach lass man Kind. Die lange Trennung hat euch bestimmt gut getan. Er wird dich genau so vermisst haben, wie du ihn. Ihr ward schon als Kinder unzertrennlich, dass ihr den heutigen Tag kaum erwarten konntet. Nach dem Frühstück helfe ich dir dich fertig zu machen. Wir haben noch Zeit. Doch nun komm.“ Sie lächelte ihr zu und schob ihre Tochter aus der Tür. *** Zur gleichen Zeit wachte Takuto auf und sah in ein strahlendes, engelsgleiches Gesicht, dessen Augen fest auf sein Gesicht geheftet waren. Plötzlich beugte sich dieses Gesicht zu ihm und ihre Lippen versanken in einen innigen langen Kuss. „Guten Morgen, Izumi. Gut geschlafen?“, lächelte Kôji ihn an. Doch dieser schmiegte sich an ihn, um die Wärme die von Kôji’s Körper ausging voll aufnehmen zu können. Und er schnurrte nur ein „Hm...“ Kôji strich ihm über die Wange. ‚Du gehörst jetzt mir... nach all der langen Zeit des Wartens und des Leidens. Oder doch nicht? Soll es nur dein Abschiedsgeschenk für mich gewesen sein? Heiratest du Minako trotzdem? Nein, dass darfst du nicht. Ich würde es nicht überleben. Nicht nach dieser Nacht. Nicht nachdem du endlich mir gehört hast...’ Bei diesen Gedanken drückte er Izumi fest an sich, so fest, dass Takuto schmerzhaft aufstöhnte. „Kôji, Kôji nicht so doll. Du tust mir weh...“ Doch Kôji hörte ihn nicht. Er hatte Angst ihn zu verlieren und wollte ihn nie mehr loslassen. „KÔ-JI!“ schrie Takuto ihn an. Das saß. Kôji’s Augen fanden wieder zurück. Die Leere, die eben noch in seinen Augen herrschte, füllte sich wieder und er sah Takuto mit fragendem Blick an. „Ich sagte, du tust mir weh. Willst du mir etwa die Rippen brechen?“ Augenblicklich ließ er seine Arme lockerer und ein gepresstes „Verzeih mir“ entkam leise flüsternd seinen Lippen. „Was verzeihen?“ „Verzeih mir... Ich hab Angst dich heute zu verlieren. Du und Minako...“ Schweigen. „Was ist mit Minako? Gestern hast du sie auch schon erwähnt!?“ „Häh? Hast du vergessen, was du heute wolltest?“ „Heute wollte? Du sprichst in Rätseln. Ich denke wir unternehmen was mit dem Auto? Aber was hat das mit Minako zu tun? Ich weiß echt nicht, was du sonst meinst.“ „TAKUTO!“ ‚Sollte er es tatsächlich nicht erfahren haben, dass der Tag um fast einen Monat vorverlegt wurde? Oder hatte er es vergessen? War das der einzige Brief in dem das gestanden haben soll, den ich abgefangen habe. Sollten die Horiuchi’s sich wirklich, wenn er auf Training war, nicht mit ihm verständigt haben? Unwahrscheinlich. Oder wolltest du den Tag einfach vergessen? Gehörst du jetzt wirklich mir? NUR MIR?’ Während Kôji mit seinen Gedanken im Zwiespalt lag, sah Takuto ihn mit großen fragenden Augen an. „Du kannst mir nicht sagen, dass du vergessen hast, was heute für ein Tag ist. In...“ Kôji sah auf die Uhr, „...in 3 1/2 Stunden wirst du vor dem Traualtar stehen, wenn du nicht vorher...“ Kôji brach mit einem gequälten Gesichtsausdruck ab. „OH NEIN! SHIT!“ Takuto sprang plötzlich auf, wobei er Kôji, der immer noch - bis dahin dicht an ihn geschmiegt - neben ihm gelegen hatte, einem starken Nasenstüber verpasste. Schnell warf sich Takuto was über und verschwand in ihr gemeinsames Bad, zu einer ausgiebigen Dusche. Kôji saß noch ganz durcheinander, aber allein in seinem großen - inzwischen kalten - Bett. ‚War’s das nun? Hat mich die Realität wieder einmal eingeholt? Ich verstehe nicht Izumi. Willst du sie nach dieser Nacht immer noch heiraten? War alles nur ein Spiel für dich. Kannst du wirklich so herzlos sein? Nein, das glaube ich nicht. Das WILL ich NICHT glauben. Das lasse ich nicht zu. Nein - niemals. Du gehörst mir. Nur mir. Sie hat kein Recht auf dich. Nicht mehr.’ Kôji seufzte tief auf. Doch das Rauschen es Wassers aus dem Bad verschluckte das Geräusch. Takuto hatte die Türe offen gelassen. ‚Seltsam. Sonst macht er sie immer zu.’ Langsam stand er auf, zog sich seinen Morgenmantel an und schlurfte langsam - mit schwerem Schritt - ins Bad. An der Tür blieb er stehen und beobachtete durch das leicht milchige geschliffene Glas der Duschkabine, den darin befindlichen Takuto. Eine ganze Zeit starrte er auf die Gestalt. Sein Blick hing sich fest. Er sah wie seinem Izumi das Wasser über seinen Körper lief, sah wie er sich mit den Händen durch die Haare fuhr, um den Schaum heraus zu waschen., sah wie er sich einseifte und dann mit geschlossenen Augen, und bei zurückgeworfenen Kopf, die Seife abspülte. Das Wasser lief ihm immer noch über das Gesicht und anschließend über den gestreckten Hals entlang. Immer noch hatte er die Augen zu und Kôji hatte nur einen Wunsch. Jetzt zu ihm in die Dusche zu steigen und ihn festzuhalten und nie wieder los... Auf einmal hörte Takuto hinter sich etwas fallen. Er steckte den Kopf aus der Dusche und blickte sich um. Neben dem Türrahmen zu Kôji’s Zimmer, lag dieser auf dem Boden. Ein Aufschrei! Takuto sprang aus der Dusche griff sich das Badelaken, wickelte es sich um die Hüfte, klemmte es ein und war mit einem Satz bei Kôji. „Kôji - was ist los? Red’ doch endlich. KÔ-JI!“ Er schlug ihn leicht mit dem Handrücken auf die Wange. „KOOO-JI!“ Langsam..... kam er wieder zu sich. „KÔJI - Was ist los?“ „Mir... mir...war...plötzlich...schwarz...“ „Schwarz vor den Augen?“ „Hm.“ „Wieso?“ „...“ Kôji zuckte mit den Schultern und sah ihn an, als ob er selbst nicht wusste, was da gerade passiert war. „Komm, stütz dich auf mich. Ich bring dich wieder ins Bett.“, sagte Takuto, legte ihm seinen Arm um den Körper und zog ihn hoch. Vorsichtig und langsam setzten sie sich Schritt für Schritt in Richtung Bett in Bewegung. Als sie es endlich erreicht hatten, plumpste Kôji schwer darauf. „Geht gleich wieder. Bestimmt.“ Doch Takuto war sich da nicht so sicher. Er griff ihm an die Stirn und bemerkte, wie heiß sie war. Schnell deckte er ihn zu, kleidete sich an und lief zu Katsumi runter.
„Tja, dass war wohl die Aufregung. Er hat nix weiter. Was war denn vorgefallen? Ist es weil du heute...“ ‚Heiratest’ wollte er sagen, verschluckte das Wort dann aber, wie er Takuto’s Gesicht ansah. „Die Horiuchi’s sind von den Sasaki’s schon rüber gekommen. Sie sitzen unten und warten auf dich.“ „Ich kann jetzt nicht runter gehen.“, sagte Takuto mit einem Blick auf Kôji. Katsumi sah ihn mit erschrockenen Augen an. ‚Warum?’ Takuto zog sich einen Stuhl heran und setzte sich neben das Bett, in dem er die letzte Nacht verbracht hatte. „Takuto, ich will dir nicht zu nahe treten, aber... ich glaube es wird langsam Zeit..., dass du dich fertig machst... oder...“ Ein leichtes Kopfnicken war alles, was Katsumi von ihm bekam. Seine Augen blieben an Kôji’s heften. Ach mach doch was du willst.“ Mit diesen Worten verließ er Kôji’s Schlafzimmer. Takuto sah auf die Uhr. ‚Ja er hat Recht, es wird Zeit. Ich muss mich fertig machen.’ Wie in Trance stand er auf und ging auf sein Zimmer zu, sein Blick dabei rückwärts gewand, auf den im Bett liegenden Kôji.
Seine Eltern hatten ihn als er die Treppe in seinem Anzug herunterkam nur bewundernd angelächelt. Herr Horiuchi hatte ihm kurz zugenickt und als er unten war, gefragt: „Lampenfieber?“ Takuto nickte und die Drei verließen mit Katsumi das Haus.
Indes war Kôji wieder wach. Er sah sich um und ein Blick auf die Uhr verriet ihn, dass er ganz allein im Haus war. Takuto und Katsumi waren sicher schon dort. Dort... wo jetzt sein Leben beendet wurde. Er konnte es nicht fassen. Sein Izumi, den er über alles auf der Welt liebte, war gegangen. Gegangen um in den Armen eines Mädchens, dass er heute zu seiner Frau nahm, glücklich zu werden. Glücklich? Konnte er das überhaupt werden? Für Kôji stand eines fest, nach dieser - IHRER - Nacht, könnte er es nicht. Oder doch? Wieder nagten Zweifel an ihm. Wieder fragte er sich, wer ihn wohl glücklicher machen konnte. Minako oder er. Für ihn gab es nur IZUMI. Ohne ihn würde er nie glücklich sein können, dass wusste er. Doch galt das Gleiche auch für seinen Izumi? So plötzlich wie das Fieber gekommen war, war es weg. Oder wirkte etwa schon das, was Katsumi ihm eingeflösst hatte? Er stand auf und zog seinen Anzug an, band sich die Krawatte um und nach einem Blick in den Spiegel, der ihm bestätigte, dass er zwar noch etwas blass um die Nase herum aussah, aber ansonsten man ihm die morgendliche Schwäche nicht ansehen konnte, verließ er das Haus, um bei der Hochzeit dabei zu sein. Er wollte sich selbst davon überzeugen, dass sein Izumi wirklich vor hatte... ihn zu verlassen.
Leise öffnete er die Tür. Es war noch nicht zu spät. Man munkelte die Braut sei noch nicht fertig. Kôji ging an den vielen geladenen Leuten vorbei, grüßte die Horiuchi’s und Izumi’s Geschwister und setzte sich neben Serika, die gleich darauf stark errötete und ihren Blick, auf die im Schoß liegenden Hände, senkte. Kôji sah sich im Saal um. Sein Herz schlug schneller als er vorne Katsumi und Takuto miteinander reden sah. Plötzlich setzte die Musik ein, die Tür öffnete sich und die Braut in einem ganz zarten cremefarbenen langen Kleid, betrat am Arm ihres Vaters den Raum. Der Vater geleitete sie zu Takuto und lächelte ihn an, bevor er zurücktrat und sich neben seiner Frau niederließ, die in der Zwischenzeit vor Rührung das Taschentuch an ihre Augen drückte. ‚Endlich würden die beiden befreundeten Familien durch ihre Kinder miteinander verbunden werden.’ Die Rede war sehr schön. Viele hatten inzwischen feuchte Augen, nur Kôji starrte wie gebannt auf Izumi’s Rücken. Er wollte immer noch nicht glauben, was er sah. Die Braut lächelte, als sie gefragt wurde und antwortete strahlend mit „JA - Ich WILL“. Dann wandte er sich an Takuto, der die ganze Zeit wie versteinert daneben gestanden hatte und gar nicht mehr mitbekam, was hier überhaupt stattfand. Der Mann wiederholte die an ihn gerichtete Frage, nachdem Minako ihm kurz mit dem Ellbogen in die Seite gestippt hatte, um ihn aus seiner Trance aufzuscheuchen. Doch statt zu antworten „Ja - ich will.“, schaute er sie nur flehend an, und sagte leise, dass nur sie es verstehen konnte: „Verzeih mir, Minako. Ich kann nicht.“ Dann drehte er sich um und schritt auf die Tür zu, den Gang zwischen den Sitzreihen mit all den Gästen hindurch, eine raunende Menge hinter sich lassend. Aber er nahm das alles nicht wirklich wahr. Die sitzen gelassene Braut stand noch immer senkrecht mit riesigen Augen da. Eine Träne hatte sich gelöst und lief ihr die linke Wange hinunter, doch ihr Blick war starr auf die Tür geheftet, hinter der Takuto verschwunden war und wusste nicht, wie ihr geschah. ‚Er ging einfach? Er wollte sie nicht mehr?’ Ihre bis eben noch heile Welt zerbrach. Kôji indes starrte ebenfalls auf die Tür hinter der Takuto so eben verschwunden war und nur ein Gedanke raste ihm durch den Kopf. ‚Er hat sie nicht geheiratet.’ Er sprang auf und eilte ebenfalls hinaus. Lief ihm nach, wollte ihn einholen und fest in beide Arme schließen. Wie er aber draußen war, sah er nur noch sein Taxi abfahren. Schnell lief er zu seinem Wagen und folgte ihnen, während erst jetzt, so nach und nach, die anderen Gäste das Haus verließen. *** Nachdem Takuto mit dem Taxi wieder bei Katsumi ankam, wunderte er sich, dass ihm niemand auf machte. Schnell schloss er auf. ‚Wozu hat man schließlich als Dauergast einen Wohnungsschlüssel.’, dachte er sich und stürzte so schnell er konnte in Kôji’s Zimmer. Aber es war leer. Er sah sich um und bemerkte, dass sein Anzug fehlte. ‚Also ist er doch noch hingekommen? Ich hab gar nicht darauf geachtet, als ich raus ging...’ Plötzlich wurde die Türe aufgerissen und Kôji stand im Türrahmen. Sie starrten sich einen Moment beide an, doch dann stürzte Takuto sich Kôji in die Arme. „Wie geht es Dir, Kôji?“ „Es ist wieder alles in Ordnung… Aber… ich müsste eigentlich dich fragen, wie es dir geht.“ „Danke… noch nie besser. Endlich ist alles geklärt“ „Alles?... Ich denke noch nicht. Die Horiuchi’s werden davon nicht begeistert sein. Und sie sah auch nicht gerade glücklich aus…“ „Hmm…… Aber das stört mich im Moment nicht.“ „Aber du wohnst noch bei den Horiuchi’s…“ „Ja und…?, die reißen mir nicht den Kopf ab. Ich sage ihnen eben einfach, was ich dir gesagt habe. Sie ist ein prima Kumpel, aber lieben tue ich sie nicht… Was wollen sie dagegen tun. Die Freundschaft der Familien wird darunter nicht leiden. Dann wäre es schließlich keine Freundschaft, oder?“
TEIL 18Zwei Tage später verabschiedete sich Takuto von Katsumi und ging die Treppe hinunter, wo Kôji ihn an der Eingangstüre erwartete. Den Wagen hatte er schon vor der Tür geparkt und so stiegen sie ein. Trotz Takuto’s Protest brachte er ihn bis zur Bahn, zog ihn in der Dunkelheit einer Nische zu sich heran und küsste ihn lang und zärtlich. In seinen Augen lag Abschiedsschmerz. Takuto erwiderte diesen Kuss mit fast schmerzlicher Heftigkeit. Plötzlich riss er sich los und sprang schnell in die Bahn, welche gerade die Türen öffnete. Er suchte sich einen Platz am Fenster und warf Kôji noch einen Blick zu, der inzwischen nah an das Fenster trat. ‚Seine Augen sind so unendlich traurig.’, schoss es ihm durch den Kopf. Die Bahn fuhr ab und bald sah Kôji nur noch die Schlusslichter in der Dunkelheit verschwinden. Lange stand er noch da, mit dem Blick in die Richtung. Obwohl dort schon nichts mehr zu erkennen war. Nur schwarze Nacht. ‚Ich hätte ihn nicht fortlassen dürfen’, durchzuckte es ihn. ‚Wer weiß was jetzt zu Hause auf ihn einstürzt…’ *** Das sie Beide nun endlich zueinander gefunden hatten, blieb natürlich nicht lange unentdeckt, egal welche Mühe sie sich auch gaben. Schon das strahlende Gesicht, das funkelnde Aufleuchten in Takuto’s Augen, wenn er Kôji begegnete, verriet ihn. Er konnte eben seine Gefühle nicht so gut verstecken, wie Kôji. Wo immer sie gemeinsam auftauchten, fanden sich auch Leute die hinter ihrem Rücken tuschelten. Aber die Anspielungen prallten an Kôji ab. Ihm war es egal, was die Leute über ihn dachten. Er hatte schon vor vielen, vielen Jahren aufgehört, sich Gedanken über die anderen Leute zu machen. Izumi würde lernen müssen damit umzugehen, doch bis dahin wollte er ihn von all diesem dämlichen Geschwätz so gut es ging fern halten. Doch für Takuto sahen die Dinge völlig anders aus. Obwohl er sich bemühte kühl und gleichgültig diesbezüglich nach Außen hin zu erscheinen, so fühlte er sich doch ziemlich verletzt. Dazu kam, dass scheinbar jemand aus seinem Team hinter sein Geheimnis gekommen war und ihn seither so eigenartig ansah. Da er aber nichts im Team verlauten ließ, beruhigte sich Takuto wieder und dachte es sei nur Einbildung. *** Es war wieder so weit. Drei spiel- und trainingsfreie Tage... Endlich konnte er Kôji wieder sehen. Sein Gepäck hatte er auch heute, so wie bereits die ganze letzte Zeit zum Training mitgenommen, damit er anschließend nicht noch einmal nach Hause musste. Als Takuto mit samt seinem Gepäck, auf dem Weg vom Platz zum Bus war, mit welchem er immer zum Bahnhof fuhr, bot sich dieser Teamkollege an, ihn im Auto mitzunehmen, da Takuto so das Fahrgeld sparen könnte und es so doch auch lustiger sei. Er meinte, er sei in der Nähe von Freunden eingeladen, die Tage dort zu verbringen. Nach kurzem Zögern willigte er ein, legte seine Tasche auf die Rückbank und stieg ein. Eine ganze Weile fuhren sie schon, plauderten nebenbei über ihre letzten Fußballspiele und auch darüber wie ihre Chancen bei den kommenden Spielen sein könnten. Immer wieder versuchte der andere ihn auf das Themen Mädchen und Partner anzusprechen, aber außer Serika hier und Minako da, bekam er nicht das zu hören, was er bestätigt haben wollte. *** Kôji indes, hatte den Einfall und wollte Takuto mit dem Jeep abholen und musste ihn hierzu am Bahnhof abfangen. Er wusste mit welchem Zug er sonst fuhr und war bereits auf dem Weg zu ihm. Er fuhr viel zu früh los, da er es einfach nicht mehr zu Hause aushielt, und so ließ er sich Zeit beim Fahren. Sah nach rechts und links aus dem Fenster und beobachtet die anderen Wagen. Meistens aber die auf der Gegenfahrbahn. Wie er die Straße so lang fuhr, glaubte er im ersten Moment nicht richtig zu sehen. Sein Izumi saß bei einem anderen Jungen auf der Gegenfahrbahn im Auto? Sollte er es wirklich gewesen sein? Schnell orientierte er sich wo die nächste Möglichkeit zum Wenden war und wollte dem hellblauen Fahrzeug hinterher. ‚Irres Auto - wo steckst du? - So ein kitschiges Hellblau, kann man doch gar nicht übersehen’, ging es ihm durch den Kopf. ‚Und wer lässt sich daran heutzutage noch regenbogenfarbene Streifen schräg anbringen?’ Kôji schüttelte den Kopf. ‚Wie konnte sein Izumi nur überhaupt in so einen Wagen einsteigen?’ Eine Weile musste er noch geradeaus fahren, dann konnte er endlich wenden. Natürlich verlor er den Wagen bei seiner Weiterfahrt aus den Augen. Das Letzte, was er im Rückspiegel erkannt hatte war, dass der ‚kitschige’ Wagen geblinkt hatte. Also konnten sie nicht mehr sehr weit geradeaus gefahren sein und so suchte er die Abfahrten in der näheren Umgebung erst einmal ab. ‚Aber wieso fuhren sie an so einer Stelle überhaupt von der Straße herunter’, schoss es Kôji plötzlich durch den Kopf. Außer wenn einer von Beiden dringend seine Notdurft verrichten musste, gab es hierzu keinen Anlass, denn hier gab es keinerlei Ortschaft in der Nähe. Nur Felder und ein bisschen Wald. Kôji wurde unruhig und durchsuchte jede in Frage kommende Abfahrt und hoffte auf die Beiden zu stoßen. *** „Halt! Was machst du denn?“, rief Takuto plötzlich. „Du hast die falsche Ausfahrt genommen, wir sind noch nicht da.“ Takuto zeigte auf eine günstige Stelle. „Wende da vorne, wir müssen zurück zur Straße.“ Diesmal antwortete Matsu jedoch nicht. Er presste stattdessen seine Lippen fest zusammen und starrte verbissen geradeaus. Er dachte gar nicht daran halt zu machen und zu wenden, obwohl dies bestimmt nicht schwierig gewesen wäre. Der Waldweg, den sie nun entlang fuhren, war breit genug gewesen, da hier sonst auch Holz- und Erntefahrzeuge lang fuhren. Stattdessen bog er noch mal ab und brachte den Wagen an einem Feldrand, ruckartig zum Stehen. Wieder kam keine Äußerung seinerseits und dieses plötzliche Verstummen war Takuto unheimlich. Das ungute Gefühl vor dem Einsteigen, hatte ihn nicht betrogen. Er hätte darauf hören sollen. Matsu hatte inzwischen den Motor abgestellt und sogleich wandte er sich Takuto, mit einer heftigen Bewegung zu. Er riss ihn in seine Arme und beugte sich über ihn. „Ich weiß, dass du mit diesem langhaarigen Kerl zusammen bist. Ich hab euch Beide gesehen.“ Mit diesem Worten drückte er ihn fest an sich und begann ihn wild zu küssen. Damit hatte Takuto nicht gerechnet. Ihm war nie aufgefallen, dass einer seiner Teamkollegen sich anders benahm, als die anderen. Auch er hatte immer großartig mit seinen Mädcheneroberungen geprahlt. Takuto wehrte sich jetzt, so gut er konnte, wich mit seinem Kopf aus und presste seine Hände gegen die Brust des Anderen. Aber dieser war viel stärker als er und hielt ihn eisern fest. Immer wieder glitten die feuchten, heißen Lippen über Takuto’s Gesicht, während er es abzuwenden suchte. Endlich gelang es ihm eine Hand frei zu bekommen, und ehe Matsu sich versah, hatte Takuto diese zur Faust geballt und mitten in dem Gesicht seines Gegenübers platziert. Da der Schlag wohlgesetzt war, setzten kurz darauf Nasenbluten und tränende Augen bei ihm ein. ... stieß vor Wut einen zischenden Laut aus und führte eine Hand zum Gesicht, um sich das Blut abzuwischen. Diesen Moment nutzte Takuto dazu, um sich auch von der 2. Hand zu befreien, den Gurt zu lösen, zugleich die Wagentür aufzureißen und hinaus zu springen. Dann rannte er was das Zeug hielt, und ohne Nachzudenken - statt wieder zur Straße - ausgerechnet zwischen Ward und Feld den Weg entlang, nach dem Motto: irgendwo wird er schon zu Ende sein. Als Matsu sich von dem Schreck erholt hatte und erkannte, dass Takuto floh, sprang er ebenfalls aus dem Auto, lief um das Auto herum, um auf die andere Seite zu kommen und lief Takuto hinterher. Etwas hatte Takuto nicht gewusst, Feld und ward endeten zwar, aber er kam plötzlich nicht mehr weiter geradeaus, denn ein tiefer breiter Graben in dem ein Rinnsal dahin floss, versperrte ihm den Weg und zwang ihn entweder einen rechten Haken zu schlagen und zu hoffen, dass dann der Graben in die entgegen gesetzte Richtung irgendwo abbog oder aber wieder zurückzugehen. Doch bevor er sich entschieden hatte, hatte Matsu ihn fast erreicht. Mit der einen Hand ergriff er Takuto’s Kleidung, mit der anderen Hand versetzte er ihm einen heftigen Stoß vor die Brust, so dass er fast zu Boden ging, hätte er ihn nicht immer noch an der Kleidung fest im Griff. Takuto torkelte rückwärts, doch Matsu hielt ihn immer noch mit einer Hand fest. „Was ist in dich gefahren, Matsu?“ „Ich will dich... Ich habe mich schon vor einiger Zeit in dich verliebt. Dachte immer, du bist mit dem Mädchen zusammen..., von dem du erzählt hast..., diese Minako Sasaki... Dann sah ich dich mit ihm...diesem Langhaarigen am Strand..., bei seinem protzigen Auto...“ Sein Atem ging immer noch sehr schnell. „Ach und da dachtest du, du kannst dir mir Gewalt nehmen, was du willst, ja? Sehr nobel!“, Takuto lachte laut auf. „Lass mich endlich los. Ich gehör dir nicht. Ich muss mir dass nicht von dir bieten lassen. „ Doch Matsu schüttelte nur den Kopf, zog ihn wieder fest in die Arme und versuchte Takuto erneut zu küssen. Aber diesmal war Takuto geistesgegenwärtiger. Er zog sein Knie an und versetzte ihm damit einen Tritt in ein bestimmtes Körperteil. Matsu krümmte sich vor Schmerz zusammen, ließ ihn erneut los und fiel ins Feld. Dort krümmte er sich wie ein Kleinkind zusammen. Takuto wollte erst erneut weglaufen, dann fiel ihm aber ein, dass er gar nicht wusste wie von da wegkommen. Er hätte Matsu zwar die Autoschlüssel entwenden können, aber er war noch nie selbst gefahren und hatte auch keinen Führerschein. Mit sicherem Abstand ging er auf ihn zu. „Bist du wieder vernünftig?“ Vergessen wir das Ganze und du fährst mich nach Hause?“ *** In der Zwischenzeit hatte Kôji den gesuchten Wagen gefunden. Er stellte den Jeep daneben ab und sah in die Runde. Niemand war zu sehen. Also stieg er aus, schloss die Tür ab und ging den Weg weiter entlang. Plötzlich war ihm, als ob der Wind ihm Izumi’s Stimme zutrug. Er horchte auf. Seine Schritte wurden schneller. Er eilte den schmalen Weg entlang und dann sah er sie. Takuto stand nach Atem ringend, während der andere sich am Boden wälzte. Als ob im Flügel wuchsen eilten er nun zu ihm. „Was ist hier los!“ Takuto drehte sich um. „KÔ-JI? Du hier?“ „Was dagegen, ich wollte dich vom Bahnhof abholen, dann sah ich dich in dem komischen kleinen Auto…“ Kôji ging näher an ihn heran, strich über sein dunkles, kurzes Haar, was er so liebte, streichelte sanft seine Wange und ließ seine Hände dann auf Takuto’s Schulter ruhen. Takuto zitterte noch spürbar. Seine Stimme überschlug sich, als er ihm sagte, was vorgefallen war. Verständnisvoll nickte Kôji, zog ihn dicht an sich heran und gemeinsam gingen sie zum Jeep, stiegen ein und fuhren davon. Takuto’s Teamkollege lag noch immer gekrümmt auf dem Boden und starrte den Beiden hinterher. „Das wirst du noch bereuen, Takuto Izumi. Das schwör’ ich dir.“ Langsam rappelte er sich hoch, dabei immer noch mit schmerzverzerrtem Gesicht seinen Unterleib haltend und schlurfte in Richtung seines Wagens. In seinem Kopf arbeitete es unaufhörlich und er schmiedete einen gemeinen Plan.
TEIL 19Die Zeit bei Kôji und Katsumi verlief wie üblich. Er erzählte den Beiden wie die Horiuchi reagiert hatten. Das er mit Minako ein langes Gespräch geführt hatte, und dass die Sasaki’s im Moment bei seiner Familie für ein paar Tage auf Besuch wären, weil sie nun versuchen würden, Yuugo mit ihrer zweiten Tochter zu verkuppeln. „Der arme Junge“, kam es nur von Kôji dazu, dann war die Sache vergessen. Als Takuto ihm allerdings sagte, dass er das nächste Mal erst in etwa zehn Tagen kommen könne, da sie für sieben Tage in ein Trainingslager fuhren, sah man Kôji an, dass es ihm nicht gerade leicht fiel.. Die Tage vergingen wie im Flug…
Takuto war inzwischen ins Trainingslager gefahren. Doch dieses Mal wurde er nicht glücklich dort. Der erste Tag lief noch wie gewohnt, doch schon am Abend des Zweiten merkte er, dass hinter seinem Rücken gemunkelt wurde. Ging er an Mitgliedern seines Teams vorbei, taten sie so als ob nichts wäre, aber beim Abendbrot wurde er sichtbar geschnitten. Als sein Trainer ihn nach dem Abendbrot dann auch noch mitteilte, dass er bis auf Widerruf Spielverbot hätte, rastete er aus. Er schrie den Trainer an und wollte wissen wieso. Als er erfuhr, welches GERÜCHT über ihm im Umkreis war, schoss ihm nur ein Gedanke durch den Kopf: ‚MATSU!!!’ Er flehte den Trainer an, ihn doch wenigstens trainieren zu lassen, aber dieser hatte die strikte Anweisung, ihn auszuschließen, bis der Ausschuss das Urteil über ihn gefällt hatte. Nichts half, der Trainer blieb hart. Also ging Takuto auf sein Zimmer. Ein Blick in die Runde zeigte ihm, dass sein Zimmergenosse ausgezogen war. ‚Kein Wunder dieser gehörte zu den engsten Freunden von Matsu. Aber wenigstens bin ich jetzt allein hier.’ Er haute sich auf das Bett und weinte in die Kissen. Als er sich beruhigt hatte, griff er zum Telefon und wählte Kôji’s Nummer. Noch völlig aufgelöst, erzählte er ihm von dem Vorfall, allerdings bekam Kôji von den immer wieder in Tränen untergehenden Wörtern nur die Hälfte mit. Aber er wusste was zu tun war. Zuerst beruhigte er ihn wieder und versprach mit Katsumi zu reden. Als Takuto dann noch sagte er würde am liebsten abreisen, hätte aber nicht genug Geld mitgenommen, sagte Kôji er solle nichts unüberlegtes tun. Erst einmal solle er versuchen zu schlafen. Er selbst würde morgen ganz früh da sein und ihn abholen. Etwas beruhigt legte Takuto auf.
Kôji indes stürzte so schnell er konnte zu Katsumi’s Zimmer. Er teilte ihm mit, dass Takuto vom Training bis auf weiteres ausgeschlossen sei, da Matsu von ihrem Verhältnis im Team erzählt hatte. Der Presse sei wohl auch was zu Ohren gekommen. Katsumi’s Augen weiteten sich. „MIST! Ich hab’s geahnt…. Aber ich werde versuchen zuretten, was zu retten ist. Was machst du jetzt?“ „Ich hole ihn ab. Er hat nicht genug Geld mitgenommen und will so schnell wie möglich von dort weg.“ „Mach es nicht noch schlimmer. Halt dich von der Presse fern. Okay?“ „So weit ich’s kann… Izumi geht vor.“, damit drehte er sich um, schnappte sich einen weiten Mantel und die Autoschlüssel von Katsumi’s Wagen und machte sich auf den Weg zum Flugplatz. Etwas hatte er in der Eile allerdings übersehen. Der Tank war fast leer. Er kam noch bis außerhalb der Stadt, die halbe Strecke zum Flughafen hatte er schon hinter sich gebracht, da blieb der Wagen auf einmal liegen. „SCHEI*E!!!“ Wütend sprang er aus dem Wagen, den er noch mit Müh und Not an den Straßenrand schieben konnte, dann sah er sich um. Seit einer ganzen Zeit hatte er schon kein anderes Fahrzeug gesehen. Er schloss den Wagen ab und sah sich nochmals um. „Hoffentlich kommt bald einer.“ Während er sich zu Fuß weiter in Richtung Flughafen aufmachte, sah er sich von Zeit zu Zeit hinter sich. Endlich nach etwa zwanzig Minuten, sah er am Horizont einen Sportwagen auftauchen. Er winkte und der Wagen fuhr langsam an ihn heran, hielt neben ihm. „Vielen Dank, würde sie mich bitte bis zum Flughafen mitnehmen? Ich hatte leider eine Panne.“ „Aber gerne doch“ Die Türe wurde von innen geöffnet und Kôji stieg ein.“ Die junge Frau versuchte immer wieder Kôji in ein Gespräch zu verwickeln, aber seine Gedanken weilten ganz wo anders. So hörte er nur mit halbem Ohr zu, was sie sagte, und warf hin und wieder mal ein „Hmm…“ ein. Während dessen sah er nur stur die Landschaft an sich vorbei ziehen. Plötzlich stippte sie ihn an. Er schrak auf und sah ihr erstaunt in die Augen. „Da wären wir. Dort drüben ist der Flughafen.“ Erst jetzt schaltete er was los was. „Vielen Dank fürs mitnehmen.“ Dann sprang Kôji so schnell als möglich aus dem Auto. „Sie können gerne noch weiter mitfahren.“, meinte die Frau hinter dem Steuer und betrachtete ihn ungeniert von Kopf bis Fuß. Unwillkürlich leckte sie sich ein wenig die Lippen. Kôji’s schlanke Gestalt, die silbernen langen Haare und die Augen gefielen ihr ausnehmend gut. „Nein, danke. Ich bin genau da wo ich hinwollte.“, lehne er ab. „Nochmals vielen Dank fürs Herbringen.“ Die Frau zögerte noch einen Augenblick, da sie noch nicht jegliche Hoffnung auf ein kleines Abenteuer aufgeben wollte. „Sind sie sicher, dass ich sie nicht weiter mitnehmen kann. Um diese Zeit geht von hier kein Flieger mehr ab.“ Kôji zog den Mantel fester um sich und warf ihr einen Blick zu, der mehr als eindeutig war. „Ja ich bin mir sicher, dass ich hier bleibe.“ Damit drehte er sich um und ging. Er hatte Glück. Katsumi hatte in der Zwischenzeit geregelt, dass er mit einem kleinen Privatflieger mitfliegen konnte. Er wurde bereits erwartet.
Der Flug verging sehr schnell. Er hatte vor lauter Sorgen die er sich gemacht hatte, gar nicht mitbekommen, dass er in der Zwischenzeit kurz eingenickt war. Ein kurzer, unruhiger und wenig erholsamer Schlaf war es gewesen. Und ehe er sich versah, landeten sie. Schnell verabschiedete er sich und sagte sie würden mit dem regulären Flug zurückfliegen, da der 2. Passagier der noch mit in der Maschine saß, noch ein Stück weiter musste. Dann drängte es ihn zum Ausgang.
Als er mit dem Taxi vor dem Hotel ankam, wurde dieses schon belagert. Schnell wickelte er den Mantel enger um sich, stellte den Kragen auf und bat den Fahrer zu warten, da er gleich wieder käme. Es könne allerdings sein, dass er kurz den Eingang wechseln müsse. Der Fahrer nickte verstehend und versprach das Hotel im Auge zu behalten. Dann schlich Kôji sich an der Presse vorbei und traf bereits in der Hotelhalle auf Takuto. Dieser saß in Gedanken versunken in einem Sessel. Der Hoteleigner hielt mit seinen Leuten die Presse aus seinem Hotel fern, deshalb konnte er sich hier unten aufhalten. Bei dem Geräusch von Schritten schrak er jedoch aus seinen Gedanken auf. Kôji näherte sich ihm. Dann trafen sich ihre Blicke. Der eine in sich zusammen gesunken, wie ein Häufchen Elend, der andere groß und stattlich, strahlte soviel Selbstbewusstsein und Stärke aus, dass man glauben konnte, er habe alles im Griff. Takuto schloss wieder die Augen. Mit einem Blick in die Runde ging Kôji zum Portier und fragte nach einem zweiten Ausgang. Dieser nickte. Takuto war inzwischen langsam aufgestanden und hatte, während Kôji sich mit dem Mann unterhielt, sich zu ihnen gesellt. Dieser verließ nun seinen Posten und führte sie nach hinten. Kôji gab Takuto kurz vor dem Ausgang noch seinen Mantel, damit er ihn überziehen konnte. Dann steckte er den Kopf aus dem Hinterausgang und winkte das Taxi dichter. Als es endlich da war und sie auch schon in ihm Platz genommen hatten und gerade abfahren wollte, hatte jemand aus der Meute Takuto erkannt und versperrt dem Taxi den Weg. In wenigen Augenblicken war das Taxi von der Presse eingekreist. Sie wollten eigentlich gleich zum Flughafen, doch mit dem Taxi kamen sie erst mal nicht weiter. Nachdem endlich - nach fast einstündigem Bedrängen - ein mitleidiger Polizist dafür sorgte, dass das Taxi mit seinen beiden Passagieren seine Fahrt fortsetzen konnte, mussten sie am Flughafen feststellen, dass sie ihren Flieger verpasst hatten. Also beschloss Kôji, dass sie weiter zum Hafen fuhren, um mit einem Schiff von dort zu verschwinden und um dann zu einem der größeren Flughafen zu kommen, von welchem aus sie vielleicht morgen noch nach Hause fliegen konnten, denn von diesem Flughafen aus – das wusste er noch von Katsumi -, wäre es erst in einer Sondermaschine oder in 3 Tagen wieder möglich gewesen.
Nach einiger Suche mussten sie jedoch feststellen, dass so spät am Abend kaum noch ein Schiff auslief. Das nächste Passagierschiff fuhr auch erst in zwei Tagen. ‚Mein Gott, in was für einer verlassenen Ecke sind die hier bloß zum Training gefahren.’, schoss es Kôji durch den Kopf. Hilflos sah er sich um, bis ihm einfiel, auf den kleineren Frachtschiffen nachzufragen, ob einer von denen in die gewünschte Richtung fuhr und sie vielleicht mitnimmt. Endlich erfuhr er von einem Kapitän, auf welchem Liegeplatz er ein entsprechendes Schiff finden konnte. Aber als Kôji eilig von Bord ging, rief der ihm noch hinterher, dass der Kapitän sicher keine Passagiere an Bord nimmt.
‚Das einzige Schiff, welches in etwa einer Stunde auslaufen sollte, war also ein kleines schon etwas älter aussehendes Frachtschiff, welches normalerweise keine Passagiere an Bord nahm.’, überlegte Kôji. ‚Egal wie, wir müssen da mit.’ Deshalb ließ Kôji Takuto erst einmal am Ufer zurück und betrat alleine den Frachtkahn, um mit dem Kapitän zu verhandeln. Gerade wurden die letzten Stücke der Ladung, mit einem Kran auf das Schiff gehievt. Takuto stand am Kai und beobachtete das. Nachdem Kôji dem Kapitän ihre Lage erklärt und ihm ein paar Scheinchen zugeschoben hatte, zeigte sich dieser dann doch endlich geneigt, die Beiden mitzunehmen, machte ihm aber auch gleich klar, dass sie nicht mit Luxus zu rechnen hätten. Kôji warf Takuto über die Reling einen schnellen Blick zu, sah wie niedergeschlagen, traurig und müde er war und nickte dann. Also ging er ihn holen. „Wir können mit, aber es sind sehr einfache Kabinen, wirklich nur zum schlafen. Kein Luxus.“ Dann lächelte er Takuto an, der ihm einen erschöpften Blick zu warf. „Es wird schon wieder. Wir müssen nur so schnell wie möglich zurück sein. Schneller als das Team, damit wir unseren Gegenangriff starten können.“ Zu zweit betraten sie nun das Schiff und der Kapitän zeigte ihnen sogleich zwei der kleinen Quartiere, welche sonst, bei größeren Fahrten, eigentlich von Matrosen bewohnt wurden. Die Räume lagen nebeneinander. Kôji besah sie sich genauer. Sie waren zwar sehr sauber, aber da die beide Räumen unterhalb der Wasseroberfläche lagen, hatten sie natürlich auch keine Bullaugen. Die Luft war warm und etwas stickig. Außerdem waren sie ziemlich winzig, also nicht groß genug, als dass sie eine zweite Koje hätten aufnehmen können und die Pritschen selbst viel zu schmal, als dass eine zweite Person darauf Platz gehabt hätte. Trotzdem beschlossen sie, dass es für die Überfahrt reichen würde. Der Kapitän sagte ihnen noch, dass sie in 30 Minuten ablegen würden und gegen 5.30 Uhr morgens an ihrem Ziel ankämen. Er würde sie gegen 5 Uhr wecken kommen. Dann wünschte er ihnen eine „Gute Nacht“ und verließ sie.
Erst jetzt sah Takuto sich um. Er hatte noch nie in einem Raum ohne Fenster geschlafen. Schnell warf er einen Blick auf Kôji und sah nur seine weit aufgerissenen Augen. Als er Takuto’s Blick auf sich fühlte, fasste er sich sofort wieder und lächelte ihn an. „Alles in Ordnung, Kôji?“ „Ja, für eine Nacht wird’s schon gehen. Und bei dir?“ „Hm…“ Takuto und Kôji einigten sich schnell, wer welche Kabine nahm und Takuto stellte seine Tasche aufs Bett. Dann drehte er sich um, und ging auf Kôji zu, der immer noch in der Türe stand. „Kôji, ich muss jetzt allein sein.“ Damit schob er ihn sanft aber nachdrücklich hinaus und verriegelte seine Tür. Wie ein wildes Tier lief er drinnen hin und her… her und hin… Eine ganze Zeit war inzwischen verstrichen, die er so in seinen Gedanken versunken war, da hielt er es nicht mehr aus. Leise verließ er die Kabine und ging zu Kôji’s. Unschlüssig stand er vor der Kabinentür und starrte sie an. Dann nahm er seine ganze Kraft zusammen und öffnete sie leise. Als er in die Kabine trat, lag Kôji mit geschlossenen Augen auf dem Bett. Langsam schritt er durch den Raum und sah sich um. Plötzlich… ganz unerwartet… drehte sich zu ihm um und wie gebannt sah er in die dunklen, gleichzeitig unergründlich tief wirkenden Augen, die ihm bei seinem Tun nicht aus den Augen gelassen hatten. Wie unter einem Zwang wanderte sein Blick tiefer und Takuto starrte auf die weichen geschwungenen Lippen. Er stellte sich vor, wie er mit seinem Zeigefinger die sanften Lippen nachzeichnen, sich zu ihnen hinunterbeugen und seinen Mund mit seinen Lippen streicheln würde. In seiner Phantasie spürte er, wie Kôji erzitterte und ihn dann fest an sich drücken würde, als sich ihre Lippen berührten. ‚Doch halt, das ist Wahnsinn’, rief er sich still zur Ordnung. ‚Ist es nicht gerade das, was man ihm vorwarf? Hatte er sich tatsächlich in ihn verliebt, so dass er ihn inzwischen genau so brauchte, wie dieser ihn?’ Takuto schüttelte leicht den Kopf und verließ dann wieder den Raum. Er spürte den salzigen Geschmack von Tränen. Solange er bei Kôji gewesen war, hatte er sich mit Macht beherrscht, aber nun… Er merkte wie seine Gefühle die Oberhand nahmen. In ein paar Minuten würde das Schiff auslaufen. Was wird passieren, wenn sie wieder zu Hause sind? Ob er je wieder spielen durfte? Oder ob Matsu inzwischen alle aufgestachelt hatte, wie das Team. Er ertrug die Blicke nicht, die man ihm zugeworfen hatte. Er hatte gesehen wie die anderen hinter seinem Rücken getuschelt hatten. Takuto ließ sich da wo er stand plötzlich zu Boden fallen, zog die Beine dicht an den Körper und hielt sich die Ohren zu. Aber es half nichts – diese Stimmen waren in seinem Kopf und blieben dort. Also schloss er die Augen und versuchte die Stimmen mit schöneren Erinnerungen zu vertreiben. Eine ganze Zeit lang ließen die Stimmen es jedoch nicht zu, dass sich andere Bilder vor seinen Augen auftaten. Doch endlich formten sich die Bilder: Er und Kôji waren etwa acht Jahre alt. Sie waren mit seinen Eltern unterwegs, bei einem ihrer gemeinsamen Ausflüge, welche das ganze Wochenende dauerten. Sie waren auf eine kleinere Insel gefahren, auf welcher die Natur noch intakt und welche bei Ebbe mit einer größeren verbunden war. Er sah Rehe, die sie beobachteten. Sie folgten diversen Tierspuren. Kôji und er sahen sich an, lachten. Sein Blick blieb plötzlich an Kôji hängen, denn dieser war plötzlich still geworden und sah ihn nachdenklich an. Takuto fiel dieser Gesichtsausdruck auf. ‚Was war das? Kann es sein, dass er damals schon seine Gefühle für mich entdeckt hatte? Aber sie waren Kinder?! Wussten noch nicht, was auf sie zukommt, welche Wege das Schicksal für sie bestimmt hatte, das es sie trennen und nach Jahren wieder zusammenführen würde, was sie heute füreinander bedeuteten.’ Plötzlich schrak er auf. Kôji kniete vor ihm, nahm ihm die Hände von den Ohren und sah ihm tief in die traurigen Augen. „Izumi, es wird alles wieder gut.“ „Kann es das überhaupt? Kann ich je wieder spielen?“ „Wir werden sehen was passiert, wenn dein Team wieder zu Hause ist. Vielleicht nimmt die Presse das ja nicht so ernst. Wir werden sehen… Außerdem… es gibt keinen besseren Spieler als dich. Sie können nicht auf dich verzichten, wenn sie gewinnen wollen. Das weißt du doch, oder? Außerdem haben wir noch einen Trumpf. Wir schildern der Presse Matsu’s Angriff auf dich und drehen den Spieß um. Dann wird sich die Presse erst einmal auf ihn stürzen.“ Er lächelte ihn an, während er ihm vorsichtig eine Träne wegwischte, welche ihm gerade über die rechte Wange lief und zog ihn dann sanft hoch. „Komm, lass uns erst einmal nach Hause fahren und dann sehen wir weiter.“ „Nach… Hau…se?“, kam es gedehnt. „Ich… ich kann nicht… nicht zu den Horiuchi’s… Nicht jetzt…“ „Nein, du kommst mit zu uns. Du hast doch immer noch dein Zimmer bei Katsumi, und den Horiuchi’s sagen wir wo du dich aufhältst, damit sie dich erreichen können, wenn du wieder rehabilitiert bist. Okay?“ „Ja… Danke Kôji.“ „So und nun komm.“ Kôji zog ihn sanft auf die Beine und brachte ihn noch bis zur Kabinentür. „Jetzt legst du dich hin und versuchst ein paar Stunden zu schlafen. Wenn was ist… ich bin nebenan.“ Takuto nickte. Kôji strich ihm noch mal leicht über die Haare, bevor er sich mit einen Lächeln umdrehte und zur Tür hinausging. Takuto setzte sich aufs Bett, stellte seine Tasche runter, legte sich hin und starrte noch eine Weile an die Decke. Dann hörte er wie Kôji die Kabine neben seiner betrat. Kôji’s Koje stand auf der anderen Seite der Wand. Nur ein paar dünne Planken trennten ihre Körper voneinander. Takuto wagte nicht sich zu bewegen. Und atmete lautlos ein und aus. Wie gerne würde er jetzt in Kôji’s Armen liegen und sich von ihm trösten lassen, aber sie waren eben nicht auf einem Passagierschiff. Innerhalb weniger Minuten konnte Takuto an den Geräuschen der gleichmäßigen Atemzüge erkennen, welche durch die dünnen Wände drangen, dass Kôji tief und fest schlief. Nach einer Weile fiel ihm auf, dass er selbst nicht mehr so beunruhigt war. Kôji war nicht weit weg. Im Gegenteil er war jederzeit für ihn da und sie hatten Freunde. Was nun kommt, würde er mit ihrer Hilfe schon durchstehen. ‚Hoffentlich.’, dachte er, ‚…wird es nicht das Ende für mich auf dem Fußballplatz. Und wenn doch…?’ Lange lauschte Takuto noch auf die Laute, die durch die dünne Wand zu ihm drangen. Unwillkürlich passte er seinen Rhythmus Kôji’s Atemzügen an. Es war gut zu wissen, dass er so nah war. ‚Schöner wär’s jedoch, jetzt in seinen Armen zu liegen. Eine leichte brennende Röte stieg ihm in die Wangen, doch da er inzwischen das Licht gelöscht hatte, wurde sie durch die Dunkelheit verschluckt.
Das Schiff glitt inzwischen ruhig durch die Wellen und an Bord war es still geworden. Takuto drehte sich mit dem Gesicht zur Wand und wollte gerade ins Traumland entschwinden, als er auf einmal wieder hellwach war…. Er hörte wie Kôji sich auf seiner Pritsche ungestüm hin und her warf und dabei ununterbrochen stöhnte. ‚Träumte er schlecht?’, fuhr es ihm durch den Kopf. „Kôji ist alles in Ordnung mit dir?“, flüsterte Takuto mehr als er es sprach und stützte sich auf den Ellbogen auf, den Blick in Richtung Wand. Kôji jedoch gab keine Antwort. Aber Takuto spürte Angst und Schmerz in seiner Stimme. „Kôji!“ Takuto schlug mit seiner Faust gegen die Planken. „Kô-ji! Was ist Kôji?“ Einen Augenblick lang herrschte Schweigen. Takuto wollte gerade aufspringen und zu Kôji’s Kabine hinüber eilen, als er ihn hörte: „Es ist nichts. Schlaf nur wieder Izumi!“ Takuto ließ den Kopf wieder auf das Kissen sinken und lauschte noch angestrengt nach nebenan. Aber es blieb ruhig. Kôji hingegen lag mit offenen Augen, den Kopf auf dem linken Unterarm gelegt, in seiner Koje und starrte die Decke an. Die Ausstattung dieser Kabine hatte ihn an das Kellerloch erinnert, in dem er Jahre seines Lebens verbracht hatte. Dadurch war auch dieser Albtraum hervorgerufen worden. Sein Herz raste noch. Entschlossen zog er sich die Decke fester um die Schultern, rollte sich auf die Seite und zwang sich die Augen zu schließen. Nach einer Weile war Takuto eingeschlafen, Kôji jedoch konnte es noch nicht gleich wieder.
Früh am Morgen – oder besser gesagt, es war noch mitten in der Nacht, gegen 1.45 Uhr – telefonierte Kôji dann mit dem Handy mit Katsumi. Er erklärte ihm was vorgefallen war und erzählte ihm auch noch mal das was Matsu Izumi damals antun wollte und dass dieser höchstwahrscheinlich hinter allem steckte. Katsumi, selbst noch mit Schlaf in den Augen, machte sich ein paar Notizen und noch bevor Kôji und Izumi um 5.30 Uhr dass Schiff verließen, war die Gegenaktion geplant, welche Katsumi auch sofort in die Tat umsetzte. Nachdem Kôji das Gespräch beendet hatte, legte er sich wieder hin und schloss die Augen. Er stellte sich Izumi vor und schlief langsam ein. Ein Traum jagte den anderen, die Szenen wechselten öfter als ihm lieb war... Auf einmal befand er sich mitten im Wald wieder, wo goldenes Sonnenlicht durch das Blätterdach fiel. Plötzlich sah er Izumi, wie er nackt im Moos neben einem See lag. Er ging auf ihn zu und legte sich zu ihm. Sein Körper fühlte sich fest und warm an. Aber sie waren beide erst etwa acht. ‚Eine Erinnerung aus der Kindheit.’, fuhr es in seine Gedanken. Trotzdem fühlte Kôji einen schnelleren Herzschlag in seiner Brust. Dann waren sie plötzlich erwachsen. Er sah die gleiche Gegend, aber irgendwie war sie es auch nicht. Sie hatte sich verändert, wie die Personen, die sich dort aufhielten. Er barg sein Gesicht in Izumi’s Halsbeuge und presste die Lippen auf die Stelle, wo sein Pulsschlag sichtbar war. Seine Haut schmeckte ein wenig nach Salz und Sonne und der Duft seiner Haut stieg Kôji verführerisch in die Nase. Er strich mit beiden Händen über die nackte Haut, presste Takuto’s Hüften an seine. Dann neigte er den Kopf um seinen Körper zu liebkosen. Er spielte mit seinen Lippen auf Izumi’s Körper. Ihre Lippen fanden sich immer wieder. Die Erregung wuchs – Kôji dachte sein Herz müsse vor Lust und Begierde zerspringen – und er zog Takuto mit sich in das hohe Gras. Scheu doch mit unverkennbarer Leidenschaft und bereitwillig öffnete er sich ihm, schlang ihm beide Arme um den Nacken. Kôji zog seinen Kopf zu Izumi’s Gesicht um ihn hingebungsvoll zu küssen. Er spürte Izumi’s Zunge in seinem Mund, es füllte sich an wie ein Tanz von kleinen Flammen, die plötzlich in seinen Mund schossen… Er schloss die Augen,… in dem Moment bewegte Izumi sich ungestüm unter ihm. Er kämpfte plötzlich mit ihm und bevor er wusste wie ihm geschah, war Takuto verschwunden. Erneut wachte er auf. Sein Herz raste wieder wie wild. Was hatte das zu bedeuten? Bedeutete es überhaupt was? Leise horchte er in die Stille der Nacht. Er setzte sich auf der Koje auf und starrte auf die Wand hinter der er Izumi wusste. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es 3.05 Uhr war. Sie waren schon seit einigen Stunden auf See. Takuto schlief bestimmt noch tief und fest. Stören wollte er ihn nicht, also legte er sich wieder hin und blieb erst einmal still liegen. ‚Noch etwa 2 1/2 Stunde...’, dachte er sich. ,…dann sind wir auf dem Weg zum Flughafen.’ Kôji schloss erneut die Augen und atmete dieses Mal tief ein und aus. Was für ein Traum. Sollten das etwa schon Entzugserscheinungen sein? War er inzwischen so auf Izumi fixiert, dass selbst wenn sie sich ein paar Tage nicht sahen oder miteinander verbrachten, dass solche Träume in ihm auslösten. Aber er hatte ihn doch in den vergangenen Stunden gesehen, seinen Kummer versucht zu vertreiben… Oder war es einfach nur dieser für ihn ungewöhnliche Ort? So in Gedanken versunken, schlief er erneut ein. Doch auch dieses Mal sollte es nicht traumlos geschehen. Denn in einem anderen Traum lag er selbst nur mit einer silbernen Badehose bekleidet auf einer von Sonnenlicht überflutenden Wiese, mitten in einem Meer aus weißen Blüten. Nach und nach wurde ihm bewusst, dass er nicht alleine dort war, sondern dass jemand neben ihm liegen musste. Er setzte sich auf, drehte den Kopf und sah wie ihn ein paar braune Augen anlächelten. Izumi’s Augen. Sein Körper war ganz und gar von weißen Orchideen eingehüllt, so dass nur der Kopf herausragte. Er sah, wie er selbst eine Hand ausstreckte und langsam Blüte für Blüte von seinem Körper nahm, dabei von jeder den Geruch tief ein sog und dann die Stelle küsste an der sie Izumi’s Körper berührt hatte. Anschließend bedeckte er die Stelle an Izumi’s Körper, die er gerade freigelegt hatte, mit heißen Küssen. Langsam arbeitete er sich von unten nach oben vor – von den Zehenspitzen zum Hals... Er bemerkte wie Izumi’s Atem schneller ging, als er die letzte der Blumen von seinem Herzen herunternahm. Doch auf einmal verwandelte sich die eben noch strahlend weiße Orchidee in eine wunderschöne, eben erst halb erblühte, dunkelrote Rose. In eine Rose ohne Dornen. Izumi stöhne unterdrückt auf, als Kôji sie aus der Hand legte und seine Hand nun tiefer wandern ließ, kurz seinen Bauchnabel berührte und sich dann in tiefere Regionen vortastete. Immer wieder entlockte er Izumi durch sein sanftes Streicheln stöhnende Laute und steigerte so auch seine eigene Erregung ins beinahe unerträgliche. Unwillkürlich breitete sich in seinen Lenden eine prickelnde Wärme aus. Kôji spürte wie wildes Verlangen ihn schmerzhaft durchschoss, als er ihn so verführerisch da liegen sah. Izumi bewegte seine Hüfte, seine Schenkel Kôji entgegen, rief flehend Kôji’s Namen. Letztendlich konnte er sich nicht länger beherrschen, drückte Izumi’s Beine auseinander und drang in ihn ein… Plötzlich war ihm, als fiele er. Er fiel und fiel und fiel und landete plötzlich unsanft wie auf hartem Stein. Wieder wachte er auf. Er bemerkte, dass dieser Traum nicht ganz ohne Folgen geblieben war. Leise stand er auf, um die verräterischen Zeichen zu entfernen. Immer noch schwer atmend überlegte er, ob er zu seinem Izumi rüber gehen sollte. Aber er hätte ihn wecken müssen, damit er die Türe aufriegelte. Also legte er sich wieder hin, drückte sich ganz dicht an die Holzplanken und lauschte seiner gleichmäßigen Atmung. Plötzlich schüttelte Kôji dem Kopf und dann sagte er leise vor sich hin: „So kann es nicht weiter gehen. Oder… ich werde noch dabei verrückt.“ Das Schiff glitt unterdessen fast lautlos durch die Wellen dahin, ihrem eigentlichen Ziel dabei immer näher kommender. Plötzlich hörte Kôji ein Geräusch von nebenan. Leise klopfte er an die dünne Wand. „Hmmm… ? Kôji?“, antwortete es von dort. „Ja, Izumi.“ „Was ist? Wir haben noch Zeit. Es ist doch noch sehr früh.“ „Izumi?“ „…Hm?...“ „Izumi, kann ich rüberkommen?“ Takuto riss die Augen auf und guckte ungläubig. Plötzlich war er hellwach. ‚Was hat er?’ Leise stand er auf, zog sich was über, entriegelte die Tür und schloss sie hinter sich. Dann ging er die fünf Schritte zu Kôji’s Tür. Der Gang war dunkel, aber als er gerade an seine Türe klopfen wollte, wurde sie aufgerissen und er hineingezogen. Kôji zog ihn in seine Arme und hielt ihn ganz fest an sich gepresst, während er mit einem leichten Fußstoß die Türe wieder zustieß. Takuto schloss die Augen, kuschelte sich an ihn und umarmte Kôji nun ebenfalls. Eine ganze Weile standen sie so im Raum, eng umschlungen. Sie vergaßen total die Zeit. Irgendwann klopfte der Kapitän an Kôji’s Kabine und rief dann, dass das Frühstück bereit sei. Sie sahen sich an und nach einem langen Kuss lösten sie sich voneinander. Der Kapitän war schon wieder verschwunden, als Takuto in seine Kabine zurückging, um sich fertig zu machen.
Als sie dann im Speiseraum ankamen, kam ihnen der Kapitän mit einem Zettel in der Hand entgegen, welchen er Kôji reichte. „Sie hatten wohl ihr Handy ausgeschaltet?“, grinste er ihn an. „Da hat vor einer Stunde jemand krampfhaft versucht sie zu erreichen. Tja, zum Glück gibt’s auf diesem Schiff Funk…“ Kôji las den Zettel und warf Takuto einen lächelnden Blick zu, der ihn fragend ansah. „Von Katsumi. Unser Flieger geht um 8.40 Uhr nach Tokyo. Katsumi hat schon alles arrangiert und bezahlt. Er holt uns dort dann ab.“ Der Kapitän nickte. „Wir legen pünktlich an. Einer meiner Leute begleitet sie. Essen sie schnell noch was, dann machen sie sich bitte fertig, im Beiboot das Schiff zu verlassen. Er bringt sie beide rüber und kümmert sich dann um sie. Er hat seinen Wagen hier und bringt sie gleich zum Flughafen. Dann sind sie schneller da, als wenn wir hier erst einen Liegeplatz zugewiesen bekommen. Sonst könnte es sein, dass sie wieder den Flieger verpassen. Man weiß nie wie lange das dauert. Und Taxen sind hier schlecht zu bekommen.“ Kôji nickte verstehend, bedankte sich dann bei dem Kapitän und während Takuto sich das Frühstück schmecken ließ, holte Kôji schon mal ihre Sachen. Was er Takuto nicht gesagt hatte war, dass Katsumi auch schrieb, dass bereits etwas über Takuto in der Zeitung stand und das Kôji dafür sorgen sollte, dass er diese Ausgabe nicht in die Hand bekam, das hieß so viel wie ihn im Flughafen und im Flieger von Tageszeitungen fernzuhalten. Nachdem er in seiner Kabine ankam, rief er Katsumi gleich noch mal mit dem Handy an. Der befreundete Reporter saß bereits neben Katsumi und nahm das Gespräch gleich auf. Kôji erzählte nochmals, was er Katsumi bereits über diesen Matsu erzählt hatte und wie aufgelöst er Izumi damals fand, als er ihn abholen wollte. Der Reporter würde dafür sorgen, dass die Geschichte so schnell wie möglich an die Öffentlichkeit käme, um Matsu als Verleumder darzustellen, der von Takuto abgewiesen worden war. Sie hofften, dass sie so Izumi’s Ruf wieder herstellen konnten. Das sich die Presse damit auf Matsu stürzen und das bisherige Opfer Takuto vergessen würden. Das Spiel war riskant, aber etwas anderes fiel ihnen auf die Schnelle nicht ein. Zwar könnte es sein, dass dieser Matsu dann ausgeschlossen wird, aber das war Kôji herzlich egal. Er hatte es nicht anders verdient. Man soll eben nie mit dem Feuer spielen, an dem man sich selbst verbrennen könnte und das hatte er eindeutig getan. Kôji hatte nur einen Gedanken: Er wollte seinen Izumi beschützen, ihn wieder lächeln sehen. Und wenn lächeln nur in Frage kam, wenn er spielen konnte, so sollte er auf seinen Fußball eben nicht verzichten müssen. Jeder Weg war ihm dazu Recht. Als er das Gespräch beendet hatte, kehrte er mit ihrer beider Sachen zu Takuto zurück, welcher sich in der Zwischenzeit recht angeregt mit dem Kapitän über Fußball unterhalten hatte.
Einige Stunden später waren sie endlich wieder zu Hause. Katsumi hatte sorgsam alle Zeitungen entfernt. Kôji sorgte dafür das Takuto an diesem Tag erst einmal nur Aufzeichnungen im Fernsehen zusehen bekam, wenn sie sich im Haus aufhielten. Trotzdem ließ er ihn keinen Augenblick alleine. Am nächsten Tag klingelte schon seit dem frühen Morgen in einer Tour das Telefon und alle möglichen Reporter, Pressefritzen und auch Leute von Takuto’s Fußballverein riefen an, um von ihm Stellungnahmen zu bekommen. Doch Katsumi wimmelte alle ab, in dem er auf den Reporter verwies, der die offizielle Geschichte als Exklusivstory herausgebracht hatte.
TEIL 20Takuto und Kôji wurde erst einmal so gut es ging, von allem was Presse betraf, ferngehalten. Katsumi hielt die Fäden in der Hand und es sah so aus, als ob die Presse Takuto anfing zu vergessen…
Endlich war der Tag des großen Konzertes… Kôji hatte schon den ganzen Tag Lampenfieber und lief nur wie ein Nervenbündel durch die Gegend. Da er zu nichts zu gebrauchen war, hatte Katsumi Takuto geben sich seiner anzunehmen und so sah man die Beiden den ganzen Tag zusammen. So fuhren sie auch gemeinsam hin und Takuto hielt sich während des Umkleidens in Kôji’s Kabine auf. *** Ein Gekreische… ein Gejohle… Die Mädchen flippten förmlich aus, als Kôji endlich die Bühne betrat. Einige weinten vor Freude, doch andere fielen auch einfach um, und mussten von Ordnern heraus getragen werden. Langsam ließ Kôji sein Blick über die Massen streifen, bis er an einer Loge hängen blieb. Bis jetzt saß nur ein Mädchen darin – Serika. Plötzlich ging die Tür auf und Takuto erschien, hinter ihm Katsumi. Er setzte sich neben seine Schwester und Katsumi sich auf seine andere Seite. Als Kôji seinen Blick eingefangen hatte, nickte er kurz und mit einer herrischen Handbewegung brachte er die Massen zum Verstummen. Welch ein Wunder! Als er das Mikrofon zum Mund führte, war es so leise im Saal, dass man eine Nadel zu Boden hätte fallen hören können. Es war als ob keiner auch nur ein Wort oder einen Ton überhören wollte. So still. Fast schon unheimlich. Die Musik setzte ein und Kôji stellte so nach und nach seine Band vor. Jeder gab eine kleine Einlage an seinem Instrument, und als das überstanden war, richtete er seine Augen wieder in Richtung Loge und begann sein Konzert mit einem zuherzen gehenden Liebeslied. Eben diesem Lied, welches er geschrieben hatte, als er seinen Izumi schlafend am Kaminfeuer beobachtet hatte. Der Beifall war tosend, kaum zu bremsen. Ein Lied folgte dem Nächsten, zwischendurch verschwand er 2 – 3 Mal und ließ die Mietglieder seiner Band ihre Einlagen bringen. Die ganze Zeit über, wo er seiner Stimme eine kleine Erholung gönnte, stand er aber so, dass er die Loge genau im Blickwinkel hatte. Endlich… nach 68 min war Pause. Man merkte Kôji an, das er gar nicht schnell genug in seine Garderobe kommen konnte. Katsumi brachte Takuto wenige Minuten später hin. „Puuh, dass sind ja Massen. Das ist ja schon ein kräftiger Spießrutenlauf, um hierher zu kommen.“, sagte Takuto mit grinsendem Gesicht als er Kôji sah. „Ich gratuliere dir und den anderen zu eurem Erfolg.“ Ohne Rücksicht auf die Anderen sich im Raum befindlichen Leute zu nehmen, stürzte er auf Takuto zu und umarmte ihn. „Danke“ „He, he nicht so stürmisch. Du tust ja so, als ob wir uns schon ewig nicht gesehen haben. Hast du vergessen, ich sitz da mit im Raum.“ „Eben weil du da mit sitzt, ist der Erfolg so groß. Wenn du nicht da wärst, könnte ich nicht so singen“, sagte Kôji und lockerte seinen Griff. „Wahnsinn, wie du die Massen beherrscht… ich staunte… ein Bewegung und alles war mucksmäuschenstill.“ Kôji nahm einen Schluck aus seinem Glas, bevor er sich wieder Izumi zuwandte. „Tja, gekonnt ist gekonnt.“ So gab ein Wort das andere, während Kôji verzweifelt versuchte sei Kostüm abzulegen. „Ich will ja nicht stören“, mischte sich nach einiger Zeit Katsumi ein, „aber ich glaube wir sollten langsam zurückgehen, schließlich ist die Pause gleich um, und Kôji muss sich noch zu Ende umziehen.“ „Okay, guck schon mal ob du Luft rein ist.“ Katsumi ging zur Tür und öffnete sie einen Spalt, sah aber das die Massen gerade alle in den Saal zurückkehrten, schnell zog er Takuto hinter sich her aus der Tür, um wenig später die Treppe zu den Logen zu erreichen. Als Kôji sich umgezogen hatte, und zur Loge schielte, saßen die Beiden schon wieder auf ihren Plätzen. Die Musiker hatten ihre Plätze schon eingenommen, als Kôji mit einem letzten Blick in Richtung Spiegel, durch den Vorhang trat, und die kreischenden Mädchen, wie beim ersten Mal, auf einmal still wurden.
Stille herrschte im ganzen Raum. Spannung lag in der Luft. Noch auf dem Weg zu seiner Band, erfolgte die Ansage für das nächste Lied. Die Musik setzt ein, als er auf seinem Platz ankam. Seinen Blick hatte er dabei fest auf Takuto’s strahlendes Antlitz in der Loge geheftet. Kôji beugte sich kurz vor, während er das Mikrofon wieder zum Mund führte … Doch da… Plötzlich hallte ein Schuss durch den Saal. Kôji verzog sein Gesicht, faste sich an die linke Schulter, dann stürzte er zu Boden. Für Sekunden herrschte Schweigen. Takuto sprang von seinem Platz auf. Mit weit aufgerissenen Augen stützte er sich mit beiden Händen am Geländer ab. Sein Oberkörper weit darüber vorgebeugt. Er starrte auf das Geschehen. Blitzschnell war Kôji von Sicherheitsleuten umgeben, die ihm jede Sicht nahmen. Unerwartet spürte er zwei brennende Augen, die auf ihn gerichtet waren. Der Blick kam von unten – aus dem Saal. Sein Blick irrte umher, auf der Suche nach etwas Ungewöhnlichem. ‚War der Attentäter noch da? Machte er sich etwa lustig über ihn?’ Die Massen waren noch geschockt, saßen noch immer wie erstarrt da. Doch in der Luft lag etwas Bedrohliches. Es brodelte. Sie brannte gleich. Nur noch wenige Augenblicke und dann… Doch da… da war ein Gesicht ihm zugewandt - zwei brennende lachende Augen und ein entstellter Mund, verzerrt zu einem höhnisch fiesen Grinsen. Kurz verschwamm seine Sicht, tauchte die anderen Personen um jenen herum ins Dunkel. Nur diese eine Person stand doch klar und deutlich da unten. ‚M.A.T.S.U! – Ob er? Nein. Dann würden die Mädchen um ihn herum nicht mehr so starr sitzen. Die hätten ihn sicher schon in der Luft zerrissen. Doch warum starrt er mich so triumphierend an? Wieso ist ER eigentlich hier? Hat er gewusst, was hier passieren soll?’ Takuto starrte ihn immer noch mit großen Augen an. Doch jetzt formte dieser Mund Silben. Silben so deutlich, das Takuto sie lesen konnte. >R.A.C.H.E< ‚Rache? Weil ich…? Ach Quatsch! Aber wer hat geschossen.’ Wieder wanderte sein Blick durch den Saal. Dort war inzwischen die Panik ausgebrochen. Schreiend rannte alles durcheinander. Die einen versuchten so schnell als möglich den Ausgang zu erreichen, die Anderen, Mutigeren - da kein weiterer Schuss erfolgt war -, versuchten Kôji zu erreichen. Die Sicherheitsleute hatten alle Hände voll zu tun, die Massen zurückzuhalten und dabei nicht auch noch zerquetscht zu werden. Es war gar nicht so einfach für sie, den Ansturm abzuwehren. Trotz der Panik die unter den Zuschauern ausgebrochen war, erregte noch etwas anderes Takuto’s Aufmerksamkeit. Er sah wie Männer einen anderen verfolgten. Die Verfolger trugen die Uniform der Sicherheitskräfte, also musste der Verfolgte der Attentäter sein... Doch wer war er?
Takuto wollte hinausstürmen, doch erst da bemerkte er, dass Katsumi seinen rechten Arm krampfhaft festhielt. Er hörte, wie ihn jemand rief… Verstand aber nicht den Sinn der Worte… Er wollte sich von ihm losreißen, doch dieser schüttelte nur den Kopf. Ein stechender Blick fiel auf Katsumi, dann auf Takuto’s Arm, wo dieser ihn festhielt. Doch der nütze nichts. Katsumi lockerte den Griff nicht. Als dieser merkte das Takuto kurz davor war, den Verstand zu verlieren, sich loszureißen und hinauszustürzen, riss Katsumi ihn in seine Arme, hielt den schwer atmenden Takuto an sich gedrückt, während er immer wieder auf ihn einredet. Erst laut, fast schreiend, später immer leiser. „Ihm ist nichts Schlimmes passiert.“ Immer wieder… „Es ist alles in Ordnung mit ihm, sonst wüste ich es… …Du kannst jetzt nichts tun. Wir warten, bis sich die Massen beruhigt haben oder raus sind, und fahren dann ins Krankenhaus. … Oder willst du dich von denen etwa noch tot trampeln lassen? Kôji würde mich dann umbringen.“ „Tot trampeln?... Umbringen?... Nein… Wieso?“ „Guck mal da runter. Die merken gar nix mehr. Wer da hinfällt, der hat keine Chance.“ Mit diesen Worten zeigte Katsumi auf mehre Stellen. Takuto folgte seiner Hand und sah, dass dort auf dem Boden bereits einige Fans lagen, die von anderen nicht beachtet wurden. In dem Gewühle, was da unten nun herrschte, trampelte einer auf dem anderen herum. Er schüttelte nur den Kopf. Plötzlich merkte er, dass auch seine Schwester Tränen vergießend neben ihm stand. Tröstend nahm er sie in den Arm, obwohl er Trost jetzt selbst nötig hatte. Als er Serika in den Arm nahm, lockerte Katsumi seinen Griff. Pausenlos hämmerten Gedanken auf Takuto ein. ‚Was mag nur sein? Ob Kôji schwer verletzt ist?’ Wieder warf er, wie schon so oft in den letzten Sekunden, seit dieser Schuss gefallen war, seinen Blick zur Bühne. Noch immer schotteten die Sicherheitskräfte die Sicht ab. Sie hielten eine große dunkle Plane in die Luft, damit nicht irgendwelche Pressefritzen Aufnahmen machen konnten. ‚Doch was war das? War das nicht eine Trage?’ Es sieht verdächtig danach aus. ‚KÔJI!’ Sein Herz tat ihm weh. Es schrie förmlich nach Kôji. Er wollte unbedingt wissen, wie es ihm ging. Plötzlich riss er sich von seiner Schwester los und stürmte Richtung Tür. Geistesgegenwärtig verbarrikadierte Katsumi den Ausgang, in dem er sich blitzschnell davor stellte. Auch Serika klammerte sich nun an seinen Arm. „Lass mich zu ihm!“ Leise, aber bedrohlich klangen diese Worte. Katsumi wich jedoch nicht zurück. „Setz dich hin, sobald die Luft rein ist, kannst du gehen.“ „KATSUMI SHIBUYA!“, drohend klang es, seine Augen sprühten fast Funken. „Ich weiß, dass ich so heiß.“, versuchte Katsumi der brennenden Luft die Nahrung zu nehmen. Wieder funkelten Takuto’s Augen ihn böse an. Seine Schwester ignorierte er total. Doch auch sie stellte sich nun neben Katsumi, um ihm zu zeigen, dass dieser mit seinem Tun Recht hätte. „Du auch?“ Resignierend und ohne eine Antwort abzuwarten, drehte Takuto sich um, um wieder einen Blick auf die Bühne zu werfen. Doch diese war inzwischen leer. Die Sicherheitskräfte hatten Kôji weggebracht und er wusste nicht wohin. Konnte nun nicht bei ihm sein. Sein Schmerz wurde so groß, dass er glaubte, jeden Moment die Kontrolle zu verlieren. Doch er verlor etwas anderes. Denn unerwartet verließen ihn seine Kräfte. Er konnte gerade noch nach der Lehne vom nächsten Stuhl greifen, als er bemerkte wie die Schwärze ihn umfing. Langsam senkte sie sich nieder. Der Schmerz und die Ungewissheit waren einfach zu groß. *** In der Zwischenzeit, verfolgten die Sicherheitskräfte den Attentäter. Dieser jedoch schien sich in dem Haus bestens auszukennen, was darauf hinwies, dass er wohl schon öfter hier gewesen sein musste. Blitzschnell rannte er die Gänge entlang, nahm die Treppenstufen mit Leichtigkeit und erreichte die Ausgangstür. Als die Sicherheitskräfte gerade an der großen Glastür ankamen, konnten sie noch erkennen, wie ein Wagen vor dem Haus hielt, der Attentäter die Tür aufriss, hineinsprang und noch während er die Tür zu schlug, fuhr der Wagen schon wieder an, beschleunigte und raste davon... „SHIT!“, sagte der eine zu seinem eben durch die Tür hinausstürmenden Kollegen. „Hast Du die Nummer noch sehen können? „Ja - …“ „Okay, Gib ne Meldung nach dem Mercedes raus und sag, dass die Flüchtigen wahrscheinlich bewaffnet sind.“ „Okay, Chef!“ Damit verschwand er, während der andere sich nun schnellen Fußes zu seinem Wagen begab, um von dort aus die Verfolgung über Sprechfunk weiterzuleiten. Schon sehr bald wurden sie mittels Autokennzeichen, ausgemacht, und die Polizei und die von Katsumi angeheuerten Sicherheitskräfte, nahmen die Verfolgung wieder auf. ‚Was der Name Shibuya doch alles so auslöst?’ Der Chef grinste vor sich hin, während er seinen Dienstwagen durch die Tokyoter Innenstand fuhr. Durch den Funk hatte er schon mitbekommen, dass die Polizei im Null Komma Nix alles was kreuchen und fleuchen konnte, auf die Beine gestellt hatte, um die Täter zu fassen. Auch Straßensperren waren bereits an mehreren Orten errichtet worden. Trotzdem lief die Verfolgungsjagd bereits seit eineinhalb Stunden, quer durch Tokyo. Der Fahrer des flüchtigen Fahrzeuges kannte keine roten Ampeln. Überall erzwang er sich die Vorfahrt, in dem er gekonnt, den am Verkehr beteiligten Wagen auswich. Auch einige der Straßensperren konnten sie – zwar mit starken Beulen am Auto – aber selbst unbeschadet überstehen. Aber die beiden Attentäter sollten nicht mehr sehr lange auf freien Fuß bleiben, denn etwas nicht Einkalkuliertes kreuzte ihren Weg. Als der Fahrer des flüchtigen Fahrzeugs wieder einmal einer Straßensperre auswich, in dem er kurz die Richtung wechselte, schnitt er an einer unübersichtlichen großen Kreuzung abermals diverse Fahrzeuge. Wie er dann jedoch einem Pkw aus der angrenzenden Seitenstraße die Vorfahrt nehmen wollte, in dem er einfach über die rote Ampel fuhr, wurde ihm jedoch die Sicht auf das dahinter - durch die davor stehenden Häuserblocks - verwehrt. So konnte er nicht, beziehungsweise erst viel zu sät, den riesigen Track mit Hänger erkennen. Noch bevor der Fahrer auf die Bremse gehen konnte, prallte er mit einem mächtigen Knall mit dem Track zusammen Dieser hielt zwar sofort an, aber zu spät. Die Fahrerseite des Pkws wurde total zusammen gepresst. Der Fahrer selbst erlitt keine Qualen mehr, er war sofort tot. Der Mann auf der Beifahrerseite war total eingeklemmt worden. Der Trackfahrer versuchte noch ihn herauszuholen, aber die Tür war ebenfalls verzogen. Wenige Augenblicke später wimmelte es am Unfallort nur so von mehreren Polizeifahrzeugen. Die Polizisten holten unter großen Anstrengungen den stark verletzten Attentäter aus dem Fahrzeug und stellten mit großem Entsetzen die Personalien fest. *** Als Takuto einige Augenblicke später wieder zu sich kam, kniete seine Schwester neben ihm, während Katsumi - mit dem Handy - mit irgendjemandem telefonierte. Fragend sah Takuto ihn an. Doch er wurde aus dem, was er hörte nicht schlau. „…. Hmm………. Ja….. ist in Ordnung………. Wo?……. Hmm….. Weiß man schon wer? ………. Aaa… Okay. Danke für deinen Anruf.“ Er machte es aus, steckte es ein. „UND? WAR DAS WEGEN KÔJI?“, fragte Takuto. „Ja.“, kam es kurz und knapp. „Spann mich nicht auf die Folter. Was ist los? Geht es ihm gut?“ „Den Umständen entsprechend.“, sagte Katsumi. „WAS heißt das?“ „Glatter Durchschuss, unterhalb der linken Schulter. Er ist im Krankenhaus und Taka ist bei ihm, konnte aber noch nicht mit ihm sprechen. Aber er sagte, dass sie den Attentäter und seinen Helfer wohl gefasst haben.“ „Namen?“ – Stille. „Nein... Er sagte keine.“ Mit diesen Worten drehte er sich um, öffnete die Tür und warf einen Blick hinaus auf den Flur. Dort war es inzwischen ruhiger geworden. Nur noch einzelne Nachzügler verließen langsam das Haus und die Pfleger der inzwischen gerufenen Krankenwagen – zur Bergung der Verletzten – liefen geschäftig hin und her. Er schloss die Tür wieder, drehte sich zu Takuto um und sagte: „Wenn du dich kräftig genug fühlst könnten wir jetzt gehen.“ Takuto nickte, doch dann bemerkte er, dass er doch noch ziemlich wacklig auf den Beinen war. Serika stützte ihn während er aufstand und auch Katsumi eilte ihm hilfreich zur Seite. So verließen sie zu dritt, die kleine Loge und steuerten den Parkplatz an. Katsumi setzte sich hinters Lenkrad, Takuto neben ihn, Serika stieg hinten ein. Dann fuhren sie los. Zuerst wurde Serika bei ihrer Freundin noch abgesetzt, bei der sie übernachten wollte, dann fuhren sie zum Krankenhaus.
Doch Kôji war noch immer im OP. Die Schwestern führten die Beiden, in das Zimmer, welches für den neuen Patienten vorbereitet worden war. Auskünfte konnte sie ihnen allerdings keine geben. Also hieß es warten…. warten… warten… Wie lange er so am Fenster stand und hinaus starrte, konnte Takuto später nicht mehr sagen. Ihm fiel nicht auf, dass Katsumi in der Zwischenzeit hinausgegangen war, mit Taka den er anschließend nach Hause schickte sich kurz unterhalten hatte und nun schon seit geraumer Zeit auf dem Stuhl neben der Tür saß. Er bemerkte nicht wie die Minuten verrannen, wie sie zu Stunden wurden. Achtete nicht darauf, dass in der Zwischenzeit die Sonne untergegangen war, dass die letzen Sonnenstrahlen den Horizont blutrot verlassen hatten und die Nacht sich anschickte, ihre Herrschaft zu übernehmen. Die ersten Sterne zeigten sich am Himmel, und noch immer stand er dort und hielt seinen Blick durch die Dunkelheit hindurch auf einen Punkt im Park gerichtet, der scheinbar seine ganze Aufmerksamkeit erforderte. Sein Herz klopfte wild. Er hörte das Pochen in seinen Ohren, spürte die Kälte die sich seines Körpers inzwischen bemächtigt hatte, aber nicht. Er starrte weiter nur hinaus. Endlich war es so weit. Die Türe öffnete sich, Katsumi ging ihnen aus dem Weg und stellte sich neben Takuto und ein Pfleger und eine Schwester schoben Kôji’s Bett in den Raum. Beide beobachteten sie, wie die Schwester, nachdem der Pfleger wieder den Raum verließ, den Tropf legte. Mit „Aber bleiben sie bitte nicht so lang, der Patient braucht jetzt Ruhe.“, verließ sie anschließend auch den Raum. Takuto stürzte sich sofort zu Kôji ans Bett, doch dieser hatte die Augenlider noch geschlossen. Aber er bemerkte das Kôji ruhig atmete.
Takuto spürte wie es ihm heiß in die Wangen kroch. Aber er spürte noch etwas anderes: er spürte das unbeschreibliche Glück von Kôji’s Nähe, die Erleichterung, dass ihm nichts Schlimmeres geschehen war. Als ob eine fremde Macht, ihm die Worte auf die Lippen legte, flüsterte er: „Mir war fast das Herz stehen geblieben. Ich hatte solche Angst um dich gehabt.“ Plötzlich öffnete Kôji die Augen und sah ihn an.
TEIL 21Langsam kroch seine Hand auf der Bettdecke vorwärts, bis sie Izumi’s erreichte. Takuto sah auf die beiden Hände und noch bevor er erfasste, was Kôji da tat, hielt dieser Izumi’s in seiner Hand und strich ihm mit dem Daumen leicht streichelnd über den Handrücken. Izumi hob seine Augen und sah zu Kôji, dann aber gleich wieder zurück auf die beiden Hände. Nachdenklich betrachtete Kôji ihn nun und sah seine leicht geröteten Wangen und verweinten Augen. Er wunderte sich, weshalb er plötzlich seinem Blick auswich. Kôji hätte in diesem Augenblick schwören können, dass Izumi mehr als nur Angst um ihn verspürt hatte. ‚Ach was. Izumi würde so was niemals zugeben.’ Er seufzte laut hörbar. Indes gefiel der Seufzer Takuto gar nicht. Erschrocken sah er ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Doch noch bevor er ihn fragen konnte, schnitt ihm Kôji das Wort ab. „Ich hab gehört… was du gesagt hast… Du hast dir wirklich Sorgen gemacht, oder? Aber es wird alles wieder gut. Ich lebe, alles andere was passiert ist, ist unwichtig.“ Müde und erschöpft schloss er die Augen, ließ aber Takuto’s Hand nicht los. Takuto ran vor Erleichterung eine einsame Träne über seine Wange. Langsam, weil er nicht wusste ob Kôji inzwischen wieder eingeschlafen war und um ihn nicht zu wecken, setzte er sich auf den Stuhl, welchen Katsumi ihm inzwischen ein Stück dichter ans Bett gestellt hatte. Dann beugte er sich dieser zu Takuto hinunter und flüsterte ihm zu, „Ich geh dann mal wieder. Regel alles. Bleib ruhig noch hier.“ Flugs drückte er ihm das Handy in die Hand, kontrollierte vorher jedoch, dass er es ausgeschaltet hatte. „Wenn du gehen willst, ruf an, ich bin nicht weit weg und hol dich ab.“ Takuto sah ihn dankbar an und nickte. Katsumi zwinkerte ihm noch zu, bevor er zur Tür ging und diese leise öffnete und hinter sich wieder schloss. Nun war Taku allein mit Kôji, welcher immer noch seine Hand hielt. Langsam fiel die restliche Anspannung von ihm ab. Kôji ging es scheinbar wieder gut. Er hatte die OP überstanden, brauchte jetzt nur noch etwas Schlaf um die Narkosenachwirkungen loszuwerden. Sanft strich er mit der anderen Hand über Kôji’s. „Ich hätte nicht gewusst, was ich ohne dich hätte machen sollte…“, sagte er ganz leise. Eigentlich wollte er es nur denken, aber seine fast geflüsterten Worte, durchbrachen die Stille des Raumes. Wieder öffnete Kôji seine Augen, aber Takuto sah wie schwer es ihm fiel sie noch offen zu halten. Er beugte sich zu ihm hinunter, drückte ihm einen Kuss auf die Wange, bevor er ihm leise ins Ohr flüsterte. „Schlaf ruhig mein Liebster, ich bleibe bei dir. Ich verlasse dich nicht.“ Die Augen fielen diesem wieder zu. Takuto lächelte ihn verträumt an, als er sich wieder aufrichtete.
Etwa 1 ½ bis 2 Stunden später, schlug Kôji erneut die Augen auf und sah in ein paar strahlende liebevolle braune Augen, welche die ganze Zeit über auf ihn gerichtet waren. „Es war also kein Traum. Du warst die ganze Zeit hier?“ Wieder nickte Takuto nur. Erst da bemerkte Kôji, dass er immer noch Takuto’s Hand in seiner hielt, seine Augen weiteten sich. „Ist sie dir nicht >eingeschlafen<?“ „Doch schon, aber ich wollte dich nicht wecken.“ Kôji nahm seine Hand zog sie dichter zu sich. Takuto musste aufstehen und sich auf Kôji’s Bett setzen, wenn er nicht noch ein lahmes Kreuz haben wollte. Derweil rieb Kôji Izumi’s Hand zwischen seinen Händen, damit das Blut wieder zirkulieren konnte. Plötzlich verzog er sein Gesicht. Er hatte den Grund vergessen, warum er eigentlich hier lag, seine Schulter schmerzte. Takuto entzog ihm besorgt seine Hand und beugte sich über ihn. „Kôji! Tut es doll weh?“ „Geht schon.“, kam es gezischt zwischen seinen Zähnen hervor. Der Tonfall sagte was ganz anderes als die Worte. „Kôji geht es dir wirklich gut. Was hast du? Dir fehlt doch was?“, sprudelte er nur so aus ihm hervor. Leicht lächelnd sah Kôji ihn an. „Ja… nein… du.“ „WAS?“ „Du fragtest ob es mir gut geht, Antwort: ja, ich könnte auch sagen, den Umständen entsprechend. Ob ich was habe: nein und was mir fehlt: Du.“ Dann grinste er ihn an. Der Schmerz war schon wieder vergessen, noch wirkte das Betäubungsmittel. Takuto boxte ihn auf den gesunden Arm. „AU, womit hab ich das jetzt verdient?“ „Musst du immer wieder Witze reißen?“ „Wieso? Ich hab nur auf deine Fragen geantwortet.“ „Ja, ja. Schon gut. Aber nun ernsthaft.“ Zärtlich strich Takuto ihm über die Wange. …. „Kôji?... Ich muss dir endlich etwas sagen.“ Der Angesprochene wollte gerade etwas erwidern, da legte Takuto ihm seinen Zeigefinger auf den Mund. „Pssst. Ich hab lang darüber nachgedacht… aber vorhin… beim Konzert… ich … ich dachte tatsächlich… nein… ich wollte es nicht denken… aber…“ Stille. Takuto sah auf seine Hände. Kôji merkte wie schwer es ihm fiel zu sagen, was er fühlte, und wartete geduldig auf das, was kommen sollte. Da Takuto aber eine ganze Zeit nicht weiter sprach, wanderte Kôji’s Hand wieder zu Izumi seiner und drückte sie leicht, wie um ihm Mut zu machen. Leise, zaghaft flüsternd sprach dieser dann weiter. „Es ist nicht der richtige Ort… nicht die richtige Zeit… ich wollte es dir so eigentlich nicht sagen… aber… ursprünglich hatte ich was anderes geplant… heute Abend… nach dem Konzert… es sollte ein unvergesslicher Abend werden… doch nun... Hah, ja… unvergesslich wäre er beinahe wirklich geworden.“ Tränen lösten sich langsam aus seinen mittlerweile feuchten Augen. Plötzlich fiel er Kôji um den Hals, schlang seine Arme fest um ihn und drückte ihn ein Stück an sich heran. Seinen Kopf in Kôji’s Halsbeuge vergraben, sprudelte es aus ihm hervor. „Ich hatte solche Angst es dir nie sagen zu können… hatte Angst dich zu verlieren, bevor du es weißt. Ich liebe dich, Kôji! Liebe dich inzwischen so sehr, dass ich nicht mehr ohne dich leben möchte.“ Wieder drückte er sich dichter an Kôji, passte dabei aber auf die verletzte Schulter auf. Endlich war es heraus. Ihm war als ob die eisernen Fesseln, welche sich in der letzten Zeit um sein Herz gelegt hatten, von ihm ab fielen. Laut und befreit hämmerte sein Herz in der Brust, tönte ihm bis in den Ohren und er dachte, selbst Kôji müsste es in dem Moment hören können. Immer noch klammerte er sich an Kôji und dieser fühlte, wie sich nun die Tränen aus Izumi’s Augen gelöst hatten, ihm über die Wangen und nun an Kôji’s Hals entlang liefen. Sanft drückte er ihn an sich und strich ihm zärtlich beruhigend über den Rücken. „Ich liebe dich auch, Izumi. Mehr als mein Leben… Als mich die Kugel traf, war der Schmerz unwichtig. Meine Gedanken waren die ganze Zeit, bis ich ohnmächtig wurde, nur bei dir.“ Nun endlich löste sich Takuto von ihm, um ihm in die Augen sehen zu können. Ein leicht rot verweintes Gesicht sah in zwei liebevolle Augen. „Die ganze Zeit?“ „Ja, ich hatte Angst was mit dir passiert, wenn ich…“ Ihre Lippen trafen sich, zu einem langen Kuss voller Zärtlichkeit und Liebe. „Izumi…“ „Ja?“… Ich wollte es dir zwar erst geben, wenn es fertig ist, aber… geh mal bitte da drüben an den Schrank und greif mal in die Manteltasche vom Bühnenkostüm.“ Dabei zeigt er mit dem Kopf in Richtung des großen Einbauschrankes, worin er seine Sachen vermutete. Takuto tat wie ihm geheißen. Er ging auf den Schrank zu, schob die Türe zur Seite und griff in die gewünschte Tasche. Die Erste war leer. Die Zweite ebenso. Er drehte den Mantel um, sodass er in die linke Brusttasche hineingreifen konnte, und fühlte etwas darin. Vorsichtig holte er es heraus und als er die Hand wieder öffnete, sah er darin eine längere goldene Kette mit einem kleinen herzförmigen Anhänger daran. Bei genauerer Betrachtung fiel ihm auf, dass es ein kleines Medaillon war. Er nahm es und öffnete vorsichtig den Verschluss. Aber es war noch leer. Fragend sah er zu Kôji. Aber seine Augen strahlten dabei, wie tausende kleiner Glühwürmchen, welche lustig funkelnd leuchteten. „Es gefällt dir, ja?“ Takuto nickte. Eine Hand griff nach hinten schob die Tür zu und er ging wieder zu Kôji hinüber. Gerade wollte er sich auf den Stuhl neben dem Bett niederlassen, als dieser ihm andeutete sich zu ihm auf das Bett zu setzen und ihm etwas hoch zu helfen. Takuto half ihm dabei sich aufzurichten. Dann saßen sie sich beide gegenüber. Taku auf der Bettdecke, Kôji darunter. Ihre Augen trafen sich. „Vor der Show, hab ich es noch schnell abgeholt. Ich dachte, wenn die Kette länger ist, kannst du sie auch unter deinen Sachen tragen, so dass es nicht jeder sieht, wenn du es nicht möchtest… Eigentlich wollte ich erst sehen, welches Bild ich hinein lege. Ob Gravur und welche, solltest du dann selbst bestimmen. Das lasse ich noch machen, bevor das Bild oder die Bilder darin befestigt werden.“ Er lächelte ihn an. Takuto sah noch einmal hinunter auf das Medaillon und sah das es auf jeder Seite einen kleinen Rahmen hatte. Man konnte tatsächlich zwei Bilder darin befestigen. „Aber… vielleicht möchtest du es schon tragen bis ich wieder aus dem Krankenhaus komme? Du kannst dir auch selbst ein Bild reinlegen.“, sagte Kôji. Takuto nickte. „Was nun… tragen oder Bild hineinlegen?“ Takuto hielt ihm die Kette mit dem Anhänger, setzte sich dichter zu Kôji hin und drehte sich so um, dass er diesem seinen Rücken zeigte. Kôji verstand auch ohne Worte. ‚Auch ein schöner Rücken kann entzücken.’, dachte er bei sich. ‚Nein, eigentlich müsste es heißen >sein schöner Rücken.<’. Ein lüsternes Grinsen erschien sich auf seinen Lippen. Er legte ihm die Kette um und machte den Verschluss zu. Dann zog er seinen Izumi zu sich und drückte ihm zärtlich seine Lippen in den Nacken, um ihn zu küssen und ihm ein kleines Andenken von sich dort zu hinterlassen. Kaum hatte Takuto sich wieder richtig herum hinsetzt und ein „Danke Kôji“ gehaucht, als sie plötzlich jemanden an der Türe hörten. Zwei Augenpaare richteten sich zur Tür, durch welche die Schwester herein kam. Takuto erkannte augenblicklich, dass es sich um dieselbe handelte, welche Kôji bereits in den Raum geschoben hatte. Erstaunt sah sie den Besucher bei dem Patienten auf dem Bett sitzen, den Stuhl leer daneben. Ihr Blick auf ihre Uhr zeigte den Beiden, dass es Zeit war, sich zu verabschieden. „Noch fünf Minuten gebe ich ihnen, dann braucht der Patient aber wirklich Ruhe.“, sagte sie, bevor sie wieder verschwand. Schnell verabschiedeten sich die Beiden noch mit einem langen Kuss, dann schob Takuto die Kette unter die Jacke. „Ich werde sie nicht ablegen, bis du nach Hause kommst“, versprach er ihm. Kôji’s Augen leuchteten zärtlich auf. „Weißt du schon, ob eine Gravur darauf soll? Und wenn, welche? … Vielleicht „K & T“ oder „K & I“.“, grinste er ihn an. Takuto wurde leicht rot. „>I<? Nein lieber nicht.“ „Was denn?“ „Nur eins: Aishiteru.“ Doch dann - ohne ein weiteres Wort oder sich noch mal umzudrehen - ging Takuto auf die Türe zu. Erst beim hinausgehen, sagte er, „Dann bis morgen früh.“ und schon fiel die Tür hinter ihm ins Schloss. ~*~ Nachdem er das Krankenhaus verlassen hatte, setzte er sich ihm gegenüber in ein kleines Cafe, nachdem er mit Katsumi telefoniert hatte. Als dieser dann kam, nahm er bei Taku Platz. Eine ganze Weile saßen sie sich schweigend gegenüber. Beide tranken ihren Kaffee, als Katsumi etwas Goldenes unter Takuto’s Kleidung hervorblitzen sah. ‚Er trägt doch sonst nie Schmuck?’, ging es ihm durch den Kopf. Also deutete er fragend darauf. Takuto errötete leicht und sagte nur ganz kurz angebunden, was keine weiteren Fragen aufkommen lassen sollte, „Von Kôji.“. Katsumi verstand und nickte. ‚Also hat er es ihm doch schon gegeben. Ich dachte es sei noch nicht fertig’, ging es ihm durch den Kopf. Wieder tranken sie ihren Kaffee, dass heißt diesmal eigentlich nur Katsumi, Takuto rührte schon eine ganze Zeit lang nervös mit dem Löffel in seiner Tasse herum. Im Grunde hätte der Inhalt schon längst kalt sein müssen. „Katsumi…“ Der Angesprochene sah von Takuto’s Tasse auf, und ihn an. „Dort beim Konzert… kurz nachdem der Schuss fiel… ich sah ihn…“ „Wen? Den der geschossen hat?“ „Nein, den leider nicht… aber Matsu.“ „Matsu… Der dich...“ „Ja, genau der. Er hatte so ein fieses Grinsen im Gesicht, als ob er schon vorher wusste, dass es passieren würde. So als habe er… Dann formten seine Lippen ein Wort und ich konnte sehen, dass er >Rache< sagte… Erst dachte ich auch, er hätte geschossen… aber die Anderen um ihn herum, starrten nicht auf ihn und eine Waffe sah ich auch nicht… aber ich könnte schwören, er weiß wer es gewesen ist.“ „Hmhm… vielleicht ist er einer der Komplizen oder war zumindest in die Sache eingeweiht... Aber auf jeden Fall haben wir den Attentäter und einen seiner Komplizen inzwischen … der Fahrer war sofort tot. Ihm war nicht mehr zu helfen.“ „Erschossen?“…. „Nein, welche Ironie des Schicksals. Er wollte auf der Fluch jemandem die Vorfahrt nehmen, war immer rücksichtslos anderen gegenüber und bei dem Unfall dann, welchen er auslöste … ging er selbst bei drauf.“ „Immer rücksichtslos? Du kennst ihn, weißt wer SIE sind?“ „Hmm… ja… ich hatte gehofft es nicht sagen zu müssen, aber der Fahrer war Hirose Nanjo, Kôji’s ältester Bruder.“ „NEIN!!!“ „Doch leider, aber so hat er von ihnen wenigstens vorläufig nichts mehr zu befürchten. Denn der, welcher auf ihn geschossen hat, der Mann auf dem Beisitzer war Akihito, sein anderer Bruder. Der wurde gleich von der Polizei in Gewahrsam genommen. Die Anzeige gegen ihn, wegen Mordversuch, habe ich bereits erledigt. Der kommt so schnell nicht wieder raus… hoffe ich.... Mich wundert allerdings immer noch, dass sie diesmal die Drecksarbeit alleine erledigen wollten. Normalerweise, haben sie für so was ihre Leute… Hmm… Aber kann schon sein, dass sie diesmal ganz sicher gehen wollten, dass es Kôji erwischt und es deshalb selbst in die Hand nahmen. Glück für Kôji. Akihito ist ein lausiger Schütze. Hirose hätte sicher besser getroffen.“ Wenige Minuten später zahlten sie, verließen beide schweigend das Lokal und fuhren genauso schweigsam nach Hause. Katsumi ging gleich darauf in sein Arbeitszimmer, doch Takuto blieb erst noch eine Weile unten an der Treppe stehen. Ihm erschien das Haus ohne Kôji plötzlich so riesig groß und leer. Sein Blick wanderte die Stufen hinauf und dann… ganz plötzlich… wusste er, wo er hin wollte. Zielsicher ging er die Stufen hoch, geradewegs zu Kôji seinem Zimmer.
In der anschließenden Nacht, lagen Kôji und Takuto noch ziemlich lange wach. Kôji dachte an das was sein Izumi ihm endlich gesagt hatte, und an den unerfreulichen Anlass, welcher diesem endlich die Augen öffnete, um es sich selbst einzugestehen. Takuto hingegen lag eingekuschelt in Kôji seinem Bett und spielte noch lange mit dem Medaillon um seinen Hals, ließ es immer wieder zwischen seinen Fingern hindurch gleiten. Dann hob er es an seine Lippen. „Gute Nacht, Kôji.“, legte es zurück auf seine Brust und schloss die Augen. ~*~ Am nächsten Morgen, wie auch an den folgenden, besuchte Taku Kôji dann im Krankenhaus, wo er von seinem Liebsten schon sehnsüchtig erwartet wurde. Die ganze Zeit über trug er das Medaillon vor den Blicken verborgen auf der bloßen Haut, doch wenn er vor Kôji’s Türe stand, zog er es unten hervor und ließ es frei baumeln. Erst dann klopfte er an und trat ins Zimmer. Wie er versprochen hatte, hatte er es inzwischen nicht abgelegt und so war es eigentlich immer noch leer. Nein, eigentlich nur fast leer, denn er hatte etwas hineingelegt, aber es war kein Bild. Denn dazu hätte er es abnehmen müssen. Als Takuto nämlich an dem Tag, wo er es von Kôji erhielt, mit Katsumi nach Hause gefahren war, und kurze Zeit später Kôji’s Zimmer aufgesucht hatte, um wenigstens ein bisschen seine Gegenwart zu spüren, Sachen von ihm um sich zu haben, hatte er sich zuerst so wie er war dort auf das Bett gelegt und dort eine ganze Weile liegend verbracht. Wie er dann wieder aufgestanden war, entdeckte er eines von Kôji’s langen Haaren. Dieses hatte er sorgsam über seiner Fingerkuppe aufgerollt, so dass es nun wohlverwahrt im Inneren des Medaillons lag. Selbst Kôji hatte er es nicht gesagt, aber so hatte er wenigstens etwas Persönliches von Kôji bei sich. Da er ja noch immer nicht wieder Fußball spielen durfte, brauchte er sich um die Frage, was er dann mit der Kette machen soll, auch nicht den Kopf zu zerbrechen. ~*~ Währenddessen kümmerte sich Katsumi um die Angelegenheiten mit der Polizei und auch um den Anwalt der Kôji’s Interessen in diesem Fall vertreten sollte. Er überreichte dem berühmten Anwalt, welcher ein weiterer alter Bekannter von Katsumi war, alle Unterlagen, die er über all die Monate von Kôji’s Vergangenheit gesammelt hatte und erzählte ihm was er über dessen Familie wusste. Dies bestärkte den Anwalt darin, dass es sich hier um einen sehr gut vorbereiteten Anschlag handeln musste und er versprach Katsumi, dass er alles dafür einsetzten wird, damit Kôji nichts mehr von seinem zweiten Bruder befürchten müsse. Zugleich wollte er sich dafür einsetzten, dass Kôji seinen rechtmäßigen Familiennamen wieder erhielt und ihm somit das Erbe der Nanjo’s – wie von seinem Vater gewünscht – zufällt. Diese zweite Angelegenheit war allerdings wesentlich schneller erledigt, da Katsumi bereits sehr gute Vorarbeit geleistet hatte. ~*~ Im Prozess gegen Akihito setzte der Verteidiger, freilich alles daran um seinem Klienten das Gefängnis so lang als möglich, wenn nicht sogar überhaupt, zu ersparen. Immer wieder fand er Einwände und als seinen letzten Trumpf verlangte er, dass sein Klient erst einmal auf Zurechnungsfähigkeit untersucht würde. Der anklagende Anwalt schüttelte über den Verteidiger nur den Kopf, als er wieder einmal gemeinsam mit Katsumi, den Gerichtssaal verließ. „Ich verstehe diese Verzögerung nicht. Er ist doch ganz offensichtlich schuldig. Wir haben Zeugen die ihn eindeutig identifiziert haben. Er hat selbst mit dem Attentat auf seinen Bruder vor den Polizisten geprahlt. Hat sein Geständnis sogar dort noch unterschrieben, ohne seinen Anwalt vorher zu konsultieren. Wollte zuerst keinen Anwalt. Und nun… so… Na ja, er wird früher oder später aufgeben müssen…… Ach ja Katsumi...“ Bei diesen Worten blieb er kurz außerhalb des Gerichtsgebäudes auf den Stufen stehen und sah Katsumi an. „Kommst du bitte noch mit, ich habe die Unterlagen für deinen kleinen Schützling. Er heißt jetzt wieder ganz offiziell Kôjiro Nanjo und ist somit das Familienoberhaupt und der Besitzer des Nanjo - Unternehmens. Wenigstens dass ist alles geklärt. Das Testament wurde von Akihito nicht angefochten. Was sollte er mit dem Besitz auch im Gefängnis.“ Katsumi nickte und schloss sich seinem Bekannten an, der seine Praxis gleich gegenüber dem Gerichtsgebäude hatte.
TEIL 22Akihito sollte indes auf Veranlassung des Gerichtes, einige Stunden später, in eine psychiatrische Anstalt zur Untersuchung gefahren werden. Diese Einrichtung lag ein Stück außerhalb der Stadt und so mussten sie auch durch unwegsames Gelände und ein Stückchen auf der Autobahn fahren. Auf dem Weg dorthin, wurde plötzlich die Straße durch einen Autounfall versperrt. Der Wagen in dem er saß, kam nicht mehr vor und nicht zurück, da innerhalb weniger Sekunden sich hinter ihnen ein Stau gebildet hatte. Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und der Fahrer des Wagens wurde von mehreren maskierten Männern bedroht, ihren Gefangenen rauszurücken. Die Männer sahen nicht so aus, als ob sie Spaß verstehen und lange fackeln würden. Nach einen verängstigten Blickkontakt untereinander, der den drei Beamten zeigte, dass auch keiner der Kollegen bereit wäre dafür sein eigenes Leben aufs Spiel zu setzen, nahmen sie Akihito die Handschellen ab, mit denen er gefesselt war und der bis eben noch Gefangene stieg aus. Sofort wurde er von einem groß gewachsenen breitschultrigen Mann weggezerrt und in ein Auto auf der Abstellspur gezogen. Dann fuhr der Fahrer einfach über die Rasenfläche auf die gegenüberliegende Fahrbahn zu und fuhr davon. Die Männer hielten die Polizisten noch eine Weile in Schach, zerstörten deren Funkgerät, und ließen sich die Handys der Anwesenden aushändigen, bevor sie sich selber mit dem zweiten Fahrzeug in die selbige Richtung davon machten.
Nach ein paar Minuten hatte sie ihren Zielpunkt, einen großen Track, erreicht. Inzwischen hatte Akihito schon mitbekommen, dass er von seinen und Hirose’s Männern befreit worden war. Kurauchi war sein Fahrer gewesen und hatte auch diesen Ausbruch organisiert. Doch anstelle sich darüber zu freuen, ihnen zu danken oder sonst was, herrschte er die Männer anschließend nur an, >was sie sich dabei gedacht hätten, er wäre auch so wieder frei gekommen< und schickt sie alle samt wieder an ihre Arbeit. Der Wagen wurde genau wie der Erste in den Track gefahren, dann dieser geschlossen und verschwand. Die anderen Männer ebenfalls. Anstatt sich dann jedoch mit Kurauchi selbst nach Hause zu begeben, befahl er ihm unwirsch, SEIN Steuer zu verlassen. Dieser rückte auf den Beifahrersitz und Akihito setzt sich nun selbst ans Steuer. Anfangs fuhr er ziellos durch die Gegend. Seine Gedanken kreisen sich um alles und nichts. Er überlegt wie es nun weiter gehen soll. Der Verkehr war für ihn unwichtig, er achtet kaum darauf, bemerkte nicht einmal wie rücksichtslos er einigen Fahrern und Passanten gegenüber war, fuhr nur und fuhr, nein… raste vielmehr zurück und sodann durch die Innenstadt. Kurauchi, der immer noch neben ihm saß, wurde es schon ganz schlecht, aber er getraute sich nichts zu sagen, dafür achtet er selber auf den Verkehr um notfalls eingreifen zu können. Da plötzlich erweckt etwas oder jemand Akihitos Aufmerksamkeit. Jemand Bekanntes hatte so eben ein Geschäft betreten. Akihito fuhr an den Straßenrand. ‚War das nicht der kleine Freund von meinem „herzallerliebsten Brüderchen.“?’ Kurauchi sah mit fragendem Blick zu Akihito, bekam aber keine Antwort. Also blieb er still sitzen und folgte nur seinem Blick. ‚Was er wohl gesehen hatte? Wieso steigt er nicht aus? Was hat er nun schon wieder vor?’ Nach etwa 7 – 8 Minuten verließ eine junge Frau den Laden. Akihitos Blick wirkte enttäuscht. Kurauchi bemerkte es. Wusste nun auch welches Geschäft sein Boss beobachtete und tat es diesem gleich.
Nach ein paar weiteren Minuten kam tatsächlich Takuto aus dem Laden, in der einen Hand einen prall gefüllten Einkaufsbeutel und in der anderen einem großen Blumenstrauß haltend. Er freute sich schon auf zu Hause. Kôji sollte heute endlich entlassen werden und er wollte eine kleine Feier für sie vorbereiten. Ein Blick auf den Beutel und auf die Blumen und er wusste, dass er alles hatte. Mit beschwingt fröhlichem Schritt wollte er sich nun auf den Heimweg machen und sah sich nach der nächsten Haltestelle um. Akihitos Augen folgten ihm, doch als er bemerkte, wo dieser hinwollte, gab er plötzlich Gas. Der Wagen vor ihm war gerade abgefahren, so dass er aus dem Stand sogleich mit Vollgas auf den Übergang zu raste. Kurauchi griff ihm noch ins Steuer und brüllte ihn an, er solle daran denken, dass er nun der Erbe der Familienunternehmens ist, jetzt wo Hirose nicht mehr da sei… aber in Akihitos Augen blitze der Wahnsinn auf. Er öffnete blitzschnell die Fahrertür und gab Kurauchi – der leider nicht angeschnallt war, um schneller reagieren zu können – noch während der rasanten Fahrt in der er die Kurve nahm, in wilder Hast einen Stoß. Kurauchi fiel hinaus, noch ein paar Meter weiter, wurde dann die Beifahrertür durch die Wucht mit der sie aufflog gegen einen im Weg stehenden Laternenmast geschleudert und aus der Halterung gerissen, was jedoch den rasenden Wagen kaum abbremste. Kurauchi konnte sich gerade noch, vor der auf ihn zu fliegenden Tür, in Sicherheit bringen und zur Seite rollen. In wilder Wut raste Akihito auf Takuto zu, welcher zwar den Wagen sieht, aber nicht reagieren kann. Er sieht noch wie der Fahrer die Lippen bewegt, versteht aber nichts. „WENN SCHON NICHT ER, DANN WENIGSTENS DU. VIELLEICHT BRINGT ES IHN UM!“ Mit weit aufgerissenen Augen starrt Takuto auf das Geschehen. Als er bemerkt, dass der Wagen es auf ihn selbst abgesehen hat, ist es zu spät. Er will noch zur Seite springen, doch da erfasst ihn auch schon das Fahrzeug. Er merkt noch, doch er hart mit dem Kopf aufschlägt. Doch dann ……………. wird es dunkel um ihn herum ……………. Schwarz ……………. Leer ……………. Nichts mehr ……………. *** Etwa drei Stunden später. Kôji war inzwischen entlassen worden und hatte auf dem Heimweg noch eine Kleinigkeit besorgt. In fröhlicher Erwartung auf das Wiedersehen mit Izumi, nahm er gleich größere Schritte als er nach Hause eilte. Als auf sein Klingeln nicht gleich reagiert wurde, war es dann auch nicht weiter verwunderlich, dass es mit der Zeit immer irgendwie ungeduldiger klang. Aber da er ja vom Konzert aus ins Krankenhaus gekommen war, hatte er vergessen Katsumi nach seinem eigenen Schlüssel zu fragen, den er bei Konzerten immer zu Hause ließ. ……….. Endlich wurde die Tür geöffnet. „Hi! Wo ist Izumi?“, fragte Kôji, als ihm Katsumi die Tür öffnete und warf zugleich noch durch die erst halb geöffnete Tür einen suchenden Blick in die Runde. „Nicht da. Komm erst mal rein und setz dich.“, sagte dieser, während er ihm die Tür aufhielt
Katsumi wartete bis Kôji auf der Couch saß. Er selber blieb hinter dem großen Sessel der Couch gegenüber stehen. „Ist er wieder zugelassen? Hat er unverhofft ein Spiel, dass er nicht hier ist… oder wieso…?“ Katsumi schüttelte den Kopf, „Wenn es nur das wäre… Also Takuto ist nicht hier… weil…“ Kôji’s Augen blickten ihn immer noch nicht verstehend an. „… weil…. Er hatte einen Unfall.“ „EINEN UNFALL? UND DAS SAGST DU SO RUHIG?“ Kôji sprang auf und wollte schon in Richtung der Tür rennen um das Haus erneut zu verlassen, doch dann… „HALT … ich hab nicht umsonst gesagt, dass du dich hinsetzen sollst. ALSO - SETZ DICH WIEDER!“ Seine Stimme klang streng, duldete keinen Widerspruch. Kôji sah ihn fragend an, gehorchte dann aber, und setzte sich. ‚Wann wird Katsumi schon mal laut? So kenne ich ihn gar nicht…’, jagten ihm die Gedanken durch den Kopf. … „Was ist mit Izumi? Wo ist er? LEBT ER? Nun sprich endlich Katsumi!“ „Im Krankenhaus…“ „Und warum sind wir dann nicht auf dem Weg zu ihm?“ „Er hat sich einen Arm gebrochen. Das heilt schnell wieder. Aber …… er hat sein Gedächtnis verloren.“ … „WAAASS?“ Kôji wollte erneut aufspringen, doch ein Blick aus Katsumi’s Augen sagte, dass er es lieber bleiben lassen solle, sonst würde er ihm nicht sagen, wo genau Takuto jetzt sei. Also blieb er wo er war und Katsumi fuhr fort. „Er kann sich an nichts mehr erinnern. An nichts aus seinem Leben, Kôji! Alles andere scheint in Ordnung zu sein, nur alles… was er an persönlichen Erlebnissen und so hatte, ist wie ausgelöscht. Alles…“ „Das ist nicht dein Ernst.“ „Doch ist es. Ich will hier nicht fachsimpeln, das würdest du eh nicht verstehen, aber so etwas gibt es. Wie er aufwachte, wusste er nicht einmal seinen eigenen Namen. Er erkannte später auch seine Geschwister nicht und…“, hier machte er eine kleine Pause und ging nun auf Kôji zu. „Und…?“, kam es ungeduldig nun von diesem. Katsumi blieb vor ihm stehen, ihre Augen aufeinander gerichtet. „Als ich vor einer dreiviertel Stunde da war, hat er auch mich nicht erkannt.“, kam es leise von Katsumi’s Lippen. Aber Kôji glaubte nicht, was er da hörte. Er wollte es nicht glauben. „Aber er wird mich erkennen!“, kam es trotzig von ihm. „Er kann mich nicht vergessen haben, nicht nachdem….“ „Glaubst du das wirklich? Es kann lange dauern, es kann schnell gehen… dass er sich wieder an alles erinnert… vielleicht braucht es nur einen Auslöser… Vielleicht bist dieser Auslöser ja auch du…? Vielleicht seine Teamkollegen, ein Fußballspiel im Fernsehen…………….. Vielleicht reicht es, dass er dich sieht ……………. vielleicht auch nicht. Mach dir lieber keine allzu großen Hoffnungen.“ … Es herrschte eine ganze Weile Stille, die dann letztendlich von Kôji unterbrochen wurde. „Können wir dann jetzt zu ihm?“, sagte er leise, fast zaghaft. Hätte Katsumi nicht so dicht vor ihm gestanden, hätte er es nicht gehört. „Nein… noch nicht… ich MUSS dir noch etwas sagen…! Es wird nicht einfach sein.“ Er drehte sich nun von ihm weg und setzte sich endlich hin. Nach einem kurzen Moment, sagte er, „Es gibt da ein kleines Problem… nichts, was man nicht wieder hinbiegen könnte, aber … eine Sache des Vertrauens. Nun fragt sich nur, wem wird ein Mensch mit Amnesie eher sein Vertrauen schenken, jemanden von dem er annimmt, dass es seine Familie ist, oder jemanden… der behauptet mit ihm liiert zu sein, wenn es sich um das gleiche Geschlecht handelt?“ Kôji riss seine Augen auf. „Was willst Du damit sagen?“ „Tja… die Horiuchi’s haben ihre Chance genutzt. Sie wollen nicht, dass du ihn besuchst. Sie hoffen wieder Minako und ihn…“ „WAS SOLL DAS HEISSEN? Reicht es ihnen nicht, dass sie inzwischen Yuugo mit dem zweiten Tochter der Sasaki’s…“ „KÔ-JI!! Du vergisst Minako!“, unterbrach ihn Katsumi. „Wieso sollte ich sie vergessen. Ich dachte sie hätte sich inzwischen damit abgefunden. Sie hat doch einen neuen Verlobten… oder bin ich da falsch informiert?“ „Aber sie liebt immer noch Takuto. Sie sah, dass das ihre Chance war und ihre Eltern haben sie darin bestärkt und die Gelegenheit gleich beim Schopf ergriffen. Wann bietet sich so eine Chance zum zweiten Mal? Also haben sie sie genutzt. Sie hielten mich für so unwichtig, dass sie Minako in meinem Beisein als seine Verlobte bezeichneten und er…“, ein tiefer Aufseufzer entrang sich seiner Kehle, „ja er hat es ihnen abgenommen, da die Horiuchi’s dazu eifrig genickt und es somit bestätigt haben. Danach waren die Sasaki’s und die Horiuchi’s eine ganze Weile verschwunden. Als ich dann später noch mal mit dem Arzt sprach, erfuhr ich dass du in diesem Zimmer unerwünscht seiest und man hat jemanden angeheuert, der draußen vor Takuto’s Tür steht und aufpassen soll, dass du das Zimmer nicht betrittst….puuuuuuhhh… Endlich ist es raus.“ Katsumi klang irgendwie erleichtert, dass er es endlich geschafft hatte. „MIST… und wie bitte nun? Ich komme rein. Ich werde ihm die Wahrheit sagen. Nicht so… nicht mit mir… dass lasse ich nicht mit mir machen…Katsumi!“ Plötzlich sprang er auf und packte Katsumi an den Schultern. „He, he, he Freundchen, was wird das, wenn es fertig wird? Ich kann doch nun wirklich nix dafür! Aber…“ Ein Lächeln umspielte seine Lippen. Kôji sah ihn irritiert an, ließ ihn dann aber los. „ABER WAS?“ „Na ja… ich dacht mir schon, dass du dich nicht aussperren lässt.“ „Katsumi … Du musst dafür sorgen, dass ich an dem Kerl vorbei komme. Egal wie. Ich MUSS mit ihm reden…. JETZT!!…. Jetzt gleich…. am besten sofort!“ „Ja, ja… sei nicht so ungeduldig. Jetzt geht’s noch nicht. Warte bis die Besuchszeit vorbei ist.“ „Wieso? Ist dann die Wache weg?“ „Nöööö is sie nich.“ „ABER?“ „Beziehungen“, grinste Katsumi. „Was heißt das? Nun rück schon raus. Lass dir nicht jedes Bisschen aus der Nase von mir ziehen und hör auf so zu grinsen.“ Katsumi’s Grinsen wurde noch breiter. Der Zufall hatte ihm einen Trumpf in die Hände gespielt und er liebte es Kôji so zappeln zu sehen, da dieser dann endlich mal seine Gefühle offen legte. Aber Kôji wurde es nun echt zuviel. „Ach… ist ja auch egal. Wann kann ich ihn sehen?“ Katsumi schmollte. „Nun enttäuscht du mich aber. Willst du wirklich nicht wissen, wie ich es anstelle?“ „Nein! Die Hauptsache …. Ich sehe Izumi und kann mit ihm reden.“ Katsumi wurde es langsam zu eng vor Kôji. Also stand er auf und ging in Richtung Fenster. Er sah nach draußen, als ob er einen bestimmten Punkt suchte und binnen weniger Augenblicke fixierte er ihn. „Hm du willst es also nicht wissen.“ „Okay, okay. Du platzt ja gleich. Daran will ich nicht schuld sein. Also… wie stellst du es an?“ Mit leuchtenden Augen drehte er sich zu Kôji um und sagte: „Sie haben die Firma meines Freundes mit der Wache beauftragt. Du weißt, die Leute die damals bei der Entführung…“ Kôji nickte. Er brauchte die Leute nicht näher erklären. Er wollte daran nicht erinnert werden. „Also …“, fuhr er fort, „…und immer wenn du ihn außerhalb der Besuchszeit sehen willst, reicht ein kleiner Anruf und er selbst löst den Posten ab. Na… was sagst du?“ „Du bist Klasse Katsumi. Dein Freund natürlich auch.“ „Na klar, was dachtest du denn. Auf ihn kann ich mich verlassen und er weiß schließlich wie sehr Taku-chan dich mag. Glaub mir. Er sagte: >Der Junge verdiene es nicht, dass man ihm die Wahrheit vorenthält. Ihn versucht mit Lügen dahin zu bringen, dass er sein jetziges Leben aufgibt, um vielleicht für den Rest seines Daseins, sein ganzes Leben, auf eine Lüge aufzubauen, indem er diese Minako Sasaki heiratet.< Genau… das waren seine Worte.“ Erstaunt sah Katsumi Kôji an. ‚Feuchte Augen???’ „Komm Kôji, rappel’ dich auf. In…“ Er sah auf die Uhr, „…ja… in genau 35 Minuten ist die Besuchszeit vorbei, dann kannst du ihn sehen. Komm… mach dich noch ein bisschen frisch, du siehst echt schlimm aus. Du hast noch 20 Minuten Zeit.“ Er ging auf Kôji zu und im vorbei gehen klopfte er ihm noch zweimal freundschaftlich auf die Schulter. Dann ging er zur Tür hinaus und während er sie ran zog, sagte er noch, „Ich fahr dich selbstverständlich.“, und Kôji hörte nur noch ein Knacken. Dann war es wieder still im Raum. Eine ganze Weile stand er noch da. Den Blick aufs Fenster geheftet, aber er sah es nicht. Sein Blick irrte suchend weiter in die Ferne… ‚I-ZU-MI….’
TEIL 23Ein paar Minuten später dann im Krankenhaus: Katsumi steuerte zielstrebig auf den Posten zu. „Hallo…! Na können wir? Ist die Luft rein?“ „Ja. Alle sind weg. Ihr hättet ihnen noch begegnen müssen.“ „Sind wir aber nicht. Wir sind mit dem Außenfahrstuhl gekommen. Frau Sasaki würde da niemals einsteigen.“ „Aha, du kennst dich ja bestens aus, wie ich sehe. Willst du nicht in meine Firma einsteigen. Jemand mit deinen Beobachtungsgaben könnte ich noch gut gebrauchen.“ Katsumi lachte laut auf. „Nöö, aber danke fürs Angebot. Ich hol jetzt Kôji. Er wartet im letzten Zimmer.“ „Okay.“ Katsumi ging zum bezeichneten Zimmer und öffnete die Tür. „Kôji? Sie sind weg.“ Im Eiltempo lief Kôji an Katsumi vorbei, der immer noch in der Tür stand, die linke Hand am Türgriff. Schnell riss er die Türe weiter auf und sprang ins Zimmer um nicht von Kôji umgerannt zu werden. „Nun aber langsam mit den jungen Pferden… Mensch hast du es aber eilig. Wer hätte das gedacht… das kleine eingeschüchterte Kerlchen, das kümmerliche Häufchen Elend, was ich damals fand… hat sich seither ganz schön gemausert. Was die Liebe nicht alles mit einem Menschen anstellt… Aber manchmal noch genau so trotzig und unberechenbar, wenn man es genau betrachtet.“ Mit einem Kopfschütteln zog er die Tür zu und folgte ihm langsam. Vor der Tür angekommen, hörte er nur noch ein „Der hat’s aber ganz schön eilig.“ Er nickte nachdenklich, „War nicht anders zu erwarten.“, dann trat er ein, schloss hinter sich die Tür und lehnte sich dann von innen dagegen. Kôji indes saß still auf einem Stuhl, was ihn etwas verwunderte. Aber wie er genauer hinsah, erkannte er auch den Grund. *** Er war zwar in den Raum gestürzt, musste dann aber feststellen, dass sein Izumi schlief. Leise setzte er sich auf einen Stuhl den er neben das Kopfende des Bettes gestellt hatte und sah ihn an. Sein rechter Arm war eingegipst und er trug einen leichten Verband um den Kopf. Auf der Stirn und in den Haaren waren ein paar Pads angebracht, die scheinbar mit einem EEG-Gerät verbunden waren und die Gehirnströme festhielten. ‚Also werden wir wohl nicht lange ungestört bleiben’, ging es ihm noch durch den Kopf. Takuto fühlte sich durch den intensiv starrenden Blick, der auf ihn gerichtet war, beobachtet. Langsam schlug er die Augen auf, wandte sein Gesicht dem Besucher entgegen und sah diesen fragend an. Plötzlich hielt es Kôji nicht mehr länger aus. „I-zu-mi!“ Kôji’s Stimme klang verzweifelt. „I-zu-mi“ Er stürmte auf ihn zu, und plötzlich wurde Takuto von zwei starken Armen umschlossen, welche ihn aus den Kissen rissen und ihn fest an Kôji’s Oberkörper drückten. „Sag, dass es nicht wahr ist… sag es… du… du kannst doch nicht alles vergessen haben... alles was uns verbindet…“ Die Hilflosigkeit in Kôji’s Stimme ließ Takuto aufhorchen... Er zuckte heftig zusammen, als er kurz darauf eine Wange an seinem Gesicht spürte und er bemerkte, dass der „fremde“ junge Mann nun auch noch weinte. Erschrocken fuhr er hoch, versteifte sich ein wenig, und wusste nicht so recht, wie er sich diesen Personen, welche sich in seinem Zimmer befanden, gegenüber verhalten sollte. „Ich war wie von Sinnen, als Katsumi sagte, was dir widerfahren ist. Das du dich an nichts mehr erinnerst. Sag mir doch, dass es nicht stimmt, dass das was UNS verbindet, stärker ist. Sag es mir Izumi.“ Immer wieder und wieder hörte er das Schluchzen dessen, der ihn immer noch fest an sich presste. Mit beiden Händen drückte er ihn sanft von sich, um ihm mit großen Augen einen fragenden Blick entgegen zu werfen. „Tut mir leid, aber ich weiß wirklich nicht, wer SIE sind. Würden sie mir bitte IHREN Namen sagen? Sind wir miteinander verwandt?“ Er warf auch einen fragenden Blick über Kôji’s Schulter in Richtung Tür, wo noch immer Katsumi mit dem Rücken an die Tür gelehnt stand. Dann ließ er sich wieder in die Kissen fallen.
Plötzlich mischte sich die Person, welche sich die ganze Zeit im Hintergrund gehalten hatte, in ihr Gespräch ein. Takuto drehte den Kopf in die Richtung um ihn zu sehen, konnte aber im liegen den an der Tür stehenden nicht mehr sehen, da Kôji genau davor saß. Er gab es auf, ihn sehen zu wollen, doch dieser drückte sich nun mit den Händen von der Tür ab und ging langsam auf das Bett zu. Als er weit genug ran war, dass Takuto ihn sehen konnte, sagte er, „Hallo, erkennst du mich wieder? “ Kôji’s Blick wanderte nun ebenfalls zu Katsumi rüber. „Du warst heute Mittag schon mal hier.“, sagte nun Takuto. Katsumi nickte. „Richtig und ich sagte dir das ich Katsumi heiße. Schön, also funktioniert dein Gedächtnis wieder. Du erinnerst dich also an alles, seit du aufgewacht bist, ja?“ Diesmal nickte Takuto. „Sehr gut, ist also nicht zu befürchten, dass wir jeden Tag neu anfangen müssen.“ Takuto sah ihn erstaunt an. „Wieso das?“ „Is’ schon gut… is’ schon gut… ich will dich nicht verärgern. Also…Du willst wissen, wer er ist.“, sagte er nun, aber ließ dabei nicht den Blickkontakt mit dem im Bett liegenden abbrechen. „Ja…, sind wie verwandt miteinander?“ Leicht schüttelte Katsumi den Kopf. „Nein… verwandt nicht… aber…“ Er brach ab. ‚Ist es richtig ihn jetzt schon damit zu konfrontieren?’ Da mischte sich Kôji wieder ein. „Izumi … ich bin es doch … Kôji. Izumi? Weißt du es wirklich nicht?“ Takuto schüttelte den Kopf. Ein Stöhnen entrang sich ihm, die Geräte gaben veränderte Geräusche wieder, der Ausschlag des Schreibers erfolgte erneut stärker. „Nicht. Du darfst dich nicht so heftig bewegen, sonst kommt gleich die Schwester…“; sagte Kôji im besorgten Tonfall. Takuto sah ihn mit großen Augen an. „Tut mir leid, aber wenn wir nicht verwandt sind… Wer sind SIE dann? Müsste ich SIE kennen?“ Leiser fügte er hinzu, „Sieht zumindest so aus, als wüssten SIE, wer ich bin… im Gegensatz zu mir.“ Takuto sah von einem zum anderen. „Es ist furchtbar. Jeder sagt einem wer man ist und wer sie sind, und Personen die ich eigentlich kennen müsste, sind alle aus meinen Gedächtnis wie ausgelöscht… ich komme mir vor wie neu geboren in einem viel zu großen Körper und doch zugleich fühle ich diese Leere. Als ob was Wichtiges fehlt. Ein Mensch mit Wissen, aber ohne Persönlichkeit.“ Kôji streichelte ihm sanft über die Wange, brachte aber kein Wort raus. Sein Gesicht war vor Schmerz und Angst verzerrt, obgleich er ihn sehr liebevoll ansah. Takuto konnte das, was er sah, nicht einordnen. Also sah er wieder zu Katsumi, der ihn die ganze Zeit über nicht aus den Augen gelassen hatte, jede Regung Takuto’s beobachtete und festhielt, immer darauf bedacht einen kleinen Funken des Erkennens oder Verstehens bei Takuto zu entdecken. Nichts. Kôji drückte ihn wieder behutsam an sich. „Alles wird gut. Ich werde dir helfen, dich an alles zu erinnern. Wir schaffen das schon. Wir bekommen das gemeinsam hin. Du wirst schon sehen. Wir beide werden wieder glücklich werden. So wie wir es waren, bevor sie sich alle eingemischt haben.“ „Glücklich? Wieso WIR? Eingemischt?“ und er wiederholt auch die Frage, „… nicht verwandt, aber was dann? Du... du sagst dauernd WIR. Heißt das … DU und ICH … waren zusammen? Aber…“ Ein Blick von Izumi wanderte über Kôji’s Kleidung. „Du hast zwar lange Haare, aber du bist kein Mädchen.“ „Richtig.“ „Und doch sagst du… wir zwei…“ Katsumi schob Kôji kurz zur Seite setzte sich dann auf das Bett und sah ihn an. „Weißt du Takuto, ihr Beide steht euch sehr nah… als Kinder seid ihr eine zeitlang gemeinsam aufgewachsen….“ „Als Kinder?... Dann sind wir doch Brüder oder Stiefgeschwister? Deswegen ist er so aufgewühlt ja? ... Ich dachte ich hätte nur zwei Geschwister. Heute Morgen waren bereits ein Mädchen und ein Junge da. Aber sie erwähnten nicht, dass ich NOCH einen Bruder hätte.“ „Hmm… hast du auch nicht… Kôji ist nicht mit dir verwandt, sagte ich doch. Als Brüder wärt ihr es doch. Oder?“ „Ja… Aber ich verstehe nicht…“ „Langsam… es wird wieder kommen… Alles mit der Zeit. Nur soviel jetzt, als Kinder lebtet ihr eine Zeit lang zusammen, dann wurdet ihr getrennt und viele Jahre später, habt ihr euch bei mir wieder getroffen. Seitdem warst du sehr oft bei mir zu Besuch. Eigentlich wann immer du konntest. Wir helfen dir, dich an alles zu erinnern. Aber………… Sag, bitte niemanden was davon. In Ordnung?“ „Ich verstehe nicht, … wieso soll ich es niemanden sagen?“ Ihn beschlich leichtes Misstrauen. ‚Fremde Personen die sich scheinbar um ihn sorgten, nicht mit ihm verwandt sind und doch mit ihm als Kind zusammen gelebt haben und … er scheint diesem Kôji auch noch ne Menge zu bedeuten. Aber was?’ „Takuto… wenn du ein Kind wärst, würde ich jetzt sagen, lass uns ein Spiel machen… aber du bist kein Kind mehr... auch wenn du es im Moment nicht verstehst, glaube mir, sobald Deine Erinnerungen wieder da sind, wirst du wissen warum. Wir möchten dir jetzt nicht zuviel zumuten. …. Aber wie es aussieht… muss ich dir doch schon heute etwas mehr erzählen, um dein Vertrauen nicht zu verlieren. Also gut.“ Dann blickte er zu Kôji. „Takuto? Du warst seinetwegen in der letzten Zeit sehr oft bei mir. Damit ihr euch sehen könnt. Du hast bei mir seit einigen Monaten ein eigenes Zimmer.“ Sein Blick kehrte wieder zu Takuto zurück. „Seinetwegen?“ „Ja. Ihr habt beide viel erlebt und … Kôji liebt dich.“ „Er… liebt… mich?“ „Ja, schon sehr lange. Aber das soll er dir lieber alleine sagen. Doch du sollst wissen, dass er dir nichts vormacht.“ „Aber… ich bin mit Minako verlobt, sagten meine Eltern… Und dann noch was, wieso nennt ER mich Izumi, wo ich Takuto heiße? Ist Izumi nicht ein Mädchenname?“ Erstaunt sah Kôji ihn jetzt an. „Ich hab dich immer so genannt. Es ist DEIN Familienname. Weißt du es nicht?“ „Nein, sie sagten nur, dass ich Takuto heiße,… und da man mir sagte, sie heißen Horiuchi, dachte ich,… es sei auch mein Familienname.“ „WAS?“ Katsumi stütze sich auf Kôji’s Schulter ab. „Die lügen ja noch schlimmer, als ich glaubte. Wie wollen sie ihm hinterher seinen wahren Familiennamen klar machen, wenn sie sogar hier nicht die Wahrheit sagen? Einfach die Wahrheit verschweigen? Irgendwie oder irgendwann kommt es doch ans Licht…“ „Was soll das heißen? Wollt ihr beide etwa sagen, dass MEINE ELTERN mich anlügen?“ Er stützte sich mit dem Ellbogen auf. „Ganz ruhig bleiben!“ Katsumi hielt ihn sanft an seinen Armen fest und drückte ihn wieder zurück in die Kissen. Gleichzeitig ging ein Stöhnen von Katsumi und Kôji durch den Raum. „Oh man, was nun?“ Kôji war am Boden zerstört. „Das wird schon wieder. Nun verlier nicht auch du noch den Mut. Dann muss ich schon zwei Leute wieder aufrichten.“ An Takuto gewandt: „Also erst einmal sind DEINE richtigen Eltern – sowie die von Serika und Yuugo – schon lange nicht mehr am Leben. Die Horiuchi’s sind Verwandte, die dich und deine beiden Geschwister aufgenommen haben und zu dem Zeitpunkt wurdest du auch von Kôji getrennt, da sie von ihm nichts wussten. Ihr tragt aber alle drei weiterhin, als Familiennamen, den Namen der Izumi’s. Und sein Leben…“, ein Blick und ein kurzes Nicken in Kôji’s Richtung, „lief unerfreulich bis ich ihn fand.“ „Von Kôji getrennt?“ Wieder ein Stöhnen von Katsumi’s Seite. „Also, am besten ganz von vorne: Ihr beide kennt euch seit Kôji und selbstverständlich auch du 5 Jahre alt seit. Deine Eltern wurden damals getötet – aber das erzähle ich dir lieber ein anderes Mal, ja? Also weiter… als sie starben, ward ihr beide etwa 9 Jahre alt. Was Kôji dann erlebt hat, erzählt er dir lieber alleine, ich weiß dass er es damals auch tat. Nur soviel, nachdem er bei mir eingezogen war, da war er etwa 16, waren wir ein Jahr lang in Afrika unterwegs und da erfuhr ich dann auch von ihm…, von Dir. Also habe ich veranlasst dich suchen zu lassen, stieß dabei auf die Horiuchi’s und erkannte, dass wir beide, Takuto – du und ich, uns durch Minako bereits kannten. Ich ahnte damals aber erst nicht, dass du es warst. Dann habe ich die Familie der Horiuchi’s eingeladen und Kôji traf dich nach 8 Jahren endlich wieder. Eigentlich wollte ich ihm…, der soviel Leid in all den Jahren erfahren hatte…, nur eine kleine Freude machen, wollte eigentlich Erkundigungen einziehen wer Kôji war. Ihr beide habt dann aber eure Freundschaft weiter ausgebaut. Kôji hatte schon in Afrika gesagt, dass er dich liebt. Ich glaubte es ihm nicht, aber ich habe euch später dann selber ein paar Mal dabei überrascht, wie ihr euch geküsst habt. ………………………… Also …….. Kôji lügt dich nicht an, wenn er es dir sagt. Ich selbst wollte, dass er sich damals von dir fernhält, weil ich nicht wusste, wie ich es den Horiuchi’s, also deinen ADOPTIVELTERN, sagen sollte. Aber Kôji’s Gefühle für dich waren stärker. Es ist wirklich sehr, sehr viel passiert in der Zeit und ich kann jetzt nicht alles erzählen, dafür wird die Zeit langsam ein bisschen knapp. ....... Aber wir erzählen dir alles, wenn du es möchtest. Wir kommen dich jetzt… Abend für Abend, wenn die anderen weg sind, besuchen. Alles klar bis hierher?“ „Hmm… ich denk mal, nur eins noch… wenn … Kôji und ich zusammen waren… was ist dann mit Minako?“ „Die Frage habe ich irgendwie erwartet. Tja… ihr ward einmal miteinander verlobt. Und du wirst es nicht glauben Takuto, ihr standet auch schon zusammen vor dem Traualtar,… aber als du ja sagen solltest, hast du dich bei ihr entschuldigt und bist einfach gegangen, ohne dich umzusehen. Warum ausgerechnet in diesem Moment, solltest du vielleicht lieber Kôji fragen. Ich weiß nicht, was sich da genau zwischen euch abgespielt hat, ich weiß nur...“ Er warf einen lächelnden Blick auf den immer noch sprachlosen Kôji, der schon während der Erzählung aufgestanden und rüber zum Fenster gegangen war, um es einen Spalt zu öffnen. Dann blieb dieser davor stehen. „…dass er an jenem bewussten Morgen aus den Latschen gekippt ist. Lag einfach in der Badtür mit hohem Fieber da. Wir beide haben ihn noch ins Bett gesteckt, bevor wir los sind…. Später… einige Tage nach dieser „geplatzten Hochzeit“, hattest du ihr dann wohl klar gemacht, dass du sie nicht liebst, dass du für sie nur freundschaftliche Gefühle hegst, obwohl ihr euch beide schon seit Jahren kennt. Aber da waren weder Kôji noch ich mit dabei, du hast es uns nur gesagt, als wir dich fragten ob nun zwischen euch alles geklärt sei. Sie sah damals bei der Hochzeit richtig betroffen aus und einige Zeit später hat sie sich dann - auf Wunsch ihrer Eltern -, mit jemand anderem verlobt und eigentlich glaubten wir, dass sie mit dem immer noch liiert sei. Die Horiuchi’s wollten damals eure Familien, durch euch, mit einander verbinden, da es nicht klappte versuchten sie es dann mit deinem Bruder Yuugo und der zweiten Tochter der Sasaki’s. Aber danach solltest du dann wohl doch passender Serika oder noch besser Yuugo befragen. Okay?“ … „Hast du alles verstanden? Hast du soweit noch Fragen?“ Takuto sah Katsumi an. „… Ich weiß nicht so recht…. Es hört sich alles ziemlich unwahrscheinlich und für mich im Augenblick auch ziemlich verworren an. Ehrlich gesagt, wird es mir im Moment ein bisschen viel. Wer sagt mir, dass IHR BEIDE die Wahrheit sagt und nicht die Sasaki’s und die Horiuchi’s?“ „Hast du deine Schwester mal nach der Wahrheit gefragt.“, mischte sich Kôji wieder ein. „Nein… wieso?“ „Ich glaube, sie weiß Bescheid über uns. Zumindest habe ich da so ein Gefühl.“ Takuto senkte den Blick. „Ich konnte noch nicht alleine mit ihr reden, nur im Beisein der Anderen… Dann schickten sie Yuugo und Serika wieder nach Hause.“ Kaum gesagt, wanderte sein Blick wieder zu Kôji und von dort zurück zu Katsumi. Katsumi und Kôji wechselten indessen einen verstehenden Blick... Dann sagte Katsumi an Takuto gewandt: „Befrage Serika nach den Ereignissen der Woche, als ihr alle zum ersten Mal bei mir zu Besuch gewesen seid… UND nach dem Fest, an den die Horiuchi’s mit euch teilgenommen... aber Minako und ihre Eltern abgesagt haben. Du hast dich damals ziemlich eigenartig verhalten… ich denke mal das Serika das mitbekommen hat. Tust du das?“ „Hmm… ja, ich werde mit ihr reden.“ „Aber versuche sie dabei alleine zu sprechen, Takuto. Ich denke, dann wirst du vielleicht wissen, wer hier lügt und wer hier will, dass du dich nur an die Wahrheit erinnerst.“ Er drehte sich wieder zu Kôji der in der Zwischenzeit bis ans Fußende des Bettes getreten war und sich dort mit beiden Händen am Gestell fest hielt, um nicht vor Schwäche zusammen zu brechen. „Kôji ist dir nicht gut?... Du siehst auf einmal so kreidebleich aus.“ Katsumi sprang auf und schaffte es gerade noch ihm zur Seite zu eilen und ihn zu einem Stuhl zu führen, bevor ihn gänzlich die Kraft verließ. „Als ob ich’s hab kommen sehen.“, murmelte er vor sich hin. Takuto beobachte in der Zwischenzeit aufmerksam, dass was sich im Raum abspielte. Als sich Katsumi kurz umsah, bemerkte er auf dem Nachttisch, sowohl Saft als auch Wasser. Mit einem fragenden Blick zu Takuto gewandt, sagte er „Ich darf doch für ihn einen Schluck nehmen? Das hier war nicht geplant. Aber ich dachte mir schon Ähnliches.“ Dann füllte er Wasser in das Glas und aus einem Glasfläschchen, welches er in der Tasche hatte, ein paar Tropfen auf einen Löffel und ging mit Beidem zu Kôji und reichte es ihm dann. „Was ist das?“ „Nur was, das deinen Kreislauf wieder auf Trapp bringt. Ich ahnte schon, dass es passieren könnte und hab deswegen was mitgenommen… Immer wenn was Gravierendes in Takuto’s Leben passiert, und du dich plötzlich ausgesperrt fühlst, kippst du aus den Schuhen oder verlierst den Halt. Was machst du nur?... Keine Angst es wirkt schnell. In ein paar Minuten bist du wieder fit und wir können gehen. Oder ziehst Du es vor, zwei Etagen höher zu liegen? … Nein? ... Dann schluck es und trink was hinterher …“ Wieder hielt er Kôji Löffel und Glas hin. Brav nahm dieser beides, schluckte die Tropfen, setze das Glas an, trank es aus und reichte alles Katsumi zurück. „Danke, aber schmecken tut es nach fast nichts. Aber brennt ein bisschen.“ „Soll ja nicht schmecken, nur wirken…“, grinste Katsumi ihn an. „Und glaub mir, das tut es.“ Damit ging er wieder zum Tischen, wo das Glas vorher gestanden hatte und legte alles dort ab. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass sie noch ein wenig Zeit hatten, außerdem brauchte Kôji noch ein paar Minuten. Also setzte er sich wieder aufs Bett. „Wo haben wir aufgehört?“ Plötzlich öffnete sich die Tür und ein Kopf erschien um die Ecke. Katsumi horchte auf und sah sofort hin, Kôji sprang schnell hinter eine im Raum stehende Rollwand, von wo aus der durch die Türkommende ihn nicht gleich sehen konnte. „Katsumi?“, der Wachposten vor der Tür zeigte kurz auf seine Uhr. „Ja. Hab verstanden. Noch fünf Minuten?“ Der Mann nickte und zog leise die Türe wieder zu. „Okay, dann musst du dir deine Fragen wohl für morgen aufheben.“, sagte Katsumi zu Takuto. „Wie zwei müssen dann, da deine Adoptiveltern ihn nicht hier haben wollen, müssen wir uns bei dir einschleichen, wie Diebe.“ Er lachte bei dieser Vorstellung etwas verärgert auf. „Denk in Ruhe darüber nach, was wir dir gesagt haben. Sollen wir morgen wieder kommen? Takuto nickte. „Ja, das wäre schön. Okay, dann sehen wir uns morgen, um die gleiche Zeit.“ Er gab ihm noch einen leichten Klaps auf seine Schulter, dann stand Katsumi auf und ging zur Tür. Kurz davor drehte er sich um und sagte an Kôji gewandt, „Machs nicht zu lang.“ Dann ging er hinaus Kôji ging langsam auf das Bett zu, ließ Takuto dabei aber nicht aus den Augen. Dieser konnte dem Blick nicht standhalten, errötete und senkte den Blick. Als Kôji direkt neben ihm stand, sagte er nur ganz leise, „Glaubst du was Katsumi dir erzählt hat?“ Takuto immer noch mit gesenktem Blick, antwortete genau so leise, „Ich weis nicht. Ich weis es wirklich nicht.“ „Urteile nicht vorschnell. Lass dir Zeit. Höre dabei auf dein Gefühl, auf das was dir dein Inneres sagt, dann wirst du dich richtig entscheiden. Ich liebe dich, egal wie du dich entscheiden wirst. Immer… immer.“ Bei diesen Worten wollte er sich über ihn beugen und ihm einen Kuss geben, doch Takuto zog den Kopf weg, und er streifte nur die Haare. „Nicht… bitte… ich…“ „Ich verstehe schon… du brauchst Zeit.“ Traurig zog er seinen Kopf zurück, da bemerkte er, dass Takuto die Kette nicht mehr trug. „Sag mal Taku… als du hier aufwachtest… hattest du da eine Kette um den Hals mit einem kleinem goldenen Medaillon dran?“, fragte Kôji ihn und sah zugleich auf seinem Nachtschränkchen nach, aber da lag nichts dergleichen. Wahrheitsgemäß sagte Takuto. „Nein.“ Selbst die Uhr hatten sie ihm abgenommen, als er erwacht war. „Schade.“, sagte Kôji hoffnungslos, „…wir wollten es noch gravieren lassen und Bilder wird es dann wohl auch nie sehen.“ „Ein Medaillon ohne Bilder?“, fragte Takuto erstaunt. „Es war mein letztes Geschenk an dich. Du wolltest es so wie es war tragen, bis ich wieder zu Hause bin.“, mit diesen Worten langte Kôji nach Takuto’s linker Hand und hob sie sich an die Wange. „Bis morgen dann, Izumi.“ Sanft legte er sie wieder zurück, während Takuto ihn immer noch mit großen Augen anstarrte. Dann verließ auch Kôji das Zimmer und Takuto blieb allein zurück.
Gerade rechtzeitig, waren sie gegangen, denn kurze Zeit später kam die Schwester herein. „Oh, sie hängen ja tatsächlich immer noch am Gerät.“ Sie lächelte ihn an und kam auf ihn zu. „Inzwischen war Schichtwechsel und man hatte mir zu Schichtbeginn gar nicht gesagt, dass sie schon vorbereitet wurden. Sie schüttelte den Kopf. „Na dann wollen wir mal.“ Kurz kontrollierte sie noch mal alles, beseitigte das Endlospapier welches sich inzwischen schon auf dem Fußboden türmte, da die Auffangschale übergelaufen war. „Handeln sie nur nach Anweisung und nicht bewegen. Fangen wir an mit… Augen zu, Mund zu, und durch die Nase ein und ausatmen. Takuto folgte……………………………
Etwa eine halbe Stunde später: „Okay das war’s für heute. Nun befreie ich sie noch davon und dann können sie schlafen. Takuto atmete befreit auf, als sie auf ihn zu kam und ihm die Teile Stück für Stück wieder abnahm. „Das hab ich gehört. Aber so schlimm war das doch nicht, oder?“ „Liegen sie mal stundenlang vergessen an so einem Gerät und können sich kaum bewegen.“ „Ich entschuldige mich für die Schwester, die sie vergessen hat, aber bei Schichtwechsel wurde mir wirklich nichts gesagt. Ich erhielt vorhin erst einen Anruf: es könnte sein, dass sie noch daran liegen. Sie war sich nicht sicher und ich sollte nachsehen. Sie meinte, wenn sie sie vergessen habe, tue es ihr Leid. Sie sei so in Vorfreude auf ihren Urlaub gewesen… Und ich bin gleich nachsehen gekommen.“ „Ist schon gut, kann ja mal passieren.“ Nachdem sie den Stapel zusammengefalteter Papiere - welche dieses Gerät hinterließ - eingesammelt hatte, lächelte sie ihn noch mal an, „Dann wünsche ich ihnen eine gute Nacht.“ „Ja ihnen auch Schwester.“ Damit verließ sie das Zimmer und Takuto blieb mit seinen Gedanken allein. Takuto entrang ein Seufzer, endlich konnte er es sich bequemer machen. Er zog sich sein Kissen zu Recht und verwünschte, dass er den rechten Arm nicht so legen konnte, wie er gerne würde. Lange lag er noch wach, dachte über das nach, was Katsumi ihm alles erzählt hätte und fragte sich, ob es so gewesen sein könnte. Dann fiel ihm plötzlich wieder das Medaillon ein, von dem Kôji zuletzt gesprochen hatte. Er schlug die Decke zurück und setzte sich auf, dann ging er langsam zu seinem Schrank. In diesem war so was wie ein kleiner Tresor eingebaut, in welchem ihm die Schwestern seine Wertsachen gelegt hatten. Er selbst hatte sie nach den Anweisungen, welche im Schrank hingen, geschlossen. Man konnte jedes Mal, wenn der Tresor auf war, den Code verändern. War er aber einmal zu, musste er mit eben dem gerade eingegeben wieder geöffnet werden. Nun tat er es und sah seine Sachen durch. Eine Brieftasche mit Ausweisen, ein bisschen Geld und einem Foto darin, auf dem er zusammen mit seinem Bruder und seiner Schwester abgebildet war. Dann ein Schlüsselbund. Wortlos legte er es wieder hin. Sieben Schlüssel daran und er wusste nicht einmal von einem, wofür er gut war. Dann griff er weiter nach hinten und holte seine Uhr heraus. Dabei berührte er noch einen anderen kleinen Gegenstand, der aber bei der Berührung zur Seite rutsche. Mit dem nächsten Griff hatte er ihn. Er zog seine Hand heraus und hielt die Kette in derselben. Dann schloss er Tresor und Schrank wieder und ging mit dem kleinen Medaillon zurück zu seinem Bett und setze sich darauf. Ein Griff zur Lampe und er drehte sie so, dass ihr Licht direkt auf das Schmuckstück in seinen Händen fiel. Er betrachtete es von allen Seiten. ‚Keine Gravur, so wie er das gesagt hatte.’ Vorsichtig öffnete er den Verschluss und wie er wartet, waren keine Bilder darin. Aber etwas anderes fiel dafür heraus und lag nun auf seiner Bettdecke. Vorsichtig griff er danach. Und wickelte es auseinander. ‚Ein Haar? Kann dass sein? Von wem? Es ist sehr lang.’ Vorsichtig rollte er es wieder über seiner Fingerkuppe auf. Und besah sich die Farbe genauer, die sie in diesem Zustand zu erkennen gab. ‚Kann es sein? Minako hat dunklere Haare. Serika ebenfalls. Von den Beiden ist es jedenfalls nicht. Aber wenn es wirklich von Kôji WÄRE, warum hat er es dann mit keinem Wort erwähnt. Das Medaillon… keine Gravur… keine Bilder… all das stimmt. Niemand von den Anderen hat dieses Medaillon mir gegenüber erwähnt… Was sagte er? Sein letztes Geschenk an mich… bis er wieder zu Hause ist…’ Viele Fragen schwirrten ihm im Kopf herum. Innerlich verwünschte er sich, dass er sich an nichts erinnern konnte. Er drehte die Lampe wieder zurück, schaltete sie aus und legte die linke Hand, welche das Medaillon mit der Kette umschloss, unter sein Kopfkissen. Kurz bevor er endlich einschlief, gingen ihn dann noch Kôji’s Worte durch den Kopf. ‚…Höre dabei auf dein Gefühl,… Ich liebe dich… immer…’
Tagsüber hatte Takuto keinerlei Zeit zum Nachdenken, da sich die Horiuchi’s und die Sasaki’s abwechselnd mit Minako die Klinke in die Hand gaben. Er fragte sich langsam, ob sie nicht auch mal arbeiten müssten, traute sich aber nicht es ihnen so direkt zu sagen, dass er auch mal einen Tag seine Ruhe haben möchte. Trotz alledem freute er sich bereits irgendwie auf den Abend. Die paar Stunden wenn Kôji und Katsumi kamen, um ihm wirklich etwas über sich selbst zu erzählen, und nicht wie die andern, nur >Minako hier und Minako da<. Was ihn aber irgendwie nicht losließ und worüber er sich immer wieder, jeden Tag erneut wunderte war, dass seine beiden Geschwister in dieser ganzen Zeit nicht einmal zu Besuch kamen.
Doch dafür kam wie versprochen, Kôji an jedem Abend der darauf folgenden Woche. Anfangs blieb Katsumi noch mit da, dann aber wenn Kôji bei ihm war, sagte er nur kurz „Hallo“ und verschwand wieder. Schließlich war Kôji alt genug um wieder nach Hause zu finden. Er wollte nur sicherstellen, dass Kôji weder den Sasaki’s noch den Horiuchi’s unverhofft in die Arme lief, schließlich sollte die Firma seines Freundes deswegen ja nicht ihren guten Ruf verlieren.
So unterhielten sich Kôji und Takuto über vieles, das heißt meist sprach nur Kôji. Er erzählte von ihrer Vergangenheit, als Kinder, wie er ihn endlich wieder traf und was sie in den Monaten gemeinsam erlebt und auch um einander gebangt hatten. Immer öfter konnte man aus dem Zimmer fröhliches Lachen hören und sie beide mussten manchmal wirklich doll aufpassen, dass sie von den Schwestern nicht erwischt wurden. Kôji selbst wunderte sich, wie viele Episoden aus ihrer gemeinsamen Kindheit ihm noch in der Erinnerung waren. Er erzählte von den Ausflügen, die die Izumi’s miteinander verbracht hatten und Takuto wurde so manches Mal am Ende der Erzählung nachdenklich. Wünschte sich immer öfter, er könnte sich endlich wieder an seine Mutter und an seinen Vater, sowie an ihre gemeinsame Zeit, erinnern. Aber die Erinnerung wollte einfach nicht zurückkommen. Wenn Takuto dann so nachdenklich und traurig wirkte, zerfraß es Kôji fast innerlich. Und wenn die Zeit wieder mal um war, die er bleiben durfte, verließ er das Zimmer meist mit Tränen in den Augen. Takuto saß dann anschließend nur da, starrte vor sich hin und Kôji konnte sehen, wie er versuchte das gehörte einzuordnen, wie er sich bemühte die Erinnerungen zurück zu holen. Aber nichts dergleichen geschah. Die Erinnerungen blieben aus. Er konnte sie nicht wieder ausgraben.
TEIL 24Völlig übernächtigt, wachte er an jedem Morgen mit dicken Augenrändern und starken Kopfschmerzen auf, so als ob er die Nächte über, jedes Mal zu tief in die Flasche geguckt hätte. Tagsüber füllte er sich schlaff und ausgelaugt, hatte nur das Bedürfnis zu schlafen, um für den Abend wieder fit zu sein. Diese Veränderungen fielen natürlich nicht nur den Ärzten, sondern auch seinen Besuchern auf. So vergingen sieben Tage und sieben Nächte, in den sich immer wieder dasselbe abspielte... Ärzte, Schwestern, Psychologen, Untersuchungen, Besuchszeit mit ewig den gleichen ihn langsam nervenden Besuchern und abends…. Kôji und Katsumi.
Als der achten Tag für ihn im Krankenhaus anbrach und er noch immer bei seinem Frühstück saß, stürmte auf einmal Minako in sein Zimmer. „Taku-chan, du darfst endlich hier raus. Ich hab mit meinen Eltern gesprochen. Du wohnst bei uns. Deine Eltern fahren heute noch nach Hause und du kannst dann in Ruhe hier zu deinen ärztlichen Terminen gehen. Ist das nicht was? Ich freue mich so. Wir sehen uns dann jeden Tag. Ich habe im Moment frei, zeige dir wo wir in all den Jahren immer wieder waren. UNSERE Lieblingsplätze… das wird schön.“ Takuto saß während des Redeschwalls nur mit offenem Mund und großen Augen da. Er fühlte sich in diesem Augenblick, als ob ihn ein großer Lastwagen überrollt hätte. ‚Was war das? Nicht mal ein GUTEN MORGEN?’ Noch bevor er was sagen konnte, betrat ein rettender Engel in Gestalt der gerade Dienst habenden Krankenschwester sein Zimmer, sah die Besucherin, guckte auf ihre Uhr und funkelte sie danach böse an. „Wie sind sie denn bitte hier herein gekommen? Es ist noch KEINE Besuchszeit! Der Oberarzt kommt gleich zur Visite, verlassen sie also bitte augenblicklich dieses Zimmer.“ Mit einem Augenzwinkern in Takuto's Richtung verschwand sie schnell nach draußen. „Puuh, was für ein Wirbelwind“, entkam es Takuto. ‚Ob sie immer so ist? Oder ist sie nur aufgeregt.’ Mit einem lauter Seufzer ließ er sich zurück in die Kissen fallen, ungeachtet dessen, dass dabei das Geschirr auf dem Tablett laut protestierend klirrte. Die Schwester sah das, ging auf ihn zu. „Herr Izumi, sind sie fertig mit essen. Kann ich es wegnehmen?“ Ein Blick auf das fast unberührte Essen, ließ sie den Kopf schütteln. „Aber wie wollen sie denn wieder zu Kräften kommen, wenn sie abermals kaum was gegessen haben. Ich stelle es ihnen rüber auf den Tisch und hole ihnen nachher noch was Leckres aus der Küche… Auf irgendwas bestimmtes Appetit?“ Takuto sah sie lächelnd an. Schüttelte dann den Kopf. Sie warf ihm einen traurigen Blick zu. „Wirklich nicht?“ Er wollte gerade erneut den Kopf schütteln, doch da hielt er plötzlich inne. Wie aus heiterem Himmel sagte er, „Ja, doch vielleicht irgendwas Chinesisches.“ „Chinesisches? Mal sehen, was sich machen lässt.“ Sie lächelte ihn nun wieder an, öffnete das Fenster um ein bisschen frische Morgenluft hinein zu lassen und ging dann wieder.
Die Visite kam. Die Ärzte betrachteten ihn wie ein geduldiges Versuchskaninchen und unterhielten sich in seiner Gegenwart über ihn, als ob er nicht da wäre. Seufzend drehte Takuto sich im Bett um. ‚Ich verstehe einfach nicht was sie sagen. Immer dieses Fachchinesisch.’ Erneut seufzt er auf und schloss die Augen. Keinen der Ärzte kümmerte das. Sie diskutierten einfach weiter; kurz darauf gingen sie, nachdem sie ihm einen schönen Tag gewünscht hatten und meinten, zwei Untersuchungen stehen noch an. Morgen könne er dann entlassen werden. Kaum eine halbe Stunde nachdem die Visite raus war, betrat wieder jemand rückwärts und im weißen Kittel den Raum. Takuto hob den Kopf. Als er den Besucher erkannte, setzte er sich ruckartig auf, was seinem Kopf gar nicht gut tat. „Katsumi … du hier… um diese Zeit… allein?...Oder…“ Katsumi schüttelte den Kopf. „Nein, ich bin alleine hier. Wollt bloß mal sehen, was die Ärzte gesagt haben. Und…? Was ist, kannst du heute schon raus?“ Takuto schüttelte den Kopf. „Sie sagten morgen.“ „Aha.“ „Was hast du denn da?“, fragte Takuto nun, während er sich lang streckte, um einen Blick in die Papiertüte zu erhaschen, welche Katsumi in seinen Armen trug. „Ach so. Warte mal, ich setze es erst einmal ab.“ Katsumi ging zum Tisch hinüber. „Die Schwester sagte vorhin, dass du nicht richtig isst… und du hättest gerne was Chinesisches?“ Er zwinkerte ihm zu. „Na da bin ich schnell mal los, und hab einiges geholt, was du gerne isst.“ „Oh… wirklich?“ „Na du sollst doch hier nicht verhungern… Obwohl… so schlecht sah das Essen nun eigentlich auch nicht aus.“ Er holte ein Päckchen aus der Tüte, die Stäbchen dazu und legte beides auf den Tisch, während Takuto sich etwas überzog, um sich zum Essen an den Tisch zu setzen. Inzwischen tauchten noch 4 andere aber kleinere Behälter auf, welche er neben der großen Schachtel aufstellte. Und zum Schluss noch eine kleine Thermoskanne. „Was ist denn das da?“, guckte Takuto ihn fragend an. „Grüner Tee… zum runterspülen. Die Kanne muss ich nachher wieder hinbringen. Oder hättest du lieber was anderes?“ „Nein, ist schon gut.“ Takuto setzte sich nun hin und wollte gerade anfangen. „Willst du nicht auch was? Oder soll ich dass alles alleine essen“ „Lass mal, ich hab schon, ich leiste dir ein bisschen Gesellschaft. Dann schmeckt es besser. Die Schwester sagte mir gerade bevor ich hier rein ging, du hast noch eine knappe Stunde, bevor die nächste Untersuchung ansteht.“ Kaum hatte er das gesagt, betrat jemand das Zimmer, beide guckten erschrocken zur Tür. Doch dort stand mit einem Lächeln nur die Schwester und stellte kurze Zeit später Katsumi einen dampfenden Kaffee vor die Nase. Mit einem Lächeln zu Takuto verließ sie den Raum. „Du…“, sagte Katsumi, „Ich glaub die mag dich.“ „Mag sein. Sie ist immer nett gewesen. Aber ich glaub das hat nichts zu sagen. Zu den anderen Patienten hier ist sie es auch.“ Damit war für ihn die Sache erledigt. Als Takuto fast alles aufgegessen hatte, sammelte er die Überreste wieder in seine Tüte und versprach, dass Kôji abends noch mal wieder kommen würde. Dann verabschiedete er sich, bevor er doch noch als Besucher erkannt wurde.
Der restliche Tag lief wie gehabt. Erst die Untersuchungen, dann eine in einer Tour plappernde Minako. Ihre Eltern waren nicht mitgekommen, so dass er dieses Mal ganz alleine ihren Redeschwall ertragen musste. Und da der Himmel auch noch den ganzen Tag über weit seine Pforten öffnete, blieb sie ausgerechnet heute länger da. Dann als endlich seine Besucherin fort war und er dachte ENDLICH Ruhe zu haben, wuchs plötzlich die Unruhe auf dem Flur an. Wenige Minuten später stürzte eine Schwester in sein Zimmer und teilte ihm mit dass er für die letzte Nacht noch mal umziehen müsste. Also stand zu allem Unglück auch noch ein Zimmerwechsel bevor. Aber der dauerte nicht lang. Wenige Minuten später streckte er sich dann auf seinem Bett etwas aus um endlich zu entspannen. Dabei fiel er für einige Zeit in das Land der Träume. ~*~ Flüchtig überlegte er, wie spät es wohl sein mochte. Mit einem Blick aus dem Fenster hoffte er sich Gewissheit zu verschaffen. Jedoch war der Himmel immer noch von Wolken verhangen. Vermutlich war es schon später Nachmittag oder gar früher Abend. Rasch schaute er sich in seinem Zimmer um. Seine Sachen lagen über der Lehne eines Stuhles und er selbst hatte nur leicht bekleidet auf dem Bett gelegen, welches nun natürlich etwas zerwühlt war. ‚Ich glaube es ist besser, wenn ich mir langsam was anziehe, bevor Kôji und Katsumi kommen. Er wird Kôji ja wohl gesagt haben, dass ich morgen entlassen werde…. Hauptsache sie finden mich hier auch.’ Augenblicklich hielt er in seinen Gedanken inne. Neigte leicht den Kopf, als ob er in sich hineinhorchen wollte und fragte sich, wieso er sich so plötzlich darauf freute die Beiden zu sehen, wo er doch noch vor einigen Minuten sich nach Ruhe gesehnt hatte. Nach einigen Momenten des Nachdenkens stellte er aber fest, dass es wohl eher damit was zu tun hatte, dass er ihnen vertraute. Und so beantwortete er sich selbst die Frage, dass sie wohl daran lege, dass sie ihm wahrscheinlich als einzige keine Lügen oder verdrehte Halbwahrheiten erzählten. Oder sollte es doch etwas anderes sein? – Jäh verwunderte ihn dieser Gedanke. Aber eine andere Antwort fand er nicht. ~*~ Wie Kôji zu Takuto in das Zimmer huschen will, wundert er sich, dass der „Wachmann“ nicht wie sonst vor der Tür steht. ‚Ist er vielleicht schon früher entlassen worden?’ Vorsichtig, nach allen Richtungen Ausschau haltend betrat er den Raum, doch in dem Bett lag ein fremder älterer Herr, welcher an vielen verschiedenen Geräten angeschlossen war und scheinbar schlief. ‚Izumi?’ Er sah sich um. Nirgends war er zusehen. Leise schlüpfte er wieder zur Türe hinaus und ging den Gang entlang. Die Schwester, welche heute Dienst hatte und die Monitore beobachtete kannte er nicht. Also schlich er sich am Schwesternzimmer vorbei, die Namensschilder an den Türen im Auge behaltend. ‚Izumi, haben sie dich schon entlassen?... Aber Katsumi sagte doch erst morgen. Heute Mittag warst du doch noch hier in deinem Zimmer laut ihm und nun…? ... Wo steckst du nur?’ Am Ende des Flures angekommen, sah er vorsichtig in den angrenzenden Seitenflügel. Da stand tatsächlich Katsumis Freund der Detektiv. Die Vorsicht vergessend, eilte er nun auf ihn zu. „Hallo, ist Izumi verlegt worden?“ „Hi! Ja, sie brauchten sein Zimmer, weil das näher am Schwesterzimmer lag. Er wird morgen früh, nach der Visite sowieso entlassen. Dann endet das hier auch für mich.“ Kôji grinste. „Gott sei Dank, was? Babysitter spielen, zählt sonst bestimmt nicht gerade zu euren Aufgaben.“ „Ja, dass stimmt, mit so einem Kleinkram geben wir uns eigentlich nicht ab… aber Katsumi ist nun mal ein guter Freund...“ „Ich versteh’ schon. Und wie sieht es aus… sollt ihr ihn danach weiter im Auge behalten… und vor mir schützen?“ „Nein. So wie es aussieht nicht. Allerdings werde ich morgen ein Gespräch mit Herrn Sasaki haben. Aber ich denke, er will nur das Finanzielle regeln. Im Haus werden sie dann wohl selbst die „Bewachung“ übernehmen. Ich versteh nicht, dass er so ohne weiteres das mit sich machen lässt.“ „Ich auch nicht. Aber wie sollen Katsumi und ich ihn da wieder rausbekommen. Ich kann nur hoffen, dass er über kurz oder lang, die wahren Absichten selber durchschaut und mit der Faust auf den Tisch haut… Na dann, dann ….“ Er wollte sich gerade der Tür zuwenden, da fiel ihm noch etwas ein. Wie vom Blitz getroffen blieb er stehen, wendete sich ihm nochmals zu und: „Danke, dass ich ihn trotz allem sehen durfte…“ Kôji verneigte sich leicht vor ihm. „War doch selbstverständlich… ich hoffe nur, dass sich alles zum Besten für ihn da drin regelt.“ Kôji nickte, klopfte dann, öffnete die Tür und trat leise ein. ~*~ Es klopfte und im nächsten Augenblick, noch bevor Takuto etwas erwidern konnte, trat Kôji in den Raum. Sein Blick galt dem Krankenbett, doch dieses war leer. Sein Blick schwirrte durch den Raum und er entdeckte Izumi, wie er in lässiger Haltung am weit geöffneten Fenster stand und die ersten Regentropfen des nächsten Schauers beobachtete, die der Himmel gerade aus seinen Schleusen entließ. Als er sich eben zu ihm umdrehte, erkannte er an Izumis atemberaubend hinreißendem Lächeln, dass er offensichtlich auf ihn gewartet hatte. Er sah inzwischen fast vollständig erholt aus und mehr noch… er strahlte eine gesunde Vitalität und Zuversicht aus. Takuto's Herz klopfte hingegen in diesem Moment ein paar Schläge schneller und er empfand eine unerklärliche Wärme als er Kôji so vor der, sich hinter ihm schließenden, Türe stehen sah. Er hatte noch gar nicht mit ihm gerechnet. ‚Es ist nichts weiter beruhigte er sich. Es ist nur Kôji… der welcher Abend für Abend sich die Mühe macht mir meine Erinnerungen zurück zu geben.’ Aber wieso dann so plötzlich diese innere Aufruhr? Er schaute kurz wieder hinaus und versuchte sich zu sammeln. „Hallo Izumi. Du siehst besser aus“, sagte Kôji ruhig, um das Eis zwischen ihnen zu brechen, während er seinen Platz an der Türe verließ. Takuto räusperte sich kurz, um den Kloß im Hals zu vertreiben. Dann jedoch schenkte er Kôji für einen Augenblick seine ungeteilte Aufmerksamkeit und erwiderte den Gruß. „Hallo… Ich hätte nicht damit gerechnet, dass du heute noch mal kommst.“ „Warum nicht?“ „Bei dem Wetter?“ „Glaubst du im ernst, dass mich dass davon abhalten könnte?“ Und um wie seine Worte zu untermauern, hörte man im gleichen Moment, ein starkes Rauschen, welches von dem wieder einsetzenden starken Regenschauer herrührte. Takuto sah erneut hinaus. Während man am hinteren Horizont noch hellblaue und weiße Wolken in großer Anzahl sah, zogen hoch über ihm graue Wolkenfelder - in allen möglichen Schattierungen bis fast schwarz -langsam am Himmel dahin. Er sah wie orkanartige Böen die Gipfel der großen Bäume zu Boden peitschten und wie der Platzregen in dichten Strippen zur Erde niederging, um in den wenigen Augenblicken die er herrschte, die kleinere Pfützen in der Landschaft stark zu vergrößern. Seit etwa drei Stunden war es immer das Gleiche gewesen. Etwa alle halbe Stunde, nach dem Abklingen des Unwetters, wurde die Windstille zum plötzlichen Sturm und wenige Augenblicke später grollte der Himmel und ergoss sich auf die Erde. Zehn Minuten später war alles vorbei. Der Himmel klärte sich wieder hellblau auf. Die Sonne schien; versuchte die Wege anzutrocknen und brannte fast unbarmherzig und kaum glaubte man, es sei endlich überstanden, ging alles von vorne los. Kopfschüttelnd trat er vom Fenster weg, sah Kôji an. Beide setzten sich nun an den kleinen Tisch. „Kommt Katsumi heute nicht mehr?“ Kôji zögerte einen Moment und sagte dann aber: „Er brachte mich her und meinte er hätte noch was zu erledigen.“ „Jetzt um diese Zeit?“ „Na ja vielleicht wollte er uns auch nur ein bisschen Zeit geben, die wir alleine miteinander reden können.“ Kôji zwinkerte ihm zu. „Er sagte mir du wirst morgen entlassen.“ „Die Ärzte meinten sie können mir hier nicht weiter helfen, also könne ich auch genau so gut nach Hause und mich danach in ambulante Therapie begeben. Alle Untersuchungen sind hier abgeschlossen. Sie sagen… alles sei in Ordnung… Nur…“ „Ja…? Was nur?“ „Ich will mich wohl scheinbar an irgendwas nicht erinnern. Irgendwas ist passiert, was ich verdrängen will. Na ja, dass ist alles… Sie nehmen an zu Hause… in gewohnter Umgebung… würde ich mir eben alles viel schneller ins Gedächtnis rufen können.“ „Also fährst du nach Hause?“ „Njein.“ „Njein? Also mehr nein als ja. Wie soll ich das verstehen. Kommst du zu uns?“ „Nein… Weißt du Kôji, meine Eltern haben mit den Sasaki abgemacht, dass ich die nächste Zeit dort wohnen soll. Es sei dichter zur Therapie und würde mir etliche Stunden Fahrt ersparen.“ „Aber gewohnte Umgebung ist das doch auch nicht.“ „Tja, dass verstehe ich ja auch nicht. Ich hatte auch damit gerechnet meine Geschwister um mich zu haben. Aber so wie es aussieht…“ „…wollen sie die Beiden dir weiter vorenthalten um ihre kleinen Lügen nicht aufzudecken zu lassen… Raffiniert… Aber vielleicht könnten wir uns dann ja öfter sehen.“ „Hm… Würde ich schon gern. Aber ich fürchte, wenn es stimmt, was du sagst… dann wird Minako mich wohl die nächste Zeit nicht aus den Augen lassen oder neben mir wird so ein Bullenbeißer herlaufen, wie die da, welche sie schon die ganze Zeit draußen vor der Tür postiert haben. Es sieht so aus, als ob sie mich mit Gewalt von dir und Katsumi fernhalten wollen. Bis jetzt wissen auch nur er da draußen und zwei Schwestern, dass du jeden Abend da warst.“ Takuto lächelte. „Weißt du was mir Schwester Reiko heute gesagt hat?“ Kôji schüttelte erstaunt den Kopf und sah ihn fragend an. Er hatte die ganze Zeit wirklich geglaubt, dass ihre Treffen unbeobachtet gewesen seien und war deshalb etwas enttäuscht, dass es scheinbar doch bemerkt worden ist. „Sie teilten sich beide die Schicht möglichst so ein, dass einer von ihnen abends hier Dienst hat. Sie sagte mir, sie hatte ein ungutes Gefühl, was die Sasakis und die Horiuchis so „aushecken“. Durch einen Zufall hat sie wohl ein Gespräch der Vier vor der Schwesterntüre mitbekommen und findet es nicht in Ordnung, welche Anweisungen das Personal wegen mir erhielt. Sie könne das nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren… und so hat sie sich mit ihrer Freundin, welche ebenfalls hier, aber in einer anderen Schicht arbeitet, sich abgesprochen und eure Besuche den anderen verheimlicht.“ Kôji war sprachlos. Das passierte zwar selten, aber hin und wieder kam es mal vor. Ein Weilchen starrten sie sich nur an und schwiegen.
„Sag mal Izumi, du hast doch noch das kleine Medaillon, oder?“ Takuto sah ihn erstaunt an. „Ja, natürlich. Was sollte ich denn sonst damit machen?“ „Hmm… ja… weißt du…“ Kôji wurde entgegen seiner sonstigen Art etwas verlegen. Doch dann griff er plötzlich in die Tasche und zog seine Geldbörse heraus und öffnete sie. Takuto wurde neugierig. Und als Kôji auch noch aus dem großen Fach etwas herauszog, klickte es bei ihm. Kôji legte nun sechs Fotos auf den Tisch. Das erste Bild hatte er einfach nur so eingesteckt. Es zeigte Takuto zusammen mit seinen beiden Geschwistern. Dieses schob er ihm dann sogleich rüber und meinte: „So kannst du sie auch sehen, wenn du bei den Sasakis bist.“ Ein dankbares Lächeln war die Belohnung dafür, bevor Takuto sich nun den anderen zuwandte. Die nächsten drei Bilder zeigten Kôji und Izumi zusammen und auf den letzten Beiden war nur Kôji allein zu sehen. Alle Motive waren ziemlich klein und hätten wahrscheinlich in das Medaillon gepasst. Nun verstand er. Kôji wollte, dass er ein Bild von ihm bei sich trug, wenn sie sich jetzt einige Zeit nicht mehr sehen konnten. Das war es also. Er legte sie wieder bedächtig hin, wanderte noch mal mit dem Blick über die nun nebeneinander liegenden Motive, stand auf und ging zum Schließfach. Nach kurzer Zeit saß er wieder am Tisch. Sofort sah er jetzt, dass einige der Bilder doch noch zu groß dafür gewesen wären. Aber letztendlich sah er zwei die passten. Eins auf dem er zusammen mit ihm abgebildet und eines wo nur ein lächelnder Kôji mit strahlenden Augen drauf zusehen war. Auf beiden war der Hintergrund Strand und Wasser. Vorsichtig nahm er die beiden Bilder in die Hand und sein Blick wanderte immer von einem zum anderen. Die ganze Zeit über war Kôji still gewesen; hatte sich nicht gerührt, sondern nur Izumis Bewegungen, seine Mimik und Gestik beobachtet. Als er nun die Unentschlossenheit sah, wagte er jedoch die Stille zu durchbrechen. „Gefallen sie dir? Wenn du dich nicht entscheiden kannst, man kann auch auf jede Seite eines reinlegen.“ Takuto sah auf. Das hatte er ja ganz vergessen. Allerdings würde dann das Haar nicht mehr eingeklemmt darin ruhen können. Es würde beim Öffnen jedes Mal heraus fallen. Trotzdem lächelte er nun. Er würde eben aufpassen, dass er es nicht verliert. „Ja, ich möchte beide. Wenn es in Ordnung geht?“ „Aber immer.“ Da zog Kôji aus seinem mitgebrachten Beutel eine kleine Schere heraus. Mit den Worten „Darf ich?“, nahm er aus Takuto’s Hand die beiden Bilder, legte sie erst einmal vorsichtig vor sich hin, griff dann nach dem Medaillon und passte die Fotos geschickt den Rahmen an. Dann nahm er das Haar heraus, legte es auf den Tisch und befestigte die Bilder. Aufgeklappt reichte er Takuto nun das Schmuckstück rüber, der anerkennend lächelte und ein „Danke“ hauchte, während er es betrachtete. Dann legte er das Haar wieder sorgsam zwischen die beiden kleinen Bilder und schloss es behutsam. „Ich werde es ab sofort immer bei mir tragen, damit es mir niemand wegnehmen kann.“ Damit hängte er es sich um und ließ es unter seiner Kleidung verschwinden, wo es für fremde Augen nicht sichtbar war. Kôji lächelte siegessicher. Am liebsten wäre er nun zu ihm hin und hätte ihn stürmisch in seine Arme geschlossen und ihn geküsst. Aber stattdessen riss er sich zusammen, wie er auf einmal Izumis erschrockenen Gesichtsausdruck sah. Erst dachte er, es sei währenddessen jemand hereingekommen, sah schnell hinter sich, aber da war niemand. War es so offensichtlich gewesen, was er gedacht hatte? „Izumi nicht… du brauchst nicht vor mir zu erschrecken… Izumi. Ich…“ Schnell griff er nochmals in seine Tüte und holte Takuto's kleinen CD-Player, einige Seiner CDs welche er immer bei Katsumi liegen hatte, sowie eine CD mit Musikstücken von sich und seiner Band hervor. Legte alles zwischen sie auf den Tisch und meinte nur. „Weißt du, ich will dir nichts antun, nichts wenn du es nicht selber willst. Aber die Versuchung ist so groß, wenn ich dir in die Augen schau und du so glücklich aussiehst. … Hier die Sachen habe ich dir aus deinem Zimmer geholt. Vielleicht möchtest du sie ja haben. Außerdem… Ich habe diese CD hier noch vor 2 Tagen mit der Band gemeinsam für dich aufgenommen. So kannst du auch bei den Sasakis meine Stimme hören, wenn du es möchtest. Katsumi hat mir dabei geholfen sie ganz auf die Schnelle und extra für dich aufzunehmen. Es gibt nur zwei davon, die andere habe ich in Reserve. Hör sie dir am Besten an, wenn du dich alleine fühlst. Ich hoffe sie kann deine Einsamkeit dann etwas vertreiben und merke dir… Ich werde immer versuchen in deiner Nähe zu sein, egal was die anderen tun oder sagen.
TEIL 25Mehrere Tage war er nun schon bei den Horiuchis, oder waren inzwischen schon Wochen vergangen? Er wusste es nicht. Ein Tag glich dem anderen. Irgendwie hatte er das Gefühl das ihm was fehlte. Aber er konnte nicht sagen, was es genau sei. Herr Horiuchi hatte angefangen, ihm seine Firma zu zeigen und ihm eine leichte Tätigkeit dort zu gewiesen, um wie er sagte die Firma besser kennen zu lernen, da er sie nach der Hochzeit mit ihm gemeinsam leiten sollte. Allerdings war er nur für ein paar Stunden am Tag dort. Den Rest des Tages belegte ihn Minako oder die Familie mit Beschlag. Alles war arrangiert und auch ein neuer Hochzeitstermin war inzwischen festgelegt worden. Diesmal sollte er aber nur im kleinen Kreis gefeiert werden. Da Takuto durch Kôji aber die >Wahrheit<? über seine letzte Hochzeit erfahren hatte, l ieß er sich diesmal nicht so schnell festnageln. Immer wieder schaffte er es den Termin zu verschieben, so dass seine Gastgeber langsam argwöhnisch wurden. Aber sie fühlten sich ihrer Sache zu sicher, um zu glauben, dass er inzwischen etwas aus seiner Vergangenheit wüsste. Immer wieder forderten sie Minako auf ihn doch zu begleiten, und ihn an frühere Plätze zu führen, wo er sich gerne aufgehalten hat, wenn er bei ihnen zu Besuch war. ~*~ Sie saßen Beide unter dem blühenden Bäumen, auf einer großen Decke. Der Picknickkorb stand daneben im Gras, aber keiner von beiden hatte wirklich Appetit. „Takuto…“ „…Ja? Minako?“ „Magst du mich nicht mehr?“ „… Wie kommst du da drauf. Du weißt, dass ich mich an nichts erinnern kann. „Ja... aber… Vielleicht solltest du mich mal küssen? Vielleicht… möglicherweise fällt dir dann alles wieder ein?...“ „… Küs…sen?...“ Er sah sie an. Sie errötete. „Ja. Du weißt doch noch, wie das geht?...“ Er sah nach oben in den Baum. Die rosafarbenen Blütenblätter wurden durch den Wind gerade in diesem Moment durch die Luft gewirbelt und tanzten auf sie, wie ein leichter sanfter Sommerregen, hernieder. Er legte sich auf den Rücken um es besser sehen zu können. Seine Gedanken waren nur auf das Treiben gerichtet. Plötzlich sagte er ganz leise „Schöön“. „SCHÖN? Was ist schön?“ „Siehst du es nicht… Die Kirschblüte... Die Blätter tanzen… im Wind… immer auf… und ab.“ Er hielt die Hand in die Luft fing eines auf, welches sich dicht vor ihm austobte und betrachtete es. Zartes rosa. „Hörst du mir überhaupt zu?“ „…Was?“ „Ich möchte, dass du mich küsst, vielleicht erinnerst du dich dann wieder an uns.“ „Hmm…“, kam es leise, aber es klang eher als ob er meilenweit weg war. „TA – KU – TO!“ Er schrak auf. Der Zauber, welcher eben noch von den zarten Blättern ausging, war zerstört. Ruckartig setzte er sich auf und sah sie mit großen Augen an. „Warum schreist du mich auf einmal an, hab ich was falschen gesagt?“ „DU hörst mir überhaupt nicht zu.“ „Doch habe ich… aber… ich… Weißt du Minako,… ich finde es nicht richtig dich zu küssen. Du bist nett,… sehr sogar. Ja… Aber…“ „NETT… NUR NETT???“ „Lass mich bitte ausreden. Versteh mich bitte nicht falsch… ich weiß nicht mehr, was vor dem Unfall war. Irgendwas tief in mir sagt, es ist falsch. Ich sollte damit warten, bis meine Erinnerung wieder zurück ist… Oder aber…“ „Oder...?“, kam es hoffnungsvoll von ihr. „Oder… bis ich mich wieder neu verliebt habe....“ „DUU~UUU“, sie brach ab. ‚Ich wusste es, obwohl ich es nie wahr haben wollte. Er hat mich nie geliebt. Er wird es vielleicht auch nie. Was bin… oder war ich … für ihn? Nur eine gute Freundin, nichts als ein Kumpel?’ Eine einsame Träne lief ihr langsam über die linke Wange hinab. „Du magst mich nicht.“ Takuto hob die Hand um ihr die Träne fort zu wischen, aber noch bevor er sie erreichte, sprang Minako plötzlich auf und lief davon… in Richtung auf das Haus zu. Takuto schüttelte den Kopf. „Frauen – versteh sie einer.“ Dann legte er sich wieder hin und bereits wenige Augenblicke später, ließ er sich wieder vom rosafarbenen Zauber der treibenden Blütenpracht gefangen nehmen. Er schaute lange nach oben. Plötzlich fügte sich vor seinen Augen, in den Wolken, das Bild eines Kopfes zusammen. Die Konturen verdichteten sich immer mehr und dann konnte er die Umrisse erkennen. Ein lächelnder Kopf mit strahlenden Augen und langen Haaren, welche im Wind wehten. Immer wieder von Kirschblütenblättern gestreift. Auch in den Haaren hatten sich welche verfangen. Unerwartet tauchte aus dem nichts noch eine Hand auf, fing sich eins der Blätter, führte es sich an die Lippen, küsste es. Die Lippen formten ein Wort. Erst wusste erst nicht was, doch immer wieder wurde es wiederholt. Er versuchte es von seinen Lippen zu lesen. I – ZU – MI. Sein Name. Die Hand wanderte in seine Richtung ließ kurz vor ihm das kleine Blättchen los. Es fiel langsam im Schwebflug auf ihn herab. Er griff danach, wollte es auffangen… doch … noch eh es ihn erreichte fiel er in einen tiefen Schlaf. Leise murmelte er: „Kô-ji.“ Lange schlief er. Er hatte nicht bemerkt, dass er nicht alleine war.
Noch während des Gesprächs mit Minako war Kôji auf die Beiden gestoßen. Er war ziellos durch die Gegend geirrt. Seinem Pferd, das er heute noch langer Zeit endlich mal wieder ausritt, hatte er eine kleine Ruhepause gegönnt. Kôji hatte das schöne Tier damals von Katsumi geschenkt bekommen, als sie von Afrika zurückgekehrt waren. Reiten hatte er dort ja zur Genüge gelernt und da es ihm sichtlich Spaß gemacht hatte, wollte Katsumi ihm diese Freude als sie zurückgekehrt waren, nicht vorenthalten. Nachdem er also los geritten war, war er tief in Gedanken versunken und hatte seinem Pferd frei Hand gelassen, den Weg zu bestimmen. Er hatte kein bestimmtes Ziel. Als sie dann auf die Kirschplantage zuritten, zog ihn die rosa Pracht schon von weitem an. Er ritt näher darauf zu… als er plötzlich aufhorchte… da… er hörte Takuto's Stimme, hielt Ausschau nach ihm und seinem Gesprächspartner, konnte sie aber nicht sehen. Aber unweit war ein hohes dorniges Gebüsch, so wie von wild wachsenden Brombeeren. Hoch genug, um vor den dahinter befindlichen Personen, nicht gesehen zu werden und dicht genug um ihnen den Blick auf den dahinter stehenden Lauscher zu verwehren. Also stieg er ab, band sein Pferd an einem der Bäume fest, wo es grasen konnte und ging auf das Gestrüpp zu. Durch die Zweige hindurch konnte er ihn sehen, hörte was Minako von ihm wollte und sein Herz krampfte sich zusammen. Als er dann aber Takuto's Antwort vernahm, fiel ihm ein Stein vom Herzen. Er legte sich schnell die Hand auf den Mund, um nicht sofort in Jubelgeschrei auszubrechen und dann sah er auch wie eilig sie es so plötzlich hatte, davon zu laufen. ‚Er ist immer noch so schön… Dreh dich um…… dreh mir ganz dein Gesicht zu…’, schrie es innerlich in ihm. Aber stattdessen legte Takuto sich hin, nachdem er sah wie sie verschwand. Kôji verlor sich träumend, als er seinen Geliebten so auf der hellbeige, gemusterten Decke im frischen grünen Gras liegen sah, die überall schon von den kleinen zarten rosa Blättchen bestreut war. Ein bronzener Körper ruhte recht dekorativ dazwischen und wurde langsam von der rosa Pracht zu gedeckt.“ Kôji zögerte noch. Er überlegte, was er tun soll. ‚Soll ich jetzt einfach zu ihm gehen. Wir haben uns schon so~o lange nicht gesehen…. I-zu-mi.’ Eine ganze Weile überlegte er hin und her, wog für und wider ab, als er sich endlich durchrang, um das Gebüsch herum zu gehen und er neben ihm auf die Decke sank, stellte er fest, das er eingeschlafen war. Vorsichtig, um ihn nicht zu wecken, beugte er sich zu ihm runter, strich ihm eine Strähne aus dem Gesicht, nahm ihm mit der linken Hand ein Blütenblatt, welches ihm auf die Wange gefallen war, sanft herunter und küsste ihn zärtlich. Das Blättchen welches noch wenige Augenblicke zuvor auf ihm geruht hatte, verschloss er in seiner Hand. „Ach Izumi… mein Izumi…“ Er seufzte. Dann strich er ihm nochmals über die Wange und erhob sich, um genau so leise zu verschwinden, wie er gekommen war. Doch als er gerade gehen wollte. Blieb er erstaunt stehen. „Kôji?“ Ruckartig drehte er sich um, und war versucht sich auf ihn zu stürzen und in seine Arme zu reißen, um ihn an sich zu drücken. „Izumi?“ … Nichts. Er schlief. ‚Er träumt… Träumt von mir? Von MIR!... oh Takuto. Beginnst du dich an uns zu erinnern… oder täusche ich mich… Träume weiter, mein Liebling, träume von mir… träume von uns… Von unseren schönen Zeiten.’ Leise drehte er sich um und ging zu seinem Pferd zurück, welches er am Zügel nahm und vorsichtig davon führte. Am anderen Ende der Plantage stieg er auf und eilte im Galopp nach Hause.
Schon von weitem schrie er: „KATSU ~ MI! KATSU ~ MI!!! Er………. Er…………“ Die Haustür wurde aufgerissen und ein Kopf erschien in der Tür? *Häh Kôji?“ Inzwischen ritt dieser näher heran. „Kôji, was ist los? Du bist ja ganz aufgelöst.“ „Er………. er………… träumt von mir ………. Katsumi. Izumi träumt von mir.“ Sein ganzes Gesicht strahlte. Von seiner Gestalt auf dem Pferd ging wahrlich ein Leuchten aus. Die ganze Gestalt strahlte einen Optimismus und Hoffnung aus, dass man fast erblinden konnte. Und immer wieder „Izumi träumt von mir.“ ………… Ungläubig guckte Katsumi ihn an. „Hat er es dir gesagt. Wo hast du ihn denn gesprochen.“ „Gesprochen? Nein nicht. Er hat im Schlaf meinen Namen genannt… unter den Kirschbäumen… dahinten in der Plantage, bei dem riesigen Gestrüpp am Rand.“ Die Luft blieb ihm weg, als ob er einen Dauerlauf gemacht hatte und nicht sein Pferd. Ein paar Mal atmete er tief durch. „Ich fand ihn dort.“ Dann erzählte er Katsumi mit leuchtenden Augen, was er erlebt hatte, aber in der Aufregung, erzählte er alles wild durcheinander, so dass sich Katsumi das Geschehen am Ende selbst zusammen reimen musste. Er wusste, dass er Kôji's Freude nicht zu sehr dämpfen durfte, ‚…aber, was wenn es nur ein Zufall war. Er sich nicht erinnerte, sondern nur über das was Kôji und ein paar Minuten zuvor Minako gesagt hatte, im Geiste verarbeitet? Er nur darüber nachdachte, wem von Beiden er nun sein Vertrauen und sein Herz schenken will. Kôji oder Minako, dem Mann oder einer jungen Frau. Aber es war immerhin schon ein Anfang. Welcher von Beiden wird wohl die Oberhand gewinnen? Das er sich rausgeredet hat und sie nicht geküsst hat, ist zwar ein gutes Zeichen, dass er vielleicht sich in seinem Inneren der Gefühle für Kôji, wenn auch noch unbewusst, sich erinnert. Aber muss es das wirklich sein? Kann es nicht auch so sein, dass er wirklich abwarten will, bis sein Gedächtnis wieder zurückgekehrt ist? Das er einfach nur Angst hat etwas falsches zu machen, etwas was er später bereuen könnte? Erst mal abwarten und Tee trinken.’ Und so beschloss er Kôji vorläufig in seinem Glückstaumel zu belassen. ‚Schaden könne es nicht und wenn doch… wird er ihn langsam wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Aber nicht jetzt.’ In der Zwischenzeit betraten sie das Haus. Ein Angestellter führte derweil das Pferd in den Stall. *** Als Takuto aus seinem Schlaf erwachte, war er allein. Nichts deutete auf das was sich noch vor knapp zwei Stunden, nachdem er eingeschlafen war, hier abgespielt hatte. Er fühlte sich seltsam entspannt und wusste auf einmal, dass an dem was Katsumi und Kôji ihm erzählt hatten, viel Wahres gewesen ist, wenn es nicht die einzige Wahrheit war die er hier im Moment überhaupt erfuhr. Woher er das wusste, konnte er nicht sagen. Er fühlte es einfach und er wusste, dass er mit Beiden auf jeden Fall noch mal sprechen musste. Seine Geschwister hatte man immer noch von ihm ferngehalten und das irritierte ihn doch mächtig. Wie lange war er nun eigentlich schon aus dem Krankenhaus heraus? …17 – 18 Tage oder waren es schon mehr? Und noch immer hatte er sie seit damals nicht mehr gesehen. Immer wenn er versuchte sie zu erreichen, egal um welche Zeit er bei den Horiuchi’s anrief, immer hieß es, sie seien gerade nicht da; hätten beschlossen bei Freunden zu übernachten oder seien für zwei oder drei Tage mit Bekannten zu ihren so genannten Wochenenddomizilen gefahren. Ihm erschien die ganze Sache irgendwie unglaubwürdig. ‚Auch wenn ich mein Gedächtnis verloren hab, hab ich das Gefühl, dass es früher nie so war. Warum wollen sie mich nicht sprechen, oder sind es die Horiuchi’s die es jedes Mal verhindern???’
Immer öfter suchte er diesen Ort auf, nahm sich eine Decke und ein Buch mit und sagte den Sasaki’s er möchte alleine sein. Minako wollte ihn begleiten, doch er lehnte ihre Gesellschaft ab, was sie immer mehr an ihrem Tun zweifeln ließ, ob sie das Richtige tat. Langsam bemerkte sie wie ihre frühere enge Freundschaft dadurch zu zerbröckeln drohte. Aber ihre Eltern drängelten ihre Tochter ihm zu folgen und so zu tun, als ob sich ihre Wege durch Zufall gekreuzt hätten. ‚Als ob das nicht ein paar Zufälle zuviel wären.’ Nicht immer schaffte er es sie zu ignorieren. War er wach oder las, verwickelte sie ihn über kurz oder lang in irgendein belangloses Gespräch. Hatte er die Augen hingegen zu, wenn sie ihn ansprach, stellte er sich schlafend und wartete darauf, dass sie ihn einfach in Ruhe ließ. Auch Kôji hatte recht schnell herausbekommen, wann und wo er seinen Liebsten antreffen konnte. Allen Bitten und Warnungen Katsumi’s zum trotz, fand man ihn nicht mehr zu Hause oder aber bei den Proben an, sondern immer in irgendwelchen Verstecken, von denen er ihn aus beobachteten konnte. Aber eine zweite Möglichkeit bot sich so schnell nicht, wenn er sich den beiden >Turteltauben<, wie er sie mit herablassenden Tonfall nannte, nicht zeigen wollte. Sobald Minako aber gegangen war, kroch er aus seinem Versteck heraus und zeigte sich ihm hin und wieder mal. Setze sich zu ihm auf die Decke und sie unterhielten sich angeregt oder unternahmen kleinere Spaziergänge, ließen die Decke einfach liegen, wo sie gerade lag. Immer häufiger stellte Takuto gezielt Fragen und Kôji beantwortete alle mit seinem ewigen unvergleichlichen Lächeln.
Doch dieses Mal war es irgendwie anders. Minako ließ einfach nicht locker. Kôji wartete, aber sie ging nicht. Die Zeit des Abendbrotes war gekommen und er wusste, dass die Beiden jeden Moment gehen würden, ohne dass er die Gelegenheit hatte mit Izumi zu reden. Außerdem fing ganz plötzlich der Himmel an sich zuzuziehen. Er wurde dunkel, die Wolken zogen schneller, der Wind blies stärker und in wenigen Augenblicken war aus dem herrlichen Tag mit strahlendem Sonnenschein ein grauer hässlicher Abend geworden. Die ersten Tropfen hatte er auch schon abbekommen und sein Pferd wurde immer unruhiger. In dem Moment sah er wie Minako endlich aufstand und im Eiltempo verschwand. Takuto hatte gehofft Kôji noch zu sehen und blickte enttäuscht kurz zur Hecke, aber Kôji war sich unschlüssig, so schnell wie möglich mit dem Pferd nach Hause zu reiten oder auf die Gefahr hin total durchnässt zu werden, sich noch mit Takuto zu unterhalten. Dieser räumte in der Zwischenzeit seine Sachen zusammen und faltete die Decke. Kôji entschied sich für die zweite Variante, wollte jedoch zuerst sein Pferd holen um es beruhigen zu können und ihm dann anbieten, ihn bis kurz vor die Haustür zu bringen, damit wenigstens Takuto noch fast trocken nach Hause kam. Seinen Izumi in seinen Armen vor ihm auf dem Pferd… er lächelte als er es sich vorstellte. Doch wieder kam es anders, als er es sich gerade so schön ausgemalt hatte. Das Pferd am Zügel neben sich, ging er auf ihn zu. Aber im gleichen Moment, wo er laut „Takuto“ rief, hörte er auch schon das dumpfe Donnergrollen und sah den Einschlag des Blitzes. Sein Ruf ging im Getöse unter. Das Pferd bäumte sich vor Angst auf und riss Kôji, der die Zügel um die Hand gewickelt hatte, mit sich. Er stürzte. Konnte sich aber irgendwie von der Leine trennen, bevor das Pferd ihn hinter sich her schliff. Alles was er sah, war wie das Pferd in der Dunkelheit verschwand. „Na toll auch. Als ob der Weg nicht schon mit Pferd ne gute Stunde lang wäre.“ Er richtete sich auf und stellte fest, dass scheinbar noch alles dran und auch am rechten Platz war. Blaue Flecke hingegen, wenn nicht sogar einen Bluterguss würde er überleben, schließlich hatte er schon Schlimmeres erlebt. Wie er sich umsah, um sich den Schaden den der Blitz angerichtet hatte zu besehen, riss er vor Entsetzen die Augen weit auf. Dort war doch tatsächlich der eine riesige Baum der am Rande der Plantage gestanden hatte, von der Krone bis zur Wurzel in zwei Hälften gespalten und durch die Wucht auseinander gerissen worden. Ein Teil der Baumkrone hatte sich in einem der Kirschbäume verfangen und dieser hielt ihn NOCH auf, ganz auf die Erde zu stürzen. Doch unter dem Stamm lag bewusstlos Takuto. Kôji stürzte mit einem Aufschrei auf ihn zu und zog ihn aus der Gefahrenquelle. Er musste irgendwie als der Baum umfiel unglücklich daneben gestanden haben, so dass er mit dem Stamm in Berührung kam. Er hatte eine Platzwunde am Kopf, welche stark blutete. Er brauchte Hilfe…. Schnell eilte er zum Korb, den er wie immer mit hatte, holte die saubere Tischdecke, die Minako immer einpackte heraus und riss sie in Streifen. Dann verband er mit dem Leinen Takuto's Kopf, um die Blutung so zum Stillstand zu bringen. Er sah sich nach seinem Pferd um, aber das war weg und blieb es natürlich auch. Einen Moment überlegte er, was er machen sollte. Er konnte seinen Puls fühlen, sein Atem ging. ‚Egal, ich bring dich nach Hause. Zu uns nach Hause.’, entschied er. ‚Wenn ich dich zu den Sasaki’s bringe, verstärken sie nur ihre Sicherheitsmassnahmen, machen mich hierfür vielleicht verantwortlich und ich seh’ dich nie wieder.’ Er sah sich um. Die Decke lag noch zusammengelegt, neben dem Korb. Er legte die Sachen die er aus dem Korb genommen hatte wieder hinein und verschloss ihn. Dann stellte er ihn so an einen Baum, dass er nicht vom Wind weggetragen werden konnte. Anschließend nahm er die Decke wieder auseinander und wickelte Takuto vorsichtshalber darin ein. ‚Und wenn es nur zum Schutz gegen den Regen ist, um dich so lang wie möglich warm zu halten, damit du nicht ganz auskühlst.’ Dann hob er ihn hoch und machte sich mit ihm auf den Weg nach Hause. Als er schon einige Minuten gegangen war, in denen er immer wieder mal Takuto absetzte um zusehen wie es ihm ging, sah er vor sich die Lichter eines Fahrzeugs welches gerade auf ihn zu hielt. Neben ihm kam es kurz zum stehen und er hörte: „Warte“, dann fuhr der Wagen auch schon an ihm vorbei, drehte und kam erneut auf ihn zu, um neben ihm anzuhalten. Katsumi sprang aus dem Wagen. „Was hat er?“ „Ein Blitz schlug ein und er wurde irgendwie von dem Baum gestreift. Er blutete am Kopf, aber ich denke das hat inzwischen aufgehört, die Stelle ist jedenfalls schon seit einer Weile nicht größer geworden.“ Katsumi riss die Tür hinten auf und Kôji legte ihn vorsichtig auf die Ruckbank, bevor er selbst zu ihm nach hinten kroch. Inzwischen war Katsumi schon wieder eingestiegen und griff nach seinem Handy. Während Kôji sich vergewissert, das Takuto's Puls noch immer in Ordnung war, ließ Katsumi den Wagen an und wählte nebenbei die Nummer seines Hausarztes. Es dauerte auch einen Moment, bis am anderen Ende jemand abnahm. Aber nach ein paar gewechselten Worten versprach dieser sich sofort auf den Weg in seine Praxis zu machen, wo er Takuto besser untersuchen konnte. „Nicht ins Krankenhaus?“, fragte Kôji etwas erstaunt. „Nein. Oder willst du wieder eine Wache vor der Tür postiert wissen? Du hast ihn doch sicher auch aus diesen Grund nicht zu den Sasaki’s gebracht, oder sehe ich das falsch. Damit so was nicht wieder passiert. Stimmt’s? Warum sollte ich ihn also ins Krankenhaus schaffen. Der Arzt untersucht ihn und wenn mit seinem Kopf alles in Ordnung ist, kann er wieder in sein Zimmer ziehen. Wenn er dann erwacht, kann er selbst entscheiden, ob Krankenhaus, Sasaki’s oder ob er bleibt. Okay?“ „…. Hmm… Danke, Katsumi.“ Den Rest des Wegesverbrachten sie schweigend. Kôji hielt Takuto im Arm. Den Kopf an seiner Schulter gelehnt und streichelt ihm übers Haar. Katsumi hingegen bog gerade von den bisherigen Feldwegen auf die Hauptstraße ab. In wenigen Minuten würden sie in der Praxis sein. *** Als Takuto die Augen aufschlug, erschrak er. ‚Wo bin ich?’ Er wollte sich aufsetzen, aber die ruckartige Bewegung verursachte ihm einen leichten Schwindelanfall. Als dieser sich nach ein paar Augenblicken gegeben hatte, irrte sein Blick ziellos durch das Zimmer, auf der Suche nach irgendetwas das ihm Antwort auf seine Frage geben konnte. Es sah zwar alles freundlich und wohnlich aus, aber erschien ihm fremd. Also selbst nach diesem ersten Rundblick, wusste er immer noch nicht, wo er sich befand, denn dies hier war auf keinen Fall ein Krankenhaus und auch nicht sein oder ein anderes Zimmer im Hause der Sasaki’s, wo er jetzt eigentlich sein müsste. Plötzlich ging ganz leise die Türe auf, und wenige Augenblicke später lugte ein Kopf vorsichtig um die Ecke. Takuto sah ihn fragend an. Das Glitzern der Augen breitete sich über das ganze Gesicht aus, als Kôji sah, dass Izumi endlich wieder wach war. „Darf ich?“ Er deutete mit dem Kopf eine Bewegung an, die hieß, dass er hinein möchte. Als Antwort erhielt er nur ein vorsichtiges Nicken, da Takuto befürchtete der Schwindelanfall könnte zurückkommen. Die Türe wurde weiter geöffnet und Kôji betrat das Zimmer, schloss leise hinter sich die Türe und ging zu dem Stuhl, der neben dem Bett stand, zog ihn ein Stück ab und setze sich so, dass er Izumi direkt in seine wunderschönen Augen sehen konnte. „Wie geht es Dir?“ „Geht so. Was ist passiert?“ Ein Weilchen sah er ihn an, dann erzählte er ihm was passiert war und das er sich jetzt wieder in seinem alten Zimmer bei Katsumi befände. Auf die Frage von Kôji, ob er die Sasaki’s verständigen solle, damit sie ihm abholen, meinte Takuto nur: „Nein, ich brauch ein bisschen Abstand von da, wenn ich darf möchte ich gerne ein Weilchen hier blieben.“, damit schloss er schmerzhaft die Augen und hob die Hand darüber. Plötzlich fühlte er, dass jemand seine Hand hielt, und wie er aufsah, konnte er ein Leuchten in Kôji's Augen nicht übersehen. Kôji nickte ihm strahlend zu. „Hier bist du immer gerne gesehen. Dieses Zimmer war für dich wie ein 2. Zuhause. Bleibe solange du willst. Doch nun ist es besser du schläfst erst einmal. Brauchst du noch etwas?“ „Nein, danke.“ ‚Es klang wie ein Stossseufzer’, fand Kôji, ‚…richtig als fühlte er sich befreit, von einer schweren Last. Wie sehr müssen sie ihm auf die Pelle gerückt sein.’ Noch einmal drückte er zärtlich Takuto's Hand bevor er sie unter die Decke schob, die Decke vorsichtig um ihn herum fest zog und ihm dabei sehr nahe kam. Im letzten Moment konnte er sich noch beherrschen. Takuto spürte schon Kôji's heißen Atem an seiner Wange, doch dann besann er sich. Eine innere Stimme rief ihm zu: >Mach nicht alles kaputt.< Also richtete er sich auf, sah kurz in die geweitete Augen von Takuto, wünschte ihm eine Gute Nacht und verschwand ohne Antwort abzuwarten schnellstens aus dem Raum.
TEIL 26Die nächsten Tage ließ Takuto langsam angehen.
Ungewöhnlich lange hatte er noch geschlafen und war erst gegen Mittag wach geworden. Kôji war nicht zu Hause und Katsumi ließ ihn sich erst einmal alles in Ruhe ansehen. Am späten Nachmittag saß Takuto am Tisch und schrieb einen Brief. Katsumi hatte ihm vor etwa zwei Stunden den Vorschlag gemacht, dass er diesen zu seiner Schwester bringen würde, ohne dass die Anderen etwas davon mitbekämen. Keiner seiner beiden Briefe die er bis jetzt von den Sasaki’s aus an sie geschickt hatte, war beantworten worden. Er zweifelte ob sie je einen erhalten hatte. ‚Was spielen sie nur für ein Spiel mit mir’ Mehr als drei Zeilen, hatte er jedoch noch nicht geschafft. Seine Gedanken schweiften immer wieder ab. Er hob den Kopf und sein Blick suchte die Ferne, wanderte aus dem Sitzen hinaus aus dem Fenster und hängte sich dort irgendwo fest. Wo war unwichtig, es zählte nur dass er seinen Gedanken hier ungehindert freien Lauf lassen konnte, ohne das ständig jemand an seinen Hosenbeinen klebte. Er überlegte angestrengt. Immer wieder wanderten seine Gedanken zu den letzten Ereignissen, den Tagen und inzwischen auch schon Wochen, seit diesem „Unfall“. Er wusste inzwischen, wer der Fahrer war, wusste auch, dass man ihn erneut geschnappt hatte und wusste, dass er wohl nie wieder unter dem blauen Himmel wie ein freier Mensch umherwandeln durfte. Aber dieses Wissen gab ihm keinerlei Befriedigung. Warum sollte es auch? Ein verblendeter Mensch konnte ihm nur Leid tun. Auch wenn er nicht verstehen konnte, wie man einem Menschen, den man nicht mal kennt, wehtun, ihn verletzen kann oder gar umbringen will, nur um einem Anderen eins auszuwischen, ihn leiden zu sehen. Takuto schüttelte den Kopf um diese Gedanken zu vertreiben. Akihito ist trotz allem Kôji's Bruder. Vorläufig war er in eine geschlossene Einrichtung zur Beobachtung eingeliefert worden, bis das Gericht über ihn bestimmte, das Urteil fällte, was nur heißen konnte lebenslang in der geschlossenen Anstalt oder Gefängnis. Er wusste nicht was er ihm von Beidem lieber wünschen sollte. Er versuchte mit seinen Gedanken immer weiter in die Vergangenheit vorzudringen, doch dann… plötzlich wieder diese Mauer. Zu hoch um darüber sehen zu können, zu dick, um ein Loch hindurch zu stoßen, zu lang um daran vorbei zu laufen. Er versuchte es und stellte fest, er lief im Kreis. Kehrte immer wieder zum Ausgangspunkt zurück, ohne seinem Ziel ein Stückchen näher zu kommen. Sein bisheriges Leben blieb vor ihm verborgen. Neuerdings hatte er den Eindruck, in einem Aufruhr der Gefühle geraten zu sein, den er nicht kontrollieren konnte und das nur, weil er noch immer nicht sicher war, was von dem - das ihm erzählt wurde - wahr und was falsch oder verdreht worden war. Er überlegte, wann und wieso er so aus dem Gleichgewicht geraten war, wenn man es überhaupt so nennen konnte. In dem Moment tauchte das Bild von Kôji vor ihm auf. Wie er ihn am vergangenen Tag schon so angestarrt hatte, ihn einfach nicht aus den Augen ließ, so als ob er Angst hätte er könne jeden Moment wieder verschwinden, sich in Luft auflösen oder zu den Sasakis zurückkehren. Takuto schüttelt leicht den Kopf. Nein, dass hatte er im Moment bestimmt nicht vor. Aber wieso kam ihm gerade jetzt DIESER Gedanke? Und warum Kôji's Bild? Es stimmte schon… und vielleicht lag es ja auch daran, dass er auch immer sehr zuvorkommend ihm gegenüber gewesen, und… ja es ließ sich nicht leugnen… Kôji sah gut aus. Aber hatte er dies auch schon über andere Männer gedacht? Ihm viel in dem Moment keiner ein. Und… Ja, Kôji schien ihn tatsächlich zu mögen, sich überhaupt nicht daran zu stören, dass er kein Mädchen war. Aber fühlt sich Kôji nicht auch zum weiblichen Geschlecht hingezogen? Katsumi hatte ihm da doch so was erzählt, am letzten Tag im Krankenhaus während sie gemeinsam aßen. Komisch. Aber wieso dann ich? Alles was er mir bis jetzt erklärt hat, hört sich ja gut an, aber wenn ich doch nur wüsste was wirklich geschah. Takuto nahm den Kopf in beide Hände und wer ihn so gesehen hätte dachte er wolle starke Kopfschmerzen aus ihm herausschütteln. Doch dann ließ er von seinem Vorhaben ab, stand auf ging hinüber zum Fenster, drehte sich um und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Scheibe. Wieder ging sein Blick durch den Raum, um ihn aus einer anderen Perspektive zu sehen und… blieb am Bett hängen. Ob wir da… … Nein. Er konnte es sich nicht vorstellen, mit einem Mann zusammen gewesen zu sein. Erneut schüttelte er den Kopf. Absurde Idee. Er drehte sich zum Fenster zurück, so als ob er dass Bett damit aus seinen Gedanken vertreiben könnte. Plötzlich sah er unten auf dem Weg Kôji und Katsumi den Weg entlang kommen. Wahrscheinlich war Kôji so eben nach Hause gekommen und hatte Katsumi unterwegs getroffen. Takuto griff mit der rechten Hand an die Scheibe, um sich daran abzustützen und ihnen nachzuschauen, als sie aus seinem Blickwinkel zu verschwinden drohten, als er auf einmal eine Bewegung ausmachte. Die ihm nicht so gefiel. Schnell ließ er die Scheibe los und sprang mit einem Schritt hinter sich und somit aus dem Bereich des Fensters. Kôji hatte sich nämlich so eben umgedreht und zu Izumis Fenster hinauf geschaut. ‚Hat er bemerkt, dass ich hier stehe? Ach was soll’s. Wieso bin ich so schreckhaft?’ Mit diesen Gedanken begab er sich wieder zurück zum Tisch, um an seinem Brief weiter zu schreiben.
Takuto war so weit weg mit seinen Gedanken, dass er das Klopfen an seiner Tür - etwa eine halbe Stunde später - total überhört hatte. Ebenfalls bemerkte er nicht, wie leise die Tür sich öffnete und Kôji herein kam. Dieser schloss die Tür und lehnte sich erst eine Weile mit dem Rücken an die Tür, den Knauf dabei immer noch festhaltend und beobachtete ihn. Ein leises Klicken, und dann schlich Kôji auf leisen Sohlen von hinten an seinen Izumi heran. Immer noch keine Reaktion. Takuto saß wie zur Salzsäule erstarrt, sein leerer Blick durchdrang die Ferne. Träumend saß er da, träumend und doch mit offenen Augen. Kôji schmunzelte. Das weit ausgeschnittenen ärmellose luftige Oberteil welches Takuto heute trug, da es ein schöner warmer Tag war, verlockte Kôji so, dass er nicht anders konnte. Er trat von hinten an ihn heran und küsste ihn auf den Nacken. Ein wohliger Schauer durchrann ihn, als er Kôji's Lippen auf seiner Haut spürte. Langsam holte ihn das in die Gegenwart zurück. Noch während er sich umdrehte, wusste er wer es war, sprach dessen Namen leise, ja fast flüsternd aus. „Kô-ji“. Dann sahen sie sich beide in die Augen. Takuto sah Liebe, Zärtlichkeit und Sehnsucht, Kôji nur Nachdenklichkeit und einen leichten Anflug von Trauer und Wut darüber, dass er sich immer noch nicht erinnern konnte. Langsam hob Kôji seine Hand, führte sie an Takuto's Wange und streichelte tröstend darüber. „Lass gut sein, quäl dich nicht länger so. Irgendwann… irgendwann kommt die Erinnerung bestimmt wieder, wenn nicht heute - so doch vielleicht schon morgen.“ Damit nahm er ihn in beide Arme und zog ihn beschützend an sich ran, als er sah, dass sich verräterische kleine Tränchen in Izumis Augen sammelten. „Izumi, du brauchst nicht mehr weggehen, du bist hier zu Hause. Zu Hause bei mir. …“, und mit leiser, beschwörerisch betörender Stimme hauchte er ihm einige Zeit später ins Ohr: „Sieh dir das Bild da drüben an der Wand an. Du hast es damals selbst dort aufgehängt und … du hast es auch selbst gemalt… Wir beide hatten an einem schönen Tag einen Ausflug zu unserem Lieblingsplatz gemacht, den kleinen Quellsee… weißt du, es war ein herrlicher warmer Tag, wir waren dort schwimmen, haben stundenlang rumgetollt, als ob wir wieder in unsere Kindheit versetzt waren, haben dann unter den Bäumen auf der Wiese Arm in Arm gelegen und wie so oft schon, die Wolken beobachtet, wie sie am blauen Firmament an uns vorüber zogen. Der Sonntag war herrlich.“ „Ein Sonntag…Das weißt du noch?“ „Wie könnte ich es vergessen? Ich war so glücklich, dass ich diese wunderschönen Stunden mit dir zusammen erleben durfte…. Abends dann wolltest du dann die Zeit wieder einfangen, es dir unbedingt zurück ins Gedächtnis holen. Wir sprachen miteinander, plötzlich sprangst du auf, holtest dir einen Block und fingst an zu skizzieren. Ich sah dir noch eine ganze Weile dabei zu, sah, was es werden sollte, dann schlich ich raus und ließ dich und deine Muse allein zurück. Drei Tage später präsentiertest du mir und Katsumi unten beim Abendessen das fertige Bild. Ich hab gleich am nächsten Tag einen Rahmen dafür besorgt, doch du wolltest es mir schenken. Ich weiß noch, dass ich dich bat es selbst zu behalten. Erst dachtest du, es würde mir nicht gefallen, aber das war es nicht. Ich wollte einfach nur, dass du etwas bei dir im Zimmer hast, was dich, immer wenn du die Augen aufmachst an mich erinnert, wenn dein Blick darauf fällt… und sag mir, was kann es Schöneres geben, als ein Bild, das einen an so was vor Augen führt? Ich sagte Dir, dass ich es mir oft genug ansehen werde, so oft, bis du mich aus deinem Zimmer wirfst.“ Kôji lächelte. „Das hast du aber nie…und so gehört es uns Beiden, wie ein stummes Andenken daran.“ „Kôji?“ „Ja, Izumi?“ „Sag mir, warum ich.“ „Was, warum du?“ „Warum passiert mir so etwas? Warum dieser „Unfall“, warum musste ich dadurch mein Leben vergessen und warum gibt es Leute, die meine jetzige Lage zu ihrem Vorteil hin ausnutzen.“ „Ausnutzen? Meinst du, ich… nutze dich aus?“ „Ich weiß nicht… nein… ich glaube nicht… Ich denke du und auch Katsumi meint es ehrlich mit mir.“ Er befreite sich sanft aus Kôji's Armen, griff auf den Tisch und nahm den angefangenen Brief in die Hand. Nachdenklich hielt er ihn zwischen sich und Kôji. Dieser warf einen kurzen Blick darauf. „Katsumi hat mir angeboten, sich mit Serika heimlich zu verabreden ihr den Brief zu geben und sie um ein Treffen mit mir zu bitten, damit ich endlich die Möglichkeit habe, mal mit ihr zu reden…. Ich weiß inzwischen, dass ihr Beide mir nichts Böses wollt, aber… wieso wollen SIE mich unbedingt mit Minako verheiraten, wenn sie doch wissen, dass ich sie nicht liebe? Ich verstehe es einfach nicht…“ Er legte den Brief, wie einen kostbaren Schatz, wieder auf den Tisch zurück, stand dann auf und ging hinüber zum Fenster. Als ob er den Punkt von vorhin wieder einfangen wollte, irrte sein Blick draußen suchend umher. Eine Weile war Ruhe. Kôji dachte Izumi würde weiter sprechen und Takuto hoffte auf Antwort. Letztendlich dann brach Kôji die zehrende Stille im Raum. „Weißt du, warum sie es immer noch wollen, kann ich dir natürlich nicht sagen, aber sie sehen es als ihre Chance an, ihre Familie doch noch durch ihre erstgeborenen Kinder miteinander zu vereinen.“ „Ist das so wichtig?“ „Nein, eigentlich nicht, aber sagtest du nicht selbst, dass Herr Sasaki wollte, dass du in die Firma einsteigst? Sein Sohn hat kein Interesse an dem Unternehmen. Er will seinen eigenen Weg gehen. Serika ist ihnen dabei keine große Hilfe, sie unterstützt ihn. Dich wollten sie dazu bringen, weil du nicht dein Leben lang Fußball spielen kannst. Irgendwann hättest du aufhören müssen, dann hättest du alles übernommen und sie hätten sich zur Ruhe setzen können. Doch so… Sie können und wollen es nicht akzeptieren, dass du lieber mit mir zusammen bist… warst…, als mit ihrer Tochter. Die Horiuchi haben sich davon blenden lassen. Ihr Adoptivkind übernimmt die Gesellschaft und ist für den Rest des Lebens abgesichert. Was kann man sich als Eltern mehr wünschen? So bleibt von ihrem Vermögen mehr für Serika und auch Yuugo. Ich weiß nicht… aber ist es nicht normal, dass sich Eltern, die ihre Kinder lange Zeit miteinander beobachtet haben, wie sie von klein auf, freundschaftlich miteinander umgegangen sind, die auch Geheimnisse miteinander teilten, sich nicht Hoffnung darauf machen, die Kinder miteinander glücklich zusehen und sie wenn sie erwachsen geworden sind zu vereinen? Das sie sich, wenn sich auch die Elternteile gut miteinander verstehen, die Verbindung so sehr wünschen, dass sie vielleicht sogar daraus resultierende Enkelkinder sehen wollen?...“ „Und um auf DEINE anderen beiden WARUM zurück zukommen, ich weiß nicht warum ausgerechnet du alles vergessen musstest. Ich wünschte ich wäre es, es wäre schön, wenn ich vergessen könnte, ich mit dir tauschen könnte… aber leider geht das nicht…“ „Du willst alles vergessen?“, kam es leise von Takuto. „Glaubst du wirklich dass es die Lösung aller Probleme ist?“ „Aller vielleicht nicht, einiger unerfreulicher aber schon.“ „Das heißt…“, Takuto drehte sich ruckartig um und sah zu Kôji, der immer noch hinter seinem Stuhl am Tisch stand. Seine Augen weiteten sich, kleine goldene Funken sprühten. Kôji sah ihn fragend an. „Was?“ „Du willst wirklich alles vergessen? Auch unsere Zeit, von der du mir erzählt hast? Heißt das du spielst nur mit mir?“ „NEIN, wie kommst du jetzt darauf. Wenn es dir helfen würde, wäre ich dazu nur bereit.“ „Ich verstehe nicht. Du sagst, du liebst mich und willst es trotzdem vergessen?“ Kôji lächelte. Ohne den Blickkontakt zu Izumis faszinierenden Augen zu unterbrechen, schritt er langsam um den Tisch herum, auf ihn zu, blieb nur wenige Zentimeter vor ihm stehen; hob seine Hände und stützte sich rechts an der Wand, links am Fensterglas ab, drängte ihn leicht zurück an die Wand. „JA, auch auf die Gefahr hin die Kindheitserinnerungen und die schöne Zeit mit dir in all den Monaten zu verlieren. Ich bin mir sicher, es würde neue schöne Erinnerungen mit dir geben.“............... „Warum?“ „Warum?... Das fragst DU… M-I-C-H? Jede Zelle, jede Faser meines Leibes sehnt sich nach dir, nach deinem Geruch, nach deiner Berührung. Ich könnte meine Liebe zu dir NIE vergessen. Mein eigener Körper würde nach dir verlangen, mich an dich erinnern und ich glaube fest daran, dass du bereit wärst mir neue Erinnerungen zu schenken.“ „…Bereit wäre…? Was gibt dir die Sicherheit, dieses jetzt und hier zu glauben?“ „Du – du selbst – deine eigenen Worte.“ Takuto starrte ihn an. „Ich???“ „Ja, an dem Tag, in der Stunde wo ich im Krankenhaus aufwachte… als man mir die Kugel aus der Schulter entfernt hatte… nur wenige Tage, genau 3 Tage und 16 Stunden, bevor dieser Mistkerl Akihito es auch auf dich abgesehen hatte, war etwas passiert, was ich mir nie hab träumen lassen. Ich hoffte schon so sehr es aus deinem Mund zu hören, aber bis dahin immer wieder vergebens. Nicht einmal Katsumi habe ich es bisher gesagt… was du mir gestanden hast.“ „Was meinst du?“ „Ich wollte dich nicht drängen, indem ich es dir sagte, du solltest von allein wieder darauf kommen, aber wenn du es wissen willst…“ Takuto nickte. „Keine Geheimnisse bitte.“ Kôji's rechte Hand löste sich von der Wand, wanderte zu Izumis Haaren strich sanft darüber. „Du sagtest mir zum ersten Mal, dass du mich liebst…“ „Zum ersten Mal?“ Kôji's Augen strahlten, er nickte. „Hmhm… zum ersten Mal. Ich war damals überglücklich. Du hattest scheinbar große Angst mich zu verlieren, dachtest ich könnte es nicht überleben und sterbe ohne es je zu erfahren. Es muss dich eine große Überwindung gekostet haben, es endlich auszusprechen.“ Takuto senkte den Kopf, doch Kôji legte leicht seine Finger unter Izumis Kinn und hob es an, sah ihm in die Augen , die dieser nun verlegen schloss, als er merkte wie sich ein rosiger Hauch über seine Gesicht ausbreitete. „Lass uns ein kleines Experiment starten. Ich kenne meine Gefühle für dich, doch du…“ Bei diesen Worten zog Kôji seinen Izumi sanft vom Fenster weg, hinein in seine Arme. „Keine Angst, es wird dir gefallen. Ich werde nicht zum Monster… wenn du nicht willst, können wir es jederzeit abbrechen…“, hauchte Kôji ihm ins Ohr. ‚Aber ich hoffe, dass ich es nicht brauche.’ Ein kleiner Seufzer entkam ihm, als er sich nun vorbeugte, um seinen Izumi endlich wieder küssen zu können. Takuto fühlte plötzlich Kôji's Lippen sanft, warm und weich auf seinen Eigenen. Es fühlte sich angenehm an. Der Boden unter ihm schien zu beben. Seine Hände, die er instinktiv erhoben hatte, um Kôji von sich zu stoßen, klammerten sich wie von selbst nach halt suchend an ihn. Sein Kopf ruhte an Kôji's Schulter, seine Lippen waren denen von Kôji wehrlos ausgeliefert. Zögernd erwiderte er den Kuss. Plötzlich spürte er, wie Kôji's Zunge mit sanftem Druck Einlass suchte. Er ließ es geschehen, öffnete seufzend seinen Mund und hieß ihn ein. Vergessene Wonnen durchströmten ihn. Das Blut schien in seinen Adern quer durch den ganzen Körper schneller zu pulsieren. Sein Herz klopfte, als wolle es zerspringen. Allmählich schmolz der letzte Widerstand dahin. Ihm blieb gar keine andere Wahl, als dem verführerischen Spiel der Zunge zu folgen und darauf einzugehen. Während Kôji ihn küsste, begann seine rechte Hand ihn behutsam zu streicheln, dabei hielt er ihn mit links immer noch fest in seinem Arm, damit er nicht kraftlos zusammenbrach. Langsam zeichneten Kôji's Fingerspitzen Izumis Gesichtskonturen nach, wanderten ebenso langsam den Hals hinunter, tiefer hinab, bis er - wie aus Versehen - über Izumis Brustwarzen strich. Durch die dünne Stoffschicht hindurch bemerkte Takuto wie sich ein sinnliches Prickeln ausbreitete und jegliche Scheu vor Kôji's Berührung vertrieb. Ihm war inzwischen egal, dass Kôji wie er selbst ein Mann war. Er ließ sich fallen, wollte dieses Gefühl nur tief in sich aufsaugen, es sollte nicht vergehen. Noch fester schlag er beide Arme um Kôji’ Schulter. Dies hier war etwas ganz anderes als das, was er empfand wenn Minako ihn berührte. Dies hier war vielmehr eine Demonstration der Macht, einer Macht von deren Existenz er nichts mehr zu glauben gewusst hatte, einer Macht die Kôji über ihn ausübte, der er bereit war sich zu ergeben. Aber wie weit? Ihrer beider Atem beschleunigte sich immer stärker, so dass Kôji den Kuss abbrechen musste, um sich und ihn Atem schöpfen zu lassen. Doch er brach ihr „kleines Experiment“ hiermit keineswegs ab. Mit federleichten Küssen bedeckte er nun seinen Hals und hinterließ eine glühende Spur auf Izumis Haut. Takuto hatte schon lange die Augen geschlossen und genoss sichtlich Kôji's Zärtlichkeiten. Mit leicht geröteten Gesicht, einer brennenden Hitze die seinen gesamten Leib gefangen hielt und heftigen stoßweisen Atemzügen, bemerkte Takuto immer mehr wie ihm die Beine weg zu brechen drohten, doch Kôji hielt ihn eisern in seinem Arm, ließ es nicht zu, dass sich sein Izumi nun so einfach davon stehlen wollte.
Das leichte Dämmerlicht der gerade rot untergehenden Sonne schickte ihre letzten Sonnenstrahlen ins Zimmer und verzauberte dieses. Plötzlich hob er ihn hoch, trug ihn rüber zum Bett und legte ihn sanft darauf ab, wollte sich gerade über ihn beugen, als… „Nein… Kôji…nicht… bitte.“ Dieser hielt sofort inne, jedoch gab er ihn nicht frei. Takuto sah, dass auch Kôji indes zitterte, genau wie er selber. Aber bei Kôji schien es doch aus einem anderen Grund zu sein. Dieser konnte sich nur mit größter Willensanstrengung beherrschen, nicht augenblicklich über ihn her zu fallen. „Willst du wirklich, dass ich jetzt gehe, Izumi“, flüsterte Kôji ihm ins Ohr und knapperte zärtlich an seinem Ohrläppchen. „Ich sagte schon, ich verwandle mich nicht in ein Monster. Ein Wort und ich fasse dich nie wieder an. Willst du das, Izumi?“ Takuto schaute ihn verzweifelt an, ‚Nein’, das wollte er nicht. Aber… „Kôji… ich…“ „Dein Wunsch ist mir Befehl. Sag, möchtest du das ich gehe.“ „Nein… aber…“ „Ich verstehe… was wäre, wenn ich verspreche ganz brav zu sein? Darf ich dann… heute Nacht… hier bleiben, Izumi? Ich möchte über deinen Schlaf wachen. Will dich in meinen Armen halten, deinem Atem lauschen und nichts weiter, was du noch nicht wieder willst. Würdest du mir das heute Nacht zugestehen oder war unser kleines Experiment für dich ein Misserfolg?“ „NEIN!“, kam es sehr schnell von ihm. „Nein?“ Kôji verstand nicht, für einen Moment huschte ein Schatten über sein Gesicht. „… Das heißt, du darfst hier bleiben und es war kein Misserfolg. Ich habe keine Abneigung gegen deine Nähe.“ Takuto bemerkte plötzlich wie das Bett unter ihm nachgab, sah wie Kôji sich neben ihn legte, dabei auf den Ellbogen gestützt ihm gerade ins Gesicht blickte. ‚So nah, ich kann schon wieder seinen Atem spüren. Den Luftzug auf meiner Haut. Die Wärme schickt erneut dieses Kribbeln durch mich und doch…’ Kôji berührte sanft mit den Fingerspitzen seine Lippen, fuhr kurz darüber, beugte sich dann vor und erneut berührten seine Lippen zärtlich die von Takuto. Dieser wusste nicht wie ihm auf einmal wurde, da nicht nur Kôji's Lippen, sondern auch sein restlicher Körper sich ihm entgegenbeugte, er ihn feinfühlig in seine Arme zog und ihn sanft wie unbeabsichtigt mit seinem eigenen Körper an verschiedenen Stellen seines Leibes berührte. Diese wohlige Wärme erfasste ihn wieder ganz und gar, kroch in jeden Winkel seines Körpers, als hätte er ein starkes Narkotikum genommen. Seine Arme und Beine wurden immer schwerer und wenn er nicht bereits gelegen hätte, jetzt hätten sie ihm gänzlich den Dienst versagt. Er wurde willenlos, war nicht mal mehr fähig einen klaren Gedanken zu fassen. Sein Wille war gebrochen. Er war viel zu schwach, um sich aus dieser Lage zu befreien. Vage spürte er noch wie Kôji seinen Mund plötzlich freigab und seinen Griff lockerte. Takuto's Atem flog, und er wagte kaum, Kôji anzusehen, aus Angst er könnte seinen Zustand ihm viel zu früh offenbaren, bevor er sich selbst hundertprozentig sicher war, was er eigentlich wollte. Ein verstohlener Blick aus seinen Augenwinkeln verriet ihm aber, dass es nichts zu befürchten gab. Kôji lächelte ihn an. Seine Augen funkelten amüsiert und er hauchte ihm zärtlich ein „Danke“ entgegen. Dann legte er sich neben ihn, zog seinen Izumi zu sich in die Arme, fest umschlungen ruhte dieser jetzt auf Kôji's Schulter, schloss die Augen. Eine ganze Weile lagen sie so da. Keiner wagte ein Wort zu sagen, die Sonne war längst untergegangen. Das letzte Licht aus ihrem Zimmer verschwunden. Doch die Dunkelheit störte sie nicht. Dunkle Schatten konnte man noch erkennen, da ein Lampe - von draußen her - inzwischen ein paar einsame Strahlen durchs Fenster warf. Nicht hell genug um irgendwas näher betrachten zu können, aber doch so, dass es für sie beide ausreichend war. Langsam beruhigte sich ihr Atem wieder, der momentan der einzige Laut in dieser Stille und Dunkelheit war. Ganz unerwartet jedoch wurden sie aus ihrer trauten Zweisamkeit gerissen, als sie plötzlich ein Klopfen an der Tür wahrnahmen. Ruckartig, wie ertappt, saß Takuto im nu auf seinem Bett, wollte herunter springen, wurde aber von einer Hand daran gehindert. Mit der einen Hand Izumi festhaltend, streckte Kôji sich kurz um die Nachttischlampe anzumachen. Die Klinke wurde betätigt, doch die Tür blieb zu. Mit großen Augen sah Takuto Kôji an. Doch da hörten sie auch schon wer zu ihnen wollte: Katsumi. Kôji lächelte, „Er schafft es immer wieder. Dieser Mensch hat einen 7. Sinn für so was.“ „Takuto – Abendessen. Kommst du? Ach sag… ist Kôji bei dir? Ich kann ihn nirgendwo finden. Dann bring ihn doch bitte mit runter.“ Takuto spürte einen leichten Druck an der Stelle, wo Kôji ihn immer noch festhielt. Er sah ihn an, Kôji zeigte nur kurz bittend an, ihn nicht zu verraten. Takuto grinste. „Ich komme gleich.“ Dann entfernten sich langsam die Schritte von der Tür. Doch nun konnte er nicht länger ruhig sein. Er sah Kôji an. „Du hattest… wie du kamst… abgesperrt?“ „Nein, nicht richtig. Nur die Sicherung betätigt, nicht abgeschlossen. Nen Schlüssel hab ich nicht. Ich wollte mit dir alleine reden. Das hier war nicht geplant, wenn du es jetzt denkst. Nein, wirklich nicht, obwohl ich es mir schon die ganze Zeit über wünschte. Wie ich dich so verträumt da so sitzen sah, wollte ich nicht, dass er wieder reinplatzt und uns stört. Weißt du, so lieb Katsumi ist und so dankbar ich ihm für alles bin, was er für mich getan hat und tut, er hat echt ein Talent dafür, mich überall aufzuspüren, wenn er denkt, ich stelle gerade was an.“ Beide lachten herzhaft. „Und… hat er Recht?“ „Na ja nicht immer, aber er hat mich schon öfter erwischt, wie soll ich sagen, wenn ich dich in meinen Armen hielt.“ Kôji gab ihm noch einen kleinen Kuss auf die Wange, stand auf und zog den verdutzen Takuto dann hoch. Sie richteten schnell noch ihre Sachen und ihre Haare, machten sich kurz etwas frisch und gingen dann gemeinsam runter zum Essen. Mit einem Leuchten auf beiden Gesichtern betraten sie den Raum. Einem Leuchten, dass selber Katsumi nicht entgehen konnte, aber er sagte kein Wort.
TEIL 27Kurz bevor das Abendessen aufgehoben worden war, wurde Kôji ans Telefon gerufen. Da es scheinbar etwas Wichtiges war, ging er zum telefonieren nach draußen. Katsumi blieb derweil mit Takuto allein zurück. „Na, wie sieht es aus. Willst du die nächste Zeit hier bleiben… oder…?“ Viel weiter kam er nicht, denn schon hörte Katsumi die Antwort auf seine unbeendete Frage. „Also wenn ich niemanden zu Last falle… dann würde ich schon ganz gerne bleiben.“ Katsumi lächelte? „Du fällst hier ganz bestimmt niemandem zur Last. Du bist hier doch schon seit Ewigkeiten so gut wie zu Hause. Im Gegenteil, wenn du nicht da bist, fehlt hier was.“ Mit einem leichten Lächeln und einen mehr gehauchtem „Danke“, welches vor lauter Rührung nicht kräftiger zu hören war, blickte er Katsumi an. Dieser nickte nur. „Schön, dann bleibst du wieder. Ich freue mich.“ Wenig später verließ er den Raum, um die letzten Zeilen des Briefes zu schreiben, damit Katsumi ihn am nächsten Tag zustellen konnte. Dabei bemerkte er nicht, dass er durch eine offen stehende Tür mit den Blicken verfolgt wurde.
Kôji's Gespräch war indes noch nicht beendet. Im Gegenteil. Von der anderen Seite der Strippe wurde ihm gerade ein endlos langer Ablauf für seine nächsten Auftritte übermittelt. Doch er hatte kein Ohr dafür. Ängstlich beobachtete Kôji wie Izumi langsam die Treppe hinauf und in sein Zimmer ging. Er hörte wie die Tür geschlossen wurde. Mit seinen Gedanken war er überhaupt nicht bei der Sache und so legte er ungeachtet was der andere Teilnehmer wohl dazu sagen wird, den Hörer einfach auf. Takasaka der am anderen Ende bis dahin gewesen war, fielen fast die Augen auf dem Kopf, als er die Piepen hörte. Kurze Zeit wartete er, doch dann wählte er erneut, kam aber nicht durch, beziehungsweise erhielt nur ein Besetztzeichen, da der Hörer nicht richtig aufgelegt worden war und inzwischen halb daneben hing. Laut vor sich hin fluchend beschloss er am nächsten Tag persönlich vorbei zufahren, damit er ihn nicht wieder abwimmeln konnte.
Beklommen sah er noch eine Weile die Treppe hinauf. Vorhin, als er bei ihm geblieben war, war er versucht gewesen, die Gelegenheit zu nutzen, um etwas mehr über die derzeitigen Gefühle von Izumi heraus zu bekommen. Er wollte es endlich wissen, ob sie beide noch eine Chance hatten, wieder zu einander zu finden. Und sein Gefühl hatte ihn nicht betrogen. Es war möglich. Doch nun… Er war alleine hoch. Hatte nicht gewartet und Kôji war sich nicht mehr so sicher, ob er ihm wirklich folgen durfte. Er überlegte welchen Sinn es machte sich selber zu belügen. Jedes Mal, wenn er das Wort an ihn richtete, ihn mit einem seiner Blicke bedachte oder wenn Izumi einfach nur in seiner Nähe war, stellte er sich vor, wie es früher war. Wie es gewesen war ihn in den Armen zu halten und mit ihm… Er wollte in erster Linie seinen Izumi zurück, und das am Besten eher gestern und nicht erst morgen oder übermorgen. Mehr noch… Kôji wollte, dass Izumi ihn liebte und das auf jede Weise, der ein Mann einem anderem Mann gegenüber fähig war. Er begriff, dass es ihm nach Izumi mehr denn je gelüstete und dass er nicht dafür garantieren konnte, was geschehe, wenn er tatsächlich Izumi heute Nacht … die ganze Nacht… in seinen Armen halten dürfte. Doch was würde passieren, wenn er JETZT hoch zu ihm ginge? Schleppend langsam ging er die Treppe hinauf, wobei ihm jede Stufe so hoch vorkam wie zehn. Als er an Izumis Zimmertür vorbeikam blieb er kurz stehen, als er das Bett knarren hörte. Er hatte sich also womöglich schon hingelegt. ‚Soll ich… oder sollte ich lieber doch nicht…?’ Kôji war sich nicht ganz sicher. Vielleicht hatte er ihn vorhin auch nur überrumpelt? Seine Gedanken schwirrten durch die geschlossene Tür hin zu Izumi. Ob er wohl schon schläft. Dann kam ihm plötzlich ein komischer Gedanke: Was wenn er mitten in der Nacht aufsteht, sich anzieht und das Haus verlässt? Sein Blick verhärtete sich. ‚Nein! Niemals!’ Ruckartig drehte er sich um und erschrak fast zu Tode. Katsumi stand gerade hinter ihm. „Naaa?... Was heckst du schon wieder aus?... Dein Blick ist ja sehr düster…. Kôji! Was ist los?“ „Katsumi, wo sind die Schlüssel?“, fragte Kôji ihn und in seinen Augen funkelte es drohend. „Was für Schlüssel? Der Haustürschlüssel ist doch da wo er immer liegt. Außerdem hast du doch wohl einen Eigenen. Also?“ „Nein… nein…nein… den meine ich nicht. Die Zimmerschlüssel.“ „Wofür brauchst du… Nein. Das kann doch nicht dein Ernst sein. Du hast doch nicht etwa vor… Kôji! Lass das bleiben. Wenn du Takuto tatsächlich einschließen willst, dann verliert er das letzte bisschen Vertrauen was er in zwischen wieder gewonnen hat auch noch. Nein… Das lass ich nicht zu. Du schließt ihn nicht ein. NICHT in MEINEM Haus!!!“ „Aber wenn er…“, wollte Kôji gerade einwenden, als Katsumi den Kopf schüttelte. „Er bleibt, er wird nicht bei Nacht und Nebel das Weite suche. Keine Angst und nun sollten wir in unsere Zimmer gehen, hoffen wir das Izumi von unserem Gespräch nichts mitbekommen hat.“ Kôji nickte leicht. Und ging dann die paar Schritte zu seiner Zimmertüre. Katsumi blieb noch bis er dahinter verschwunden war, dann suchte auch er sein Schlafzimmer auf.
Doch Kôji hatte gar nicht die Absicht, so leicht aufzugeben. Er wollte ganz sicher sein, Izumi nicht wieder für so lange Zeit nicht sehen zu können. Deswegen schlich er leise zur Türe zurück und horchte, ob Katsumi noch da draußen stand. Alles war ruhig. Leise, unnötige verräterische Geräusche vermeidend, öffnete er vorsichtig die Türe und spähte hinaus. Draußen war kein Ton mehr zu hören. Auf leisen nackten Sohlen schlich er über den mit Teppichen ausgelegten Flur. Vor Izumis verschlossener Tür zögerte er erneut. Entweder zuschließen… oder… noch besser … Er überlegte, was Izumi wohl täte, wenn er sich jetzt in sein Zimmer schliche und zu ihm ins Bett huschte. Vielleicht war er bestürzt, vielleicht entsetzt… aber hatte er ihm diese Nacht nicht selber zugestanden? Er entsann sich der Art wie Izumi ihn noch vor dem Abendessen angesehen hatte… wie ihr kleines Experiment gelaufen war. Es hatte ihm selbst diese erfreuliche Hitze, aber auch Angst und Verlangen eingeflösst, welche er nicht unterdrücken konnte. Izumi hatte es ihm angesehen, dessen war er sich sicher. Trotzdem war er sich nicht sicher, ob er ihn willkommen heißen, ihn in seine Arme schließen und vielleicht nochmals küssen würde. Trotz aller Zweifel lag seine Hand bereits auf der Klinke und drückte sie vorsichtig nieder. Dann machte er sie vorsichtig auf und betrat Izumis Reich. Er konnte ihn im Bett liegen sehen, da der Mond den Raum mit seinem spärlichen Licht inzwischen erhellte. Er sah seinen dunklen Wuschelkopf auf den Kissen, seine entblößten Schultern und die langen muskulösen Beine, die von der verrutschten Decke nicht bedeckt wurden. Erneut zögernd sagte ihm seine Vernunft, er sollte eigentlich kehrtmachen und verschwinden, ehe Izumi erwachte. Aber er fand nicht die Kraft dazu, in sein eigenes Zimmer zurückzugehen. Immer weiter trieben ihn seine eigenen Füße, näherten sich immer weiter der Mitte des Zimmers, gingen wie von alleine weiter bis er neben Izumis Bett stand, in welchem dieser friedlich zu schlafen schien. Doch plötzlich sprang dieser auf, griff sich die Zudecke, um seine Blöße damit zu verhüllen und flüsterte erschrocken „Kôji? Was ist los?“ Unfähig zu sprechen und heftig pochendem Herzens schluckte der Angesprochene schwer und schüttelte den Kopf, während Izumi in der Zwischenzeit nach einem Wäschestück griff, welches zuoberst auf dem Stuhl neben dem Bett lag. Kôji verschlug es noch immer die Sprache. Sein Izumi lag völlig nackt im Bett. ‚Ob dass wohl nur an der schwülen Nachtluft lag, die sich immer noch nicht richtig abkühlen wollte? Was wäre wohl passiert wenn er zu ihm unter die Decke gekrochen wäre, während… oh mein Gott… ich mag gar nicht daran denken… „Warum bist du hier“, fragte Takuto ihn verwundert. Eine Zeitlang hing die Frage unbeantwortet in der Luft, derweil nur der Mondschein sich auf ihren Gesichtern widerspiegelte. Doch statt die Frage zu beantworten, ging Kôji auf ihn zu und zog ihn in seine Armee. Der darauf folgende Kuss war leidenschaftlich, und hemmungslos überließ Takuto sich den auf ihn einstürmenden Gefühlen. Er spürte Kôji's Zunge zwischen den Lippen, und seine wilden Zärtlichkeiten rissen ihn in einen Strudel des Verlangens, dem er nicht lange hätte widerstehen können, selbst wenn sein Verstand ihm was anderes einzuflüstern drohte. Jäh ließ Kôji ihn los und schob ihn sanft von sich. „Ich versprach brav zu sein. Ab jetzt halte ich mich daran.“ Takuto sah ihn fragend an und plötzlich… Kôji konnte erkennen, dass er sich an ihr Gespräch erinnert hatte. Doch Takuto hatte Mühe, die Tränen der Enttäuschung und der Scham zurückzuhalten, damit Kôji sie nicht bemerkte. Betroffen fragte er sich, war er getan hatte und was Kôji nun von ihm denken würde. Schließlich war ihr kleines Experiment ja als beendet erklärt worden. Vorsichtig hob er die Decke um Kôji zu zeigen, dass er einverstanden sei. „Aber wirklich BRAV sein.“ Kôji nickte. Schnell ließ er seine Kleidung, bis auf die Unterwäsche an Ort und Stelle fallen und kroch unter die Decke, nahm ihn in die Arme, gab ihm einen Kuss auf die Stirn und wünschte ihm eine Gute Nacht. Dann schloss Kôji mit einem leisen Seufzer die Augen. Takuto hingegen lag noch eine ganze Weile wach. Auch er hatte die Augen kurz nach Kôji geschlossen und tat so als ob er schliefe.
Endlich – eine lange Zeit war schon vergangen, es war inzwischen schon weit nach Mitternacht – fand Takuto endlich den Schlaf, den er so bitter nötig hatte. Kôji konnte nun die Augen wieder öffnen. Es war ihm sichtlich schwer gefallen den Schlaf über so lange Zeit vorzutäuschen ohne ihn jedoch wirklich gefunden zu haben. Plötzlich sah Takuto sich in einem großen feierlich ausgestatteten Saal wieder. Sein Blick irrte unstet darin umher. Er spürte, dass etwas nicht stimmte. Als einer seiner Blicke für einen Moment neben sich zur Ruhe kam, sah er ein Mädchen neben sich stehen. Sie war mit einer feierlichen Robe bekleidet, genau wie er auch, und sah ihn erwartungsvoll an Es war als ob Schleier vor seinen Augen fielen. Erst einer… dann noch einer und noch einer. Langsam erkannte er sie. MINAKO! Doch ihr Gesicht verzehrte sich für einen Augenblick. Dann war es wieder normal. Wie er nun die feierliche Runde überblickte, um festzustellen, wo er sich gerade befand, spürte er auf einmal eine innerliche Unruhe und eine eisige Kälte kroch von unten immer schneller zu ihm hinauf, welche ihn eine drohende Gefahr oder aber Unheil ankündigte. Wieder schweifte sein Blick über die vollbesetzten Stuhlreihen, auf denen sich viele bekannte und unbekannte Personen versammelt hatten. Wo war er nur? Warum befand er sich hier? Und vor allem WAS tat er hier? Es musste dafür einen Grund geben, aber er konnte nirgends etwas Entsprechendes entdecken. ‚Warum fühle ich mich auf einmal so seltsam?’ Fröstelnd umarmte er sich selbst, was natürlich die Kältre nicht vertrieb. Doch noch bevor er auch nur die Antwort auf eine seiner vielen Fragen fand, verschwand die hohe Decke des Raumes, wie durch Zauberhand. Erschrocken starrte er genau wie all die anderen Menschen nach oben. Er hörte entsetzte Schreie, war aber so gefesselt von dem Anblick, dass er nicht weiter darauf achtete. Während sich die Wände um sie herum langsam von oben nach unten hin auflösten, als ob riesige Schwärme Termiten darüber herfallen würden, klammerte sich die kreischende Minako schutzsuchend an ihn fest. Doch wie in Trance schien er von dem Schauspiel gebannt zu sein. Dann spürte er, dass etwas FALSCH war. Minako war falsch. Sie durfte nicht hier sein. Er löste sich aus seiner Starre, sah mit einem vernichtenden Blick auf das zitternde Etwas, welches verzweifelt an ihm hing hinab und versetzte ihr einen Stoß, so dass sie mit einem entsetzten Aufschrei und riesigen Augen rücklings die Stufen hinunterfiel. Erst jetzt bemerkte er, dass sie Beide - bis eben - weit über den anderen gestanden hatten. Er sah auf die Köpfe der anderen unter sich hinab. ‚Aber wieso stehe ich soweit über ihnen? WAS IST HIER LOS? WO bin ich? Warum wache ich nicht endlich auf. Das ist nur ein Traum… ein TRAUM… ein ALBTRAUM… oder?’ Sein Blick irrte weiter durch den Raum. Aufmerksam beobachtete er das Geschehen, während die Kälte immer tiefer in ihn vordrang. Er suchte etwas… oder irgendwen… konnte dieses oder diese Person aber nirgends entdecken. Dann plötzlich… Die Termitenschwärme hatten die Wände FAST zu zwei Drittel nieder gerissen… sah er unerwarteter Weise draußen – vor der riesigen Holztüre, die eigentlich eher nach einem gigantischen hölzernen Burgeingang aussah, als wie eine Tür zu einem feierlichen Saal – eine weitere Person. Ja da war noch jemand. Nicht hier drinnen, sondern draußen. Aber wieso sah er ihn? Die Wände waren doch noch hoch genug um ihn zu verdecken. Erahnte er diesen Fremden nur? Oder war er tatsächlich da? Doch da war jemand. Nun konnte man so was wie einen Haarschopf erkennen, wenn man genau hinsah. Er sah in die Runde aber er konnte niemanden zu sich rufen um ihn zu fragen, ob derjenige dasselbe sah. Denn wie er jetzt feststellte, waren die Stufen am Fundament ganz plötzlich und wie aus heiterem Himmel von lauter kleinen Flammen umgeben. Woher sie die Nahrung für ihre Kraft nahmen, konnte er sich nicht erklären. Nur dass er und Minako, die immer noch auf den Stufen lag, inzwischen von ihnen eingeschlossen worden waren. ‚Wie ein ALTAR’, schoss es im durch den Kopf. Die Flammen waren noch klein würden ihm hier oben vorläufig nichts tun. Also wandte er den Blick wieder ab, sah dahin, wo es für ihn im Augenblick am Interessantesten schien, zu der schweren großen Holztür, wo er erst jetzt bemerkte, dass sie mit einem wuchtigen riesenhaften Holzriegel verschlossen worden war. Außerdem hingen noch eine mächtige Eisenkette und ein daran hängendes Schloss von innen an der Tür. ‚Wer mag die bloß angebracht haben. Da benötigt man ja einen Riesen für.’ Deshalb waren die Menschen also noch hier drin und nicht schon längst geflohen. ‚Doch was wollte ER dort draußen? Warum…, will er hier rein? Wer ist er?’ Das Gesicht konnte er noch immer nicht erkennen. Genauso wenig wie die Haarfarbe. Alles was er mit weit aufgerissenen Augen feststellen konnte war, dass diese Person, irgendwie in zerfetzten Kleidern da stand, die mehr zeigten, als versteckten und dass er scheinbar keine Angst vor den Termiten hatte. Aber er stand nicht einfach nur da sondern er … ja er hämmerte mit seinen Fäusten in die Schwärme hinein, versuchte das stabile Tor zu zerbrechen, bevor die Termiten hinein gelangten. Moment, dachte Takuto, warum gehen diese Wesen nicht einfach über die Wände, wenn sie hier hereinwollen? Sie haben doch schon so viel nieder gefressen, dass sie eigentlich eindringen könnten. Sogar alle mit einmal. Aber irgendwas hält sie auf. Diese Person da? Wer ist das? Was macht er da.’ Warum er davon ausging, dass diese Person überhaupt ein Mann war, konnte er nicht genau sagen, aber er hatte es im Gefühl. Vielleicht weil er gerade sah, wie Minako sich auf allen vieren die Stufen wie im Schneckentempo wieder zu ihm hochzog, um dem Feuer zu entgehen. ‚Nein, sie würde bestimmt nicht so mutig sein und da draußen seelenruhig stehen bleiben und den Leuten hier drin zu Hilfe eilen wollen. Er konnte das Gesicht über diese Entfernung hin immer noch nicht sehen, obwohl die Wände es inzwischen nicht mehr verdeckten. Er riss seine Augen weiter auf, aber es half nichts. Er war einfach zu weit entfernt. Wie er nun hinunter sah und überlegte, ob er die Stufen hinabsteigen sollte, um ihm von innen her zu Hilfe zu eilen, bemerkte er mit erstaunen, dass die Flammen unten höher standen, als noch vor wenigen Minuten. Oder waren inzwischen schon Stunden vergangen? Aber woher nahmen dies Flammen die Energie um brennen zu kennen. Sie waren immer noch unten vor der letzten Stufe, waren die Stufen noch nicht höher geklettert, nur die Flamme selbst war erheblich angewachsen. Dann… einige Zeit später… fielen die Wände komplett den Termitenschwärmen zum Opfer. Eingekreist durch die wirbelnden Massen dieser Insekten, wurde das Geschrei um ihn herum immer lauter, undurchdringlicher. Minako hatte sich wieder die Stufen hinauf geschleppt. Besser gesagt war sie wie ein Häufchen Elend auf allen vieren zu ihm gekrochen und klammerte sich nun mit beiden Armen an seinen Beinen fest. So als sei er ihre einzige und letzte Hoffnung, um dass hier alles lebend zu überstehen. ‚Hoffnung? Hoffnung auf was eigentlich? Wie sollten sie hier je wieder heraus kommen. Die Flammen waren inzwischen so hoch um sie herum, wie zuvor wohl die Wände fast waren. Es war, als ob die Flammen genährt worden waren, mit dem was die Termiten verzehrt hatten. Aber warum standen die Flammen immer noch. Sie waren wie eine Mauer, die ihn zwar trotz allem hin und wieder –bei einem unruhigen Flackern – einen Blick nach außen tun ließ, ihn aber zugleich beschützte und auch gefangen hielt. Beschützte vor dem Eindringen dieser fressenden Bestien. Denn diese würden es nicht wagen. Gefangen hielt, weil selbst wenn der Unbekannte inzwischen den Saal betreten hatte, er nicht zu ihm durchdringen konnte. ‚Wollte der es denn überhaupt?’ Ihn berührte das inzwischen alles nicht mehr. Hoheitsvoll geradlinig und eiskalt stand er als einziger inzwischen von totaler innerer ruhe erfasst oben auf der obersten stufe. Minako lag eine Stufe tiefer. Getraute sich nicht die letzte ebenfalls zu erklimmen, so als ob sie dann sofort wieder von ihm gestoßen werden würde. Also klammerte sie sich an dass was er ihr bereitwillig gewehrte, während sie unter ihm lag. Warum eigentlich, gewehrte er ihr diese Gunst? Wollte er sie nicht den Flammen übergeben? Befürchtete er ein weiterer Stoß von ihm würde sie in diese versinken lassen? Er ertappte sich dabei, wie er darüber nachdachte, was dann geschehen würde. NEIN! So gemein kann ich nicht sein. Das würde ich nie tut. Hier stimmt was absolut nicht. irgendwas versucht Macht über mich zu bekommen. Eine Macht die ich bereits habe und nicht weiter will. Etwas was mich zerstören kann, wenn sie falsch… NUR ein TRAUM… EIN ALBTRAUM… denk nicht weiter darüber nach. WACH ENDLICH AUF… ich will nicht mehr schlafen. Aber noch war es nicht an der Zeit zu erwachen. Sein Blick suchte durch die Flammenwand hindurch den Unbekannten. Verwehrten ihm bis jetzt Nebelwände wie Schleier den Blick auf dessen Antlitz, so war es nun dass zuckende Feuer rund um ihn her. Endlich fand er ihn, sah wie dieser sich auf die Flammenhölle zu bewegte, die Menschen nach rechts und links von sich stieß, ohne Rücksicht auf sie. Sie sich jedoch weiter an ihn klammerten, ihn anflehen, doch IHNEN zu helfen… das hinter den Flammen sicher nichts mehr sei, was gerettet werden konnte… das dort bereits alles verbrannt sein müsste. Takuto bemühte sich immer mehr das Gesicht der Person zu erkennen. Er wollte endlich wissen, wer es war. Warum er auf der anderen Seite dieses Infernos stand und zu ihm durchdringen wollte. Plötzlich traf es ihn wie ein Blitz. Wieso zu IHM? Vielleicht wollte der Fremde ja auch zu Minako? Einen Augenblick zögerte er sah wie die Flammen scheinbar kleiner wunder. Der Fremde schrie entsetzt auf, als er sah, wie die Termitenschwärme nun auf das Feuer wieder zurasten. Nein!’ schrie es plötzlich in ihm. ‚ Nicht zweifeln, nicht verzweifeln, dann bist du verloren. Die Biester WOLLEN DICH, nicht die anderen. Sie sind deinetwegen hier. Das heißt er will zu dir… nein zu MIR. Im nu stiegen die Flammen wieder an. Im letzten Moment waren die feindlichen Massen aufgehalten worden. Einige von ihnen verbrannten mit schrillen schreienden Geräuschen im Feuer, andere wurden von den Feuerzungen die sich nach ihnen ausstreckten zurückgezogen und verbrannten ebenfalls. Er war wieder sicher. Takuto hörte wie der Unbekannte auf der anderen Seite einen tiefer Seufzer ausstieß. Irgendwie hatte er dass Gefühl, dass er ihm voll und ganz vertrauen konnte, dass dieser ihm nichts böses Tun würde. Das er zu seinem Schutz da war… Ein vertrautes Gefühl kletterte langsam zu ihm hoch, versuch sein Herz zu erreichen, doch er war immer noch zu sehr von der Eiseskälte erfasst, als dass er dieses wage Gefühl bis ganz zu sich hinauf ließ. Trotzdem sagte ihm eine Stimme, tief in seinem Inneren, immer wieder ein Wort… vertraut… vertraut… vertraut… vertraue ihm… Und doch war er für ihn ein Fremder, ein Wesen ohne Gesicht… Als sich jedoch die wirbeligen Insektenschwärme ganz plötzlich, wie auf ein geheimes Kommando hin, umwandten und sich auf IHN stürzen wollten, riss er entsetzt die Augen auf. Sein Herz drohte ihm stehen zu bleiben und sein entsetzlicher Schrei erfüllte die Luft: „NEIN! NICHT IHN!!!“ Takuto saß zitternd und schweißbedeckt aufrecht im Bett. Er konnte sich gar nicht beruhigen. Einige Zeit später bemerkte er, dass ihm Tränen lautlos über die Wange liefen und auf die Bettdecke tropften, welche sich ebenfalls schon ganz nass anfühlte. ‚Was war das? Was für ein Albtraum… Hatte er irgendetwas aussagen wollen? Wer war die Person…’ Da bemerkte er erst das Kôji tröstend die Arme um ihn gelegt hatte. „Hast du öfter solche plötzlichen Alpträume?“ Wenn ich das eher gemerkt hätte, dann hätte ich dich wecken können.“ Doch Takuto reagierte immer noch nicht und Kôji sah ihn sorgenvoll an.
Nach einer Weile versiegten die Tränen jedoch und er wurde wieder ruhiger. „Willst du mir erzählen, was du geträumt hast, vielleicht wird dir dann ja leichter?“, schlug Kôji ihm vor. Erst überlegte Takuto, doch dann begann er zu erzählen.
„Hmmm…“, kam es nun von Kôji. „Hast du in etwa ne Vorstellung was das bedeuten könnte?“ Takuto schüttelte den Kopf. „Nein, müssen denn Träume immer irgendeine Bedeutung haben? „Nein müssen sie nicht… aber sag mal Izumi, könnte es sein, dass du innerlich total aufgewühlt warst?“ Nun nickte dieser. „Ja, ich konnte erst nicht einschlafen. Viele Gedanken gingen mir durch den Kopf.“ „Minako?“, fragte nun Kôji. Takuto stutzte. „Nein eigentlich… sie nicht.“ „Aha… eigentlich…, ich denke mal … ich weiß was du geträumt hast.“ „Ha – ha. Ob ich dir das gerade erzählt hab?“ „Nein, nein. Du verstehst mich falsch. Ich denke mal, ich weiß vielleicht die Bedeutung.“ „Du meinst dieses große Chaos hat was zu sagen? Kôji du spinnst.“ „Willst du es hören oder nicht?“ „Ich weiß nicht, sollten wir nicht weiter schlafen?“ „Wie du meinst.“ Mit diesen Worten legte er sich wieder hin. Takuto legte sich daneben und Kôji zog die Decke über sie Beide.
Doch Takuto konnte nicht wieder einschlafen. Immer wieder sah er einige der Traumbilder im Geiste vor sich. ‚Ob Kôji wohl wirklich wissen könnte, was das zu bedeuten hat? FALLS es WAS zu bedeuten hat?’ Laut seufzte er auf. ‚Ob ich ihn frage?’ Ein Blick zur Uhr zeigte ihm, dass er bereits seit bestimmt einer dreiviertel Stunde gegrübelt hatte. Kôji's gleichmäßiges Atmen hingegen ließ ihn glauben, dass dieser schon längst wieder schlief. Also rückte er sich zurecht, suchte dessen Nähe in der Hoffnung, dass die Wärme die Bilder vertreiben würde und kuschelte sich dichter bei ihm an. Doch Kôji schlief nicht. Als er den herzzerreißenden Seufzer hörte, wollte er gerade die Augen öffnen, als er… ‚Izumi??? Oh…’, beinahe hätte er vor Überraschung die Augen weit aufgerissen, ‚…das kann ich mir nicht entgehen lassen. Wie sehr hab ich deine Nähe in der letzter Zeit vermisst.’ Also blieb er liegen und legte nur - wie im tiefsten Schlummer - seinen linken Arm über Izumi, während seine Hand oberhalb von Izumi seinem Bauchnabel zur Ruhe kam und diesen sanft an sich drückte. Wenige Augenblicke war Takuto in Kôji's Armen ruhig eingeschlafen. Währenddessen genoss Kôji seine Nähe und bewachte bis zum baldigen Morgen Izumis Schlaf. Kurz vor der Morgendämmerung holte ihn jedoch der Schlaf ein.
Plötzlich bekam er einen Stoß in die Rippen, als Takuto sich drehte. Augenblicklich was er wieder hell wach. „Na hattest du noch so einen Traum?“, fragte Kôji ihn, doch dieser schüttelte den Kopf und bemerkte er jetzt den Arm, der ihn an Kôji gedrückt hielt. Seine Gesichtsfarbe wurde auf einmal ein Ton roter und leise kam ein „Nein“. Er konnte sich an nichts dergleichen erinnern. Eine Weile sahen sie sich in die Augen, dann nahm Takuto Kôji's Arm, legte ihn wieder zu seinem Besitzer zurück und rückte im Bett hoch, um sich aufzusetzen. Nun musste er doch lächeln. Er benahm sich wie eine affektierte Jungfrau vor ihrem ersten Mal und dennoch akzeptierte Kôji es, so wie es war. Takuto atmete befreit auf. Kôji indes folgte seinen Bewegungen erstaunt, aber auch bedauernd, dass er der wundervollen Nähe Izumis beraubt wurde. Als Izumi bequem an der Lehne des Bettes, in sein Kissen angelehnt, saß, sah er neugierig zu Kôji und konnte so für einen Moment die Betroffenheit in dessen Gesichtszügen lesen. Sanft strich er ihm über den Haarschopf und als er seine Hand wieder zurücknahm, setze Kôji sich ebenfalls auf. Einen Augenblick sahen sie sich Aug’ in Aug’ gegenüber, doch dann brach Takuto die Stille. „Kôji?“ „Hmmm?“ „Sag mal, weißt du wirklich was es bedeuten könnte?“ „Du meinst deinen „Albtraum“?“ „Ja…“ „Vielleicht. Ich bin mir nicht ganz sicher.“ „Was meinst du damit?“ „Na ja… hast du schon mal was von einem Seelengarten gehört?“ „Nein… was ist das?“ „Na ja eigentlich kommen in einem Seelengarten ja keine Personen vor, nur all das… was man in einem Garten so findet. Und man sagt: der Zustand eines solchen Gartens den man sich in seiner Fantasie vorstellt, sagt etwas über den Zustand der Person aus, welche ihn vor sich sieht und ihn betritt. Ist also der Garten prächtig anzusehen, alles gedeiht prima und sieht gepflegt und ordentlich aus, dann steht es auch mit der Person und ihrem Seelenfrieden gut. Sie ist glücklich mit ihrem Leben und alles läuft für sie bestens. Hingegen ist dieser von Unkraut überwuchert, oder die Pflanzen wachsen wild durch die Landschaft, Zierbrunnen oder Teiche sind vertrocknet oder verschlammt, bei Gewächshäuser die Fensterscheiben eingeschlagen oder sie sind undicht, so dass die darin lebenden Pflanzen verdorrt sind… dann stimmt so einiges nicht und er/sie muss dafür Sorge tragen, dass der Garten wieder in Ordnung gebracht wird. Um es kurz zu sagen, jedes dieser Details hat so seine Bedeutung und die muss man für sich herausfinden. Na ja und ich denke so etwas Ähnliches hat es auch mit deinem Traum auf sich. Irgendwie hast du im Traum das versucht zu verarbeiten, was du die Tage seit deinem Gedächtnisverlust über so erlebt hast. Du zweifelst an dir, an den anderen, weißt nicht so recht was los ist und dein Unterbewusstsein, spielt dir auf diese Weise die Realität vor. Alles Klar? Nur… ist es halt kein Garten, sondern du hast dir einen eigenen Ort erstellt, um dir deine jetzige Situation vor Augen zu führen.“ „Also jedes Detail, in diesem Fall vielleicht auch jede Person, sagt was aus?“ „Ich denk mal ja… wollen wir es eventuell versuchen?“ „Ja…“ „Also mal sehen ob wir es hinbekommen… fangen wir mal bei den Personen an. Die festliche Kleidung und das geschmückte Umfeld stehen bestimmt als Sinnbild für die bevorstehende geplante Hochzeit, vielleicht auch noch für die erste missglückte… aber ich denke eher für einen erneuten Versuch… Die vielen Leute die mit dir eingesperrt sind, sehen daraus nur ihren Vorteil dir die Wahrheit zu verheimlichen… Hmmm… Die Mauern, das riesige Tor mit Schloss und Riegel sind die Lügen, welche alle um dich herum aufgebaut haben, um dich so von der Welt um dich herum zu isolieren und … na ja um das zu erreichen, was sie gerne anstreben möchten. Ohne Rücksicht darauf zu nehmen, was du eigentlich selber willst. Oder hat dich in den letzten Wochen irgendwer danach gefragt?“ Takuto schüttelte den Kopf. „Und was ist mit den Stufen, dem Feuer, diesen fressenden Termiten…?“ „Diese Stufen auf denen du stehst… und die dich über die Anderen erheben sind eigentlich die Abgeschiedenheit und Unwissenheit in der sie dich lassen. Diese Trennung, ja nicht mit anderen Leuten sprechen zu dürfen, damit die Sache nicht auffliegt. Die Einzige die zu dir darf, weil sie eingeweiht ist, ist eben Minako. Die Sache mit Minako denke ich mal brauche ich nicht näher zu erklären, dass hast du so verstanden. Du selbst fühlst dich in ihrer Nähe nicht mehr so wohl, wie früher… als ich dich beobachtete, wurde es mir deutlich klar. Du suchtest die Ruhe und Abgeschiedenheit um deine Gedanken zu ordnen und hattest ständig diese Klette um dich herum…. Das Feuer welches sich schützend zwischen dir und den anderen aufbaut, könnte die Wahrheit sein, welche Katsumi und ich dir erzählt haben… oder… nein das wäre sogar besser… eine Art Schutzmauer welche auf der Wahrheit beruht, welche du dir aber selbst errichtet hast. Im gleichen Maße wie die Lügen bröckeln, so baut sie sich auf, derweil du anfängt zu sehen, was um dich herum geschieht. Aber da du deine Erinnerung noch nicht zurück hast, siehst du halt nichts deutlich. Als du aber zu zweifeln beginnst, fällt diese Schutzmauer zusammen bzw. droht zu verlöschen. Katsumi und ich sind zur Zeit doch die Einzigen die in der Lage sind dich mit der richtigen Wahrheit zu konfrontieren… Und gib es zu…, du zweifelst oft daran ob WIR dir auch wirklich die Wahrheit sagen.“ Takuto wollte gerade zur Widerrede ansetzen, als Kôji seine Hand erhob und seinen Zeigefinger an seine Lippen legte. Ihm damit gebot ihn aussprechen zu lassen. „Sag nichts… ich weiß… ich würde mich vielleicht selbst so verhalten, wenn es mir passiert wäre. Es ist schwer die Lüge von der Wahrheit zu trennen, wenn man nicht weiß, was die Realität wirklich war. Also weiter: Diese Termiten sind eigentlich die WORTE des Fremden…. Silbe für Silbe ergeben sie eine ungeheure Macht und Menge. Denn wieso sollten sich die Biester sonst nicht gegen ihn wenden, wie er mit ihnen noch draußen stand?...“ Takuto guckte ungläubig. Doch Kôji lächelte nur, er konnte die Zweifel in Izumis Gesicht mehr als deutlich lesen. „Du fragst dich jetzt, warum sie sich am Schluss auf einmal gegen ihn gewandt haben? Es gibt immer Leute, die jemandes Worte verdrehen. Anderseits wie solltest du sonst denn die Wahrheit erkennen… Dieses >Nein< beim Aufwachen zeigt doch, dass du begriffen hast, wer auf deiner Seite steht, auch wenn du immer noch nicht weißt, wer dieser jemand ist. Hab ich irgendwas vergessen?“ „Ich wüsste in Moment nicht… aber doch…ja… den gesichtslosen Fremden selbst.“ „Tja… wer das sein könnte, dass musst du schon selbst herausbekommen. Frag dein Herz… vielleicht findest du dann die Antwort.“ Mit diesen Worten legte er sich wieder hin, wartete darauf dass sein Izumi es ihm gleich tat und schlug die Decke erneut über sich und ihn.
TEIL 28Am nächsten Morgen… Mehrere Vögel trällerten froh ihren Morgengruß. Der Wind säuselte sanft in den Zweigen der Bäume. Die Sonne stand bereits hell am Himmel und es versprach ein schöner Tag zu werden, zumal für den heutigen Tag mal keine Untersuchungen oder Arzttermine angesetzt waren.
Katsumi würde auch heute wieder den Großteil bei den Gerichtsverhandlungen mit dabei sein. Er und Kôji hatten ihre Aussagen gemacht, und wegen ihrem angegriffenen Gesundheitszustand, um die Heilung nicht durch Stress zu unterbrechen, durften Beide weiteren Verhandlungen fernbleiben, mit Ausnahme es würde irgendwas Schwerwiegendes passieren, dass ihre Anwesenheit unumgänglich machen würde. Was Beide aber nicht wussten war, dass Katsumi parallel zur Durchsetzung von Kôji's gewünschter Namenänderung von Kôjiro ganz offiziell in Kôji momentan auch Kôji's Vergangenheit bei Gericht aufklärte. Da Hirose bei dem Anschlag auf Kôji's Leben die Verfolgungsjagd nicht überlebt hatte und Akihito ebenfalls als Erbe der Nanjo’s ausfiel, wollte er dass Kôji endlich als rechtmäßiger Erbe eingesetzt wurde. Volljährig war er ja inzwischen und die Kriterien des Vaters würden auch endlich erfüllt werden. Kôji hatte zwar keine Ahnung von dem Nanjo-Imperium, aber Katsumi würde ihm schon jemand Fähigen zur Verfügung stellen können. Die Hauptsache war erst mal, dass Kôji's Erbe endlich geklärt wurde. Er wollte seinem Schützling eben helfen so gut er konnte und alle dafür nötigen Unterlagen hatte er bereits in den vergangenen Monaten zusammengetragen.
Plötzlich schrie an diesem wundervollen Morgen ein Erpel laut nach seiner Partnerin und zerstörte damit die Harmonie dieses herrlichen Morgens.
Doch während sich Katsumi bereits im Gerichtssaal „herumtrieb“, öffnete Kôji langsam die Augen und blickte in ein Gesicht, welches ihn anlächelte. „Guten Morgen“, kam es fröhlich und Kôji antwortete darauf einfach nur mit einem zärtlichen Lächeln. „So früh schon wach?“ „Hmm… Schon länger du Schlafmütze.“ „Bin keine Schlafmütze“, maulte Kôji. „Ach ne? Was denn?“ „Ich lag nur so lange wach, hatte Angst das alles nur ein Traum ist, ich aufwache und du bist nicht da.“ Takuto gab ihm einen kleinen Stüber. „Was machen wir heute?“ „Weiß nicht… ach doch, du hast frei ne? Ich weiß was Schönes. Etwas was du sicher schon vermisst hast, jedenfalls ohne das du vorher… nicht hättest leben können.“ „Etwas, ohne das ich hätte nicht leben können? Du machst mich neugierig. Was ist das?“ „Lass dich überraschen. Ich weiß, ich werde das bereuen, aber irgendwann würdest du von alleine draufkommen, dass dir NOCH was fehlt. Bis jetzt warst du nicht in der Lage dazu, aber der Arzt gab mir das Okay. Du darfst dein früheres Leben wieder aufnehmen, noch nicht gleich in die vollen, aber anfangen.“ „Du sprichst immer mehr in Rätseln.“ „Lass dich überraschen, du wirst es bald merken, vielleicht bringt auch das dir dein Gedächtnis zurück. Mal sehen. Aber versprich mir was?“ „Was?“ „Übertreibe nicht gleich. Wenn du merkst, dir wird schwindelig oder was auch immer, hör auf. Egal ob Ende ist oder nicht. Merke ich was, zerre ich dich sonst runter. Egal was die anderen sagen.“ „Das hört sich aber mysteriös an.“ Kôji lächelte nur traurig. Er wusste dass er, wenn Izumi seine Leidenschaft wieder entdeckt hatte, er ihn wieder seltener sah. Aber das musste er in Kauf nehmen, er wollte ihre Freundschaft nicht wie seine Familie auf Lügen aufbauen. ~*~ Wenige Minuten später verstaute Kôji eine große Reisetasche im Gepäckraum seines Wagens, ungesehen von Takuto, der derweil noch die Sachen anzog, welche Kôji ihm rausgelegt hatte. Ohne weitere Fragen zustellen, die Kôji - wie dessen Blick ihm verriet - auch JETZT nicht beantworten würde, setzte er sich zu ihm auf den Beifahrersitz und los ging’s, einem neuen oder wie Kôji sich ausgedrückt hatte, einem wichtigen Punkt in SEINEM bisherigen Leben entgegen. ~*~ Endlich kamen sie an. Vor sich sah Takuto ein großes Stadion. Eine Weile blieb er stehen, starrte das große Eingangstor an. Kôji jedoch ergriff ihn am Arm und zog seinen Izumi mit sich, gab dem am Tor stehenden Ordner ihre Freikarten und sie traten ein. Zielsicher steuerte er den Ort an, wo Katsumi und er schon öfter gesessen hatten, um seinen Izumi beim Spiel zu beobachten. Dieses Mal würde er mal neben ihm sitzen und nicht Katsumi, schoss es Kôji durch den Kopf. ‚Diesmal ist es alles anders als sonst.’ Takuto nahm seinen Platz ein und sein Blick streifte über die Menschenmenge. ‚So viele… Eine Unruhe erfasst mich plötzlich… tief in mir drin… Schmetterlinge im Bauch…? Kribbeln…. in den Beinen?… Was ist das nur?!’ Wieder zog ihn die Menschenmenge magisch an. Kôji unterdessen sah die Menge nicht. Wie gebannt saß er neben ihm und beobachtete die kleinste Regung von Takuto. ‚Ob ihm dies die Erinnerung zurückbringt?’ Doch nichts geschah – nur ein verwirrter Blick war auf seinen Gesichtszügen zu erkennen. ‚Nur fragendes Erstaunen… Sie hatten ihm wirklich nichts erzählt… Wie wird er das nachher auffassen?’ Endlich regte sich was auf dem Feld. Das Spiel der 1. Halbzeit verging fast wie im Flug für Takuto. Für Kôji der indes jedoch nicht auf den Spielverlauf achtete, schlich die Zeit quälend langsam dahin. Andauernd behielt er Takuto und seine Uhr im Auge. Einerseits um eine erkennende Regung seines Izumis nicht zu verpassen, andererseits um den abgesprochenen Zeitpunkt nicht zu versäumen. Der Trainer mit dem er sich unterhalten hatte, meinte damals nur, es sei wie Fahrradfahren. Einmal gelernt vergisst man es nicht wieder. Stehe er auf dem Platz, würde er von ganz alleine wissen was zu tun sei. Darauf stütze sich jetzt Kôji. Trotzdem hatten sie vereinbart ihn erst ne Zeit zusehen zu lassen, um so vielleicht seine Erinnerung zurück zuholen. Als der besprochene Zeitpunkt gekommen war, griff Kôji unter seinen Sitz und holte die Reisetasche heraus, dann beugte er sich zu Izumi und flüsterte: „Izumi… wir müssen los.“ „Los? Aber…“ „Komm einfach mit, du wirst schon sehen.“ Kopfschüttelnd stand der Angesprochene auf und folgte wortlos Kôji, der mit ihm zu den Treppen verschwand. Auf dem weiteren Weg versuchte Takuto es noch mal. „Ich dachte wir wollten uns das Spiel ansehen? Wieso hast du es plötzlich so eilig hier weg zu kommen?“ „Komm einfach mit, bitte Izumi.“ Wieder schüttelte Takuto nur seinen Kopf. Doch dann bemerkte er, dass sie gar nicht zum Ausgang hin gingen und wurde neugierig. Ein fragender Blick zu Kôji, doch dessen Lippen blieben wie versiegelt. Fragen brauchte er ihn also nicht mehr, umso mehr hoffte er, er würde es gleich erfahren. Als sie an eine Tür kamen auf welcher „Durchgang verboten“ stand, klopfte Kôji dreimal kurz hintereinander an und Takuto hörte wie der Schlüssel sich kurze Zeit darauf im Schloss umdrehte, so als ob sie erwartet wurden. Wenig später stand er in einer Umkleidekabine. Nun wurde es ihm aber doch zu dumm. ‚Was wollte Kôji denn hier mit ihm.’ Er packte diesen am Arm und drehte ihn zu sich herum. „Ich möchte jetzt endlich wissen was HIER gespielt wird.“ „Fußball?“, kam zaghaft von Kôji. „ACH JA? Also dass HIER Fußball gespielt wird, dachte ich mir schon. Schließlich haben wir uns bis eben ein Spiel angesehen, aber… DAS war eigentlich nicht meine Frage. SONDERN… WAS… SOLL ICH… HIER!!“ „Spielen?“ „WAAAASS? Spinnst du nun total? Ich KANN da doch nicht mitspielen? Lass deine Witze KÔJI, ich will wissen was ich hier soll.“ „Du hast schon richtig verstanden“ Mit diesen Worten stellte er die Tasche auf die Bank und öffnete den Reisverschluss, zeigte ihm sein Trikot. „Heißt das…“ „Ja, normalerweise sitzt du nicht zwischen den Zuschauern, sonder nur ich… manchmal zusammen mit Katsumi Du hingegen stehst unten auf dem Feld, lässt dich nach jeden erzielten Treffer vom Publikum feiern und führst DEIN Team zum Sieg.“ „IIIICH?... Aber wieso… wieso hat mir das keiner gesagt.“ „Wieder eine lange Geschichte, zu der wir im Moment keine Zeit haben“ Endlich mischte sich der Trainer, der noch immer neben ihnen stand ein. In einem kurzen Gespräch mit diesem erfuhr Takuto, dass er VOR seinem Gedächtnisverlust einer seiner besten Spieler war und dass er ihm die Möglichkeit bietet, bei diesem Freundschaftsspiel - bei dem seine Mannschaft der Gastgeber war - in der 2. Halbzeit einfach mitzuspielen. Erstaunen drückte Takuto's Gesicht aus. Aber nach anfänglichen Zweifeln, erklärte er sich bereit aufs Feld zu gehen. ~*~ Am Ende des Freundschaftsspiels hatte die Gastgeber 3:2 verloren. Takuto war enttäuscht und bemerkte nicht wie unaufhaltsam er die Fehler, welche die beiden Mannschaften gemacht hatten, aufzählte und wie einseitig seine Diskussion diesbezüglich… vom Unkleideraum zum Auto… und auch später die Fahrt nach Hause und den Weg bis zu Katsumis Haus… eigentlich war. Er redete sich immer weiter in Rage, und Kôji saß nur stumm da und schmunzelte leicht vor sich hin. Wenn dass nicht sein Izumi war, auch wenn er sich noch immer nicht erinnerte, er kam langsam wieder zu ihm zurück und wurde der Alte. Aber seine Augen wirkten zugleich auch traurig. Er hatte sich eigentlich von der Sache her mehr erhofft. Als ob er geahnt hatte, dass alleine vom zusehen her, die Gedächtnislücken sich nicht schließen ließen, hatte er ja auch alles heimlich mit Izumis Trainer abgesprochen. Seine letzte Hoffnung an die er sich geklammert hatte, war wie eine Seifenblase im Wind zerplatzt. Einfach so. ‚Und nun…? Wie geht es nun weiter? Welche Chance haben wir noch, um ihm die Erinnerungen so schnell als möglich zurückzugeben.’ ~*~ Bei Katsumi angekommen, war dieser noch nicht wieder zu Hause. Also setzen sie sich noch ein Weilchen, um den Nachmittag ausklingen zulassen, in den Garten. Kôji der sich immer noch unbeeindruckt vor Izumis Redeschwall verschloss, ging in Gedanken noch einmal das Erlebte durch. Er hörte Izumi gerne zu… nur musste er, das von eben, selbst erst noch verarbeiten. Wie Takuto auf dem Platz gestanden hatte, hatte sich dieser vom Spiel mitreißen lassen, aber auch wenn in dieser Habzeit nur ein Tor gefallen war, welches sein Izumi auch noch selbst geschossen hatte, so waren die Gegner doch zu gut gewesen und Takuto hatte sich gewünscht, er hätte von Anfang an mitgespielt. Dann hätten sie die drei Tore in der 1. Halbzeit sicherlich nicht kassiert, dass hatte dieser vorhin im Auto gesagt. Aber Kôji war sich da nicht ganz so sicher. Es stimmte schon, dass Izumi leidenschaftlich gespielt hatte. Er sah das Feuer während des Spiels in seinen Augen, er sah wie er wie ein Engel leichtfüßig über das Feld flog, sah wie sein Izumi alles tat um die anderen an weiteren Toren zu hindern, was er ja auch geschafft hatte…. Und doch fühlte Kôji dass es anders war. Er konnte nicht sagen was es war, denn dass wusste er auch nicht so genau. Nur dass ER anders war als sonst, anders spielte als sonst, anders … anders… anders… Aber wieso? Was? Immer wieder stellte er sich die Fragen? ‚Er redet auch jetzt soviel über das Spiel. Nimmt wie eh und je den gesamten Spielverlauf auseinander, überlegt was sie falsch gemacht haben. Analysiert das Spiel bis ins kleinste Quäntchen. Wieso sie die Tore kassiert hatten und auch wie sie hätten verhindert werden können. Ich irre mich bestimmt… und doch… ES WAR anders…’ Währendessen sprudelte es noch immer aus Takuto heraus. Doch dann unterbrach er plötzlich und starrte einen Augenblick Kôji an. Takuto hatte inzwischen nämlich bemerkt, dass Kôji ihm irgendwie nicht mehr zuhörte. Zuvor kam ja hin und wieder noch ein „hm…“ von diesem, aber seit einiger Zeit war er ganz ruhig. Also lehnte er sich schmollend an Kôji's Schulter und schloss die Augen. Kôji bemerkte dies jedoch nicht. Er war immer noch viel zu tief in seine eigenen Gedanken entrückt. Die Ruhe um sie herum wurde plötzlich unheimlich. Es schien so, als ob sogar die Vögel bereits schlafen gegangen waren und da es schon den ganzen Tag über windstill war, vernahm man auch kaum mal ein Rauschen der Blätter im Wind. „Was hast du? Du erzählst nicht mehr weiter?“ „Warum sollte ich. Du hörst mir ja doch nicht zu.“ „Doch…“ „Nein.“ „Wie kommst du da drauf?“ „Ich habe dich was gefragt.“ „…Hm… I… Takuto?“ Erstaunt blickte dieser nun Kôji an, drehte aber seinen Kopf nur auf dessen Schulter, ohne ihn dort wegzunehmen. „Sag mir, hast du vorhin gerne mitgespielt?“ „Du machst Witze, ja? Na klar hab ich das. Es war schön sich mal so richtig austoben zu können, den Wind in den Haaren beim Laufen zu spüren… einfach alles. Wieso?“ „…austoben… nennst du das jetzt… Mehr nicht?.... Früher war es dein ein und alles… Fußball war dein Leben… das Feld unter deinen Füßen… den Ball treten… die dir zujubelnden Menschen… total in dem Spiel aufgehen… über das Feld laufen, die Gegner dabei weit hinter dir lassend… sie auszutricksen um dann mit dem Ball an ihnen vorbei zu entwischen… ALLES hinter dir lassend … nur noch DU und DER Ball.“ „Kôji?“ „Es ist deine Mannschaft und seit du fehlst, verlieren sie nur noch. Es ist… als ob ihr wichtigster Spieler fehlt… und heute… heute glaubte ich… ja für einen Moment glaubte ich doch tatsächlich, er sei zurück. Aber…“ „Was aber? Was versuchst du zusagen?“ „Ja… das versuche ich schon die ganze Zeit herauszubekommen… irgendwas stimmte nicht… war nicht so wie sonst… nur ich weiß nicht was… wenn ich es doch nur wüsste… Ach Izumi… irgendwas Entscheidendes war einfach anders… fehlte immer noch… nur… was…“ „Also du sagst es sei meine Mannschaft gewesen… und sie hätten seitdem nur verloren, weil ich fehlte? Aber ich bin schon sooo lange wieder aus dem Krankenhaus heraus. Wieso hat mir niemand was davon gesagt. Ich hätte doch sicher schon viel eher wieder mitspielen können … oder? „Nein, der Arzt wollte verhindern, dass du durch einen Ball am Kopf oder einen Sturz ein noch größeres Trauma erleidest. Außerdem war noch was anderes. Du hast schon vor deinem Unglück monatelang pausieren müssen. Aber dass erzähle ich dir heute Abend… nach dem Abendessen. Das ist eine sehr lange Geschichte und ich wünschte ich könnte sie so wie du einfach vergessen oder streichen. Aber es wird Zeit, dass du auch das erfährst. Besser wäre natürlich, du hättest heute dich an alles erinnern können, dann hätte ich mir dies nun ersparen können.“ Ein schwerer Seufzer des Bedauerns entkam Kôji nun, was Takuto erneut dazu brachte Kôji mit großen, fragenden Augen anzuschauen.
TEIL 29Endlich war es soweit, das Gericht hatte beschlossen, dass Erbe der Nanjos in Kôji Nanjos Hände zu übergeben. Die Namensänderung war auch bestätigt. Kôji würde ab dem heutigen Tag ganz offiziell nur noch Kôji und nicht mehr Kôjiro heißen. Doch mit dem Erbe kam auch eine Menge zusätzlicher Arbeit und vor allem auch Verantwortung auf ihn zu. Nichtsdestoweniger hatte Katsumi auch gleich ein fähiges Spitzenteam für Kôji bereitgestellt, so dass sich der „Künstler“ größtenteils ganz seiner Musik und seinem privaten Leben hingeben konnte. Allerdings zog er nun in sein eigenes Haus. Dort sorgte er dafür, dass die Zimmer nach seinen Wünschen verändert und hergerichtet wurden. Plante auch schon mal Räume in denen sich sein Izumi wohl fühlen könnte, wenn er sich doch endlich dazu überwinden könnte, zu ihm zu ziehen. Dann ging er bei und ließ Räumlichkeiten, die wie er fand dafür bestens geeignet waren, als Studio umbauen, so dass seine Band zum Proben jetzt auch zu ihm kommen konnte und nicht erst durch die halbe Stadt fahren mussten. Was er dabei allerdings nicht bedachte war, dass seine lieben Leutchen wenn es später wurde, sich auch bei ihm einnisteten und so war es bald so, als ob die Mitglieder seiner Band zu seiner Familie gehörte. Jeder hatte inzwischen sogar sein eigenes Zimmer, in welchem immer mehr persönliche Dinge zu finden waren. Nur leider trübte ein großer Schatten sein Leben. Nicht dass Takuto noch immer nicht bereit war sich fallen zu lassen, nein… Katsumi bestand auch noch darauf, dass er auf seinem jetzigen Anwesen zu Ehren seiner bedeutendsten Geschäftspartner und der Familienangehörigen, die ihn ja kaum kannten, eine Feier abhalten musste, wo er sich als das neue Familienoberhaupt des Nanjo-Clans zu präsentieren hatte.
Aus der ursprünglich geplanten „kleinen“ Einführung in die „Familie“ war inzwischen ein großes geplantes Gartenfest geworden, welches über das gesamte Wochenende gehen sollte; da man ansonsten Probleme bekommen hätte, die vielen geladenen Gäste, inklusive ihrer Frauen und einige der erwachsenen Kinder, welche mal in die Fußstapfen der Eltern treten sollten, unterzubringen. Denn auch zu diesem Anwesen und zum Haus, gehörte auf Grund des Reichtums der Nanjo-Familie selbstverständlich eine „kleine“ gut gepflegte Parkanlage, welche von hohen Mauern umgeben war um Neugierigen und Unbefugten den Zutritt zu verwehren. Unter anderem sollten natürlich auch Katsumi und Taka mit Izumi kommen, und auch die Leute seiner Band und der Produktion, die ihn bisher so unterstützt hatten und ohne die er sich nicht hätte selbständig machen können. Ebenso hatte er Katsumi’s Freund, der die Privatdetektei führte, eingeladen, ohne den ein Widersehen mit Izumi nicht möglich gewesen wäre. Wenn man so in die Runde sah, waren es ca. 240-260 geladene Gäste; allerdings noch nicht alle Familienangehörigen mitgezählt. Noch fehlten ein paar Rückmeldungen.
Katsumi ging mit Kôji noch mal alles durch, da es sich ja um seinen ersten öffentlichen Auftritt auf diesen Gebiet handelte. „Sind das nicht zu viele Leute?“, fragte Kôji als er die vielen Listen sah. „Wieso zu viele? Lieber einen mehr, als das du einen vergisst und ihn dann verärgerst. Kennst du deine Vertragspartner erst einmal, kannst du immer noch entscheiden, wer wichtig für die Firma ist oder nicht.“ „Hm…“ „Kôji, da stimmt doch was nicht. Was beunruhigt dich? Lampenfieber?“ „Der ganze Trubel geht mir auf die Nerven. Kann ich nicht so weiterleben, wie bisher?“ „Und die Familie… das Unternehmen?“ „Familie… Familie… wer von denen hat sich all die Jahre um mich gekümmert? Keiner!“ „Meine Schwester ist die Einzige, um die ich mich kümmern müsste und die soll ja schon bald heiraten. Ich hab letztens mit ihr gesprochen und Nadeshiko sagte, dass bereits seit ihrer frühesten Kindheit alles arrangiert ist. Also ist sie auch bald aus dem Haus.“ „Liebt sie ihn?“ „Ich weiß nicht… sie sagte nichts dazu… aber wenn ich so darüber nachdenke… doch ich glaube sie freute sich darauf. Aber… Vater und Hirose sind tot. Akihito lebenslang eingesperrt, tja und so bin ich ja wohl der letzte Nanjo. Die anderen interessieren mich nicht. Und die Firma… sie ist die ganze Zeit ohne mich gelaufen und wird es auch weiter ohne mich müssen. Okay, bei wichtigen Entscheidungen habe ich jetzt ein Mitspracherecht, aber im Großen und Ganzen habe ich doch hiervon keine Ahnung. Wenn du mir nicht fähige Leute zur Seite gestellt hättest, würde ich schon ganz schön alt aussehen, bzw. kurz vor der Pleite stehen.“ „Nun übertreib mal nicht. Das schaffst du schon Kôji, so dumm bist du schließlich nicht und in ein paar Jahren führst du das alles alleine.“ „Glaubst du das wirklich?“, zweifelte Kôji. Eigentlich hätte er es gar nicht zu fragen brauchen, denn seine Augen sprachen Bände. Freundschaftlich legte Katsumi ihm eine Hand auf die Schulter, „ja, du schaffst das. Vielleicht hilft dir ja Takuto dabei?“ „Izumi?“ Kôji's Gesichtsausdruck veränderte sich. Sah er eben noch bekümmert und skeptisch aus, so wirkte sein Blick jetzt leicht verklärt. „Schön wäre es, wenn er hier mit einziehen würde… Aber leider… er erinnert sich immer noch nicht. Und… er kommt mich ja hier nicht mal besuchen.“ ~*~ Zwei Tage später war es dann so weit. Die letzten Vorbereitungen waren abgeschlossen. Das Wetter versprach den ganzen Tag schön zu bleiben. Der Himmel erstrahlte im schönsten Hellblau und die Sonne schien frühsommerlich. Endlich hatte das nasskalte Wetter aufgehört. Ein lauer Wind wehte und die Sonne schien vom fast wolkenlosen Himmel auf das Treiben der festlich und bunt gekleideten Erdenkinder hinab. Kôji wünschte sich nichts so sehr, als dass das Wetter wenigstens den heutigen Tag so anhalten würde, damit er seine Gäste nicht alle im Haus bewirten und unterhalten musste. Im Stillen hoffte er jedoch sich einige Zeit von den Gästen absetzen zu können, um seinem Izumi das Anwesen zu zeigen. Katsumi hatte versprochen ihn diesmal wirklich mitzubringen und da Kôji ihn nun schon seit ein paar Tagen nicht zu Gesicht bekommen hatte, fieberte er diesen Momenten entgegen. Platz war reichlich vorhanden, für die vielen Gäste, aber der Großteil waren bisherige Geschäftleute die mit dem Nanjo- Imperium verkehrten und die nun das neue Oberhaupt präsentiert bekamen. Also Leute von denen Kôji bis zu ihrer Vorstellung noch nie etwas gehört hatte. Aber auch die Leute kannten Kôji nicht. Keiner von den steifen Herren war auch nur einmal in einem seiner Konzerte gewesen, aber da es sich wie ein Lauffeuer herumgesprochen hatte, dass das neue Familienoberhaupt noch ledig war, hatten all die Papas auch ihre heiratsfähigen und herausgeputzten Töchter im Schlepptau mit. Diese Töchter waren zumeist über ihren prächtigen Kimonos mit funkelnden Steinen und Gold behangen, damit sie den Reichtum der jeweiligen Familien zur Schau stellen konnten. Die Väter erhofften sich so größere Chancen, den ledigen BOSS und somit begehrten Heiratskandidaten einfangen zu können. ~*~ Kôji lauschte dem Geplapper der ihn umgebenen Mädchen nur mit halben Ohr. Zumindest tat er so, als ob er noch bei dem Gespräch mithalten konnte. Seine Augen hingegen waren seit er eingetroffen war, nur auf IHN gerichtet und ihre Blicke trafen sich des Öfteren. Kôji hatte das Gefühl, die Zeit bliebe für einen Moment stehen und voller Sehnsucht schaute er zu Izumi zurück. Ihr kleines Experiment war ihm noch sehr lebhaft in Erinnerung und ihm verlangte danach, es zu erneuern. Bei Izumis Anblick brannten seine Lippen erneut und er wünschte sich nichts sehnlicher, als dass sich augenblicklich alle seine Gäste – natürlich mit Ausnahme von Izumi – schnellstens in Luft auflösten, damit er jetzt sofort mit ihm allein sein könnte, um seine inzwischen leicht verblassenden Erinnerungen aufzufrischen. Er musste sich förmlich zwingen, nicht jetzt auf der Stelle zu ihm hinzugehen um ihre Lippen zu vereinen. Aber sein Verlangen wuchs immer stärker und seine Augen folgten Izumi, um ihn keinen Augenblick allein zu lassen. „Kôji, mach es nicht so auffällig.“ „WAS?“ „Du verschlingst ihn ja fast hier. Denk an die Leute. Mensch, so lange ist auch noch nicht her, dass ihr euch zu letzt gesehen habt. Da…“ „Ich weiß“, wurde Katsumi von Kôji unterbrochen. „Was meinst du was ich schon die ganze Zeit tue?“ „Ha… Na ja, jedenfalls nicht so an die Leute denken, wie es sich als Gastgeber geziemt. Von Kôji kam nur ein leichtes Grummeln, aber Katsumi verstand ihn auch so. „Denk dran, das gibt nur neuen Klatsch… Ach ja, damit wären wir dann auch bei dem was ich dir sagen wollte.“ Kôji sah ihn ungläubig an. „KLATSCH? DU? Glaubst du ehrlich, dafür hatte ich jetzt Interesse?“ Katsumi lachte und schüttelte den Kopf. „Nein! Dafür bestimmt nicht. Aber das Ergebnis von Izumis Fußballverein ist angekommen. Matsu wurde fristlos entlassen und Takuto somit rehabilitiert. Wenn er will kann er wieder zum täglichen Training zurückkehren. Man hat uns unsere Version abgenommen. Also… mach es hier und jetzt nicht kaputt.“ Kôji sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an, als ob ihm Katsumi gerade mitgeteilt hätte, die Marsmenschen seien mitten in Tokyo gelandet. „Willst du … ich meine… willst du es ihm nicht lieber selber sagen?“, fragte er leise Katsumi. Doch dieser schüttelte den Kopf. „Ich dachte, du sagst es ihm. Aber wenn du nicht willst…“ „Doch ich…“ Er brach ab. „Ich sag es ihm.“ „Okay, ich werde mich dann mal wieder unter die Gäste mischen, um zu sehen, was sie so zu reden haben.“ Kôji fühlte sich versucht auf ihn zu zugehen, um ihm die gute Nachricht gleich zu überbringen und ihn in die Arme zu schließen, unterließ es aber wegen der vielen Gäste und Takuto zu liebe, die ihn dabei beobachten könnten. Er beschloss es ihm zu sagen, wenn alle Gäste gegangen waren. Für Izumi und Katsumi waren Zimmer hergerichtet. Sie würden hier übernachten können.
Doch plötzlich, wider erwarten, löste sich Takuto von den beiden augenscheinlich miteinander befreundeten Mädchen, welche ihn bis eben in ein Gespräch verwickelt hatten und ging auf ihn zu. Kôji strahlte ihn an, als er dessen gewahr wurde. „Was hast du? Warum beobachtest du mich ständig. Einen Penny für deine Gedanken.“ „Einen was…? Ach so. Ich dachte gerade an… nein ich sag es dir lieber nicht. Nicht jetzt. Verzeih.“ … unsere erste gemeinsame Nacht, wollte er gerade sagen, an das Fest damals bei Katsumi als ich dich endlich wieder sah… „Hmm… dann hör’ auf mich so anzustarren, es wird langsam peinlich. Es gibt bestimmt schon Leute die es bemerkt haben.“ Er drehte sich um und ging. ‚IZUMI’, schrie es in Kôji. Nur mit seiner ganzen Willenanstrengung konnte er sich dazu bringen, seine Arme nicht noch nach ihm auszustrecken. „Izumi.“, flüsterte er, währenddessen krallten sich seine Nägel unbemerkt in die Handflächen. ~*~ Als Takuto die gedeckten Tische sah, schlenderte er darauf zu, um zusehen wo er eigentlich nachher sitzen würde. Kurz vor der größten Tafel traf er auch auf Katsumi. „Weißt du schon wo wir sitzen?“ Katsumi nickte und zeigte auf die Stühle. „Du hier und ich gleich neben dir.“ „Und Kôji?“ Katsumi grinste. „Was meinst du wohl? Natürlich genau dir gegenüber.“ Diesmal nickte Takuto. Dann stellte er fest, dass er nicht nur neben Katsumi, sondern auch neben Serika saß. Suchend sah er sich um. ‚Ich hab die Horiuchis noch gar nicht gesehen.’ „Wenn Serika aber da ist, müssten dann die Anderen nicht auch hier sein?“ „Die Anderen…. Ach so. Die Horiuchi’s ja. Yuugo sitzt neben ihnen, aber da sie nur zu einer der kleineren Filialen gehören, sitzen sie nicht hier vorne. Du kannst also ungestört mit Serika reden. Und die Sasakis… nein… sie haben keine Geschäftsbeziehungen zu den Nanjos unterhalten. Also musst du nicht mit einem von ihnen rechnen.“ Takuto seufzte erleichtert auf. „Fragtest du wegen Minako?“ „Ja, ich dachte, sie hängt sich sonst wieder an mich. Manchmal war sie nicht mehr wie eine Klette, welche unauffällig klebt, sondern eher wie ein schwerer Klotz am Bein.“ „Da brauchst du dich nicht zu fürchten. Hier… in dieses Anwesen… kommt sie nicht rein. Aber wir dachten uns, so kannst du ungestört mit deiner Schwester reden, zumindest während des Essens werden sie euch nicht stören können. Niemand der der ihr den Mund verbietet. Und dort wo sie sitzen, können sie euch beide auch nicht sehen. Da hab ich extra drauf geachtet.“ Katsumi grinste ihn an. „Okay?“ „Danke.“ Er nickte Takuto noch mal zu, dann setzten sie sich zu Tisch, da inzwischen sich die Plätze füllten..
Wenige Augenblicke später gesellte sich auch Serika zu ihnen und die Beiden waren schon kurz darauf in ein Gespräch über ihre Vergangenheit vertieft. Beide freuten sich, sich endlich mal ungestört aussprechen zu können. Wie Katsumi schon sagte, war sein Platz genau Kôji gegenüber. Takuto musste sich sehr zusammenreißen, als er sah, dass Kôji selbst zwischen zwei Mädchen Platz nahm. Das eine Mädchen war viel zu jung für ihn, um sein Interesse zu erwecken. Um sie sorgte er sich auch weniger. Auch wenn er sich fragte, in welcher Beziehung er zu ihr oder dem Herrn welcher neben ihr saß und der ihr Vater zu seien schien, stehen könnte. Aber die andere? Es sah so aus für ihn, als ob Kôji pausenlos mit ihr flirtete. Zwischendurch warf er ihm hin und wieder einen Blick zu, aber Takuto tat jedes Mal so, als ob er es nicht bemerkt hätte, obwohl er Kôji keinesfalls aus seinen Augenwinkel ließ. Kôji bemerkte aber schon was in Takuto vor sich ging. Als er meinte sich genug um seine Tischnachbarin gekümmert zu haben, wendete er sich dem Essen zu. Griff nach einem Entenbein, und während er seinen Izumi keinesfalls aus den Augen ließ, strich er mit der Zunge über die knusprige Entenhaut um sie dann vorsichtig und langsam in den Mund zu ziehen. Takuto sah das und eine verräterische Röte überzog sein Gesicht. ‚Was fiel dem Kerl bloß ein.’ Aber auch Katsumi und Taka die gerade Takuto's Blick gefolgt waren, fielen fast die Augen raus. Kôji zwinkerte Izumi noch schnell zu. Dann tat er wieder so, als ob nichts gewesen wäre. Wohingegen nun der Blick der Beiden sich zu Takuto wandte. Alle drei hofften im Stillen, dass außer ihnen, niemand was bemerkt hatte. Das Essen verlief weiterhin ohne Störungen. Nur Takuto schmeckte es auf einmal besser. Hatte er bis kurz vor dieser Szene nur in seinem Essen herumgestochert, so langte er plötzlich zu, und konnte von den Köstlichkeiten der Tafel gar nicht genug bekommen. Kôji sah es mit Freunden und auch wenn sich ihre Blicke ab nun nicht mehr kreuzten, war er doch mit seiner kleinen Aktion höchst zu frieden. ~*~ Nach dem Essen kam der festliche Teil. Schnell verteilten sich die Leute. Die einen gingen in den Park um dort bei Lampions, und einer kleinen Kapelle im Freien zu sitzen, andere zog es lieber zurück in die Räumlichkeiten, wo sie tanzen konnten; bei kleineren Spielen ihre Geschäften entrannen oder auch sie festigen konnten. Da es draußen langsam kühler wurde, tummelten sich drinnen inzwischen etwas mehr Leute, so dass es hier langsam etwas voll wurde. Die Musik hatte längst drinnen wie auch draußen zu spielen begonnen und einige Tanzpaare fanden sich auch schon, welche nach den sanften Klängen durch den Raum schwebten..
Takuto konnte Kôji an diesem Abend meist nur von weitem sehen. Er fühlte sich hier irgendwie überflüssig, einfach fehl am Platz. Aber als er Kôji kurz nach dem Essen sagte, dass er lieber gehen möchte, bat ihn dieser darum zu bleiben und Takuto konnte es ihm nicht abschlagen. Also wanderte er über das Anwesen, versuchte ein ruhiges Eckchen zu finden und wurde immer wieder von irgendwelchen Leuten angesprochen: Er sei doch mit dem Nanjo-Oberhaupt befreundet, ob er ihnen nicht helfen könnte, sie würden ihm gerne ihre Tochter vorstellen. Takuto schüttelte nur den Kopf, sagte 2-3 unverbindliche Worte, ließ die Leute dann stehen und ging weiter. Allerorts erntete er dafür nur Kopfschütteln. Aber das störte ihn nicht. ‚Ausgerechnet an mich wenden sie sich damit? Kôji würde ganz schön Augen bekommen, wenn ausgerechnet ICH ihm die Heiratskandidatinnen vorstellen würde.’ Als er sich die Situation bildlich vorstellte, huschte auf einmal ein flüchtiges Lächeln über seine Lippen. Kôji's Augen… Takuto schüttelte leicht den Kopf. ‚Nein, lieber nicht.’
Derweil musste er, wie er abermals zum Haus zurückkehrte, immer wieder miterleben, wie sich die Frauen wie die Kletten an Kôji hefteten und es versetzte ihm jedes Mal einen Stich. Er fragte sich, ob er wirklich eifersüchtig sei und schüttelte dann aber den Kopf, um die Gedanken daraus zu vertreiben. ~*~ Kôji hatte für einen Moment Ruhe und suchte nach seinem Izumi. Als er ihn endlich entdeckt hatte, eilte er mit großen Schritten zu ihm, die Mädchen, die ihn schon wieder umringten, dabei total ignorierend. „Na langweilst du dich?“, fragte er ihn lächelt und positionierte sich genau vor ihm. Doch Takuto ging auf diese Frage nicht ein. Sah ihm stattdessen tief in die Augen, so dass Kôji dachte, ihm würden jeden Moment die Beine weg brechen. „Kôji, könnten wir unser kleines Experiment von damals wiederholen?“ Erstaunt sah er ihn an. Damit hatte er nicht gerechnet. „Noch einen Versuch?“, lächelte Kôji durchtrieben, ein teuflisches Funkeln in seinen Augen. „Aber gerne, gleich hier? Schocken wir sie ein bisschen?“ „NEIN… doch nicht hier vor den vielen Leuten. Heute Abend ja – zu Hause? Oder wolltest du heute … mit… lieber mit einer deiner vielen Verehrerinnen…?“ „IZUMI! Was denkst du von mir. Sag ehrlich, würde es dir denn nichts ausmachen?“ Plötzlich tippte ihn jemand von hinten auf die Schulter. „Nein, antworte lieber nicht, ich möchte es nicht wissen.“ Dann drehte er sich nach hinten um, und funkelte den Störenfried böse an. „Ach… du bist es Katsumi, was ist?“ „Na na na, bitte nicht gleich fressen, es ist noch genügend Essen da, wenn du Hunger hast.“ Er lächelte verschmitzt, doch Kôji ignorierte es. „Ich denke mal nicht, dass du deswegen unsere kurze Unterhaltung störst.“ „Du, da sind schon wieder Gäste, die nach dir fragen, sind eben erst angekommen, die solltest du wenigstens begrüßen.“ Kôji nickte, drehte sich zu Izumi um, zwinkerte ihm zu. „Guck dir ruhig alles an. Was du hier siehst gehört auch dir, wenn du möchtest. Du kannst gerne all deine Sachen kommen lassen und hier einziehen. Platz habe ich mehr als zu viel.“ Noch ein Lächeln, dann trat er auf ihn zu, drehte ihn leicht an den Schultern in eine Richtung und flüsterte ihm ins Ohr: „Versuch mal in die Richtung dein Glück, da gibt es ein Plätzchen, welches dir bestimmt gefallen wird.“ Er zwinkerte ihm kurz fröhlich zu und schon beim Umdrehen erstarrte Kôji's Gesicht zu einer Maske, um sich den Besuchern zu zuwenden. Katsumi lief neben ihm her. „Weißt du, Kôji, mich haben sogar einige Mädchen darum gebeten, dass du singen sollst.“ „WAS?? JETZT? HIER? NEE! DAS IST NICHT DEIN ERNST. AUF KEINEN FALL!“ „Wenn es nur an der Band liegt, die Jungs wären einverstanden.“ „Aber ich nicht. Ich lade mir keine Freunde zu Besuch, um sie dann letztendlich arbeiten zu lassen. Lass den Anderen heute ihren Spaß, okay? Soweit man hier Spaß haben kann. Sag von mir aus, meine Stimme ist belegt, oder so.“ „Okay, okay. Hab schon verstanden. Dann überlass ich dich mal deinen Gästen.“ Kôji verdrehte nur kurz die Augen, „Wenn ich das doch endlich alles hinter mir hätte.“, doch dann wandte er sich den Leuten zu, die Katsumi ihm bezeichnet hatte.
Takuto schlenderte indes nach draußen, erst sah er sich hier und da um, doch dann beschloss er in die Richtung zu gehen, die Kôji ihm vor wenigen Minuten wies. ‚Was mich dort wohl erwartet?’ Er bummelte so den Weg entlang, immer weiter bis er endlich einen Ort fand, den die anderen scheinbar noch nicht entdeckt hatten. Oder lag es daran, dass er schon ein ziemliches Stück vom Trubel entfernt war? Jedenfalls glaubte er auf einmal im Paradies zu sein. ‚Dies muss der Ort sein den Kôji gemeint hat.’ Ein „kleiner“ See tauchte vor ihm auf, rundherum gepflegte Blumenrabatten, blühende Sträucher und große Schatten spendende Bäume unter denen vereinzelnd kleine Sitzbänke aufgestellt waren und er konnte auch drei riesige Findlinge ausmachen, die zum Teil durch das im Wasser befindliche Schilfrohr verdeckt waren. Aber das Schönste war, dass genau von einer Seite auf die Andere des Sees eine Brücke gespannt war. Eine Holzbrücke, nicht schlicht und einfach sondern mit gedrechseltem Geländer. Takuto betrat sie. Ging am Geländer entlang und sah hinunter ins Wasser. Neben noch nicht erblühten Lotosblumen, sah er auch kleinere Seerosen, die bereits ihre Knospen aus dem Wasser erhoben und an denen man Farben von weiß, dunkelrot, zartem rosa und anderen erkennen konnte. Außerdem gab es noch viele verschiedene, blühende Wasserpflanzen, die er mit Namen nicht kannte und dazwischen tummelten eine Unmenge großer und kleiner Fische. Takuto stützte sich auf das Geländer und beobachtete das muntere Treiben im Wasser. Die Fische, die dachten es würde Futter geben, kamen zahlreich angeschwommen und plötzlich wurde es unruhig unter ihm. Als sich eine Weile nichts tat, verteilten sie sich wieder. Doch Takuto blieb weiterhin da stehen und genoss die Ruhe um sich herum. Langsam dämmerte es, doch er stand immer noch da. Obwohl die Dunkelheit an diesem Abend schnell hereinbrach…. oder lag es einfach nur daran, dass er seinen Gedanken hier ungestört freien Lauf lassen konnte, und er die Zeit an diesem hinreißenden Ort vergessen konnte…. Aber plötzlich bemerkte er, wie still es geworden war. Es war bereits dunkel, und die Vögel hatten sich zum größten Teil bereits zur Ruhe begeben. Allerdings wurde die kleine Anlage nun von Laternen erhellt, denen er vorher keine Beachtung geschenkt hatte. Der See war rundherum von Licht umgeben, dass selbst die Gestalt auf der Brücke erreichte. Obwohl die Mücken ziemlich rege ihn herumschwirrten, wollte er diesen Ort nicht verlassen, um zum Trubel zurückzukehren. Lieber wollte er nicht mit ansehen, wie die Mädchen und deren Väter und Mütter um Kôji herumscharwenzelten. Er sah sich weiter um und entdeckte ein paar Meter weiter, dass sich die Brücke verbreiterte und darauf sich eine Sitzgruppe befand. Dorthin begab er sich nun. Setze sich auf eine Bank und legte den Kopf auf die Lehne um in die Sterne blicken zu können, welche bereits zahlreich am Himmel erschienen waren. Eine weitere Stunde verging, als er plötzlich bemerkte dass die Brücke unter den Schritten einer oder mehrerer Personen leicht erzitterte und die Schritte durch die Nacht hallten. Er ließ sich aber in der Betrachtung des Sternenhimmels nicht stören. ‚Wenn einer bemerkt, dass dieser Platz bereits besetzt ist, wird derjenige schon wieder gehen.’, dachte er sich. Doch nichts der gleichen geschah. In der Zwischenzeit hätten die Neuankömmlinge ihn bereits bemerken müssen. „Gefällt es dir hier?“ Takuto zuckte zusammen. „Katsumi?“ Er wendete sich vom Himmel ab und blickte die Angekommenen an. „Kôji du auch? Musst du nicht bei deinen Gästen sein?“ „Nein nicht mehr, es ist schon nach 02:30 Uhr. Viele sind bereits nach Hause, einige übernachten hier und haben sich schon zurückgezogen, die anderen… brechen gerade oder bald auf.“ „Aha.“ „Takuto, ich wollte ebenfalls hier bleiben heute Nacht, wir können dann morgen oder übermorgen Nachmittag wieder heim fahren, wenn es dir recht ist.“, sagte Katsumi und setzte sich zu ihm, legte den Kopf ebenfalls auf die Lehne und sah nach oben. „Oooh… ist das schön, nur ein bisschen hell hier durch die vielen Laternen. Schade, dadurch kann man das nicht richtig sehen.“ Kôji grinste. „Ist dir also zu hell, ja?“ Obwohl zwischen Katsumi und Takuto noch Platz war, gab er Izumi kurz mit der Hand zu verstehen, dass er rüberrutschen sollte. Was dieser auch tat. Dann setzte er sich neben Takuto auf die Bank. „Ja“, kam es von Katsumi, „sonst hätte ich es ja nicht gesagt.“ Kôji's Hand griff in der Dunkelheit unter die Bank und betätigte einen kleinen Schalter. Auf einmal hüllte sich der See in fast totaler Finsternis. Nur eine einzige kleine Laterne mit bläulichem Licht, flammte zu beiden Füßen der Brücke auf, welche aber nicht weiter störten. „Wow, da hat man sich ja was einfallen lassen.“, entkam es Katsumi, während Takuto ungläubig auf Kôji starrte. Ein Weilchen blieben sie so sitzen, betrachteten die Sterne. Dann erhob sich Katsumi. „Mir wird’s langsam etwas frisch. Werde dann wohl ins Bett gehen. Gute Nacht ihr Beiden. … Ach Kôji…“ Das Licht ging wieder an und Katsumi nickte nur dankend. „Als muss ich nicht noch baden gehen.“, grinste er. Er winkte den Beiden noch kurz zu, dann ging er im schnellen Schritt davon.
Kôji sah Takuto an. Ihre Augen trafen sich. „Willst du, auch zurück oder…“ „Nein… noch nicht.“ Eine Weile saßen sie so still neben einander. Schauten beide nach oben in die Sterne. ~*~ „Izumi“, hauchte Kôji in die sternenklare Nacht und beobachtete ihn dabei, mit einem leicht hypnotischen Blick. Takuto senkte den Kopf und sah ihn an. „Hmm…?“ Ihre Blicke kreuzten sich. Von fern trug der frische Wind, die Klänge einer leisen Musik bis zu ihnen. Takuto lehnte sich wieder zurück, starrte für einen Moment erneut in den Himmel und schloss dann die Augen um den sanften Klängen zu lauschen. „Ich möchte dich in meinen Armen halten.“ Ruckartig öffnete Takuto die Augen und starrte ihn erneut an. Kôji indes stand auf, verneigte sich altmodisch und mit einem verkniffenen Lächeln auf den Lippen. Ergriff seine Hand und zog ihn leicht zu sich hoch. „Tanz mit mir, Izumi. Bitte…. Ich lösche wieder das Licht und kein Mensch wird uns hier sehen. Nur du und ich… und die Sterne hoch über uns.“ Schon beugte er sich hinunter zum Schalter und im nu lag der Ort wieder im Dunkel der Nacht. So konnte Kôji dann auch nicht sehen wie Takuto statt einer Antwort zu geben nur leicht errötete und nickte. Vom Haus her erklang wie auf Bestellung eine langsame betörende Musik zu ihnen herüber und Kôji legte seine Arme zärtlich um Izumi und zog ihn an sich heran. Wenige Augenblicke später fühlte sich Takuto als ob er wie auf Wolken schweben würde. Eine warme Welle mit einem leichten Kribbeln durchflutete seinen Körper. Unwillkürlich grub er seine Finger fester in Kôji's Schulter. „Du bist wunderschön Izumi. Atemberaubend schön. Und… du warst den ganzen Tag so ruhig. So kenne ich dich gar nicht.“, hauchte er ihm ins Ohr. Leicht benommen von Kôji's warmen Atem, der sanft seine Wange streifte, wagte er den Kopf von Kôji's Schulter zu nehmen und suchte in der Dunkelheit seinen Blick einzufangen. Kôji erwiderte ihn. „Was ist los mit dir, Izumi.“ Takuto schüttelte leicht den Kopf. „Ich weiß es nicht.“ Seine Stimme schien wie aus weiter Ferne zu kommen. Kôji umschlang ihn noch fester. „Lass uns jetzt deinen Vorschlag in die Tat umsetzen, mein Liebling.“ Takuto sah ihn fragend an. Wollte gerade fragen, was er damit meinen könnte, als sich Kôji's Lippen seine eigenen bereits näherten und er verstand. Leise seufzend trafen sie sich, um sich zärtlich zu vereinen. Als sie sich nach einer ganzen Weile von einander lösten, strich Kôji ihm leicht über die Wange und sagte: „Du bist heute so sanftmütig, Izumi. Kannst du dich etwa wieder an uns, an unsere Gefühle erinnern?“ Takuto schüttelte wie so oft auf diese Fragen nur leicht den Kopf. Ein Anflug von Bedauern schlich sich über Kôji's Gesicht, was Takuto wegen der Dunkelheit nicht wahrnahm. Immer noch standen sie umschlungen unter den Sternen. Takuto lehnte sich wieder an Kôji's Schulter an, welches diesen etwas verwirrte, als er auch noch bemerkte dass sich Takuto fester an ihn klammerte. „Nein, ich erinnere mich nicht. Aber… wenn ich in deinen Armen liege… ich weiß auch nicht, was es genau ist, aber dann fühle ich, dass es richtig so ist. Das alles was du mir gesagt hast, wahr sein muss.“ Kôji hob sein Kinn zu ihm hoch, um ihm in die Augen zu sehen. Und als Takuto nun Kôji's ungläubigen Blick sah, fügte er dann noch etwas leiser hinzu: „…und Serika bestätigte auch einiges von dem was ihr beide mir erzählt habt.“ Immer noch spürte er diese Wärme dieses Kribbeln wo Kôji ihn berührte. Kôji hingegen löste nun sehr zum Bedauern von Takuto die Umarmung, zog ihn dann aber neben sich auf die Bank, so dass Takuto nun seinen Kopf an Kôji's Schulter legen konnte. Sanft strich er ihm durchs Haar. ‚Izumi – mein Izumi.’ Kam es wie ein Stoßgebet tief aus seinem Herzen. „Du hast vielleicht deine Erinnerungen für immer verloren, aber die Liebe tief in deinem Herzen ist noch da, Izumi.“ Mit geschlossenen Augen saßen sie noch lange da und lauschten den Klängen der Nacht. Schon bald verklangen die letzten Laute der Musik und zeigten an, dass nun auch wirklich die letzten Gäste nach Hause gefahren oder zu Bett gegangen waren. Ein Weilchen ließen sie noch die Zeit verstreichen. Doch als die Kälte der Nacht den Beiden in die Knochen fuhr und eine Gänsehaut über ihre Körper jagte, beschlossen sie sich zurück zum Haus zu begeben. Sie erhoben sich und schalteten das Licht wieder ein, damit sie unbeschadet die Brücke verlassen konnten. Als sie wieder festen Boden unter den Füßen hatten, schaltete Kôji das Licht wieder aus. Takuto noch immer an Kôji's Arm angelehnt, gingen sie im Dunkeln den Weg entlang. „Und hat dir das erneute kleine Experiment“ die gewünschte Antwort gegeben?“ „Als Antwort blieb Takuto kurz vor der letzten Wegbiegung zum Haus stehen, neigte sich Kôji entgegen und küsste ihn. Dann ließ er den Verdutzten stehen und lief auf das Haus zu.
Kôji drehte noch einen kleinen Rundgang, der allerdings fast eine Stunde dauerte, um sich zu vergewissern, dass seine Gäste wirklich alle weg oder zu Bett waren; es hätten sich ja auch welche noch in der Dunkelheit seines Parks verlaufen haben können. Einige Zeit später folgte er Takuto. Aber wie er oben an seinem Zimmer ankam, bemerkte er, dass kein Licht mehr aus dem Spalt unter der Tür aus dem Zimmer herausdrang. Niedergedrückt wünschte er ihm still eine gute Nacht und schöne Träume und betrat kurz darauf sein eigenes Schlafzimmer.
Doch Kôji konnte nicht schlafen. Eine ganze Weile lag er nun schon wach, sah immer wieder das heutige Geschehen unter dem Sternenhimmel und wälzte sich schlaflos von einer Seite auf die andere. Also beschloss er noch mal nach Izumi zu sehen. Er stand auf, ging hinüber zum Schrank, nahm einen der dreiarmigen Kerzenleuchter, entzündete die Lichter und trat dann mit ihm leise hinaus auf den Flur. Mit der rechten Hand griff er nach der Tür um sie zu öffnen. Dunkelheit lag über dem Raum und sekundenlang konnte Kôji nichts erkennen. Dann sah er was sein Herz so sehr begehrte. Takuto lag in dem großen hellblau bezogenen Nussbaumbett, wie ein Engel der in Frühlingswolken badete. Sein Herz machte vor Freude einen Sprung. Dort ruhte also seine große Liebe und hier war der Ort wo Izumi seiner Meinung nach auch hingehörte. Im Nu vergaß Kôji die Absicht, nur einen Blick auf ihn zu werfen um sich zu vergewissern, dass es ihm an nichts fehlte und dann sofort wieder zu verschwinden. Für einen Moment war er nicht in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Langsam ging er auf ihn zu, um den Schlafenden genauer zu betrachten. Um ihn durch das helle Licht nicht unnötig zu wecken, blies er zwei der Kerzen vorsichtig aus, wohl bedacht, dass kein Wachströpfchen auf seinen schlafenden Liebsten fiel. Einige Minuten betrachtete er ihn sanft, doch als er merkte wie dieser scheinbar unruhig wurde, verließ er mit einem leisen Seufzer den Raum und kehrte in sein Bett zurück. ~*~ Keine Sekunde zu früh schloss sich die Tür hinter ihm, denn im gleichen Augenblick öffnete Takuto die Augen. Schwer in der stickigen Luft durchatmend, wandte er sich in Richtung Fenster um es zu öffnen. Kurz atmete Takuto tief die kühle Luft ein, bevor er sich wieder ins Bett legte. Längst vergangene, süße Erinnerungen überkamen ihn an Kôji, wie er… ja… an seine Augen, die sich, als er ihn küsste, sinnlich verdunkelt hatten. Er krampfte unbewusst die Finger zur Faust zusammen. „Waren diese Bilder Wunschdenken, Illusion oder wirkliche Erinnerung?“ Er wollte es wissen, doch als er darüber nachdachte, waren die Bilder von eben verflogen. Lange lag er noch wach, bis ihn der Schlaf doch endlich wieder einholte und ihm die Bilder abermals vor Augen führte.
Plötzlich schreckte er hoch. ‚Was war das? Ich hab tatsächlich mit ihm geschlafen, heißt dass etwa…’ Takuto nahm seinen Kopf in beide Hände und übte leichten Druck auf ihn aus, so als könnte er damit seine Erinnerungen endgültig zurückholen. „Mist. Warum ist alles weg? Wieso? Es muss doch alles noch da sein. Es kann sich doch nicht in Luft auflösen, wenn ich solche Träume hab.“ Ohne dass er es bemerkt hatte, hatte er die letzten Sätze laut herausgeschrieen. Kôji der noch immer wach in seinem Zimmer lag, hörte dieses und stürzte sofort rüber. Ohne anzuklopfen riss er die Türe gegenüber seiner eigenen auf und machte das Licht an. „Izumi… alles in Ordnung mit dir?“ „Hmm…? Ja.“ Langsam sanken seine Hände nach unten. Er hielt den Blick auch weiter gesenkt. „Was war denn eben?“ „Sag… Kôji… haben wir beide… haben wir je…“ Stille. „Was Izumi?“ „Na ja… miteinander geschlafen?“ „Wie kommst du da jetzt drauf?“ Kôji sah ihn fragend an. Er schloss nun, da er immer noch im Türrahmen stand, die Türe hinter sich und trat weiter ins Zimmer hinein. Er schritt zum Bett und setzte sich dann mit darauf. Ihre Blicke kreuzten sich. „Haben wir nun?“, Takuto sah ihn fragend an. Kôji nickte, „Ja, haben wir.“ „Dann ist es also wahr?“, sagte er mehr zu sich, als zu Kôji. „Was… wahr?“, wollte dieser nun wissen. „Ich sah Bilder: du und ich… in einem Raum… an einem brennenden Kamin… später wir beide…“ Kôji konnte nicht mehr länger an sich halten, stürmisch umarmte er Takuto. „Izumi… deine Erinnerungen… sie kommen wieder.“ Er lächelte ihn an, dann hielt er ihn mit beiden ausgestreckten Armen von sich weg. Ließ ihn aber nicht los. „Was weißt du noch, Izumi?“ „Nichts… es sind nur Bruchstücke. Aber ich denke es wird von Tag zu Tag mehr, an was ich mich erinnere. Erst waren es nur einzelne nicht zusammenhängende Bilder. Doch langsam… Ich glaube es kommt langsam – leider wirklich nur ganz langsam – zurück. Obwohl… na ja… manchmal bin ich noch immer nicht ganz sicher, ob ich es mir nur einbilde oder ob ich versuche aus den Erzählungen über mein früheres Leben, mir einfach nur meine eigene Geschichte zusammenzubauen. Als ob … es vielleicht nur Wunschdenken sei. Aber kann man sich etwas so detailgetreu vorstellen…?“ „Erzählst du mir, was für Bilder es sind?“ „Hmm… Also…“ ~*~ Es war schon nach 5 Uhr morgens, als Kôji Izumi glücklich verlassen wollte, um in sein Zimmer rüber zugehen, welches gleich diesem gegenüber lag, da die Räume neben seinen eigenen erst am nächsten Tag bezugsfertig sein sollten. Er wusste nun, dass er nicht mehr lange dauern würde, bis sein Izumi wieder gänzlich der Alte war. Mit vor Glück strahlenden Augen, beugte er sich vor und Kôji's Lippen trafen an diesem Tag zum wiederholten Mal auf die von Izumi. Als sie sich von einander lösten und Kôji ihm eine gute Nacht wünschte, erfasste Takuto Kôji's Hand und hielt sie fest. „Izumi?“ „Tust du mir einen Gefallen?“ „Jeden“, sagte Kôji erstaunt. ‚Was er nur möchte?’ Damit hatte er nun nicht gerechnet. „Bleib hier und halt mich einfach fest, während ich schlaf.“ Kôji nickte, stand auf und wollte sich einen Stuhl ans Bett holen. „Nein, so meinte ich es nicht.“ Damit schlug er mit der flachen Hand zweimal neben sich auf die Bettdecke. Kôji neigte den Kopf, fragte sich ob er dass nun richtig verstanden hatte. Sein Izumi forderte ihn auf sich zu ihm zu legen? Doch dann nickte er. „Ich komme gleich wieder.“ Damit verschwand er. Aber nicht schnell genug, denn Takuto war in Kôji's Augen ein eigentümlicher, ihm zu Herzen gehender Ausdruck aufgefallen. Nur wenige Minuten später stand er >Bett-geh-fertig< erneut vor Izumi. Ein frischer Duft ging von ihm aus. Die Haare noch leicht feucht vom Duschen, warf er den Bademantel ab und kroch zu Takuto unter die Decke. Zärtlich zog er ihn an sich heran, legte seine Arme um ihn und küsste dann Izumi. „Schlaf gut Izumi.“ „Du auch Kôji.“ Takuto schloss die Augen, atmete tief Kôji's Geruch ein und sank langsam in Kôji's Armen ins Land der Träume. Kôji indes war glücklich. Wieder durfte er seinen Izumi im Arm halten, wieder die Nacht - beziehungsweise das was von ihr noch übrig war - über bei ihm sein und wieder wollte er diese kostbaren Minuten nicht verschlafen, sondern bewachte die restlichen Stunden - bis zu Izumis Erwachen - seinen Schlaf. Nach einer Weile bemerkte Kôji, dass Takuto eingeschlafen war, beugte sich vor und drückte ihm sacht einen Kuss auf die Stirn. „Schöne Träume. Träum von uns, mein Liebling.“ ~*~ Schließlich war der nächste Morgen erwacht… der zweite Tag der „kleinen“ Feier, welche sich für Kôji immer mehr zu einem Alptraum entwickelt hatte und wahrscheinlich noch weiter entwickeln würde. Er hasste es förmlich so vielen fremden Menschen gegenüber ständig sein Sonntagsgesicht herauskehren zu müssen, obwohl ihm eher nach was ganz anderem zu mute war. Als Katsumi erwachte, war er bestürzt… denn es regnete immer noch. Der Himmel erstrahlte komplett in weiß-gräulichem Licht. Die Sonne war durch Wolkenfelder verhüllt. Und durch den Regen der bereits in den letzten Nachtstunden eingesetzt hatte, war es auch bereits merklich kühler geworden. Katsumi stöhnt laut auf, denn das hieß umdisponieren. ‚Warum kann man sich nicht einmal… nur einmal auf den Wetterbericht verlassen? Reden sie von Sonne, regnet es hundertprozentig und stehen Gewitter und Regenschauer auf dem Plan, kann man sicher mit kräftigem Sonnenbrand bis hin zu einem Hitzeschlag rechnen, so wie am vergangenen Wochenende.’ Sie hatten fest damit gerechnet, den größten Teil der Gäste gar nicht erst im Haus aufnehmen zu müssen. Und nun? Nun müsste er sich scheinbar doch was anderes einfallen lassen. Rasch stand er auf, zog sich an und griff nach dem Telefon um Hilfskräfte anzuordern.
Ganz auf die Schnelle, still und leise um die noch schlafenden Gäste nicht zu wecken, begannen Katsumi und seine Leute damit, alles was ursprünglich für draußen geplant war, nach innen zu verlegen bzw. unter großen Überdeckungen neu zu arrangieren. Es wurden weitere Räume frei gemacht, gesäubert und geschmückt, Tische darin für Gesellschaftsspiele aufgebaut, falls der Regen noch schlimmer werden sollte.
Außerdem wurde im Garten ein langes weißes Zelt errichtet, da man sich ansonsten im Haus selber hätte kaum bewegen können, müssten ALLE Gäste sich darin aufhalten. Katsumi stellte sich das gerade bildlich vor und grinste. Es sah aus, als ob sie wie die Sardinen in eine Büchse gequetscht worden wären. Keine schöne Aussicht. Aber Kôji ist bestimmt auch nicht erfreut, was nun mit seinem schönen gepflegten Rasen passiert… Aber der beschädigte Rasen war immer noch das kleinere Übel, gegenüber einem Haus welches aus den Nähten platzt… Sollte es tatsächlich den gesamten Tag bis in die Nacht hinein regnen, würde das Fest trotzdem stattfinden können. Katsumi hatte alles im Griff. Zwar wurde es so um einiges beengter, aber für den plötzlichen Wetterumschwung konnte ja niemand was. ~*~ Takuto schlug am nächsten Morgen die Augen auf und sah geradewegs in Kôji's leuchtende Augen. „Guten Morgen, Izumi.“, hörte er. „Guten Morgen, Kôji.“, kam es verschlafen zurück und er kuschelte sich dichter an ihm, da er die ihn bis dahin umhüllende Wärme plötzlich vermisste. Ungestüm drückte Kôji ihn plötzlich fester an sich, neigte sich zu ihm und presste den Mund auf Takuto seinen, zwang ihn leicht, die Lippen zu öffnen um ihn sogleich wild und begehrlich, heißblütig und voller Leidenschaft zu küssen. Es wurde ein wirklich stürmischer Kuss, den zu beenden Takuto nicht die Eile hatte. Im Gegenteil, seine Leidenschaft zwang ihn, den Kuss auf die Weise zu erwidern, die man nur als ausschweifend bezeichnen konnte. Kôji lächelte ihn an und wollte seinen Izumi wieder küssen. „Kôji?“ „Ja, mein…“ Er begann an Izumis Ohrläppchen zu knappern und die Gefühle, welche er hervorrief, waren so köstlich, dass Takuto benahe vergessen hatte, was er sagen wollte. „Glaubst du, dass ich je meine gesamten Erinnerungen zurückerhalte?“ „Ja, warum nicht? Aber selbst, wenn es noch ewig dauern würde, wir beide, wir haben uns trotz aller Widrigkeiten wieder gefunden und werden auch alles andere gemeinsam durchstehen… Sag… genügte dir das… oder möchtest du vielleicht noch etwas mehr?“, fragte Kôji ihn etwas frivol, als sie sich erneut von einander lösten, um Atem zu schöpfen. Dieses Temperament und der anschließenden Gesichtsausdruck verblüfften Takuto, und auch der Umstand, dass er ihm trotz allem die Möglichkeit gelassen hatte, sich von ihm zu trennen. „Ja“, antwortete er leichthin, immer noch in seinen Gedanken versunken. Kôji lachte leise auf, als er die verträumt, abwesende Miene des Anderen sah. Jedoch bevor er ihn wieder küsste, streichelte er erst den Rücken hinab, über die Hüften wieder hoch zum Brustkorb. Takuto empfand die Zärtlichkeiten als wohltuend, merkte wie sehr Kôji sich bemühte ihn langsam und geschickt zu reizen, fühlte sich aber im Augenblick noch nicht von ihm erregt, sondern verspürte einfach nur das Bedürfnis nach etwas mehr Nähe, sorglos in seinen Armen zu liegen und vielleicht noch einen Augenblick zu träumen, zu kuscheln... Also unterbrach er des anderen Tun, indem er sich an ihn schmiegte die Arme Kôji's um sich schlag und die Hände für einen Moment auf ihrem Platz festhielt. An ihn gelehnt, lag er da und genoss die Umarmung. Mit einem Hauch von Bedauern ließ Kôji es geschehen. Ein Weilchen ließ er ihn noch so liegen, doch dann, strich er ihm sanft eine Strähne welche sich über Takuto’s Augen gelegt hatte weg, und flüsterte ihm lächelnd ins Ohr: „Es wird Zeit, wir sollten uns fertig machen, bevor Katsumi wieder plötzlich in der Tür steht, weil er dich sucht… Ich möchte nicht wieder von ihm in flagranti erwischt werden. Aber das kennst du ja inzwischen.“ In seinen Augen funkelte der Schalk und Takuto wusste ganz genau, dass das diesmal nicht so ganz der Wahrheit entsprach, da es Kôji schon längst nicht mehr scherte, was Katsumi dazu sagte. Eher schätzte er, dass Kôji einem erneuten Temperamentsausbruch wohl nicht mehr lange widerstehen könnte. ~*~ Nachdem sie sich fertig gemacht hatten und Kôji das Zimmer verließ, wunderte er sich, dass auf einmal so viele Füße im Haus hin und her rannten und geschäftig vieles von dem was eigentlich draußen arrangiert war, nun ins Haus schleppten. Als Katsumi ihm über den Weg lief, hielt er ihn auf und fragte ihn: „Ich dachte wir sprachen von einen Gartenfest, so wie gestern?“ „Jup Kôji… so war es geplant. Hast du heute früh schon mal einen Blick nach draußen geworfen? Der Wettergott hat da ganz offensichtlich für heute andere Pläne und meint die Erde brauche schon wieder einmal das erquickende Regenwasser.“ Kôji eilte zum nächsten Fenster, um sich mit einem Blick nach draußen selbst davon zu überzeugen. Nach einem Blick in den mit dunklen Wolken vergangenen Himmel und auf die vielen Pfützen auf dem Boden begriff er was Katsumi meinte. „Und… wenn wir einfach abwarten? Vielleicht kommt die Sonne ja doch noch wieder raus? Vielleicht war es das schon, im Moment scheint es jedenfalls gerade aufgehört zu haben. Könnte doch sein, oder?“ Unvermittelt zuckte ein Blitz durch die schwarzen Wolken und kurz darauf hörte man in der Ferne schon das Donnergrollen. „Ich glaube, da wurde dir soeben geantwortet. Ich mach dann man weiter.“ Und weg war er auch schon. ~*~ Eigentlich wollte sich Takuto die Ecke, wo er gestern mit Kôji war, heute noch mal in Ruhe und bei vollem Tageslicht ansehen, aber nach dem Donnergrollen zog er es vor, an diesem Tag erst einmal ein Besichtigungstour durch das Haus zu unternehmen. Er besah sich jedes der Zimmer in Kôji's großem Haus, öffnete kurzerhand jede unverschlossene Tür, außer denen in welchen er wusste dass sich darin Gäste oder Handwerker aufhielten, welche noch Malerarbeiten erledigten. Kôji und Katsumi waren schon seit dem frühen Morgen in ihre Arbeit eingebunden, Gäste zu verabschieden und Neue zu empfangen. Also hatte Takuto viel Zeit. ~*~ Kôji's Unbehagen hingegen nahm in der Zwischenzeit immer mehr und mehr zu, während er die neuen Gäste begrüßte und die welche über Nacht noch geblieben waren verabschiedete. Am liebsten hätte er sich aus dem Staub gemacht und sie ihrem Schicksal überlassen. Wenn Katsumi meinte er müsse so was veranstalten, soll er sich doch allein darum kümmern, schoss es ihm immer wieder durch den Kopf. Innerlich kochte er inzwischen, drohte jeden Moment zu explodieren, aber nach außen hin zeigte er es nicht. Allerdings sah seine Miene wie versteinert aus, ohne eine Gefühlsregung zu zeigen, während er leise mit den Gästen sprach. Er wusste, dass es eine arge Enttäuschung für die geladenen Gäste wäre, wenn er seinem Wunsch nachgegeben hätte. Allerdings hätte er dann auch feige die Flucht ergriffen, und kein Nanjo benahm sich wie ein Feigling. Zumindest hörte er in diesem Moment die harten Worte seines Vaters, der ihm dieses als Kind schon öfter an den Kopf geknallt hatte, wenn er sich mal wieder vor irgendwas stundenlang in „seiner“ Höhle versteckt hatte. Kôji schüttelte den Kopf und somit den Gedanken weg. Nein, feige war er nicht. Er würde auch diesen einen Tag noch überstehen, ihn überleben… und dann wäre ja auch noch Izumi da. Kôji lächelte bei dem Gedanken.
Plötzlich schrak er auf, als er einen fremden Ellenbogen in seiner Seite wieder fand. Er sah dessen Eigentümer an, und stellte fest, dass es nur Katsumi war. Doch dieser gab ihm mit einer Geste zu verstehen, dass er nicht träumen soll, da der Gast ihn was gefragt hatte und auf Antwort wartete. Katsumi versuchte die Situation gerade noch zu retten, Kôji einen Tip diesbezüglich zu geben, doch dieser entschuldigte sich. Er meinte er hätte was Dringendes vergessen, was ihm soeben wieder eingefallen wäre und vertröstete den Gast auf später. Dann ließ er ihn und Katsumi einfach allein zurück. ~*~ Plötzlich befand Takuto sich in einem großen dunkel gehaltenen Raum, der trotz der großen Pracht und pompösen Gegenstände welche sich darin befanden, irgendwie erschlagend auf ihn wirkte. Neben einer kleinen Sitzgruppe standen ein monströser, schwerer Schreibtisch und dahinter ein riesiger mit dunklem Leder bezogener Lehnstuhl. An den Wänden hingen überall verschiedene Waffen, welche zu allen möglichen Kampfsportarten zu gehören schienen. Eine Seite enthielt eine riesige Fensterfront, welche aber trotz der Größe nicht in der Lage war diesen Raum in Freundlichkeit zutauchen. Ebenfalls fielen ihm die beiden großen Bilder an der Wand auf. Als er herantrat, bemerkte er eine gewisse Ähnlichkeit mit Kôji. ‚Aha also Verwandte von ihm. Aber irgendwie sehen BEIDE unnahbar aus, ganz anders als er.’ Ganz unerwartet spürte er eine Hand auf seiner Schulter. Ruckartig drehte er sich um, um geradewegs in das leicht schmunzelnde Gesicht dessen zu sehen, an den er soeben gedacht hatte. „Hier steckst du also. Ich wollte dich nicht erschrecken. Gefällt dir, was du hier siehst?“ „Hmm… dieser Raum wirkt trotz der Teppiche, Vorhänge und all der Teile hier drin kalt. Als ob jemand versucht hier seine Macht zu demonstrieren.“ „Ich weiß… Dieser Raum wirkte immer schon so und genau deswegen werde ich auch alles verändern lassen. Dieser ganze Kram hier…“ Er holte weit mit dem linken Arm aus und zeigte in die Runde, „…kommt raus. Hast du einen Vorschlag, wie wir ihn umgestalten könnten?“ Takuto schüttelte den Kopf. ‚Sagte er gerade wir?’ „WIR?“, fragte er ihn deshalb. „Ja, ich möchte dass du dich hier wie zu Hause fühlst. Wenn du einen Raum siehst, der dir gefällt, soll es dein eigenes Zimmer sein. Du kannst ihn dir selber einrichten, wie du möchtest. Sag mir Bescheid. Geldsorgen habe ich nicht, wie du ja weißt. Also nenne mir ruhig deine Wünsche. Wenn du dich allerdings nicht entscheiden könntest, hätte ich…“
Plötzlich wurde die nur angelehnte Tür weit aufgerissen. „Ach hier bist du Kôji, deine eben angekommenen Gäste vermissen dich. Außerdem wird es Zeit, dass Essen ist angerichtet.“ „Ach… wenn ich dich nicht hätte… Okay Katsumi. Ich stell dich ab jetzt, hier und sofort als „Butler“ ein, deine Pflichten erfüllst du ja auch so schon ganz gut.“ Er sagte das richtig trocken. Als Kôji dann jedoch einen verstummenden Katsumi mit große Augen sah, musste er auflachen. „Ganz ruhig Katsumi. Dies hier ist MEIN Haus und wenn irgendeinem meiner Gäste da draußen das nicht behagt, dass es zu einer Verzögerung im Ablauf um vielleicht fünf Minuten kommt, bitte… dann soll er wieder zu sich nach Hause fahren. Ich mache mir nichts aus dem gackernden und schnatternden, immer während Klatsch verbreitenden Haufen da draußen. Okay Katsumi?“ „Lass deine Ironie ruhig stecken. Scheinbar muss ja einer auf dich aufpassen, da du es anscheinend ja nicht selber tust.“, dabei zwinkerte er ihm zu. „Takuto komm. Wir sitzen wieder zusammen. Eigentlich könnten wir schon mal zu unserem Tisch gehen, damit der HERR seinen Pflichten in der Zwischenzeit nachgehen kann.“ Mit einer tiefen Verbeugung zog er Takuto mit sich hinaus. Kôji guckte zwar grimmig, wegen der Unterbrechung, aber ihm blieb nichts anderes übrig, als sich zu fügen und den Beiden zu folgen. Dabei wollte er ihm doch noch einiges zeigen und auch dass mit dem Fußballclub erzählen, was er letzte Nacht vergessen hatte. ~*~ Das Essen verlief „normal“, solang man von normal reden konnte, da Kôji sich wieder einmal nur die ganze Zeit um seine Tischnachbarin gekümmert hatte. Takuto überging das Ganze … noch… obwohl es ihm immer schwerer fiel. Nach dem Essen versuchte Kôji erstmal sein Gespräch mit Takuto zu Ende zu bringen. Da er ihn aber nirgends sehen konnte, ging er ihn suchen. Als er jedoch an der Zimmertür vorbei kam, hinter der er wusste, dass er hier mit Izumi die letzte Nacht verbracht hatte, die erste Gemeinsame in IHREM Haus, wie er dachte, blieb er kurz stehen. Die Türe war nicht zu und so warf er einen Blick hinein, um sie wieder zu schließen. Er hatte schon die Hand erhoben, als er sah, dass Izumi am Fenster stand und verträumt raus schaute. „I-zu-mi?“, flüsterte er mehr, als er es sagte, doch die Reaktion blieb aus. Langsam und unbemerkt näherte Kôji sich ihm und stand kurz darauf hinter dem, welchen seine Sehnsüchte und unerfüllten Nächte galten. Einen kleinen Moment zögerte er noch, doch dann schlang er ihm vom hinten beide Arme um die Taille. Takuto schreckte auf und wollte sich umdrehen. Doch Kôji hielt ihn schon fest umschlungen und schmiegte seinen Kopf an Izumis Wange. Kurz schloss er seine Augen, und atmete tief ein… „Sag mir, wann ziehst du für immer hier ein, wann?“ „…“ „Auch wenn du deine Erinnerungen nicht wieder hast und dich gegen das Neue sperrst, deine Gefühle für mich sind da, das weiß ich und du brauchst dich nicht mehr bei Katsumi vor mir oder den anderen zu verstecken. Ich weiß auch… dass deine Empfindungen für mich zurückgekehrt sind, deine eifersüchtigen Blicke vorhin beim Essen haben dich verraten, und sie müssten es dir doch auch bewiesen haben. Oder? Und falls du Angst hast, dass die Horiuchi’s dich HIER wegholen wollen, um doch noch ihr Ziel zu erreichen… NEIN… DAS schaffen sie nicht. Hier bist du genau so in Sicherheit vor ihnen, wie zuvor bei Katsumi, vielleicht sogar noch sicherer, da hier niemand über die Mauern hineindringen kann.“ Kôji sah ihm tief in die Augen. Wartete sehnsüchtig auf eine positive Antwort von seinem Izumi. „Bald… Kôji… Okay? BALD. Lass mich nur erst das mit dem Fußball regeln.“ Er lehnte sich leicht bei Kôji an, sein Blick ging aber weiterhin nach draußen, während Kôji ihn von hinten umschlang. „Was willst du da regeln?“ Er fasste sich kurz an den Kopf. „Hätt’ ich doch beinahe wieder vergessen… Katsumi sagte mir schon gestern, dass der Fußballverein angerufen hat.“ „Und was haben sie gesagt.“, Takuto wurde nun doch neugierig. „Na ja, also Katsumis genaue Worte waren… Moment… >Matsu wurde fristlos entlassen und Takuto somit rehabilitiert. Wenn er will kann er wieder zum täglichen Training zurückkehren. Man hat uns unsere Version abgenommen.< Ups… das Letzte hätte ich wohl nicht sagen sollen.“ Takuto sah ihn erstaunt an. „UNSERE VERSION?“ „Na ja weißt du, dass ist alles etwas verworren. ER hat UNS damals gesehen und wollte UNS dann gesellschaftlich unmöglich machen. Du weißt doch… ich hatte dir erzählt vom Strand und von dem kleinen, von dir unerwünschten, Abstecher den er später mit dir gemacht hat?“ „Hmmm… ja und?“ „Na ja… wenn wir das aber der Presse bestätigt hätten, wäre es hundertprozentig DEIN und auch mein AUS gewesen. Also hat Katsumi Leute auf Matsu’s Leben angesetzt und die haben halt ganze Arbeit geleistet – von seiner Geburt bis zum letzten uns interessierenden Tag, fast lückenlos alles ermittelt und auch seinen intimen Bekanntenkreis gecheckt. Durch einen „kleinen Zufall“ wurden die Ergebnisse gleich mehreren Medien zugespielt und diese stellten nun dich, Izumi, als armes Unschuldlamm hin, das vom „bösen“ Matsu gefressen werden sollte. Sie tobten sich auf Matsu’s Kosten so richtig schön aus und der Stoff für Storys schien der Presse irgendwie nicht auszugehen. Da er mit seinem eigenen Vorlieben DEIN Leben zerstören wollte, drehten wir den Spieß nur ein bisschen um. Und er ist in seine eigene Falle getappt, welche er eigentlich für dich gelegt hatte.“ „War er beim Spiel…“ „Du meinst, ob er mit auf dem Feld war, als du letztens gespielt hast?“ Takuto nickte. „Nein. Ihn hatten sie genauso vorübergehend beurlaubt wie dich, als der Presserummel um ihn losging. Sie wollten damals bei den Landesmeisterschaften mitmachen… na ja und deswegen gab es Probleme. Die wollten keine Spieler in den Mannschaften, über welche die Presse gerade herzog, die dann ausgewählt werden könnte, um DAS LAND zu vertreten. … Angst haben brauchten sie auch nicht. Denn nachdem du weg warst, ging es mit dem Team eh den Bach runter. Einige auf dem Feld waren neu, weil manch Spieler inzwischen das Team gewechselt hatte, und die mussten durch Neue ersetzt werden, die nicht viel auf Gerüchte gaben und bereit waren in so einem Team zu spielen…. Also? Was willst du da noch regeln, was du nicht von hier aus kannst? Du kannst wieder mitspielen und wohnst hier.“ „…“ „Weißt du… der Fußball klingt für mich in Moment wie eine vorgeschobene Ausrede. Du brauchst keinen Bus und auch keine Bahn nutzen. Sieh dir die Autos an, die in den Garagen da hinten rum stehen. Mehr als zu viele. Hirose alleine hatte fünf, Akihito drei. Such dir einen aus. Mach den Führerschein, du kannst aber auch einen Chauffeur haben und wenn ich Zeit habe fahre selbstverständlich ich dich. Nur bitte… Izumi… zieh hier ein. Noch besser du bleibst gleich hier und Katsumi kann deine Sachen schicken. Was hältst du davon?“ Takuto fühlte sich leicht überrumpelt. Natürlich würde er gerne … Er wusste auch nicht was ihn immer noch zögern ließ. War es weil er gestern und auch heute schon den ganzen Tag von allen möglichen Mädchen und Frauen umschwärmt worden war, und er Angst hatte, dass er bald nicht mehr der EINZIGE in Kôji seinem Leben sein könnte. Hatte er Angst mit einer dieser Frauen, dann unter einem Dach wohnen zu müssen? Er wollte gerade einlenken, als Kôji den Kopf schüttelte, nachdem er Takuto's noch zweifelnden Gesichtsausdruck bemerkt hatte. „Na was ist… ich weiß, ich muss zurück… aber kann ich dir noch schnell was zeigen? Ist auch nicht weit.“ „Was zeigen?“, fragte Takuto erstaunt. „Ist es nicht besser, wenn du es mir morgen zeigst?“ Kôji schüttelte den Kopf. „NEIN. Ich WILL es dir jetzt zeigen. Eigentlich hatte ich es schon vor, als Katsumi in unser Gespräch reingeplatzt war. Aber da war es auch noch nicht ganz fertig. Komm doch einfach mit.“ Damit fasste er Takuto's Hand und ging mit ihm auf den Flur. Takuto indes, bedauerte dass Kôji ihn nicht mehr im Arm hielt und er selbst wieder stehen musste, obwohl ihm inzwischen die Beine fast den Dienst versagt hatten. Kôji ging geradewegs auf die Türe zu, die neben seinen eigenen Räumen lag, öffnete sie, trat ein und zog Izumi hinter sich her. Der Raum war gemütlich eingerichtet worden, ganz so wie Takuto es Kôji mal vor seinen Gedächtnisverlust erzählt hatte, als sie gemeinsam an ihrem Lieblingsort im Gras lagen und in die Wolken starrten. Oft hatten sie so da gelegen und irgendwelchen Fantasien nachgehangen. Doch eine dieser Fantasien hatte Kôji hier versucht in die Tat umzusetzen. Warme Farben überall, große Fenster die viel Sonne hineinließen, Möbel elegant und in einem warmen Braunton, helle einfarbige Wände an denen ein paar Landschaftsbilder hingen… unter anderem ein Bild welches ihrem kleinen versteckten Quellsee mit dem Wildwuchs sehr ähnlich sah. Kôji strahlte ihn an, als Takuto wie gebannt auf das Aquarell starrte. „Du hast ihn erkannt, stimmt’s?“ „Ist er das wirklich?“, fragte Takuto mit großen Augen. „Du warst lange nicht da Izumi. In der Zeit habe ich alles Mögliche getan um die Erinnerungen an dich festzuhalten. Und hier….“, damit zeigte er auf einen leeren Platz an der Wand welcher nicht zu übersehen war, „und hier kannst du – wenn du möchtest - dein Bild anhängen, welches noch bei Katsumi ist.“ Dann betraten sie den nächsten Raum. Auch hier war alles sehr anheimelnd eingerichtet. Doch zwei Sachen fielen hier dem Betrachter sofort ins Auge. Ein riesengroßes Bett, das einladend auf seine nächtlichen Besucher zu warten schien und ein weiteres Bild, genau gegenüber der Tür, durch welche sie diesen Raum betreten hatten. „Kôji?“ „Ja?“ „Das da“, er zeigte zu dem Porträt, „das da bist du!?“ „Ja… auch das hab ich inzwischen für dich malen lassen. Ich dachte mir, selbst wenn ich nicht hier bei dir sein sollte… könntest du mich sehen. Sei es nun, weil du noch Zeit brauchst oder sei es weil ich mit der Band für ein paar Tage fort muss. So bin ich immer bei dir.“ Er wurde etwas verlegen. „Ich weiß, dass es selbstsüchtig klingt, aber … wenn es dir nicht gefällt, kannst du es abnehmen und wir hängen es zu den Bildern von Vater und Hirose. Auch kannst du hier noch alles nach deinen Wünschen ändern oder umstellen, wenn dir was nicht gefallen sollte. Diese Räume wurden leider erst vor 2 Stunden fertig… Eigentlich waren sie von Anfang an für dich geplant gewesen, doch leider kamen die Möbel nicht schnell genug ran. Tut mir leid.“ „Extra-Räume für mich? Auch falls wir wieder...“ Kôji lächelte. „Das Bett ist groß genug für drei, wenn es dir zu einsam ist, bin ich gerne bereit dir Gesellschaft zu leisten… Und das andere Zimmer… Ich wollte nur, dass du auch mal einen Raum ganz für dich alleine hast, in dem du tun und lassen kannst was du willst, ohne dass dich jemand stört wenn du es nicht willst. Du kannst auch die Türen abschließen.“ Damit ging er zu einer Vitrine, öffnete sie, entnahm ihr die darin befindlichen Schlüssel, und reichte sie ihm. „Hier an jedem steht dran, für welche Türe er ist. Es gibt nur einen pro Schloss. Wenn du der Meinung bist, du brauchst sie… - zum Beispiel nach einem Streit, wenn du mich nicht sehen willst, was ich natürlich nicht hoffe - ansonsten wäre ich glücklich wenn du sie wieder im Schrank verschwinden lassen würdest.“ Takuto nickte, nahm sie ihm ab und flüsterte ein „Danke“. Dann legte er sie wieder an die Stelle, von der Kôji sie vor wenigen Augenblicken weggenommen hatte. „Ich denke, ich werde sie nicht brauchen.“ Kôji sah ihn geknickt an. „Heißt das du willst nicht hier bei mir sein?“ Er war den Tränen nahe. Wollte sich gerade zur Tür umdrehen, doch dann sagte er, „Lass dir Zeit mit deiner Entscheidung, die Räume werden jederzeit für dich bereit sein. Deine Sachen wurden übrigens von dem anderen Zimmer inzwischen schon hier rein gebracht, so dass du die nächste Nacht hier schlafen kannst. Seh’ es als kleinen Vorgeschmack auf kommende Nächte und natürlich auch Tage an.“ Nun drehte er sich doch um, ging mit traurigen Blick und gesenkten Kopf auf die Tür zu. Takuto jedoch ließ ihn diesmal nicht gehen. Er eilte ihm nach, schlang seine Arme um ihn und sagte: „Nein, ich brauche sie nicht, weil ich dir vertraue… Kôji, aber was hältst du davon, wenn ich den Club wechsele?“ Plötzlich spürte er wie Kôji ihn fester umklammerte. „Wechseln? Wohin??? Sein Herz verkrampfte sich, seine Stimme klang plötzlich unsagbar traurig, ängstlich und zugleich schmerzerfüllt. „Wieso willst du so plötzlich wechseln?“ „Kôji, ich will doch nicht weg.“ „WAAAS?“ Takuto lächelte ihn an, bevor er wieder seinen Kopf in Kôji's Halsbeuge kuschelte. „Nein, ich hab mir in den letzten Tagen was überlegt, für den Fall das ich wieder spielen kann…“ „Hast du es wirklich gut durchdacht. Willst du es bestimmt tun?“, kam es nun aufgeregt von ihm. Er überschlug sich fast, drückte Takuto zärtlich an sich und dieser kuschelte sich enger an ihn, suchte seine Geborgenheit. „Ja… hab ich. Ich suche mir einen Club in der Nähe. Dann brauche ich nicht mehr so viel und so lange zu fahren. Wir könnten uns dann jeden Tag sehen.“ Eine kleine Pause entstand, in der Kôji seinen Izumi mit Küssen, auf die Haare, verwöhnte und dieser tief seufzend die Augen schloss um Kôji's plötzlichen Gefühlsausbruch zu genießen. „Vielleicht…“ Kôji horchte auf. „Ich denke ich werde dein Angebot annehmen. Aber nicht das Auto mit Chauffeur. Ich glaube, dabei würde ich mich nicht wohl fühlen. Lieber fahre ich weiter mit der Bahn. Abgemacht?“ „Wenn du es so willst?“ Mit den Worten drehte er sich um und drückte Izumi fest an sich, um kurz darauf in einem langen Kuss zu versinken. „Alles was du willst, soll geschehen, Izumi. Also noch mal… damit ich es auch richtig verstehe… Du ziehst tatsächlich HIER ein?“ „Ja.“, hauchte Takuto und errötete. „Ich kann es noch gar nicht fassen, dass du dich endlich dazu durchgerungen hast, bei mir zu bleiben. Izumi, du machst mich im Augenblick zum glücklichsten Menschen unter der Sonne.“ Zärtlich strich er ihm über die Haare, küsste ihn auf die Wange. Er beugte sich über ihn und ihre halbgeöffneten Lippen fanden sich zu einem innigen langen Kuss. Doch als sie sich voneinander lösten, gerieten Takuto's Sinne gleich darauf wieder in wilde Aufruhr, so dass seine Beine fast nachgaben, denn Kôji flüsterte ihm leise mit seiner sinnlich tiefen Stimme ins Ohr: „Ich wüsste nichts, was ich mir mehr wünschen würde, als dich für immer und ewig in meiner Nähe zu haben...“
TEIL 31Nachdem Kôji geglaubt hatte, dass seine Welt nun endlich in Ordnung kam und sie sich nach einem langen Kuss voreinander getrennt hatten, kam Kôji erst einmal wieder seinen Pflichten als Gastgeber weiter nach. Wohingegen sich Takuto wieder mal unter die Massen mischen, Kôji aber dabei aber nicht aus den Augen verließ.
Schon bald riss ihm der Geduldsfaden, nämlich als er Kôji und dieses Mädchen - von gestern - die ganzen weiteren Stunden immer wieder zusammen kleben sah. Er lachte und scherzte fröhlich mit ihr, dafür hing sie wie eine Klette an seinem Arm, ließ ihn selten mal los. Still und scheinbar teilnahmslos aber mit leicht verkniffenen Augen beobachtete Takuto ihn. ~*~ Katsumi geht auf Takuto zu. Schon auf dem Weg zu ihm bemerkt Katsumi, Takuto's feindselige Blicke und auch wem diese gelten. Doch leider war die schwarzhaarige Schönheit in diesem Moment nicht zu sehen und Katsumi, glaube dass die Blicke jemand anderem galten. Trotzdem ging er ohne zu zögern weiter auf ihn zu, berührt ihn kurz an der Schulter um sich seiner Aufmerksamkeit zu versichern und fragt dann mit einer Unschuldsmiene: „Na Taku, Langeweile?“ Nebenbei sah er Takuto an. „Es sieht aus, als ob alle Kôji akzeptieren… Außerdem kommt er gut bei den Frauen an. Oder?“ „Mag sein.“, sagte Taku ausdruckslos. „Eh Taku, klingt ja nicht so begeistert. Bist du etwa eifersüchtig auf DIE Mädchen?“ „Quatsch. Wie kommst du denn da drauf. Ist mir doch egal was er macht.“ „Ach ja? Wirklich? Sieht aber nicht so aus.“ Ein heftiges Zittern überfällt Takuto. „Ich hasse ihn.“ Damit drehte er sich um und ließ Katsumi einfach stehen. Er hatte Angst, wenn er noch einen Moment diese Bilder ertragen müsste, würde er sich hier auf der Stelle übergeben. „Wenn dass Hass ist…, möchte ich jetzt aber nicht in Kôji's Haut stecken und auch gar nicht erst wissen wie es aussieht wenn du wirklich liebst, Taku.“ Mit einem Schmunzeln drehte er sich zu Kôji um, der ihn aber weder in dem Moment sah noch hörte und sagte nur. „Da wirst du heute bestimmt noch eine harte Nuss zu knacken haben. Schade… gestern sah es so gut bei euch beiden aus… wirklich schade…“ ~*~ Alle Gäste feierten bereits fröhlich und die Party war im vollsten Gange, da spürte Kôji seinen schmollenden Izumi in einer versteckt liegenden Ecke dann doch noch auf und zog ihn in das düstere Bürozimmer, welches dieser schon am Vormittag betreten hatte und in welchem Hirose und zuvor auch Kôji's Vater seine Geschäfte getätigt hatten. Kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen zog er Takuto in seine Arme und drückte ihn zärtlich an sich. Nach einem Kuss auf die mit Haaren bedeckte Stirn, hob er leicht dessen Kinn mit dem Zeigefinger an und sogleich wanderte sein Mund tiefer um auch das restliche Gesicht mit leidenschaftlichen Küssen zu bedecken. „Gefällt dir die Party? Findest du das Fest schön?“, fragte ihn Takuto zwischen zwei Küssen. „Sag mir, was soll an diesem Fest so schön sein? Alle reden mir nach dem Mund, wollen ein Stück von dem Kuchen, den ich eigentlich selber nicht will. Sie biedern sich an, versuchen mir ihre heiratsfähigen Töchter andrehen zu wollen… führen die Mädchen vor wie Zirkusattraktionen. Die eine soll versuchen, mich zu überreden, dass sie mir was auf dem Klavier vorspielen darf…, die andere will was für mich singen. Die Mädchen selbst schwärmen pausenlos für die Band, und wollen wiederum dass ich nur allein für sie was singe. Nein. Nein. Nein. Du kannst mir nicht sagen, dass es da drinnen“, er zeigte in die Richtung der Feiernden, „jetzt schön ist.“ „Du bist ein strenger Kritiker. Aber sieh doch mal, wie die sich da drinnen alle amüsieren.“ „Tja alle… nur ich nicht… oder besser bis eben nicht… Und du? Du doch auch nicht. Hätte ich dich sonst aus der hintersten Ecke hervorholen müssen? Ich glaube doch kaum.“ „Das hat andere Ursachen.“ „Hmm und welche…?“ „…“ Takuto stellte sich bockig, wollte einfach nicht mit der Sprache herausrücken, was ihm fehlte. „Izumi…“, raunte Kôji ihm leise ins Ohr, „wie sehr ich dich vermisst habe.“ „Ach ja Kôji… unter den Massen bei deiner Beliebtheit… davon habe ich allerdings nicht viel gemerkt.“, kam nun die zynische Antwort. Kôji sah ihn erstaunt an. „Aber… Was ist los, Izumi… Du bist…“ So anders wollte er gerade sagen, als ihm das funkelnde Leuchten in den Augen seines Lieblings förmlich entgegen sprang. Takuto befreite sich aus den Armen Kôji's, welcher ihn jetzt entsetzt ansah und wandte ihm den Rücken zu. Als er sacht mit dem Arm über Izumi’s Arm strich, zuckte es wie ein Blitzschlag durch Takuto's Körper. Am liebsten hätte er seine Maskerade fallen lassen und sich ihm in die Arme geschmissen. Aber… NEIN… nicht jetzt… Kôji fasste Takuto an den Schultern, drehte ihn wieder zu sich herum und schüttelte ihn leicht. „WAS ist? WAS hab ich dir getan? WARUM verhältst du dich auf einmal so? Ich versteh nicht. Was hat deine Meinung so plötzlich verändert. So kenne ich dich nicht? Was ist seit heute morgen geschehen?“ Nur ein trotziger Blick kam zurück. „Such dir deine Antwort alleine. DU SOLLTEST sie kennen.“ „Izumi…“ „Ich heiße Takuto…“ „WIE?... Aber… okay… Takuto. Ich weiß nicht was in dich gefahren ist. Aber was ich genau weiß ist, dass jede Minute ohne dich mir wie eine Ewigkeit vorkommt. Ich hatte nie vor dir Kummer zu bereiten. Und sollte ich es dennoch unbewusst…“ „Kummer… unbewusst… du mir?“, wiederholte Takuto spöttisch, wich aber zugleich Kôji's Blick aus. „Du redest dir etwas ein. Das ist nicht der Fall und nun geh bitte wieder zu den anderen Gästen. Lass mich allein“, fügte er hinzu und wandte sich erneut ab. „Nein, warte einen Moment“, bat Kôji und hielt ihn am Arm fest. Takuto erstarrte wieder bei der Berührung, die ihn bis ins Innerste zu erschüttern schien und ihm eine leichte Gänsehaut bescherte, die auch Kôji's Blick diesmal nicht entging. Behutsam strich Kôji ihm über die Wange, und entfernte die sich sanft darüber rollende Träne. Takuto hatte gar nicht mitbekommen wie sie sich bei ihm gelöst hatte. Aber die Berührung hatte wieder diese verwirrenden Emotionen entfacht. Erst jetzt bemerkte er, dass noch mehr Tränen in seinen Augen brannten und er wendete sich erneut ab, um Kôji nicht seine Gefühle und weiteren Tränen zu zeigen. ‚Also keine Einbildung…’, dachte er sich, so viel Einbildungskraft kann kein Mensch haben… das kam eindeutig von innen her… tief aus mir heraus…’ Doch in dem Moment riss Takuto sich von ihm los, öffnete die Türe mit so viel Schwung, dass sie hätte hinter ihm zuknallen müssen und wollte gerade auf die Haustür zu laufen, doch Kôji's leiser Ruf hielt ihn zurück. „Izumi…“ Dieser drehte sich wieder um und sah jetzt wie Kôji lässig am Türrahmen lehnte und sich eine lange Strähne, welche sich gelöst hatte, aus dem Gesicht strich. „Ich nehme an, du…“, begann er noch leise, um kurz darauf den Tonfall zu wechseln. „Ach was, warum verteidige ich mich überhaupt… UND… Warum regst du dich eigentlich so auf? Du sagst du erinnerst dich nicht wirklich an uns. Hältst mich weiter am langen Arm. Ich darf dich meist nicht mal berühren. Schön… küssen erlaubst du inzwischen… aber trotzdem… immer öfter meidest du meine Nähe. Und nun… wo ich hier nichts weiter als meine Pflicht als Gastgeber tue…“ Er stockte einen Moment. In seinen Augen flackerte ein unruhiges Leuchten. Er stieß sich vom Türrahmen ab, während er langsam auf ihn zu ging, fixierte er Izumis Augen – wie eine Schlange ihre beute -, um seine Antwort die bestimmt auch hierin zu finden war, sobald er seine Frage endlich gestellt hatte, ein für alle mal festzuhalten. Als er dann kurz vor ihm zum Stehen kam, und Kôji ihm aufreizend langsam mit seinen Fingerspitzen ganz leicht über sein Kinn strich, wich Takuto jedoch wieder einmal abrupt zurück. „Nein… oder doch…?“, kam es nun fragend von Kôji. „Ich weiß langsam nicht mehr was ich denken soll, doch sag mir nur eins Izumi,… sag mir… bist du eifersüchtig?“ „NATÜRLICH NICHT…“, kam es ein bisschen zu schnell und zu erregt von Takuto. „Wie kann ich eifersüchtig auf jemand sein, den ich nur flüchtig kenne...“ Seine Stimme brach und er fürchtete, dass seine innere Aufruhr seine wirklichen Gefühle verraten könnten. Durch den Tränenschleier hindurch starrte er Kôji an, getraute sich aber nicht sie wegzuwischen, weil er keine Schwäche zeigen wollte. Aber Kôji's Verhalten hatte ihn zweifellos zutiefst verletzt. Nur sollte dieser es nicht sehen. Nun hielt ihn nichts mehr. Er riss sich los, stürmte weiter und mischte sich wieder im großen Saal unter die Gäste. ~*~ Wenige Minuten später war auch Kôji wieder im Saal und wieder hing die langhaarige Klette an seinem Arm, wie Takuto das Mädchen mittlerweile nannte. Doch dann geschah etwas, was für einen kurzen Moment Unruhe unter die versammelten Leute brachte. Die schwarzhaarige Schönheit an Kôji's Arm, verlor auf einmal die Kontrolle über sich. Es sah so aus, als ob ihr schwindelig wurde und noch eh Kôji selbst es bemerkt hatte, sackte sie neben ihm zu Boden. Besorgt kniete er sich neben ihr, sprach auf sie ein, erhielt aber keine Antwort. Takuto war zu weit weg, um zu verstehen, was er sagte. Jedoch sah er genau wie Kôji alle Leute um sie herum davon scheuchte, damit er Platz hatte; sie dann auf seine Arme nahm und hinaus trug. Genau in dem Moment wo Kôji den Raum verlassen wollte, musste er an Takuto vorbei, sah ihn aber nicht. Scheinbar hatte er nur noch Augen für sie. Takuto allerdings warf erst einen Blick, auf das scheinbar ohnmächtig gewordene Mädchen, dann sah er auf Kôji. Und das was er sah, gefiel ihm überhaupt nicht. Besorgnis? Er hat Angst um sie? Wer war sie? Sein Blick folgte den Beiden und er sah, dass er die Treppe mit ihr hinauf ging, dorthin wo die Zimmer lagen. Die Lippen fest zusammen gepresst, dabei leicht vor Nervosität auf der Unterlippe kauend, folgte er ihnen die Treppe hinauf in den ersten Stock. Er hoffte die Beiden würden ihn nicht bemerken, sonst glaubten sie am Ende noch, er wolle ihnen nachspionieren. Oben angekommen stellte er fest, dass die Türe neben seinem Zimmer, weit offen stand. Im Vorbeigehen fiel sein Blick auf Kôji, der das Mädchen auf das Bett gelegt hatte und nun weit über sie gebeugt noch immer ihre Hände in seinem Nacken auf ihrem Bett saß. Sie schien wieder zu sich gekommen zu sein, denn man hörte leise Stimmen… von Beiden. Takuto stockte der Atem, er wendete sich ab. Warum tut es mir auf einmal so weh, die Beiden so nah beieinander zu sehen? Wieso versetzt es mir immer wieder einen Stich geradewegs ins Herz? Liegt es nur daran, dass er mir immer wieder sagt, dass er ohne mich nicht leben kann, nicht leben will. Oder…? Er wollte gerade weiter gehen, als Kôji sich zu ihm umdrehte. Ihre Blicke trafen sich. Kôji wollte ihn hereinrufen, aber da lief Takuto auch schon wieder der Treppe entgegen. Plötzlich stand Kôji im Türrahmen. „Izumi.“, kam es leise. Takuto kam es vor wie ein Déjà vu. Er stockte, blieb gerade vor der oberste Stufe stehen. Kôji seine Stimme klang so anders. Langsam drehte er sich um, sah ihm direkt in die Augen. Kôji lehnte sich nun locker an den Türrahmen hinter ihm, zeigte mit der Hand das Takuto doch reinkommen soll und strich sich dann eine der Strähnen aus dem Gesicht, die sich hinten aus dem Haarband gelöst hatte. „Ich nehme an, du hast Fragen. Willst du nicht reinkommen…“ In Izumis Augen brannten Tränen. Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen drehte er sich um und eilte die Treppe hinab. Kôji stand nur in der Tür schüttelte den Kopf, schloss dann die Tür und ging wieder zurück, um sich zu ihr auf das Bett zu setzen. ~*~ Mit zusammengepressten Lippen ging Takuto wie ein gefangenes Tier in dem riesigen Gebäude auf und ab, suchte nach Katsumi. Vielleicht konnte er ihm sagen, wer sie war. All die lauten Leute und das Geschehen um ihn herum beachtete er nicht. Er dachte im Moment nur an Kôji, hörte immer wieder seine Beteuerungen, wie sehr er ihn liebte. Sah den gestrigen Tag vor Augen, noch lieber erinnerte er sich aber an den gemeinsamen Abend, die darauf folgende Nacht…. An Kôji's Arme in denen er die ganze Nacht gelegen hatte… das Gefühl beim Aufwachen… das er nicht mehr alleine war. Und nun? Er war sich ganz sicher: Kôji betrog ihn gerade. Immer wieder sah er ihn lächelnd mit dieser schwarzhaarigen jungen Frau. Sie schien jünger als er selbst zu sein… um einiges jünger und sie hatte zuvor schon über drei Stunden an ihm geklebt und nun das… Vielleicht hat sie ihm das alles nur vorgespielt? Vielleicht wollte sie mit ihm alleine sein? Und Kôji? Er ging bereitwillig darauf ein. In Takuto brodelte es. Er wusste selbst nicht wieso, aber er spürte, dass er eifersüchtig war. Bereits beim Essen saß sie heute neben ihm und er musste von seinem Platz aus, welcher Kôji wieder mal gegenüber war) alles mit ansehen. Wie weh ihm dieser Anblick tat, wie unendlich weh! Warum nur musste er ihm das antun? Wie konnte er sich nur die ganze Zeit von ihm so täuschen lassen? War Kôji sich seiner so sicher nach dem letzten Abend, dass er es einfach drauf ankommen lassen wollte? Er war bereit gewesen, ihm alles zu glauben. Doch er wollte nicht, dass Kôji so plötzlich anfing mit seinen Gefühlen zu spielen. Niemals. Das würde er nicht zu lassen. Hatte er ihm nicht erst heute erneut angeboten zu ihm zu ziehen? Und er…? Hatte er nicht angenommen…? Und nun das… Er musste die Wahrheit erfahren, koste es was es wolle. Aber hier? Und jetzt? Bei den vielen Leuten? Einen Skandal auslösen wollte er nicht. Sein Blick schwirrte suchend durch den großen Raum, über den Platz vor dem Haus, zwischen den Gästen hindurch… Wo war Katsumi, wenn er ihn mal wirklich gebrauchen konnte? Abwesend. Er war gerade nirgends zu sehen. Macht vielleicht einen Spaziergang draußen mit seinen Bekannten, überlegte er. Aber hier bleiben ging auch nicht. Er musste selber raus. Raus hier: ~ weg… von dem Getümmel der Menschenmassen, ~ weg… von denen, welche ihm auch schon am gestrigen Tag die Luft zum Atmen nahmen, ~ weg… von diesen lachenden und fröhlichen Gesichtern, ~ weg… von den aufdringlichen Mädchen, die auch ihn ständig umlagerten, nachdem sie von Kôji bereits einen Korb erhalten hatten, und sich nun einen anderen Bräutigam anlachen wollten, ~ weg… von Kôji und dieser langhaarigen Schönheit an seinem Arm. Seine Augen fanden den Ausgang. Als er sich aber gerade in die Richtung aufmachen wollte, stellte sich doch eine weibliche Horde genau in die Mitte der rettenden Tür. Also blieb ihm kein anderer Ausweg, als sich wieder vorübergehend in eine der Ecken des Saales zurückzuziehen, wo er ungestört war, aber beobachten konnte. ~*~ Doch Kôji hatte noch nicht aufgegeben, er war noch nicht am Ende mit seinem Gespräch. Einen Augenblick hatte er versucht sich zusammeln, seine Gefühle zu ordnen, nachdem er sich sicher war, dass es ihr wieder besser ging; dann folgte er ihm mit ruhigen Schritten. Nur da er Takuto weit und breit nicht sehen konnte, kam er erst einmal wieder seiner Pflicht als Gastgeber nach. Als er ihn nach einiger Zeit dann doch endlich erspäht hatte, setzte er seinen Weg in Izumis Richtung fort. Dieser hatte sich gerade zu den Tischen mit den Getränken begeben, um seinen Ärger mit etwas hinunter zu spülen. Einen Augenblick sah er den Bordeaux an, welcher in großer Auswahl angeboten wurde, doch Alkoholisches wollte er nicht. Also griff er nach einem Krug, mit einem nicht nach Alkohol aussehendem, gelben Getränk, und trank es nachdem er sich das Glas damit gefüllt hatte, mit einem großen Zug aus.
Kôji bemerkte Takuto's seelische, innere Aufruhr, trat an ihn von hinten heran und flüsterte sanft: „Zwischen uns hat sich nichts geändert, nicht wahr Izumi? Du spürst es noch. Auch wenn du dich dagegen zur Wehr setzt.“ Fassungslos drehte Takuto sich um, schaute ihn mit großen Augen an. In der Absicht ihm ins Gesicht zuschlagen, hob er seine Hand. Doch Kôji fing sie ab bevor sie ihn traf. Genau in dem Moment wurde Takuto sich wieder ihrer Lage bewusst. Sie waren nicht allein. Was wenn dieser kleine Zwischenfall nicht unbemerkt geblieben war?
Und wieder tauchte ausgerechnet Katsumi im ungünstigsten Augenblick der Welt auf, um sie zu unterbrechen. „Kôji da will dich jemand kennen lernen. Kommst du bitte mit?“ Katsumi holte tief Luft als er plötzlich Kôji's eisige Augen sah, die noch eine Nuance frostiger wurden, als ihm klar wurde, wer ihm heute schon zum wiederholten Male eine Aussprache mit Izumi vermasselte. Katsumi folgte seinen Augen und sah gerade noch, wie Takuto wieder einmal das Weite suchte. ‚Vor ihm? Was ist hier los?’, schoss es ihm durch den Kopf. Doch wurde er abrupt aus seinen Betrachtungen gerissen, als Kôji ihn etwas lauter als angebracht anfuhr. „Soll er doch gefälligst herkommen. DIES ist MEIN Haus.“ „Was ist nun schon wieder in dich gefahren? Hattet ihr Beiden Streit?“ „Wenn DU nicht immer im falschen Moment auftauchen würdest, hätte ich es vielleicht klären können.“ Böse funkelte er Katsumi an.
Plötzlich ging alles sehr schnell. Kôji ließ Katsumi ohne eine Antwort abzuwarten einfach stehen. Der Gast – ein älterer weißbärtiger grauhaariger Herr - welcher ihn sprechen wollte, war inzwischen auch herangekommen und noch bevor er Katsumi und Kôji erreicht hatte, drehte sich Kôji um und stürmte an eben diesem vorbei in Richtung der Türe, wo er Izumi hinter verschwinden sah. Er lief zwar nicht direkt, aber die weit ausholenden Schritte welche er machte, ließen all seine Besucher rasch den Weg, welchen er nahm, freimachen. Katsumi hatte Mühe ihm nachzurennen, um das Fest noch zu „retten“. Denn was würden die Gäste sagen, wenn der Gastgeber sich so mir nichts dir nichts aus dem Staub machte? Noch dazu zu so einer frühen Stunde? Doch gab es schnell auf. Es waren zu viele der Gäste bereits auf seine „Flucht“ aufmerksam geworden. Etliche der älteren Männer und die meisten der jungen Mädchen und Frauen sahen ihm hinterher, wie der hoch gewachsene, vor Kraft und im Moment scheinbar auch vor Wut trotzende junge Mann mit den langen inzwischen auch wehenden Haaren Richtung Ausgang verschwand. Als Kôji sich mit finsterer Miene seinen Weg durch die Mitte des gesamten Raumes bahnte, verstummte plötzlich das Gemurmel, wie ausrollende Meereswellen zu erwartungsvollem Gewisper. Die Leute verdrehten die Köpfe und gaben immer weiter den Weg frei. Langsam, viel zu langsam wichen sie in Kôji's Augen vor ihm zurück bis die Menge geteilt war, als ob sie mit einem scharfen Messer durchschnitten wurde, und Kôji wie durch ein Spalier aus einer Menschenmenge hindurcheilen konnte. Auf dem schier unendlich langen Weg zur Tür hatte er wie nebenbei, ob aus Reflex oder einfach nur um sich abzureagieren, mit einem Ruck das Haarband entfernt, so dass es jetzt lose über seinen Rücken fiel. Angesichts der Länge dieses prachtvollen, weichen und locker fallenden Haares meinten die Männer, Kôji Nanjo hätte in Ausübung seiner neuen Pflicht es sich schon längst kürzen lassen müssen, während alle anwesenden Frauen den ungebändigten Anblick hinreißend romantisch, ja einige sogar sinnlich erregend fanden. Niemand, der ihm nachschaute, war ernsthaft überrascht über sein Verhalten. Allerdings riss das anschließend einsetzende Getuschel nicht ab. Einige fragten sich, ob es DAS nun war, andere ob der Gastgeber vielleicht doch noch „geruhen würde“ wieder zu kommen; woran allerdings die Wenigsten glaubten, da er die „Dreistigkeit“ besaß nicht nur das Haarband, sondern auch die Krawatte vor den Augen seiner Gäste abzunehmen und diese im Lauf mit samt der Anzugsjacke einem „dienstbaren Geist“, welcher ihm ein paar Schritte vor der von ihm ins Auge gefassten Tür gerade entgegen kam, in die Hand drückte.
Er griff sich einen Regenmantel, warf ihn sich über den Arm und einen Schirm, spannte diesen allerdings nicht auf und rannte weiter. Draußen, endlich an der frischen Luft angekommen, wurde er wieder etwas ruhiger, zumindest äußerlich. Innerlich tobte ein Kampf der ihn nicht zur Ruhe kommen ließ. WARUM TUT ER DAS? - WARUM TUT ER MIR DAS AN? - WAS hab ich ihm jetzt schon wieder angetan?
TEIL 32Nachdem Takuto das Haus verlassen hatte, stürmte er geradewegs hinüber in den Park. Ohne nach rechts oder links zu gucken, war er schnurstracks in Richtung des Ortes gelaufen, den er gestern hier entdeckt hatte. Nicht daran denkend, dass wenn Kôji ihn suchen würde, dieser bestimmt dort damit anfangen täte. Er lief immer weiter bis er ihn erreicht hatte. Als er die Brücke sah, kam ihm kurz der gestrige Abend in den Sinn. „Falscher Ort,“ dachte er und wollte gerade umdrehen. Aber wohin? Er kannte sich hier doch gar nicht aus. Weit und breit war keine Menschenseele zu sehen und da er dachte Kôji könne im Moment sowieso nicht von seiner eigenen Feier verschwinden, fasste er sich ein Herz und ging langsam auf die Brücke zu. Der Regen hatte aufgehört und so bot der See in der Abenddämmerung ein schönes Bild. Die Sonne, welche sich den ganzen Tag über nicht gezeigt hatte, tauchte den Abendhimmel in ein angenehmes Orange-rot, stand aber selber fast blutrot als nur noch kleiner Spalt der jeden Moment auch noch verschwand am Horizont. Einer plötzlichen Eingebung folgend, hielt er an und versuchte seine aufgewühlten Gefühle zur Ruhe zu zwingen, in dem er seinen Blick über den See gleiten ließ. Er schaute den blauen Libellen zu, welche noch über den weißen Seerosen schwirrten, welche gerade in Begriff waren ihre Blüten zur Nacht endgültig zu schließen, nachdem sie die letzten Strahlen noch genutzt hatten. Weiter näherte er sich dem Ruhe ausstrahlendem Gewässer. Zwei erschreckte Frösche sprangen schnell ins kühle Nass, um sich aus dem feuchten Gras in den Tiefen des Sees in Sicherheit zu bringen. Noch ein paar Schritte weiter hörte er einen Dritten ins klare Wasser springen und kurz darauf sah er ihn mit kräftigen Beinbewegungen einem der Seerosenblätter entgegen schwimmen. Wildenten, die sich im Schilf zur Ruhe zurückgezogen hatten, stoben samt ihren Nachwuchs aus diesem hervor, als er dem Dickicht zu nah kam und flogen oder schwammen kreischend und schnatternd vor Schreck auf und davon, über die bis vor wenigen Augenblicken noch glatte und glitzernde Oberfläche des im Licht der untergehenden Sonne leicht gold blickenden Wassers und verschwanden wieder im dichten Schilf auf der anderen Seite des Gewässers. Alles an diesem Ort war dazu geeignet sein Gemüt zu beruhigen. Eine Oase der Ruhe und des Friedens. Dieses Mal schritt er die Brücke in seiner ganzen Länge ab und nachdem er die Schönheit der künstlich geschaffenen Natur hinreichend bewundert hatte, begab er sich wieder zurück zu den Bänken mitten auf dem See. An der Bank angekommen, auf welcher sie gestern in trauter Zweisamkeit gesessen hatten, warf er einen kurzen Blick darauf, stellte fest dass die Sitzfläche vom Regenwasser nass war und lehnte sich dann aber erst einmal ans Geländer und sah den Fischen noch eine Weile zu. Bei ihrem Anblick fand er nach einiger Zeit auch seine äußere Ruhe wieder. Allerdings innerlich wollte sie einfach nicht einkehren, immer noch bohrte der Anblick der Beiden in ihm, fraß sich tief hinein und ließ ihn in Gedanken immer wieder ihr Bild sehen. Nach einer Weile waren die Fische wieder davongeschwommen und mit einem bedauernden Blick auf die Sitzfläche musste er feststellen, dass sie immer noch nicht zum sitzen einlud. Also sah er sich die Umgebung - von seinem Stehplatz aus - mal etwas genauer an. Als er genug gesehen hatte, wandte er sich wieder dem Himmel zu. Trotz all seiner Aufmerksamkeit bekam er diesmal nicht mit, dass er plötzlich nicht mehr alleine war. Wie aus dem nichts tauchte auf einmal Kôji's Gesicht vor ihm auf. Er breitete den Regenmantel auf der Sitzfläche aus. Legte seine Jacke darüber, die er in der Eile mit dem Regenmantel zusammen gegriffen hatte, und während er sich setzte zog er Takuto neben sich, legte ihm seinen Arm um, hob ihn dann mühelos auf seinen Schoss, weil die Jacke für zwei doch etwas zu klein war und schaute ihn mit glänzenden Augen an, als er Takuto's erschrockenen Blick sah. Unversehens war er sich SEHR deutlich Izumis Nähe bewusst. Er legte nun auch seinen anderen Arm um ihn, damit der sich nun der zur Wehr setzende nicht entkommen konnte. „Kôji… lass… mich… los! ... Was soll das…?“ Weiter kam er nicht, denn Kôji's Lippen erstickten den Protest. Vor Wut wollte Takuto weiterreden, jedoch war das ein Fehler. Denn kaum hatte er die Lippen geöffnet, als auch schon Kôji die Gelegenheit wahrnahm, um Takuto's Mund in Besitz zu nehmen und er Kuss weit intimer wurde, als er noch vor wenigen Augenblicken gedacht hätte. Sofort drängte er seinen über alles geliebten Izumi noch fester an sich, drückte seine eigenen Schenkel weit auseinander und klemmte ihn zwischen seinen Beinen ein, so dass er nun gar keine Chance mehr hatte zu entkommen. „Izumi, mein Izumi… ich lass dich nie wieder gehen.“ „Achte auf das was du versprichst. Sage nichts, was du nicht halten willst oder kannst.“ „Aber Izumi… wenn es doch wahr ist?“ Kôji hielt inzwischen Takuto’s Kopf mit beiden Händen fest und kostete begierig die Wärme seines Mundes aus. Sein Verlangen regte sich, seine Begierde wurde von Sekunde zu Sekunde größer. Doch Takuto zappelte und strampelte. Er wollte sich diesmal nicht wieder so einfach abspeisen lassen. Aber alle seine Versuche sich aus Kôji's Griff zu befreien, scheiterten kläglich. Sein Widerstand heizte Kôji nur noch mehr an. Er war wie von Sinnen. Einerseits empfand er die Küsse als schön, andererseits sagte ihm sein Verstand, dass er vorsichtig sein sollte und so bemerkte Takuto erst ziemlich spät, dass sein Gezappel das Gegenteil von dem erreicht hatte, was er eigentlich wollte. Statt zu flüchten, hatte er Kôji nur mehr erregt, was er nun an der Beule in Kôji's Hose, welche sich auf einmal stark gegen ihn drückte, zu spüren bekam. Seine Augen weit aufgerissen, da er auf diese Reaktion nicht vorbereitet war, starrte er Kôji nur noch an und vergaß vor lauter Schreck sich freizukämpfen. Kôji entging jedoch nicht dieser Sinneswandel und nachdem sich sein Izumi scheinbar mit der Lage abfand und sich fügte, vertiefte er mit neuer Glut und noch heißerem Begehren seinen Kuss, ließ die Hände sanft seinen Rücken und die Seiten streicheln. Ohne es zu merken schlang Takuto beide Arme um ihn. Kôji brauchte keine weitere Aufforderung. Er ließ sich viel Zeit… sehr viel Zeit… damit auch sein Izumi die Wonnen auskosten konnte. Erst nach geraumer Weile sah er ihm in die dunkler gewordenen leicht verschleierten Augen und fragte grinsend: „Na… Izumi… willst du immer noch vor mir davon laufen oder können wir uns nun in Ruhe unterhalten.“ „Ich…“ Takuto schnappte nach Luft. „Ich… weiß… nicht.“ „Nein?“ Kôji lachte leise, hauchte ihm einen Kuss auf den Hals, knabberte an seinem Ohrläppchen, während er wie unabsichtlich seine rechte Hand auf Wanderschaft schickte. Plötzlich hatte Kôji ein unbändiges Verlangen seinen Izumi endlich mal wieder ganz zu spüren. Seine Hand glitt zwischen die Beine, wanderte die Schenkel hinauf und hinab. Takuto stöhnte auf. Kôji hielt einen Moment inne, doch Izumis Augen waren bereits geschlossen. Dann „Kôji?“ … „Ja~a?“ … „Warum tust du das?“ … „Was?“ … „Na das hier?“ „Weil ich dich liebe. Ich möchte dich immer zu liebkosen und küssen, dich in meinen Armen halten und natürlich auch mit dir schlafen um dann morgens neben dir aufzuwachen, so wie heute früh.“ Takuto wollte gerade was erwidern, doch da verschloss ihm Kôji mit einem neuen Kuss den Mund. Seine glühende Leidenschaft übertrug sich fast augenblicklich auch auf Takuto, so dass er vor Erregung zu zittern begann. Eine eigenartige Schwäche überkam ihn, wie Kôji ihn so in den Armen hielt. Hätte er nicht bereits gesessen, so wären ihm nun die Beine weich geworden und er wäre kraftlos zusammengebrochen. Immer weiter glitten Kôji's Hände schmeichelnd und liebkosend immer tiefer und pressten ihre Körper immer dichter aneinander. Takuto spürte immer stärker die Härte von Kôji's Verlangen und schaute ihn inzwischen etwas verunsichert an. Da Kôji seinen Griff nachgelassen hatte, stand Takuto rasch auf und trat hinüber auf die andere Seite an das Geländer. Da die Sonne bereits gänzlich untergegangen war und die Nacht schnell herein brach, war nicht mehr viel zu sehen, trotzdem sah er auf die Wasseroberfläche, konnte den Grund aber nicht mehr erblicken. Plötzlich ging das Licht an und die kleinen Laternen erleuchteten nun rund um und auf dem See das Gelände. „Ich möchte dich sehen, wenn wir uns unterhalten.“, kam es von Kôji. Doch Takuto rührte sich nicht. ‚Was soll das Ganze jetzt. Kann er mich nicht in Ruhe lassen? Den größten Teil des Nachmittags war ich doch auch nur Luft für ihn… seit… und nun auf einmal, kann er von mir nicht genug bekommen.’ Einige Fische wurden durch das Licht angelockt, schwammen auf die Brücke zu. Takuto's Augen folgten ihnen. Ein Frosch quakte laut auf. Keiner von Beiden sprach ein weiteres Wort. So verging Minute um Minute. Reihte sich eine Viertelstunde an die nächste Viertelstunde, dann… wurde es Kôji, plötzlich zu viel. „So kann es doch nicht weiter gehen… Warum kommst du nicht wieder her, setzt dich zu mir und beruhigst dich? Einladend streckte Kôji die rechte Hand aus. Takuto schmollte erst noch eine Weile, wollte so schnell nicht wieder der sein, der Nachgeben würde; drehte sich dann aber langsam um und sah Kôji unentschlossen an. Schon seit einiger Zeit hatte er bemerkt, dass er immer wieder und wieder in Kôji's Gegenwart eine leichte innere Schwäche verspürte... sich zu ihm hingezogen fühlte. Genau deswegen hatte er am gestrigen Tag die Erneuerung des Experimentes gefordert. Er spürte immer öfter dass Kôji mehr als Recht hatte… das seine Gefühle schon längst ihm gehörten… aber… Warum machte er es ihm so schwer? Zum Teil hörte er noch immer wie er ihm gesagt hatte, was Kôji für ihn empfand, jedoch war sein Verhalten heute demgegenüber vollkommen gegensätzlich. Wieder tauchte das Bild dieser langhaarigen Schönheit vor seinem inneren Auge auf, wieder sah er wie Beide am gestrigen und am heutigen Tag scherzten und er hörte Kôji's unglaubliches Lachen... sah sie beide gemeinsam oben im Zimmer. Vor Schmerz schloss er die Augen und schluckte. Aber er konnte die Bilder nicht so einfach ungeschehen machen. ‚Wieso war sie eigentlich beide Tage da?’ „Hast du es so eilig, dir noch vor meinen Augen eine neue Freundin zu angeln oder sollte ich besser fragen, ob dir so der Kamm bei all den Mädchen da drin geschwollen ist, dass du es nicht mehr erwarten konntest, du es austesten wolltest, welche sich als Erste von dir flach legen lässt?“ „WAAAAAAAAAAAAAAASSS?“ Kôji war sichtlich geschockt. „Du missverstehst hier was. Aber mächtig gewaltig.“ „Lass mich ausreden… Oh ja mächtig gewaltig, dass ist er, dass hab ich gerade gespürt… und …das es dich nicht stört, wenn ich das da drinnen mitbekomme, was ist daran bitte schön miss zu verstehen? Erst deine Betreurungen, dann muss ich schon seit STUNDEN DA DRINNEN MIT ANSEHEN WIE DU UMSCHWÄRMT UND ANGEHIMMELT WIRST.“ Takuto wurde immer lauter. „Es genießt mit ihnen und mit vor allem mit MIR spielst. Dann… das wieder eben gerade. Ich weiß langsam nicht mehr was ich denken soll. Den ganzen Tag spielst du mir was vor…!!!“ „Izumi… Ich dachte zwischen uns sei alles in Ordnung?“ „IN… ORD-NUNG…? Nichts ist in Ordnung!“ Kôji stand auf ging zu ihm, wollte ihn wieder in seine Arme ziehen, um ihn zu trösten. Ihm zuzeigen, dass er wirklich nur der Einzige ist. „LASS DAS!... Kannst du nur an das eine denken?“ „Izumi ich liebe dich.“ „Du sollst damit aufhören und lass mich endlich wieder los.“ Er schlug Kôji's Arme weg. „Sccchh ganz ruhig, Izumi“, flüsterte er und strich ihm mit dem Daumen über die Lippen. „Ich habe dir schon so oft gesagt, dass ich nur DICH liebe. Niemand… wirklich niemand anderen.“ Aufstöhnend ergriff er erneut Besitz von Takuto's Mund, drückte ihn zurück, so dass Takuto's nun mit dem Rücken fest am Geländer stand. Streichelte ihn immer fordernder in flammender Begierde über seinen Arm, seine Brust entlang und rieb aufreizend langsam mit seinem Daumen über die sich stärker werdende und sich schon längst gezeigten Beule in Takuto's Hose. Ein „Küss mich“ flüsterte Kôji und sah ihm tief in die Augen. Dann trafen Kôji's Lippen erneut auf Takuto’s. „Ist das deine Art mich von deinen Absichten mir gegenüber zu überzeugen?“, fragte Takuto kühn. „Gibt es etwas Besseres um dich zu überzeugen?“ „Ja… reden… und ich habe gerade festgestellt, dass das mit dir scheinbar doch nicht möglich ist. Zumindest kann ICH mit dir heute kein vernünftiges Wort reden. Oder?… Ich denke du hast schon zuviel getrunken und dein Gehirn ist wohl umnebelt.“ Mit diesen Worten befreite er sich und rannte los. Lief von der Brücke und so schnell er konnte dem großen Haus entgegen, um darin zu verschwinden. Er hörte erst auf zu laufen, als er wieder in seinem Zimmer angekommen war.
Kôji's Mine verfinsterte sich: „Wie oft soll ich dir noch sagen, das mich niemand mehr interessiert als du. Das nur du für mich zählst. EINZIG und ALLEIN DU!!“, rief er ihm noch hinterher, doch Takuto hörte es nicht.
TEIL 33Kôji folgt ihm. Was hätte er auch sonst tun können. Resignierend ging er die Treppe hoch, klopfte an die Türe seinem Zimmer gegenüber, wo Takuto ja auch die letzte Nacht verbracht hatte… doch es kam kein „herein“. Also drückte er die Klinke runter und trat ein. Was er aber sah, war ein leeres Zimmer. Ach ja, sie hatte Takuto seine Sachen ja schon rüber gebracht in seine neuen, nun fertigen Räume. Nachdem er die Tür wieder geschlossen hatte, versuchte er sein Glück eben auf der anderen Seite. Wieder kein „Herein“, aber diesmal ließ sich die Tür auch nach dem Herunterdrücken nicht so ohne weiteres öffnen. Takuto hatte also die Schlüssel benutzt. Er versuchte es noch einmal durch die Verbindungstüre zu seinem Raum…. aber auch hier erfolglos. Kôji seufzte laut auf. „Izumi… bitte… lass uns reden… Ja~a? Mach die Tür auf. Was ist los? Was hab ich dir getan?“ Aber statt einer Antwort, drang nur Musik heraus. Furchtbare ohrenbetäubende Klänge, die er ziemlich laut aufdrehte. Eine ganze Weile hämmerte Kôji gegen und flehte hinter der Tür. Aber Takuto ließ sich nicht erweichen. Die Musik hörte auf, dafür dran von drinnen nach draußen: „Du willst wissen was du mir getan hast?“ „Ja. Was soll das Ganze hier? Ich versteh nicht was los ist.“ Die Tür ging einen Spalt weit auf, aber nur soweit das Kôji nicht rein konnte. Takuto hielt den Fuß von innen gegen. „Ach der Herr versteht nicht…“, kam höhnisch die Antwort. „Mein Herz blutet immer noch, nachdem es so von dir gequält wurde.“ Takuto warf ihm einen Blick zu, der Kôji erschrecken ließ. Abrupt erlosch dem sein Lächeln auf den Lippen, welches sich da gezeigt hatte, als er Izumis ansichtig wurde. So viel Wut und Hass hätte er nicht von seinem Izumi erwartet. Doch was er dann noch zu hören bekommen sollte, machte ihn unendlich traurig: „Ich bezweifele das DU ein Herz hast. Denn hättest du eines, hättest du mir das nicht zwei Tage hintereinander angetan und beide Male mit dem gleichen Mädchen… Gestern, dacht ich noch, das seien Gastgeberpflichten, aber heute… da sieht die Sache für mich anders aus.“ Liebenswürdig erwiderte Kôji mit einem kleinen, aber trotz alledem gequälten, Lächeln und ignorierte dabei den eigenen Schmerz, den der Streit in Kôji seinem Herzen hinterlassen hatte. „Und ob ich ein Herz hab… früher war es riesengroß, doch nun hab ich dass Gefühl, als ob es für alle das was ich empfinde viel zu klein geworden ist.“ „Ja, ja, du braucht gar nicht weiterreden… es gibt soooo~oo viel schöne Mädchen und jede will ein Stück davon.“ „Oh nein… du missverstehst mich… nicht die Mädchen … nicht irgendein Mädchen…gehört es… sonder…“ Den Rest hörte Takuto nicht mehr. Er hatte kurzerhand wieder die Tür zugeknallt, den Schlüssel im Schloss gedreht und sich noch dazu die Zeigefinger in die Ohren gestopft. Als er glaubte, dass Kôji seinen Satz beendet hatte, brüllte er erneut durch die Tür: „Und was ist dann mit den ganzen Mädchen, welche gestern und auch heute stundenlang an deinem Arm klebten… mit welchen der hohe Herr gescherzt und gelacht hat, so dass ICH als eine von ihnen umkippte – ob nun gewollt oder ohne Absicht sei dahingestellt – auf einmal Luft war?“ „DU L-U-F-T? Das hab ich nicht gewollt… Und ich will doch keine von ihnen heiraten oder sonst was mit ihnen anstellen.“ „Heirate du doch, wenn immer du willst!“, brüllte er ihm erneut durch die Tür zu. „Mich siehst du jedenfalls nicht wieder…“ „Heiraten…?“ Aber wer spricht denn von heiraten…? I-ZU-MI…“
Einige der Gäste guckten schon was der Krach wohl sollte, gingen bis zu Kôji seiner offen stehenden Tür, warfen neugierig einen Blick hinein und gingen Kopf schüttelnd wieder. Aber das störte Kôji nicht. Für ihn zählte im Moment nur der, welcher sich hinter der Tür, vor der er stand, verschanzt hatte.
Erneut drang die Musik in einer entsetzlichen Lautstärke aus dem Zimmer, die jedes weitere Wort drinnen unhörbar verschluckte. Takuto konnte schon seit geraumer Weile seine Wut nicht mehr bändigen, auch die laute Musik nützte da nichts. Um sich Luft zu verschaffen, drehte er sie wieder kurz runter. Wiederum brach die Musik draußen ab, um nach Takuto's letzten Kommentar gleich wieder zu voller Lautstärke anzuschwellen. Der Verursacher hingegen brüllte aufgebracht in Richtung Tür: „Du kannst mich mal. Ich bin morgen verschwunden und komm mir ja nicht nach. Hörst du?... Du kriegst mich nicht wieder rum. Und ich werde Katsumi bitten, dich nie wieder in meine Nähe zu lassen. Also wage es ja nicht, mir dort aufzulauern.“ Kôji jedoch schaute zwar traurig, aber zugleich auch amüsiert bei Izumis erstem Satz, in Richtung der Tür: „Ersteres würd’ ich ja gerne… aber das andere lass ich nicht zu… ich werde schon einen Weg finden, verlass dich darauf.“
Takuto spürte sich bis an die Haarwurzeln erröten, er war außer sich vor Zorn. Blindwütig gab er sich das Versprechen, ihn dafür büßen zu lassen, dass er ihn so behandelt hat. Er wollte kein Wort mehr mit ihm sprechen. Nie wieder. Wütend haute er sich so angezogen wie er war aufs Bett, die Tür im Auge behaltend, ob Kôji vielleicht den Mut aufbrächte sie einzutreten. Aber Kôji dachte gar nicht daran. Was würde es auch bringen? In dem Zustand war er unberechenbar. Keine Worte zählten. Egal was er sagen würde, sein Izumi würde ihm nicht zuhören. Mit traurigem Gesicht starrte er die Tür an. „Schon wieder … immer wieder… oder immer noch… flüchtest du vor mir. Warum…?“ Doch dieses war so leise gesprochen, dass selbst wenn die Musik nicht so laut gewesen wäre, er es nicht hinter der geschlossenen Tür gehört hätte. Aber Takuto hatte Kôji mit seiner Bemerkung auf eine Idee gebracht. Sofort überlegte er, ob sie sich verwirklichen lassen würde. Wenige Augenblicke später klopfte er an eine Tür und eine weibliche Stimme rief, trotz der späten Abendstunde oder besser gesagt des inzwischen frühen Tagesbeginns, „Ja?“ Er öffnete die Tür einen Spalt. „Kann ich dich sobald du ausgeschlafen hast, bitte mal sprechen? Ich warte beim Frühstück auf dich.“ ~*~ Am nächsten Morgen: Die harten Worte, welche Takuto Kôji vergangene Nacht an den Kopf geworfen hatte, schmerzten ihm immer noch. Aber er konnte nicht zurück. Seine Angst war zu groß, dass er auch von ihm nur enttäuscht, benutzt und belogen wurde. Denn was für Gefühle er gestern auch für Kôji hegte, heute war er irgendwie verbittert. Trotzdem würde er nie Kôji's Blicke vergessen, welche er ihm hinterher warf, als er wieder einmal im Trotz sein Heil im Entkommen suchte; nie die Worte vergessen, als er ihn hinter der verschlossenen Tür wusste… und doch… all dies wog nicht das Gefühl auf, von ihm verraten und verkauft worden zu sein. ….. Doch wenn er sich verraten fühlte, was war dann mit ihm selbst los? Hatte er sich erneut in Kôji verliebt – ‚Konnte das sein?’ – …oder war es nichts weiter wie ein so genannter Besitzanspruch, den er fühlte? Das wissen darum, dass er immer sagte, er gehöre nur ihm und dann aber mit ansehen zu müssen, dass er scheinbar doch nicht der Einzige war, dass Kôji es mit seinen Worten selbst nicht so genau nahm. Konnte es sein, dass er inzwischen wieder mehr für ihn empfand, als nur die einfache Freundschaft, die er am Anfang für ihn empfand? Wenn nein, was waren das an den beiden Tagen wenn Kôji ihn wie aus versehen berührte, er ihn umarmte oder küsste dann für Gefühle? Dieses Beben… diese Wärme… Nur Einbildung?
Takuto war schon am frühen Morgen verschwunden. Als Kôji nach ihm sehen wollte, um noch einen Versöhnungsversuch zu wagen, fand er die Räume leer vor. Traurig ging er durch das große Haus; sah dabei aus den Fenstern im Flur, ob er ihn dort vielleicht noch sehen konnte. Doch vergebens. Izumi war weg. Als sich auch die letzten Gäste verabschiedeten – dieses Mal waren nicht so viele zum übernachten geblieben, wie in der Nacht zuvor – und selbst Katsumi, mit keinen Wort Izumi erwähnte als er ging, war Kôji klar, dass Izumi sich noch vor seinem Verschwinden bei Katsumi gemeldet haben musste.
Ungeduldig wartete er darauf, dass die junge Frau, mit welcher er sprechen wollte endlich zum Frühstück hinunter kam. Als sie dann da war, umarmte er sie. Dabei dachte er an Izumi und was er jetzt wohl denken würde, sollte er sie so sehen, denn in der Nacht war ihm eingefallen, warum sein Izumi so aufgebracht war. Ja, er hatte was vergessen. Er hatte nicht daran gedacht sie ihm vorzustellen… Vielleicht war das ein Fehler? Vielleicht konnte sie aber auch zum Schlüssel werden, dass Izumi endlich sich selbst und Kôji gegenüber seine Gefühle zugab. Er wollte genau das mit ihm tun, was dieser ihm eigentlich vorwarf, und was bis dahin nicht der Wahrheit entsprochen hatte. Er erinnerte sich wieder an Izumi… seine harten Worte… seine teils traurige teils zornige Stimme… In seinen Worten am Anfang hatte dieser unerwartet bekümmerte Unterton mitgeschwungen, den Kôji bereits früher schon mal in seiner Stimme wahrgenommen hatte…. Sehr viel früher… in der Zeit, als er noch nicht seine Erinnerungen verloren hatte. ~*~ Takuto war gleich am nächsten Morgen noch ohne Katsumi wieder zu diesem nach Hause gefahren und hatte sich schmollend in sein Zimmer dort begeben. Mit keinem Wort hatte er erwähnt was vorgefallen war und so oft Katsumi auch bohrte, eine Antwort erhielt er auf seine Fragen nicht. Alles was er dazu sagte war, dass er Kôji NIE mehr wieder sehen will, und dass er Katsumi darum bat, ihn nicht in sein Zimmer zulassen - egal ob er selber daheim war oder nicht. Damit war für ihn die Sache Kôji erledigt… dachte er zumindest… Ein paar Versuche unternahm Kôji in der darauf folgenden Woche, wurde aber immer wieder abgeblockt. ~*~ In der nächsten Zeit hatte die Klatschpresse ein neues Opfer gefunden. Den jungen Sänger Kôji, welcher zugleich auch das Clanoberhaupt der Nanjo-Familie war. Was sich ja eigentlich – IRGENDWIE –zumindest laut Presse nicht miteinander vertrug und nun tauchte er auch noch ständig in Begleitung eines Mädchens auf, über die so überhaupt nichts herauszubekommen war, wer sie wohl sein könnte. So bald sie sich trafen und der Presse neuen Stoff lieferten, trug sie einen tief ins Gesicht geschobenen Hut. Dieser Hut, sowie eine dazupassende Sonnenbrille entwickelten sich zu ihrem Markenzeichen. Zur gleichen Zeit tauchte jedoch von Zeit zu Zeit auch ein Mädchen als zweite Sängerin in Kôji's Band auf. Soloauftritte gab sie aber keine. Wenn… dann sang sie mit ihm zusammen. Doch auch ihr Kostüm war sorgfältig gewählt und ihr Gesicht so geschminkt, dass man sie nicht erkennen konnte. Allerdings sang sie nur in 2-3 Liedern pro Konzert mit, um danach wieder in der Versenkung zu verschwinden. Die Presse zerbrach sich bereits den Kopf darüber, ob es sich bei dem Mädchen um die Gleiche handeln könne, mit der man Kôji des Öfteren gesehen hatte. Niemand kam darauf. Alles was man von ihnen wusste war, dass sie „beide“ höchstwahrscheinlich sehr langes Haar hatten. Aber selbst über die Farbe und die Länge war man sich nicht einig. Jedes Mal waren die Haare irgendwie geflochten und hochgesteckt, fast jedes Mal wenn sie in der Öffentlichkeit mit auftrat, hatten sie einen anderen Farbton. Es war nicht zu übersehen, dass sie selbst wahrscheinlich nicht unbedingt erkannt werden wollte. Aber die Stimme auf der Bühne war die Gleiche. Wenigstens in diesem Punkt war sich die Presse einig. ~*~ Nun saß Takuto vor dem Fernseher und sah sich die Aufzeichnung des letzten Konzertes von Kôji’s Band an. Immer wieder spulte er zurück um sich die Großaufnahme dieses Mädchens heranzuholen und auch um dem Titelabspann genauestens zu studieren. Die Namen der Bandmitglieder und Kôji's standen da, aber ihrer? Den konnte er nirgends entdecken. Er zweifelte schon, dass er den Namen überlesen hatte, holte die Aufstellung wieder und wieder heran, aber da war nichts... Nichts was er hoffte zu entdecken. Er kannte inzwischen die Bewegungen, war sich sicher sie schon gesehen zu haben und auch die Stimme… er hatte sie schon gehört. Nicht singen… aber sprechen und lachen. Auch wenn sie auf der Bühne kein einziges Wort sprach, sondern nur sang, er war sich absolut sicher, dass SIE es war… die vom Fest. Also hatte er sich doch mit einem Mädchen abgefunden. Lässt sich von EINER trösten… nachdem er versucht hatte ihm den Kopf zu verdrehen… Scheißkerl… Da das ran-zoomen keinerlei neuere Erkenntnisse brachte, drückte er voller Wut die Record-Taste der Fernbedienung, nachdem er das Video auf den Anfang zurückgespült hatte und verließ dann den Raum, während das Konzert von einer Comedy-Sendung überspielt wurde, die er sich eh nie ansehen werde. ~*~ Takuto hatte das Gefühl, als würde ihm jeden Moment der Kopf platzen. Obwohl er nicht ständig daran denken wollte, war er zu kaum einer anderen Sache mehr fähig. Er hatte zwar versucht in seiner alten Mannschaft auf andere Gedanken zu kommen, hatte für ein paar Minuten während des Spiels auch seine Gedanken sammeln und sich nur auf Spiel, Ball und Gegner konzentrieren können… aber immer sobald das Spiel zu Ende und er wieder allein – ob zu Hause oder sonst wo war, seine Gedanken hangen ständig bei Kôji und dem was er damals gesagt hatte oder jetzt laut Medien tat.
Was war nun die Wahrheit? Was war Lüge? Konnte es sein, dass es sich hier nur um ein Missverständnis handelte? Nein… dann hätte Kôji versucht es aufzuklären… Aber halt… war er nicht noch am Abend vor seiner Zimmertüre erschienen und hatte versucht mit ihm zu sprechen… ja… aber er selbst hatte nicht hören wollen, was ER zu seiner Verteidigung vorbringen wollte. Er selbst wollte IHM nicht zuhören… wollte ihm nicht Glauben schenken. Aber was, wenn er wirklich unschuldig war? Erneut drängten ihm sich Bilder vom Fest auf. Takuto schüttelte den Kopf. Und selbst WENN er ihn nicht belogen hatte, bliebe immer noch die Frage, WARUM er sich den Tag so an diese Langhaarige gehängt hatte. Oder hang sie an ihm? Hatte er ihm ein falsches Motiv unterstellt? Hatte er vielleicht mehr hinein interpretiert als wirklich passiert war? Vielleicht weil er selbst ständig von Fremden dazu angehalten wurde, Kôji die eine oder andere Tochter des Hauses näher zu bringen? Hatte er vielleicht eine frühere Freundin oder Bekannte nur gebeten seine derzeitige Freundin zu „spielen“, um vor den anderen Frauen und Mädchen sicher zu sein. Konnte dies Kôji's Beweggrund sein?… Aber wieso war er dann so besorgt um sie… dieser Ausdruck in seinen Augen war echt… nicht gespielt. Und wieder diese Bilder. Kôji's strahlender Gesichtsausdruck, den er seit der Klinik damals nur an ihm s |