FAMILIÄRE INTRIGEN von Jannett

 

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Der jüngste Sohn aus gutem Hause soll genau acht Tage nach seinem 20. Geburtstag den Bund fürs Leben knüpfen… Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt

Feedback bitte an: Jannett

~ ~ ~ ~ ~ ~

 

Teil 1

Es war Anfang Dezember… Weihnachten stand also kurz vor der Tür und somit gegen Jahresende zwei ganze Wochen ausgelassener Fröhlichkeit für die einen, aber auch anstrengende Arbeit für die anderen. Denn genau acht Tage nach seinem zwanzigsten Geburtstag sollte der jüngste Sohn des größten Unternehmers endlich den Bund fürs Leben knüpfen, nachdem die beiden Älteren bereits das Familienimperium erheblich durch ihre eigene Heirat vergrößert hatten.

Die Hochzeit war zwischen den beiden reichen Familien schon seit Jahren eine beschlossene Sache. Kôji hatte sich damit abgefunden… Nicht das er seine Zukünftige, Eri, etwa liebte… nein… aber er tat auch nichts um seinen bisherigen Lebenswandel etwa zu ändern, das amerikanische Verhalten abzulegen und sich wie ein wohlerzogener Japaner zu benehmen - wie seine Familie es sich erhoffte -, oder gar sich um seine Braut zu kümmern. Doch woher sollte er auch wissen, wie sich ein anständiger reicher Japaner verhält?

Endlich…

Nach all den vielen Jahren seiner Abwesenheit war er, der jüngste Sohn des Hauses, aus dem Ausland von seinen dortigen Studien für sechs Monate heimkehrt. Ein halbes Jahr… um in der Zeit nach den Plänen seines Vaters zu heiraten und einen Erben zu zeugen; dann könnte er wieder nach Amerika, Europa oder wo auch immer er hinwollte fahren, um seine Studien zum Nutzen des Familienunternehmens zu Ende zu bringen.

Was er genau dort tat, entging zum Glück der Kontrolle seines Vaters. Er war ein guter Student. Ihm flog alles nur so zu und er brauchte sich nicht stundenlang wie die anderen Kommilitonen die Zeit mit Büchern und Bibliotheken um die Ohren zu schlagen oder gar für seinen Lebensunterhalt selbst zu arbeiten. Daddy bezahlte dort alles, aber er fragte nie nach ihm oder was er mit seinem Geld anstellte. Nicht mal an seinem Geburtstag dachte er an ihn. Während alle seine Studienkameraden ständig Pakete und Briefe bekamen, hörte er von seiner Familie in der Zwischenzeit rein gar nichts.

Viele Jahre waren so ins Land gegangen - genau genommen vierzehn -, in denen er nur ab und zu mal einen Kurzurlaub zu Hause verbracht hatte, den man aber eigentlich nicht zählen konnte. Denn was waren schon zehn oder vierzehn Tage wenn man dafür dann wieder zwei Jahre fort war? Er fühlte sich hier bei seiner Familie inzwischen wie ein Fremder unter Fremden. Keiner freute sich, dass er wieder da war. Keine Freunde begrüßten ihn und es fand auch keine Feier für den so lang entbehrten Sohn statt.

Er war da und niemand nahm Notiz von ihm, so als ob er nie fort gewesen wäre. Er hatte eine Braut, die er in den nächsten Tagen heiraten sollte. Sie war nicht hässlich, hatte langes Haar, eine tolle Figur… eigentlich ganz sein Typ. Aber er liebte sie nicht, wusste nicht mal, ob er es je tun werde; schließlich hatte er sie das letzte Mal vor vier Jahren gesehen. Danach sah er sie nur noch auf einem Foto was sein Vater ihm gnädiger Weise mal geschickt hatte, als er in einem Brief von der bevorstehenden Heirat sprach.

Die Gefühle seines jüngsten Sohnes schienen den Vater bei dieser ganzen Sache nicht zu interessieren. Für ihn zählte nur das Vermögen, was ihren jetzigen, schon nicht mehr zählbaren Reichtum noch weiter vermehren würde.

Liebe…? So was ist unnütz, lautete der Familienspruch. So etwas hatte es nicht zu geben… nicht in ihren Kreisen: Weder für die Frauen, noch für in die Welt gesetzten Kinder oder gar… den Erben.

Aber er wollte mehr. Wollte nicht nur ein Leben im Banktresor des Familienunternehmens führen, sondern wollte aus diesem ausbrechen. Aber bisher hatte er es noch nicht geschafft. Die Hand seines Vaters war zu stark, das stets gefüllte Bankkonto sehr praktisch. Noch hatte er nichts gefunden wofür ein Ausbruch sich gelohnt hätte. Noch nicht…. aber würde er es je finden? Oder war es sein Wille so weiter zu leben, als ob die Welt rund um ihn herum ihn nichts anginge? Er wusste es nicht.

Er lebte so wie es ihm gefiel… wenn der Vater es nicht sah. Aber ansonsten…? War das wirklich schon alles………….? Gab es nicht mehr?

 

Schon seit Stunden saß er am Tisch vor dem Fenster, starrte auf das Buch vor sich, aber seine Gedanken waren ganz woanders. Ein Blick aus dem offenen Fenster. Er strich eine der langen Haarsträhnen die sich aus dem Haarband gelöst hatte, und welche der Wind nun sanft vor seinem Augen schaukeln ließ, mit einer oft vollführten Handbewegung aus dem Gesicht, ließ die Hand noch eine Weile dort ruhen.

Plötzlich kam Leben in ihn. Er stand auf, ging zur Tür, öffnete sie und rief laut durch das Haus: „Hallo, ist da wer?“

Ja-a!“, kam die Antwort einer kindlichen Stimme. „Ich komme sofort.“

Er schloss die Tür wieder und ging zurück.

 

Es dauerte nicht lange, da kam ein Junge, trat nachdem er angeklopft hatte herein und stellte sich mit einem frechen Grinsen auf dem Gesicht vor ihn hin.

Dieses Grinsen irritierte ihn zwar – es passte so gar nicht in die strenge trügerische Idylle dieses Hauses – aber er versuchte es zu ignorieren. Schließlich wussten ja alle im Haus wo er den Großteil seines Lebens verbracht hatte, und ihnen war auch aufgefallen, dass er es nicht mochte, wenn sie sich vor ihm verneigten.

Kôji sah ihn an, schüttelte den Kopf. „Sag mal Junge, bist du für diesen Job nicht noch etwas zu jung? Älter als vierzehn, fünfzehn bist du doch nicht.“

Ein Achselzucken war die Antwort. Kôji schüttelte erneut den Kopf. „Auch egal… sag mal… gibt es außer diesen grauen Mauern da drüben auch noch irgendwelche Sehenswürdigkeiten hier in der näheren Umgebung?“

Die Frage hatte den jungen Bediensteten zunächst überrascht. Er zögerte einen Moment, musterte den jungen Herrn und sagte dann: „Welcher Art meint Ihr?... Wieso sollte es im heimatlichen Grau dieses wundervollen Spätherbstes nichts Sehenswürdiges geben? Geht nur nach draußen. Auf den Feldern wird vielleicht noch geerntet und im Ort nebenan findet ihr auf jeden Fall schwatzende Mädchen und Frauen, die zu Hause den Reis anbrennen lassen. In den Strassen laufen um diese frühe Morgenstunde noch Trunkenbolde mit lallender Zunge herum, welche sich gestern nicht von der Flasche trennen konnten und Arbeiter hassten in aller Eile zu ihren Arbeitsplätzen um den Reichtum dieses und anderer Häuser weiter zu mehren…“

„GENUG! ES REICHT!“ Kôji schlug mit der flachen Hand auf die Tischplatte, so dass dieser wegen der Erschütterung zu schwanken begann.

Der Junge riss verängstigt die Augen auf, erstarrte für einen Augenblick, bevor er sich dem jungen Herrn zu Füßen schmiss, sich nicht mehr traute aufzublicken.

„Dummkopf. Du plapperst Unsinn. Glaubst du allen Ernstes, dass es da wo ich bis jetzt gelebt habe, so etwas nicht gegeben hat? Ich wollte nur RAUS hier. Wollte mir irgendwas Schönes ansehen, ein wenig Abwechslung finden. Es muss da draußen doch noch mehr geben, als nur den „gepflegten“ kalten Park der hier zum Anwesen gehört. – Irgendwas anderes landschaftlich Schönes, wo man in Ruhe nachdenken kann, ohne dass man sich ständig beobachtet fühlt, obwohl man alleine im Raum ist. Und nun komm endlich wieder hoch. Krauch da nicht im Dreck rum, dass Zimmermädchen war noch nicht drin.“

Wie einfach er sich das doch machte: Personal welches putzte, Wäsche wusch und kochte… Personal, selbst wenn ER gewaschen werden WOLLTE… Personal… Personal… Personal… hier im Haus immer noch Diener genannt… schon so viele Jahrzehnte und bestimmt auch noch die nächsten Jahre… Eigentlich wollte er es nicht mehr, aber er stellte fest, dass er sich schnell an diese Art von Luxus wieder gewöhnen könnte… ja vielleicht sogar schon hatte. Und dass obwohl er erst zehn Tage wieder hier war. Zehn Tage die für ihn eine unendlich lange Zeit bedeuteten, da er sich eingesperrt fühlte. Studieren hieß es, sollte er in der Zeit auch wenn er hier war. Studieren, studieren und nochmals studieren. Freizeit – nein danke, die hätte er ja genug sobald er sein nächstes Ticket in der Tasche hätte.

Sonst war immer ein Ende abzusehen gewesen. Zehn bis vierzehn Tage konnte man gerade so verkraften… aber sechs Monate? Er wusste nicht mehr wie er die Zeit rum bringen sollte.

 

„…fang Dezember?“

Unerwartet wurde er aus seinen Gedanken gerissen, still horchte er auf. Hatte der Junge nicht gerade was gesagt? Inzwischen stand dieser wieder, aber man merkte, dass er sich nicht recht wohl zu fühlen schien in seiner Haut. Hatte wohl Angst wieder angefahren zu werden. Fragend sah Kôji zu ihm. „Ich habe eben nicht zugehört… was hattest du gesagt?“

Yuugo sah ihn verdattert an, sagte dann aber inzwischen wieder mutiger geworden: „Ich sagte nur, warum Ihr mir dass nicht gleich gesagt habt, junger Herr. Ich hatte nicht dran gedacht, dass Sie ja schon als Kind von hier fortgeschickt worden sind. Verzeiht! Nun… landschaftlich gesehen, hätten wir da erst einmal den Kaiserpalast … etwas weiter davon den umstrittenen Yasukuni-Schrein auf dem Kudan-Hügel mit dem gewaltigen zweiundzwanzig Meter hohem stählernen O-Tori. Etwa einen Kilometer weiter davon befindet sich dann auch noch der Koraku-en, ein Garten der früher vom Neffen des Shoguns angelegt worden war. In ihm wurden berühmte Landschaften Japans nachgebildet…, sagt man. Aber ob das jetzt die richtige Jahreszeit ist um diesen Ort zu besuchen? Wir haben Anfang Dezember… und ein Garten…“

„Hm… Koraku-en … hört sich nicht schlecht an. Der Name gefällt mir. Wir sollten uns auf den Weg dorthin machen.“

„Aber… ihrem Herrn Vater wird das gar nicht gefallen. Sie sollten lieber studieren. Wir bekamen alle bei Strafe angedroht, Sie nicht bei ihren Studien zu stören.“ Er senkte den Kopf, konnte sich schon ausmalen, wie die Strafe ausfiel, wenn dem Familienoberhaupt zu Ohren käme, dass er seinem Sohn davon erzählt hatte.

„Du wirst bestraft werden?“

Yuugo nickte. „Ja, dass werden sie tun.“ Seine Stimme klang leise, ein leichtes Zittern schwang mit, so als ob er sich davor fürchtete. Kôji sah ihn einen Augenblick lang an.

„Hm… Wem unterstehst du direkt? Meinem Vater oder einem der anderen Angehörigen?“

Yuugo sah ihn an, verstand nicht warum das so wichtig war, gab aber dann doch die gewünschte Auskunft: „Ihrem Herrn Vater.“

„Okay… Das lässt sich eventuell ändern und nun sorge dafür, dass das Auto vorgefahren wird, hole aus der Küche Proviant und… falls dich wer fragt: Ich gedenke meine Studien an der frischen Luft fortzusetzen. Brauch ein wenig frischen Wind um meine Nase, um den Kopf wieder klar zu bekommen. Und nun mach schnell.“

Der Junge verschwand und Kôji ging zum Schreibtisch, um aus Gewohnheit oder sei es auch nur Tarnung sich eins, zwei Bücher und sein Notizheft einzupacken. „Warum sollte jemand der studiert nicht auch mal eine kleine Pause machen dürfen.“

Doch da war noch etwas… Wollte er nicht, dass der Junge bestraft wird, musste er wohl oder Übel mit seinem Vater über sein Vorhaben sprechen. Also sah er sich um, ob er was vergessen hatte und setzte sich dann in Bewegung.

~*~

Das Gespräch mit seinem Vater war besser gelaufen als er gedacht hatte. Dieser wollte zwar, dass er seine Braut auf diesen Ausflug mitnahm, aber dass konnte er ihm zum Glück ausreden, indem er leichte Kopfschmerzen vorgab, die er nicht durch das Geplapper einer Frau verschlimmern wollte. Sein Vater zeigte hierfür durchaus Verständnis, machte ihn aber darauf aufmerksam, dass er sich auch mal mit ihr beschäftigen müsste. Kôji versprach das und überlegte dann, ob er sich den Kleinen nicht für seine Dienste direkt vom Vater erbitten sollte. Also erzählte er ihm, er könnte jemanden für Botengänge, zum Bücher abholen aus den Fachbibliotheken usw. gebrauchen; erwähnte so nebenbei den vierzehn, fünfzehnjährigen Jungen, welchen er gesehen hatte und bat seinen Vater um diesen.

Es war natürlich glatt gelogen, aber sein Vater konnte es ihm sowieso nicht anmerken. Dieser stutzte zwar einen Moment, sah dann aber ein, dass sein Sohn, in der Zeit wo er selber die Bücher abholte, wertvolle Zeit des Studierens unnütz an sich vorbei streichen lassen würde und stimmte dem dann zu.

Also nahm Kôji seine Tasche und machte sich auf den Weg zum Auto.

~*~

Um das Ganze glaubhafter zu gestalten, das der junge Herr draußen weiter studieren würde, hatte der Junge sich einen Fahrer gesucht von dem er wusste, dass er nichts verraten würde. Er konnte ja nicht ahnen, dass der junge Herr bereits über den Ausflug mit seinem Vater gesprochen hatte. Er wollte damit nur sicher gehen, dass er um die Strafe drum herum kam. Eine Petze konnte er dafür nicht gebrauchen. Was sie sagen dürften um ihr Fernbleiben zu entschuldigen, würde der junge Herr ihnen nachher sicherlich sagen.

Erst einmal nahm er selbst vorne beim Fahrer Platz und wartete mit diesem gemeinsam auf den jungen Herrn. Mit dem Wagen ging es dann auch sofort ab durch das Tor. Kôji saß auf der Rückbank und hatte das Fenster ganz geöffnet, wollte den Wind spüren und dabei seinen Gedanken nachhängen.

Er blickte in das Blau des herrlichen Himmels, schloss dann die Augen und sog die kalte Luft tief ein.

Es tat gut. Schon seit zehn Tagen war er hier und hatte in der Zeit nur die Natur von seinem Fenster aus gesehen; war seiner Braut auf diese Art wohlweislich aus dem Weg gegangen und hatte seine Studien als Ausrede vorgeschickt.

Sein Vater hatte bestimmte Vorstellungen von seinem Leben und bis zum heutigen Tag hatte er immer so getan, als ob es auch seine Auffassung vom Leben wäre. Aber dem war nicht so.

Auch wenn er hier in teure Stoffe gekleidet war und ihm „Diener“ viele Aufgaben abnahmen, welche er in den letzten Jahren stets selbst ausgeführt hatte, so fühlte er sich nicht glücklich. Er war allein und fühlte sich einsam, missverstanden… einfach jämmerlich.

Aufrecht trug er den schönen Kopf mit der hohen Stirn und seinen langen Haaren, welche er sich zum Trotz seines Vaters nicht hatte schneiden lassen und genoss den vorbeirauschenden Fahrtwind.

Seine Augen glänzten einen Moment, etwas was sehr selten geworden war. Aber hier achtete niemand da drauf. Der Fahrer und der Junge sahen nur nach vorne, ließen ihn zum Glück links liegen.

Seine Haare hatte er noch immer mit dem Haarband zusammengebunden, was so gar nicht zu seiner sonstigen Kleidung passte. Im Gegenteil. Es sah aus als ob es schon sehr alt war und das war es in der Tat auch.

Er konnte sich nicht einmal mehr daran erinnern, seit wann genau er es hatte, aber es war ein Geschenk. Etwas von einem Menschen dem er einmal geholfen hatte und der ihm sagte, er hätte sonst nichts um sich bei ihm dafür zu bedanken. Seitdem trug er es, wenn er seine inzwischen um ein Vielfaches länger gewordenen Haare bändigen wollte. Genau genommen war das Band inzwischen viel kürzer als damals. Einmal war es ihm gerissen, als er zu ungeduldig damit war. Eine gutmütige Seele hatte ihm die beiden Teile geschickt wieder zusammen genäht und er selbst hatte sein unbeherrschtes Verhalten damals bereut. Doch es ließ sich nicht mehr ändern.

Trotzdem konnte er sich noch genau an das Datum erinnern, als dies passierte. Ihm war, als ob etwas Wichtiges in seinem Leben zerbrach. Es war an einem Freitag dem Dreizehnten geschehen, etwa drei Jahre nachdem er es erhalten hatte; An einem Tag als er erfuhr, dass er seinen Urlaub in den Sommerferien dieses Mal nicht zu Hause verbringen durfte. Später hatte er darüber gelästert; als ob ein Datum und ein Haarband sein Schicksal beeinflussen könnten. Aber er konnte sich nicht dazu durchringen, es durch ein anderes Band zu ersetzen.

Als er es erhalten hatte, hatte er gespürt, dass der andere es ihm von ganzem Herzen gab. Die Dankbarkeit war ehrlich gemeint. Ursprünglich war es als Geschenk für dessen Schwester gedacht, aber ER hatte es damals bekommen. Das einzige Geschenk in seinem Leben, von dem er wusste, dass es wirklich von Herzen kam. Keine einfache Pflichterfüllung, keine Dankbarkeit aus unlauteren Motiven. Nein… rein …. und unverfälscht.

Oft hatte er in den vergangenen Jahren so weit von zu Hause daran gedacht. Niemals wieder war er einem Menschen begegnet, der ihn so beeindruckt hatte. Es muss einige Tage vor seiner Abreise nach Amerika gewesen sein. Alles was er noch wusste, war, dass dieser Junge eine Schwester und einen kleinen Mischlingshund hatte. Gerne hätte er gewusst, wie es ihm in den Jahren ergangen und was für ein Mensch aus ihm geworden war. Doch er hatte keine Ahnung wo er ihn suchen sollte.

 

Während er so in alten Erinnerungen schwelgte, bemerkte er nicht, dass der Wagen inzwischen schon stand. Zumindest hielt ihm der Junge die Türe auf und starrte ihn an.

„Junger Herr?… Wir sind da!“, hörte er gerade wie aus einer Nebelwolke und öffnete die Augen.

„Oh.“ Dem Jungen nach zu gehen, musste er ihm dass schon öfter gesagt haben. Irgendwie sah er hippelig aus. „Wie oft hast du das jetzt zu mir gesagt?“

Häh? Ach so…vier, fünf Mal bestimmt?“ Yuugo trat zur Seite.

„Ich glaube dann sollte ich lieber aussteigen, oder? Nicht das wir hier noch festfrieren.“ Kôji lächelte ihn an.

‚Oh man, der kann sogar das Gesicht verziehen. Ich glaub es nicht… Ein Nanjo der nicht nur mit diesem eiskalten Blick um sich wirft? Ich denke, dass ist ein neues Weltwunder. Das Wievielte wäre das doch gleich…?’, schoss es Yuugo durch den Kopf.

~*~

Kôji bekam von diesen Gedankengängen zum Glück nichts mit. Er war schnurstracks auf den Eingang zumarschiert. In dem Augenblick wo er sich ihm näherte, betrat auch eine Gruppe englisch sprechender Reisender diesen Ort und er schloss sich ihnen unbemerkt an. Yuugo folgte ihm.

Sogleich hinter dem Haupteingang lag ein Teich, den eine Kopie einer Brücke in Kyoto, die Togetsukyo, überspannte, hörte er so. Sie und ein Teil dieses Teiches stellten den Oi-Fluss von Kyoto dar. Weiter erfuhr er, dass unter Yorifusas Nachfolger Mitsukuni zahlreiche chinesische Elemente dazu kamen. Es wurde ein See mit einer kleinen Insel angelegt; dessen künstlicher Berg auf dieser Insel der „Kleine Lushan“ hieß und bei dem es sich um eine Miniaturausgabe eines berühmten südchinesischen Berges handelte. Der Deich hingegen war jenem im Westsee in Hangzhou nachempfunden.

Um den See herum führten Wege, die jeden Besucher zu einem geruhsamen Spaziergang einluden. Da es kein Wochenende und dazu noch eine recht traurige Jahreszeit für so einen Besuch war, befanden sich um diese Zeit auch nicht besonders viele Leute hier. Eine weitere kleine Reisegruppe mit Touristen und eine japanische Familie sah er. Ansonsten schienen sie allein zu sein.

Schon bald setzte er sich von der Gruppe wieder ab, um sich auf Erkundungstour zu begeben. Bänke am Weg boten immer wieder an, sich darauf nieder und die Natur von diesem Ort aus auf sich wirken zu lassen.

Es muss schön hier sein, wenn die Blätter an den Bäumen sich rot und gelb verfärben, dachte er bei sich, als er die letzten Ahornblätter sah, welche die Gärtner gerade mühevoll zusammenharkten. Ob es hier auch Kirschbäume gibt? Er war sich dessen sicher. Aber die Bäume trugen ja kein Laub mehr und sie nur am Stamm zu erkennen, fiel ihm schwer. Kôji nahm sich vor, dass er diesen Ort auf jeden Fall noch einmal im Frühjahr besuchen wollte, bevor er wieder zurück fuhr.

Der Tag zog sich hin. Er genoss die Landschaft, trotz der etwas trostlosen Jahreszeit und beschloss den Tag dann in dem großen Vergnügungspark, der sich ebenfalls dort mit auf dem Gelände befand, sehr zur Freude von Yuugo.

Alles in allem war es ein sehr schöner Tag gewesen. Die Bücher hatte er nicht gebraucht und sich dafür ganz von Yuugos kindlicher Begeisterung anstecken lassen, als er diesen einlud mit ihm in den verschiedenen Bahnen zu fahren.

~*~

Spät abends fuhren sie zurück. Neben sich auf der Rückbank hatte Kôji einen riesigen tiefschwarzen Plüschpanther, und noch verschiedene Kleinigkeiten in Plastiktüten verstaut, die eigentlich sein heutiges Treiben verraten könnten. Aber das war ihm im Moment ziemlich egal. Was sollte sein Vater tun? Die Stunden konnte er ihm eh nicht mehr wegnehmen.

Die Nacht war klar und Kôji genoss auch diese Fahrt. Vor allem weil jetzt die Straßen fast menschenleer waren, die Helligkeit der Reklameschilder hingegen hatte die Straßen fast taghell erleuchtet. Den riesigen Panther fest umschlungen im Arm, den Kopf dagegen gelehnt, fielen ihm immer wieder mal die Augen kurz zu, um sie Sekunden später erneut aufzureißen. So näherten sie sich ihrem Ziel.

Schon von weitem konnte er das in Flutlicht getauchte Tor zu seinem „Gefängnis“ sehen.

Irgendwas erweckte sein Interesse. Aber er konnte nicht sagen was es war. Also schaute er genauer hin und sah wie sich der Pförtner mit jemandem zu streiten schien. Als sie näher heranfuhren, verschwand die eben noch mit Händen und Füßen diskutierende Person hinter einem hohen Busch, so als wollte sie nicht gesehen werden. Aus den Augenwinkeln heraus konnte er aber erkennen, dass die betreffende Person den Wagen im Auge behielt.

‚Kann das sein?’, fuhr es Kôji durch den Kopf.

Gerade als er aussteigen wollte, bemerkte Kôji wie Yuugo den Eingang und die Büsche daneben fixierte. Er hatte den anderen also auch bemerkt. Yuugo öffnete ihm die Tür und als Kôji den Wagen verlassen hatte, schlug er dieselbe zu. Der Fahrer fuhr sofort weiter, um das Auto wieder zurückzubringen.

Yuugo wollte sich gerade verabschieden: „Kann ich jetzt gehen. Ich…“.

„Auf ein Wort noch Yuugo.“ Mit diesen Worten wandte Kôji sich der Türe zu.

Yuugo stutzte und sah dann aber zu dem andern hinüber. Als er merkte, dass dieser ging, blieb ihm nichts weiter übrig als ihm zu folgen.

 

Im Zimmer angekommen hielt Kôji dem Jungen die Türe auf und kaum war dieser drin, lehnte er sich von innen dagegen. „Yuugo, weißt du wer das da eben war?“

Der Angesprochene zuckte zusammen. Er hatte ihn genau gesehen und fürchtete dass es heute noch Ärger geben würde. „…Ja…“, sagte er mit einer leichten Verzögerung. „Der Pförtner heißt…“

„Den Pförtner meinte ich nicht, sondern den anderen; den der mit dem Pförtner gesprochen hatte.“

„Sie haben ihn gesehen?“

„Würde ich dich sonst nach ihm fragen?“ Kôji’s Stimme klang bereits ärgerlich.

„Mein… Bruder.“     „Dein Bruder? Du hast einen Bruder?“

„Ja. Ich hatte vergessen ihm zusagen, wo ich hin bin. Er wird sich Sorgen gemacht haben, weil es draußen schon stockfinster ist.“

„Ist gut. Gehört er auch zum Personal, wie du?“

„Ja. Darf ich dann gehen?“

Hmm… gute Nacht.“ Kôji trat von der Türe weg, ging nachdenklich in den Raum hinein. Irgendwo hatte er diese katzengleichen Bewegungen schon mal gesehen. Wenn er nur genau wüsste wo?

„Gute Nacht junger Herr.“ Dann verschwand Yuugo.

Doch Kôji hörte es nicht mehr, war viel zu sehr in seinen Gedanken verstrickt.

Abends fiel er mal von etwas anderem als von Zahlen, Fakten und Prognosen begleitet ins Bett.

 

Und Yuugo? Kaum war er wieder zurück, durfte er sich von seinen Geschwistern eine Standpauke abholen, für sein Versäumnis. Aber das störte ihn nicht. Er plapperte ununterbrochen und erzählte was er so erlebt hatte, und die beiden konnten gar nicht glauben, dass der jüngste Herr so viel anders als seine beiden Brüder oder auch ihr Vater sein sollte.

 

~*~

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Teil 2

Was Kôji aber nicht wusste und was ihm deshalb auch jetzt nicht den Schlaf raubte: seine Braut Eri war todunglücklich. Sie wusste um das Arrangement der beiden reichsten Familien im Land, hatte aber schon seit längerem zu einem anderen jungen Mann aus ihrer unmittelbaren Umgebung ihre große Liebe entdeckt. Doch das wagte sie nicht ihrem gestrengen Vater zu verstehen zu geben, der sie förmlich in diese Verbindung zwang…. Und dann noch ihr zukünftiger Gatte… wie sollte sie es ihm erklären, dass sie ihn nicht wollte, ohne gerade dadurch seine lüsterne Besitzgier, für die seine Brüder, und sicher dann auch er, nur all zu bekannt waren, herauszufordern? Eri war ratlos was sie tun sollte. Seit Tagen zerbrach sie sich den Kopf. Sie verzerrte sich nach Liebe und Nestwärme, wusste aber, dass sie beides bei diesem Mann, der sie nicht einmal beachtete und in diesem Haus, dass nichts als herzlose Gewinnsucht ausstrahlte, wohl niemals finden würde.

Traurig sah sie die Tage bis zur Trauungszeremonie vergehen. Endlose Minuten verstrichen in Einsamkeit und Verzweiflung. Sie war bereits in der zweiten Novemberwoche hier angekommen und niemand schien sie richtig zur Kenntnis zunehmen…. weder ihr Zukünftiger – der ja erst später hier auftauchte -, noch seine Familie. Sie behandelten sie zwar mit Respekt, aber das war es auch schon. Ihre Freundschaft suchte niemand, auch nicht die weiblichen Mitglieder des großen Haushaltes. Alle Versuche scheiterten kläglich. Sie hatte nur einen Wunsch: weg hier und zwar für immer.

 

~*~

 

Das Wetter hatte über Nacht schlagartig gewechselt und so war es nicht verwunderlich das viele Leute am folgenden Tag erstmals ihre warmen Wintersachen aus den Schränken holen mussten. Denn…

Der nächste Morgen war einer dieser kalten Dezembertage, der die Knochen in den dicksten Klamotten zum knacken brachte… Die Schneeflocken tanzten lustig vom Himmel. Der Regen selbst, der bis in die frühen Morgenstunden dazwischen gefallen war, hatte aufgehört. Die Erde war mit einer matschigen Schicht bedeckt, da der Boden noch viel zu warm war, um die weiße Pracht in seiner ganzen Schönheit zu erhalten.

Eri hatte trotzdem einen kurzen Spaziergang draußen unternommen, wie jeden Morgen und war gerade dabei ihre warmen Räumlichkeiten, welche man ihr zugewiesen hatte, aufzusuchen.

Plötzlich stürzte im Haus ein Knabe auf sie zu. Seine Kleidung hing teils in Fetzen an ihm herab, trotz allem konnte man sie auf den ersten Blick als Uniform des Hauses erkennen. Es war wohl einer der jüngeren Bediensteten. Allerdings war dieser Aufzug doch recht ungewöhnlich.

Er schmiss sich ihr zu Füßen, blieb dort reglos liegen. Sie konnte ein leises Schluchzen hören. Da sie sein Gesicht nicht sah, konnte sie ihn jedoch nicht genau erkennen, wusste nicht wo er hin gehörte. Ob sie ihn kannte.

„Was willst du?“; fragte sie unwirsch. Ihr war kalt und sie wollte so schnell als möglich in ihr geheiztes Zimmer, nur… das der junge Bursche da genau den Weg durch ihre Tür versperrte.

Yuugo hob den Kopf. „Helft mir… bitte… der Herr Hirose… er denkt, ich hätte ihn bestohlen. Aber ich war es nicht… ich schwöre… Ich habe den Raum heute noch gar nicht betreten… Ich bin kein Dieb. Schon seit vielen Jahren arbeiten meine Geschwister und ich für die Familie Nanjo. Ich würde es nie wagen Unrechtes zu tun.“ Wieder senkte er den Kopf.

Im selben Moment wo er in seinem Redeschwall endete, kam in Begleitung von zwei Leibwächtern der älteste Sohn der Familie heran, verneigt sich leicht zur Begrüßung gegenüber Eri.

„Oh… die Braut meines geliebten jüngsten Bruders… Belästigt dich dieses Diebesgesindel etwa? Ich werde gleich dafür sorgen, dass er entfernt wird und dir nie mehr unter die Augen tritt.“

„H-AAAA-L-T!!! Was soll das? Was wirfst du ihm vor? Ein Dieb? Wieso? Das ist sicher ein Missverständnis. Was soll er denn gestohlen haben?“

„Eine Brosche meiner Frau. Kaoruko hatte sie im Wohnzimmer für einen kurzen Moment abgelegt.“, tat Hirose völlig unschuldig, obwohl er genau wusste, dass dies nicht der Wahrheit entsprach. Schließlich schlief die Genannte noch.

Da ihr schon so einiges zu Ohren gekommen war, seit sie hier wohnte, wusste sie nicht so recht was sie wirklich davon glauben sollte, denn der Junge zu ihren Füßen sah ehrlich aus. Seine zerfetzte Kleidung hingegen, sprach Bände. „Wann?“, fragte Eri nur kurz.

„Vor etwa einer halben Stunde.“, gab Hirose mit einem gemeinen Grinsen von sich. Ihn belustigte es, wie sie sich für diesen Knaben einsetzte.

„Dann kann er es nicht getan haben. Er war zu dem Zeitpunkt bei mir.“, stolz hob sie den Kopf; ließ keinen Zweifel an ihren Worten zu.

„Wenn du meinst, zukünftige Schwägerin… Und du bist dir wirklich ganz sicher?“

„Ja. … Sie sollte mal gucken, ob die Brosche ihr nicht vielleicht herunter gefallen sein könnte und nun entschuldige. Der Bursche muss für mich noch was erledigen.“ Mit diesen Worten wandte sie sich zu dem immer noch auf dem Boden hockenden um und sagte nur: „Komm mit.“

Yuugo stand auf, drehte sich ängstlichen Blickes um und folgte ihr dann in ihre Räume.

Hirose blieb draußen stehen, starrte ihr noch böse nach, als die Türe sich schloss. Leider war er fürs erste um seine Lieblingsbeschäftigung – sich an deren Qualen anderer zu weiden – herum gekommen. Aber er gab nicht auf. Er machte sich auf die Suche nach einem neuen Opfer. Noch war der Tag ja noch jung.

~*~

Eri unterhielt sich inzwischen mit dem Jungen und so erfuhr sie viel Wissenswertes über die Familie der Nanjos und auch über einige der Bedienstete, ebenso dass er selber noch zwei ältere Geschwister hatte, die beide für ihn sorgten. Aber auf die Frage nach seinen Eltern schüttelte er nur den Kopf, brach kurz darauf in Tränen aus und so bohrte sie nicht weiter nach.

Sie sorgte dafür, dass er als Wiedergutmachung für die durchstandene Anschuldigung und die dabei kaputt gegangene Garderobe, für die Jahreszeit entsprechende Kleidung erhielt. Diese war nicht nur heil, sondern zugleich auch warm und sie setzte ihm eine warme Mahlzeit vor, welche Yuugo verschlang. Gerne hätte er noch den Teller abgeleckt, aber dass traute er sich dann doch nicht.

~*~

Als Takuto wenig später erfuhr was vorgefallen war, wuchs sein Beschützerinstinkt auf unbestimmte Dimensionen an. Am liebsten hätte er seinen kleinen Bruder nicht mehr dorthin gehen lassen, aber das ging nicht. Sie hatten keine Wahl. Seine Augen funkelten vor Wut, als er hörte, dass es dieser Bastard Hirose nun auch auf seinen jüngsten Bruder abgesehen hatte.

Er selbst war vor einigen Jahren auch mal das „Opferlamm“ gewesen. Da er aber auf stur geschaltet hatte, hatte Hirose bald die Lust an ihm verloren. Es langweilte ihn, wenn das auserkorene Opfer nicht vor Angst und Schmerz winselte und um seine Erlösung oder sein Leben bat. Ihn hatten zwar die Augen des Jungen fasziniert, aber was tun, wenn er sich nicht brechen ließ? Bald schon hatte er es aufgegeben, als ihm ein weit viel versprechender, wimmernder Knabe über den Weg lief. Tränen in der Gegenwart des Herrn Hirose zu zeigen, war gleichbedeutend ihn zu seinen SM-Spielchen geradezu herauszufordern, das wusste Takuto schon damals und ihm tat der Junge leid. Aber helfen konnte er ihm nicht. So jung wie er war, hatte er schon für seine beiden Geschwister zu sorgen, mit denen er hier alleine lebte.

~*~

Deswegen beschloss Takuto sich bei der zukünftigen Herrin für ihre Freundlichkeit zu bedanken und sie darum bitten, ob sie seinen kleinen Bruder nicht in ihre Dienste nehmen könnte, so dass er vor Hiroses Nachstellungen geschützt sei. Ein geringer Schutz zwar nur, aber besser als gar keiner, dachte Takuto bei sich. Und nachdem Yuugo am Abend soviel über den jungen Herrn geredet hatte, hoffte er, dass die junge Frau vielleicht in dieser Sache Gehör bei ihrem Zukünftigen findet. Denn diesen aufzusuchen, traute er sich nun doch nicht.

Aus eben diesem Anlass war er morgens noch zeitiger als sonst aufgestanden, hatte sich sorgsam zurecht gemacht und war gerade im Begriff an ihre Türe zu klopfen, bevor sie ihren täglichen Morgenspaziergang machte, als Kôji um die Ecke kam und ihn erstaunt ansah.

‚Ein junger Mann… um diese frühe Zeit… an der Tür seiner Braut?... Was hatte das zu bedeuten?... War sie schon untreu, vor der Hochzeit?’ Langsam trat er auf ihn zu. Schnell verbeugte sich Takuto vor ihm. Sein Gesicht lag somit im Schatten und Kôji der zuvor durch das Licht welches hinter Takuto durch das Fenster in den Flur fiel etwas geblendet war, konnte nicht genau erkennen um wen es ging.

„Kenn ich dich nicht? Was suchst du hier?“

„Ich diene eurer Familie und zu eurer zweiten Frage: Ich wollte der Herrin Eri meine Dankbarkeit erweisen und eine Bitte vortragen.“

„WARUM?“

Takuto erzählte ihm was er von seinem Bruder erfahren hatte. Bei dem Namen Hirose flackerten kurz böse seine Augen auf, doch Takuto wusste nicht, ob er es sich nur eingebildet hatte; denn schon eine Sekunde später sah Kôji aus wie immer. Seine Augen blickten irgendwie leer.

Als Takuto mit seinem Bericht zu Ende war, nickte Kôji verstehend. „Sie ist beschäftigt. Du kannst jetzt nicht zu ihr. Aber wenn du hier arbeitest, kannst du auch gleich mitkommen. Ich hätte da was zu tun für dich.“ Kôji wollte gerade gehen, da fiel ihm noch etwas ein.

„Ach sag mal, wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, ist Yuugo dein Bruder?“

„Ja, ist er… Aber…“ Takuto wollte noch etwas erwidern, doch da strafte ihn Kôji's eisiger Blick auch schon, ließ ihn bis in die hinterste Zelle frieren. Vorschriftsmäßig senkte er erneut den Kopf.

„Und du warst es auch, der sich gestern in die Büsche verdrückte, als mein Wagen kam?“

„Ja, Herr. Ich hab Yuugo gesucht.“

„Im Busch?“, fragte Kôji ungläubig.

„Nein, ich wollte nur nicht von den Insassen des Wagens gesehen werden.“

„Schlechte Art sich zu verstecken, in dem man auf sich aufmerksam macht. Aber egal, komm jetzt.“ Kôji drehte sich um und ging, Takuto folgte ihm.

 

Sie betraten die Zimmer des jungen Herrn. Der Raum selber war viel zu überheizt, eine erstickende Hitze schlug Takuto sofort entgegen. Kôji schien es indes nichts auszumachen. Takuto schloss leise hinter sich die Tür. Dann sah er sich erst einmal um.

Auf dem Boden des wohnlich eingerichteten Zimmers lag ein großer Tannenbaum, daneben türmten sich jede Menge Schachteln.

Kôji setzte sich in den großen Ohrensessel neben dem brennenden Kamin, zeigte auf den Ständer und den Baum, danach auf die Ecke die er von seinem Platz aus gut einsehen konnte. „Ich mag diese Sitte. Bau ihn dort für mich auf. In den Kartons findest du alles was du zum Schmücken benötigst.“ Dann nahm er sich das Buch, welches auf der Lehne gelegen hatte und fing darin zu lesen an.

Takuto sah auf den Baum… abermals zu Kôji…von dort zurück auf das Werkzeug welches neben dem Baum auf dem Boden lag. Dort sah er Säge, Gartenschere, Hammer, Nägel, Bohrer… und noch den großen Ständer und dann… fiel sein Blick auf seine gute Kleidung.

Er hatte um einen guten Eindruck zu hinterlassen, sein bestes Gewand aus dem Schrank geholt und es angezogen. Wenn die Sachen jetzt mit dem Holz des Baumes in Berührung kamen, konnte er sie gewiss hinterher vergessen. Die Harzflecken würde er unmöglich aus dem Gewebe entfernen können. Zögernd, was er nun tun sollte, stand er da.

Kôji bemerkte schon kurz darauf seine Teilnahmslosigkeit. Kalt sah er auf. „Was ist los? Willst du heute noch anfangen, oder wartest du damit bis Weihnachten vorbei ist?“

„Ja… nein… schon… aber…“ Er wollte fragen, ob er sich umkleiden gehen könnte, doch ein Blick aus den Augen des Anderen ließ ihn verstummen. Stattdessen schaute er nur an sich herunter.

Kôji verstand die Geste auch so. „Ist wohl dein bestes Stück? Na ja Zweitbestes denk ich mal…“ Mit einem fiesen Grinsen unterbreitete er ihm den Vorschlag: „Leg es doch ab… oder glaubst du, ich hätte noch nie einen Menschen in Unterwäsche gesehen?“

Takuto fand diesen Vorschlag nicht gerade akzeptabel. Er musste daran denken, dass er nicht einmal ein Hemd darunter trug. Aber Kôji ließ ihm keine andere Wahl. Wieder schien er total in sein Buch eingetaucht zu sein. Also sah Takuto sich unsicher um. Die Luft war heiß, frieren würde er also nicht. Der Herr war beschäftigt und der Stuhl da drüben stand irgendwie einladend da, als ob er nur darauf wartete das für ihn kostbare Kleidungsstück aufzunehmen. Immer noch zögernd trat er darauf zu.

Kôji den Rücken zugewandt, begann er sich Stück für Stück seiner Kleidung zu entledigen.

Schließlich hatte er das letzte Teil abgelegt, frustriert sah er an sich hinunter. ‚Kein gerade schicklicher Aufzug, falls jemand diesen Raum betrat.’ Nur Schuhe und Shorts trug er noch.

~*~

Kôji hatte indes mit lesen aufgehört, war neugierig darauf was der Andere denn jetzt tat. Er beobachtete ihn wie er sich entkleidete und wunderte sich darüber, dass er sich einfach nicht von seinem Anblick losreißen und sich wieder auf das Buch konzentrieren konnte. Selbst von ihm zunächst unbemerkt, glitt eine seiner Hände plötzlich nach hinten und eh er sich versah, hatte er das Haarband gelöst. Locker fielen seine langen Haare jetzt wie ein Schleier über seinen Rücken. Er selbst legte die Hand mit dem Haarband auf sein Buch, wo seine Finger es krampfhaft umschlossen.

Als Takuto sich nun aber umdrehte, um sich dem Baum zuzuwenden, tat Kôji so, als ob nichts gewesen wäre. Aber immer wieder linste er vom Buch auf, um den jungen Mann bei der Arbeit zu beobachten.

~*~

Nach einiger Zeit hatte Takuto den großen Baum endlich im Ständer stecken. Mit einem Blick stellte er aber fest, dass ein Ast weiter oben fehlte. Die Natur war eben nicht vollkommen.

Also nahm er von den bereitgelegten Ästen – die wohl noch für eine große Bodenvase reichen würden – einen besonders gut gewachsenen Ast heraus. Er passte ihn auf die Länge an, bohrte ein Loch in den Stamm und befestigte darin den Ast. Anerkennend nickte er. Der Baum stand.

Auch Kôji schien mit dem Baum zufrieden. Zumindest sagte er nichts gegenteiliges, als er einen Blick hochwarf, um ihn zu begutachten.

Takuto trat nun zu den Schachteln, kniete sich daneben und öffnete eine nach der anderen, ihren Inhalt dabei begutachtend. Er sortierte die großen nach rechts, die Kleinen nach links, suchte die Kerzenhalter heraus, legte auch diese extra; ebenso wie das silberne Lametta und die Spitze.

Dann begann er damit die Halter für die Kerzen anzubringen und die Kerzen selber darin zu befestigen. Als das getan war, brachte er die Spitze oben an, dann die kleineren Kugeln und Figuren, unten dann die großen und dazwischen die mittleren. Zum Schluss verteilte er noch die Ketten, süßen Leckereien und das silberne Lametta über den Baum.

Kôji's Interesse an seinem Tun hatte er schon längst gemerkt, traute sich jedoch nichts zusagen, da er dachte dieser beaufsichtige NUR seine Arbeit.

Beifällig pfiff Kôji als er den Traum in rot und silbern/weiß endlich stehen sah.

Takuto wollte die restlichen Teile gerade wieder in die Kartons tun, doch Kôji hinderte ihn daran.

Ohne dass Takuto es bemerkt hatte, war dieser nämlich aufgestanden und stand plötzlich – wie aus dem Nichts – hinter ihm, starrte auf seinen muskulösen gebräunten Körper, welcher durch einen leicht glitzernden Schweißfilm überdeckt wurde. Es war wirklich erstickend heiß im Raum und die körperliche Arbeit war halt nicht ganz ohne Auswirkungen geblieben.

Als Takuto sich umdrehte, schüttelte Kôji gerade den Kopf. „Du kannst gleich weiter machen. Die restlichen Zweige noch in eine Vase ins Nebenzimmer und ebenfalls schmücken oder… am besten machst du gleich ein Gesteck daraus.“

„Aber…“, ‚…ich habe so was noch nie gemacht. Habe von Weihnachtsgestecken überhaupt keine Ahnung’, wollte er gerade erwidern. Doch wieder kam er nicht dazu.

„Kein aber.“ Kôji schüttelte den Kopf. „Du wirst das schon hinbekommen.“ Er ging ihm voraus, zeigte auf die Stelle wo es stehen sollte und setzte sich dann auf sein großes Bett.

‚So ein Spanner… will er etwa schon wieder dabei zusehen? Amüsiere dich doch lieber mit deiner Zukünftigen. Oder hast du Angst, dass ich dich bestehle?’, ging es Takuto durch den Kopf. Seine Augen fingen wütend ob dieser Tätigkeiten und seines unwürdigen Aufzuges an zu funkeln. Nur mühsam konnte er sich beherrschen. Im Stillen dachte er, dass es eher eine Aufgabe für seine Schwester gewesen wäre. Früher hatte seine Mutter auch immer einen kleinen Baum stehen gehabt. Aber er konnte sich nie daran erinnern, dass sein Vater jemals nachdem der Baum stand, auch nur einen Finger an ihn gelegt hatte. Es sei denn um ihn nach den Feiertagen wieder zu entsorgen.

Schnell holte er sich die restlichen Zweige und den Karton, den er am Anfang achtlos zur Seite gestellt hatte, da er für einen Baum nichts Brauchbares enthielt. Nun wusste er auch, wozu der darin liegende Schmuck sein sollte. In einem großen Korb daneben standen auch noch Zweige anderer Bäume und Büsche, welche mit roten, schwarzen und weißen Beeren daran; verschiedene Tannenzapfen, teilweise in Gold oder Silber getaucht, verschiedene Schleifen und Bändern in allen möglichen Farben und Größen und vieles, vieles mehr. Auch Mistel war in verschiedenen Größen mit darunter.

In Gedanken ging er die verschiedenen Weihnachtsgestecke durch, die er irgendwann mal gesehen hatte.

Kôji indes verstand sein Zögern falsch. „Willst du da Wurzeln schlagen und nur dumm rum stehen oder werden wir heute damit noch mal fertig?“

Takuto vergaß sich, funkelte ihn zornig an und antwortete trotzig: „Ich muss mir doch erst mal Gedanken machen, wie es aussehen könnte.“

„Ach ja?“ Kôji schmunzelte. „Dann denk mal schneller nach.“ Der Blick, den der Andere ihm zugeworfen hatte, faszinierte ihn. ‚Er hat also auch Feuer im Blut. Interessant. Also nicht nur gutes Aussehen, sondern auch Temperament. Warum habe ich den Jungen nicht schon früher hier gesehen?’

Währenddessen spielte er unbewusst mit dem Band in seinen Händen.

Takuto besann sich, wen er vor sich hatte. Traute sich nichts darauf zu erwidern, biss sich nur auf die Lippen und schnappte sich stattdessen lieber einen Zweig und steckte ihn in die Steckmasse… die anderen folgten…

Als Kôji sah wie er sich die Antwort verbiss und er sich lieber selbst Schmerz zu fügte, hatte er für einen kurzen Moment ein komisches Gefühl in seiner Magengegend. Dieser Gesichtsausdruck… dieser Mund… diese Zähne die sich in die weichen Lippen bissen… Kôji wurde den Anblick einfach nicht wieder los. Immer wieder tauchte dieses Bild vor ihm auf. ‚Die pure Sünde’, dachte er bei sich. Weswegen macht mich dieser Kerl so an? Wieso wäre ich am liebsten aufgestanden, um über genau diese Lippen zu streichen? Kôji seufzte leise, aber trotzdem laut genug dass es für Takuto hörbar war.

Erstaunt hielt er einen Moment inne, um Kôji einen Blick zu zuwerfen. Doch dieser bemerkte es nicht.

 

Nach einiger Zeit war auch Takuto's zweites Werk vollbracht. Er entfernte die abgefallenen Nadeln und die Reste; wollte dann die Räume verlassen. Ein Blick auf seine Hände und seinen Oberkörper zeigte ihm jedoch, dass sie etwas harzig und schmutzig waren. Würde er jetzt die Kleidung wieder anziehen, wäre sie trotzdem verdorben. Und um so die Räume zu verlassen, wäre es draußen zu kalt. Auch hätte er sie dann ja nicht mitnehmen können.

Kôji bemerkte es, zeigte auf eine Tür und sagte nur: „Du hast gute Arbeit geleistet… da… du kannst das Bad benutzen… aber sorge dafür, dass anschließend neue Handtücher kommen. … Ach ja… und eins noch… Ich vergaß… das Kraut da… ich meine die Misteln… befestige sie doch bitte vorher noch über der Schlafzimmertüre in der Wohnstube.“

Kôji lächelte, freute sich schon über diese kleine Tradition die er irgendwann mal von seiner Europareise mitgebracht hatte. Er fand sie ganz lustig. Konnte so den neuen Dienstmädchen, welche damit ja nicht so vertraut waren, auch mal den einen oder anderen Kuss abringen, auch wenn sie sich ihm – auf Anordnung seines Vaters – ansonsten immer verweigert hatten. Dieser kleine Trick zog immer noch bei einigen. Bei denen die ihn kannten, allerdings weniger.

„Danke.“ Takuto verneigte sich, befestigte die Misteln wo Kôji sie hinhaben wollte und ging anschließend zögernd auf die Badtür zu. Er war sich nicht sicher, ob der Herr nicht doch vielleicht nur seinen Spaß mit ihm trieb und wartete einen Moment. Aber dieser rief ihn nicht zurück. Im Gegenteil. „Lass dir ruhig Zeit dabei.“, hörte er noch durch die bereits geschlossene Tür. Wenig später rauschte das Wasser im Bad.

Kôji griff unter das Kissen holte eine Fernbedienung heraus und drückte verschieden Knöpfe.

Eine für andere Leute unsichtbare Kamera in der Duschkabine nahm ihre Arbeit auf, leitete ihr Bild samt Ton auf einen Monitor im Schlafzimmer weiter, welcher das Bild im Großformat wiedergab. Automatisch dazu schaltete sich gleich noch ein Aufnahmegerät ein, welches die Bilder für eine nochmalige spätere Sichtung festhielt.

~*~

So wie Hirose sich an Quälereien seine Befriedigung holte, hatte sich Kôji bereits als er das letzte Mal hier zu Hause gewesen war, diese kleine Spielerei einbauen lassen. Eigentlich nur um die Frauen welche er verführen wollte im Vorfeld begutachten zu können… wenn er ihnen - natürlich vollkommen unabsichtlich – ein Glas Rotwein oder eine Schale mit Tee über ihre Kleidung gegossen hatte, und sie dazu brachte sich etwas anderes anzuziehen; während das Teil auf die Schnelle von Dienstboten gereinigt wurde... In der Vergangenheit hatte er das ja schon oft genug ausprobiert.

Kôji schmunzelte. Keiner im Haus wusste um diese technische Spielerei, außer Kôji selbst. Von seiner Zukünftigen wusste er zu diesem Zeitpunkt noch gar nichts, und er ahnte auch nicht, dass sich eine solche bei seinem nächsten Besuch im Elternhaus aufhalten würde. Und so waren die Kosten für diese kleine Spielerei wenigstens nicht ganz umsonst, musste er sich gestehen.

 

Erst wollte Takuto wirklich nur das Wasser nutzen, aber das Harz war hartnäckig, ließ sich so nicht restlos lösen. Unsicher sah er sich um, entdeckte eine Reihe von verschiedenen Reinigungsutensilien und Flaschen mit diversen Shampoos und Duschbädern.

Der Reihe nach öffnete er sie, hielt die Nase darüber, um an ihnen zu riechen. Bei einigen zog er sie ganz schnell wieder zurück und fragte sich, wie man solch einen Gestank überhaupt ertragen konnte.

Kôji beobachtete das und war erstaunt über Takuto's Geschmack. Er selbst bevorzugte gerade diese beiden Sorten, welche er auswählte. Ein Wink des Schicksals?

Dann wurde er Zeuge wie Takuto sich restlos seiner Sachen entledigte, in die Dusche stieg, das Wasser dort anstellte und sich einseifte, die Haare shampoonierte und mit gleichmäßigen Bewegungen der Hände seinen Körper entlang strich, um die Seife wieder ausnahmslos zu entfernen.

Ohne das Kôji es gleich bemerkte, hatte sich in der Zeit sein Atem beschleunigt. Dabei wollte er doch nur sehen, was der Junge überhaupt in seinem Bad machte.

Beim Ausspülen der Haare stieß Takuto aus Versehen eine der Flaschen um. Sie fiel platschend in das unten im Becken stehende Wasser. Als Takuto sich bückte um sie aufzuheben, bekam Kôji auch gleich einen Eindruck von Takuto's Kehrseite, welche er geradewegs in die Kamera hielt, nachdem sie sich ihr verschwundenes Ziel erneut gesucht hatte.

Kôji spürte mit einem Mal, wie ihm das Blut in den Kopf schoss. Etwas was ihm schon seit Ewigkeiten nicht mehr passiert war. Er bekam urplötzlich Nasenbluten. Ihm wurde heiß, in ihm regte sich was.

Seine Atmung ging immer schneller und schwerer. Erschrocken schaltete er den Monitor mit der Fernbedienung wieder ab, verließ fluchtartig das Zimmer. Die anderen Geräte liefen derweil geräuschlos weiter. Das Aufnahmegerät dazu solange bis das Ende des Bandes nach einer weiteren Stunde erreicht war und es sich dann von alleine abschaltete.

 

Als Takuto gesäubert und trocken – nur mit einem Handtuch die Blöße unten herum bedeckend – das Zimmer betrat, war es leer. Nichts deutete auf Kôji's Anwesenheit oder Tun hin, außer dem ungemachten Bett, wo er schon zuvor gesessen hatte.

Schnell zog er sich wieder an, stellte die Schachteln zusammen und verließ dann den Raum.

 

~*~

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Teil 3

Kôji war indes ins Dojo geflüchtet. Er versuchte seine Gedanken bei sportlicher Betätigung wieder zu sammeln, aber schon nach kurzer Zeit gab er auf.

Was war das nur? Wieso fesselte ihn der Anblick des Jungen nur ständig…? Die Augen… waren es sie, die er stets suchte…? Aber warum?

Ob es…? Nein… das konnte er nicht sein… oder etwa doch? Aber was suchte er dann hier? Nein, er war es bestimmt nicht.

Wieder fanden seine Finger das Band mit dem er sich erneut die Haare zusammengebunden hatte, damit sie ihm bei seinen Übungen nicht im Weg waren. Er löste es und schritt auf die Tür des Dojo zu, erfasste einen Punkt am Horizont. Während er das Band liebevoll in seinen Händen hielt und es sanft hin und her drehte, gingen seine Gedanken weit in die Ferne, zurück in die Vergangenheit und suchten ein bestimmtes Bild.

 

     Vor einigen Jahren war es. Es war noch ganz früh morgens. Niemand war unterwegs. Alles schlief noch. Aber er hielt es zu Hause nicht mehr aus; war durch die Gegend gestreift und hatte dann eine kurze Rast an diesem Fluss gemacht. Wie alt war er noch gleich? Sechs?

An einen Baum gelehnt, saß er im Gras und beobachtete das Wasser, wie es so ruhig dahin floss.

Plötzlich hörte er weiter oben am Flussufer jemanden rufen. Ein Hilfeschrei?

Die Neugier war so stark, dass er der Stimme folgte und sah wie ein Junge, kaum älter als er selbst von einem Baumstamm - der über den Fluss als provisorische Brücke lag - wohl kurz vor dem Ziel abgerutscht war. Mit einer Hand klammerte er sich an einen der abgebrochenen Aststumpen, in der anderen hielt er einen Korb.

Auch zureden den Korb doch fallen zu lassen, damit er besser zugreifen könne, half nicht. Der Junge hatte sich seinerzeit an den Korb gekrallt, als ob sein Leben davon abhing.

Kôji schmunzelte bei dem Gedanken. Anstatt ihn hochziehen, musste er sich erst um den Korb kümmern. Der Junge bettelte ihn an, diesen erst ans Ufer zu bringen, er könne dann alleine versuchen sich hochzuziehen.

Zu gerne hätte er gewusst, was wohl in dem Korb war, aber das hatte er auch später nicht erfahren.

Damals war er vorsichtig auf dem Baumstamm auf ihn zugegangen und der Kleine hatte ihm den Korb hoch gegeben. Diese Augen… er hatte sie seitdem nicht vergessen können. Dieser Blick hatte sich damals in seine Seele gefressen. ‚Wenn du ihn fallen lässt, bist du tot.’

Als er ihn in Sicherheit gebracht hatte, sah er wieder zu ihm und stellte fest, dass der Kleine doch schon mehr Kraft verbraucht hatte, als dieser wohl selbst gedacht hatte.

Der erste Versuch scheiterte. Seine zweite Hand fand zwar Halt, aber die Kraft reichte nicht mehr um sich hochzuziehen. Auch ein erneuter Versuch, indem er beschloss den Baum anders zu umfassen, seine Beine um ihn zu schlingen und sich so hochzuziehen, schlug fehl. Also legte Kôji sich auf den Stamm, lehnte sich so weit er konnte vor und griff gerade noch rechtzeitig zu.

Wie er es geschafft hatte, wusste er nicht mehr, nur dass der Kleine wohl noch einmal seine ganzen Kraftreserven aktiviert haben musste; denn kaum waren sie heil am Ufer angekommen, war der Kleine vor Erschöpfung in seinen Armen eingeschlafen.

Er hatte ihn zu einem Baum getragen und dort angelehnt in seinem Schoss gebettet, bis er wieder erwacht war.

Wieder spielten seine Finger mit dem Band in seinen langen Haaren und ein verträumtes Lächeln legte sich auf sein Gesicht.

Die Sonne war nur ein kleines Stückchen damals weiter gestiegen, als er wieder erwachte. Viel zu früh, wie er fand. Doch früh genug um sich keine Sorgen zu machen.

Zuvor hatte sich der Kleine es noch richtig bequem bei ihm gemacht gehabt. Seine Nase hatte Kôji am Bauch gekitzelt, eine seiner Hände spürte er damals in seinem Rücken, hielt ihn fest wie einen großen Teddy. Er selbst war ihm sanft durch die weichen Haare gefahren, erntete dafür ein zufriedenes Geräusch wie von einer schnurrenden Katze. Die Worte welcher der Kleinere im Schlaf gemurmelt hatte, hatte Kôji nicht verstanden. Aber sie zeigten ihm, dass der Kleine wirklich nur schlief. Er fühlte sich damals wie ein Beschützer, der etwas unendlich Kostbares gefunden hatte.

Wie er dann aufgewacht war, hatte er sich erst geräkelt und als er die Augen aufschlug einen Moment überlegt. Ein Leuchten in dessen Augen hatte ihm gezeigt, dass er wieder wusste was geschehen war. Dann war der Kleine aufgesprungen und hatte ihn doch links liegen lassen und nach seinem Korb gesucht, der immer noch neben dem umgestürzten Baum stand.

Nachdem er den Inhalt kontrolliert hatte, kam er zurück, steckte seine Hand in die rechte Hosentasche und hielt ihm dann die Hand, mit dem sorgsam zusammengerollten Haarband darauf, unter die Nase.

Ich weiß nicht mehr was er zum Dank gesagt hatte, aber er ließ sich nicht abwimmeln. Meinte wenn ich nicht wäre, würde er nicht mehr hier stehen und seine Schwester könne sicherlich damit leben, wenn er das Band mir dafür schenke, statt ihr. Ein Geschenk von ganzem Herzen… er dürfe es nicht ablehnen.

Bis zum Mittag haben sie dort gesessen und sich unterhalten. Zwischendurch hatte er immer wieder nach dem Korb gesehen, aber es abgelehnt ihm zu sagen, wonach er da guckte. Dann hatten sie sich verabschiedet und er hatte ihn nie wieder gesehen.

 

Ob dieser Takuto der Junge von damals sein konnte? Yuugo sieht ihm ja sehr ähnlich. Aber Kôji konnte sich beim besten Willen nicht mehr an das Gesicht dieses Jungen erinnern, genauso wenig wie an dessen Namen, den er wohl vergessen hatte zu sagen.

Und Takuto zu fragen, ob er der jenige war, würde wohl auch nichts bringen. Vierzehn Jahre waren eine verdammt lange Zeit. Und sie waren Kinder… Kinder die andere Sorgen hatten, als sich so was zu merken.

*~*~*

Unter verschiedenen Anlässen ließ Kôji ihn auch an den beiden folgenden Tagen, mehrmals sein Zimmer betreten. Einmal war er zu dem Zeitpunkt sogar bereits im Bett, aber nicht allein. Eine langhaarige Schönheit lag an seiner Seite, bedeckte ganz auf die Schnelle ihre eigene Nacktheit. Doch Kôji hatte nur noch Augen für ihn. Eben noch Feuer und Flamme, ließ sie ihn plötzlich – oder besser mit Takuto's Erscheinen – ziemlich kalt.

Kôji beobachtete ihn bei allem was er Takuto auftrug. Zum Schluss wollte er niemanden anderen mehr um sich herum sehen. Sollte was erledigt werden, wurde extra Takuto gerufen. Jedoch jedes Mal, musste Takuto feststellen, waren diese Räume übermäßig aufgeheizt worden.

Aus diesem Grunde gewöhnte er sich recht bald an, unter seinen warmen Wintersachen etwas dünneres Ärmelloses zu tragen. Denn meist hielt Kôji ihn für längere Zeit in seinen Räumlichkeiten fest und anfangs war er doch ziemlich stark ins Schwitzen gekommen, was ihm mehr als unangenehm war.

So konnte er sich dann schnell mal aus seinen Sachen pellen, sehr zur Freude von Kôji, der da natürlich nichts dagegen hatte, und seine Arbeit ohne Schwierigkeiten zu Ende bringen.

 

Das stets Takuto von ihm verlangt worden war, fiel trotzdem niemanden weiter auf, da Takuto schon seit Jahren als sehr stiller Junge im Haus bekannt war und so glaubte Kôji sein Vater, dass es aus dem Grunde sei: Kôji sich durch ihn am wenigsten in seinen Studien gestört fühlte; und ließ seinen Jüngsten gewähren, als dieser ihn auch um die restlichen beiden der Familie Izumi bat, damit sie zu seiner Verfügung standen.

Sein Vater wunderte sich zwar etwas, da Kôji immer jegliche Diener abgelehnt hatte, wenn er mal in den ersten Jahren auf Kurzurlaub zu Hause war. Aber er mutmaßte, dass sein Sohn endlich vernünftig geworden war und die Bequemlichkeit und den Luxus dem anderen Leben vorzog. Also wenn er schon keine sechs Bediensten haben wollte, warum dann nicht wenigstens diese drei? Die waren so gut wie jeder andere auch, nur billiger. Na ja und jünger. Kôji würde mit dieser Serika schon nichts anfangen, die war bestimmt nicht sein Geschmack, etwas dürr vielleicht. Schließlich waren die Gören nicht zum Essen hier, sondern sollten arbeiten. So gab er sein Einverständnis.

~*~

Seine Bitte an die Herrin Eri hatte Takuto derweil gänzlich vergessen. Kôji hatte sich inzwischen nämlich seiner beiden Geschwister angenommen und sie aus dem Umkreis von Hirose geschafft, an einen Ort wo sie auch zur Schule gehen konnten, nicht zu Hungern brauchten und sich sehr liebevolle Hände erst einmal um sie kümmerten. Allerdings waren sie damit nicht nur aus Hiroses Reichweite, sondern auch aus seiner. Die wenigen freien Stunden die er hatte, reichten kaum zum Schlafen, geschweige denn um seine Geschwister zu besuchen. Aber er wusste dass sie dort zur Zeit besser aufgehoben waren, als bei ihm. Nur fragte er sich, wie Kôji das erreichen konnte. Er hatte es für unmöglich gehalten, den Fängen dieser Familie jemals im Leben zu entkommen. Aber war er selbst ihnen denn entkommen? Oder seine Geschwister? Was wenn der jüngste Herr es sich anders überlegte? Er war schon ein komischer Mensch.

~*~

Am zweiten Abend nach dem Baumschmücken war Kôji von den Herrschaften ganz allein im Haus. Die Anderen waren zu einer großen Feier aufgebrochen und würden bis zum einundzwanzigsten Dezember bleiben. Zehn ganze Tage hatte er sturmfreie Bude. Zehn Tage die er sich mit einer Notlüge erkauft hatte, dass er sie zum studieren und meditieren nutzen will, bevor er den Bund fürs Leben schließt. Sein Vater war mit dieser Bitte einverstanden, weil er sich davon eine Menge versprach, aber was er stattdessen wirklich vorhatte, ließ Kôji mit keinem Wort durchklingen.

 

Kaum das alle aus dem Haus waren, fiel ihm ein Stein vom Herzen. Endlich allein. Langsam ging er durch das große Haus, zurück in seine Zimmer. Ein Blick zur Badtür rief erneut diese Erinnerungen in ihm wach, was er vor nicht allzu langer Zeit unter seiner Dusche gesehen hatte. Er legte sich aufs Bett und schloss die Augen.

Eine ganze Weile dachte er darüber nach. Auch über das was er in der Zeit bei Takuto's Auftauchen jedes Mal gedacht hatte; an die alte Schulfreundin mit der er zwar hemmungslosen Sex gehabt hatte, aber die ihm nach seinen Anblick nicht mal mehr ein müdes Lächeln entlocken konnte, geschweige denn es schaffte ihm eine zweite Runde abzuringen. Sonst war es mit ihr nie unter vier abgegangen. Sie war genau so vom Sex besessen wie er. Deswegen hatten sie sich auch so gut vertragen und sie war ihm sogar still und heimlich – ohne Wissen seiner „lieben“ Familie – bis hierher gefolgt.

Was ging hier ab? Wieso grübelte er so über diesen Jungen nach? Irgendwas lief hier gänzlich schief. Er hatte sich doch sonst noch nie für irgendeinen Menschen so eingesetzt. Warum dieses Mal? Warum für IHN? Warum für seine Geschwister? Hieß das, sie waren ihm nicht egal? WARUM nicht???

Warum fühlte er sich so eigenartig wenn er da war? Wieso sollte es immer nur er sein? Weshalb konnte er sich danach nicht mal mehr auf die Frau in seinen Armen oder in seinem Bett mehr konzentrieren? Wieso hatte er nur noch Augen für IHN? Wer war er, dass er ihn so in seinen Bann zog?

Wütend weil er keine Antwort auf seine Fragen fand, wollte er das Erste was ihm in die Hände fiel gegen die Wand werfen. Doch plötzlich hielt er inne, als er bemerkte was er da hielt. Die Universalfernbedienung. Die mit welcher er ihn in der Dusche beobachtet hatte. Und da fiel es ihm wie Schuppen von den Augen.

Das Aufnahmegerät! Wie vom Blitz getroffen saß er da. Mit großen Augen starrte er auf das schwarze flache Teil in seiner Hand. Seine Augen wanderten zu der Wand wo das versteckte Gerät sich im Schrank befand.

Sollte es etwa…? Doch es musste so sein. Es war automatisch darauf eingestellt, dass sobald die Kamera an war, es alles aufzeichnete, solange das Band…

Er hatte doch das Band bis zum Anfang das letzte Mal zurückgespult, oder? Wann hatte er…?

Kôji wusste es nicht mehr. Zögernd ging er auf die Schrankwand zu. So als ob er Angst hatte seine Seifenblase könnte zerplatzen und sich in Luft auflösen. Immer noch zaudernd griff er an den Schrank und öffnete die Tür. Ein Blick auf das Gerät … es war aus.

Natürlich, es musste ja auch aus sein. Das Band fasste ja schließlich nur knapp zwei Stunden und nicht zwei bis drei Tage. Viel länger bräuchte er es ja nicht, weil bestimmt niemand drei Stunden unter der Dusche stehen würde. Dann zöge dieser Jemand schon die Wanne vor und dort wäre es ja nicht so interessant, da der Einblick verwehrt wäre. Zumindest war das damals beim Bandkauf der ausschlaggebende Punkt gewesen, dass er sich für dieses entschlossen hatte. Das Gerät war dadurch auch entsprechend kleiner ausgefallen und so einfacher zu verstecken.

Nun hielt ihn nichts mehr. Schnell griff er zum Rückspulknopf, betätigte diesen und setzte sich dann wieder auf sein Bett. Der Monitor wurde hell. Endlich klickte das Band und Kôji drückte auf Start.

Es dauerte einen Moment bis der Fernseher das Bild wieder gab. Die ersten Sekunden ließ er immer leer, damit das Gerät die Spurlage fand. Dann…… endlich…

Auf dem Monitor: die leere Dusche, der Vorhang weit offen, die Kamera konnte nur einen Teil des Raumes überblicken. Was war das? Schade. Er zog sich nicht direkt im Bereich der Kamera gänzlich aus. Wäre ja auch zu schön gewesen, oder? Striptease von einem Mann… wäre ja mal was anderes. Bedauernd starrte er auf den Monitor. Er hörte wie Stoff raschelend zu Boden fiel, sah hin und wieder einen Ellbogen…. Dann bemerkte er wie die Kamera schwenkte. Sie war auf bewegliche Ziele aus und muss bemerkt haben, dass sich im Raum etwas tat. Kôji strahlte. Diese Anschaffung schien besser als er dachte. Da… sie hatte ihr Zielobjekt gefunden.

Die letzte Hülle war doch noch nicht gefallen, und er schien auch noch nicht sicher zu sein, ob er tatsächlich duschen durfte. Wohin starrte er da gerade? Starrte er zur Tür? Hat er tatsächlich geglaubt ich verulke ihn nur, dass ich ihn zurückrufe?

Kôji lachte kurz auf. Dann schüttelte er den Kopf. Auf den Gedanken war er damals nicht mal gekommen.

Nun schien er was zu suchen. Machte sich am Wasserhahn am Waschbecken zu schaffen, versuchte die Flecken an den Armen mit Hilfe eines Waschlappens und Seife so abzubekommen… und bemerkt dass es nicht so richtig klappte…

Schade, dass ich dich nur die ganze Zeit von der Seite aus sehen kann. Aber warst du nicht noch in der Dusche? Aaaah, jetzt kommt gleich die Stelle. Ab hier konnte er ihn erst richtig betrachten.

Kôji's Augen wurden größer. Langsam richtet sich sein Oberkörper erneut vom Bett auf. Er neigt sich immer mehr dem Monitor entgegen… wenn er nicht so weit weg sitzen würde, würde er bald reinfallen. Aber dichter ran an diesen flachen Breitwandfernseher, an den er das Gerät angeschlossen hatte, ging nicht, dann würde er nicht mehr viel mitbekommen. Das Bett war der ideale Platz hierfür. Also blieb er notgedrungen in dieser etwas unbequemen Lage sitzen. Hätte er einen zweiten richtigen Monitor in diesem Zimmer stehen, wäre dass sicher aufgefallen.

Ja, Takuto hatte seine diversen Shampoos und Duschbäder angesehen und sich ja für seine beiden Lieblingssorten entschieden. Das war damals schon ein Pluspunkt für den Jungen gewesen. Und nachdem er die richtigen Flaschen gefunden hatte, war er geradewegs in die Dusche gegangen.

Jetzt hatte er die Erste gefunden. Süß, wie Takuto das Gesicht verzog, bei dem grässlich künstlichen Gestank der aus so manchen der anderen Flaschen stieg. Er hätte sie schon längst aussortieren sollen, nur… dass hätte seine Familie wieder nicht verstanden. Nur weil etwas teuer ist, muss es ja auch nicht jedermanns oder besser gesagt SEINEN Geschmack treffen.

Oh, er stand schon unter der Dusche. Einen Augenblick hatte Kôji wohl schon zu lange in seinen Betrachtungen geschwelgt. Kurzerhand spulte er wieder ein Stückchen zurück.

Ab hier reicht. Er hat die zweite Flasche gefunden und dreht sich genau in seine Richtung um…

Kôji sah ihn von vorne und musste zugeben, dass Takuto attraktiv aussah.

Nur attraktiv? Nein! Schon wieder regte sich was in ihm. Nochmals spulte er zurück.

Das konnte doch nicht sein? Er stand doch immer nur auf Frauen!?

Aber selbst als diese Bilder wiederholt vor ihm abliefen, kehrte diese Unruhe, dieses Kribbeln, dieses ihn berühren wollen in ihn zurück. Er spürte die Sehnsucht ihn in seinen Armen zu halten, auch wenn er sich immer noch nicht erklären konnte wieso.

Die makellose Haut seines Oberkörpers hatte er damals ja schon gesehen. Die sonnengebräunte Haut… selbst jetzt wo der Winter schon vor der Tür stand, sah er immer noch so aus als ob Takuto gerade aus der Sommerfrische kam.

Diese Hände die so langsam über seinen Körper fuhren und sich dabei Stück für Stück einseiften: Das Gesicht das dabei die Wohltat des warmen Wassers genoss. Die geschlossenen Augen… den Kopf leicht in den Nacken geschoben, lief das Wasser genau auf sein Gesicht zu. Die Haare welche tropfnass an ihm herunter hingen, sein Gesicht einrahmten…. Kôji seufzte… Wie gerne würde er ihn jetzt selbst in den Armen halten. Ihn von hinten stützen, dass er sich ganz entspannen konnte, nicht umfiel…

Sein Puls raste bereits, doch er konnte sich nicht von dem Anblick trennen und dann… sein Blick fiel auf etwas anderes als den Monitor. Seine Augen vergrößerten sich so weit, dass man Angst haben müsste, sie würden ihm jeden Moment aus dem Kopf fallen.

NEIN! Das konnte nicht sein. Bei ihm selbst regt sich was in der Hose, wollte unbedingt raus! Die unbequeme Lage in der er hier saß, zwängte ihn hingegen weiter schmerzhaft ein.

Kôji ließ sich zurück auf das Kissen fallen. Das konnte nicht sein. Das durfte einfach nicht wahr sein, ging es ihm durch den Kopf. Und doch, es war so. Mit einemmal schien er begriffen zu haben. Er hatte eine Antwort auf seine Fragen gefunden. Erst dieses plötzliche Nasenbluten und jetzt das hier…

Als er erneut zum Monitor schaute, war seine Dusche leer. Also nochmals die Fernbedienung. Wo war sie noch gleich? Suchend tastete er um sich herum, bis er feststellte, dass sie unter ihm lag. Wo auch sonst.

Nochmals bis ganz an den Anfang. Dieses Mal saugte er jede Sekunde auf, stellte sogar den Ton lauter, damit ihm auch kein Geräusch was Takuto von sich gab ebenso wie keine Mimik entkam.

Als Takuto sich dann erneut einseifte, hatte Kôji schon längst das Hemd aus seiner Hose gezogen und den Knopf selbiger geöffnet. Eine Hand glitt hinein. Der Reißverschluss gab nach, rutschte auf. Kôji's eine Hand strich über seinen eigenen Oberkörper, während Takuto sich auf der Mattscheibe Stück für Stück einseifte und das Gefühl genoss. Kôji’s andere Hand hielt sich derweil etwas weiter unten auf.

Selbst als sich dieser die Haare shampoonierte, ließ Kôji nicht von seinem Tun ab, denn sogar diese Bewegungen waren viel zu reizvoll für ihn um aufzuhören. Schließlich würde es ja gleich weiter gehen.

Indes stellte Kôji sich vor, dass die Hände dort IHN berührten und es seine wären die sich nun wieder, um die Seifenreste zu entfernen, über den bronzenen Körper hinweg bewegten.

Sein Körper fühlte dieses Brennen, diese Sehnsucht, seine linke Hand wurde immer schneller und dann… sah er Takuto's Hinterteil, als dieser sich nach der heruntergefallenen Flasche bückte. Dieser Anblick und seine inzwischen mehr als bereite Männlichkeit waren zuviel für ihn. Er ergoss sich in seine Hand. Das Bettzeug und auch seine Hose waren ruiniert, aber das störte ihn im Augenblick überhaupt nicht. Ein Stoßseufzer entkam ihm. Kôji schloss die Augen. Das Band lief weiter…. Die Dusche wenig später erneut leer.

~*~

Eine ganze Weile nachdem er die Geräte abgeschaltet, sich selbst geduscht und die Spuren im Bett beseitigt hatte, rief Kôji Takuto zu sich. Er beschäftigte ihn den ganzen Tag in seiner Nähe, mit dem Heraussuchen von irgendwelchen Fakten, für sein Studium; wollte sich Gewissheit holen. Am Nachmittag verschwand er dann für zwei Stunden und als er anschließend wieder kam, befahl der junge Herr ihm am Abend beim Essen Gesellschaft zu leisten.

Takuto folgte der Anweisung nur zu gerne, nachdem er hörte, dass er nicht nur am Tisch mit knurrendem Magen sitzen, sondern sogar mitessen sollte. Erst wollte er ablehnen, doch Kôji ließ keine Ausrede gelten. ‚Alleine würde es ihm nicht schmecken’, war dann das Argument, welches Takuto gelten ließ.

~*~

Wieder hatte er gerade für diesen Anlass seine guten Sachen angezogen, in welchen er seinem jungen Herrn erstmals begegnet war. Doch plötzlich klopfte es an seiner Tür.

Ungewöhnlich war, dass jemand beim Personal so einfach anklopfte. Jeder betrat die Räume wenn er was zu bringen oder zu holen hatte. Eine Privatsphäre gab es hier eigentlich nicht. Genauso wenig wie der Herr Schlösser an ihren Türen duldete.

Herein kam ein kleiner Junge, von vielleicht zehn Jahren. Takuto kannte ihn nicht. Erst schaute nur sein Kopf um die Ecke, dann schob er ein großes Paket - welches er mit sich schleppte - hinein.

Noch bevor er was sagen konnte war der Kleine bei ihm und drückte ihm die Schachtel in die Hand.

„Was soll ich damit? Sollst du sie nicht irgendwem von den Herrn übergeben?“

„Nein. Der junge Herr Nanjo Kôji lässt dich bitten, sein Geschenk heute Abend anzuziehen.“

Takuto's Augen weiteten sich. ‚Was is’ denn nu los?’ Erst bekam jeder des Personals einen feinen Anzug geschneidert, den sie zur Hochzeit seines jüngsten Sohnes anziehen sollen und den er nun schon trug und dann…? Der Karton enthielt doch nicht noch einen? Die Größe stimmte, aber was sollte er denn mit zwei Anzügen?

Noch bevor er sich von seinem Schreck erholt hatte, war der Bengel mit einem Grinsen verschwunden.

Wieder allein… öffnete er den Karton und schaute hinein. Für einen Augenblick blieb sein Herz fast stehen. Das was da vor ihm lag, hätte er mit nichts in seinem Leben jemals bezahlen können. Vorsichtig griff er hinein und hielt mit beiden Händen einen kornblumenblauen Sommer-Kimono in den Händen. Ein herrliches Stück Stoff mit einem großartigen Muster. Behutsam entfaltete er ihn und sah, dass darunter noch mehr zum Vorschein kam. Eben einmal komplette Garnitur, sogar mit neuen Schuhen.

Sprachlos ließ er sich aufs Bett sinken. Sah vom Kimono zum Karton und wieder auf den Kimono. Das gute Stück hielt er dabei immer noch fest.

Eine ganze Zeit überlegte er, dass er dieses Teil niemals annehmen sollte. Sie hatten schon genug Schulden abzutragen und da seine Geschwister nicht mehr im Haus waren, lastete die ganze Bürde jetzt sicherlich auf seinen Schultern.

Plötzlich fiel ihm ein, dass es allerhöchste Zeit sei; er ihn nicht länger warten lassen kann. Takuto war zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich hierbei nur um eine Leihgabe handeln könne, da man einem Mann in seiner Position doch wohl sonst kaum so etwas Kostbares schenkt. Anderenfalls sprach der Junge von einem GESCHENK. Aber das konnte er sich nicht vorstellen. Der Kleine hatte bestimmt irgendwas durcheinander gebracht. Jedenfalls beruhigte diese Kenntnis sein Gewissen. Schnell zog er sich um, warf einen letzten Blick in den Spiegel. Griff noch einmal nach dem Kamm, ordnete damit seine Haare und schon eilte er los.

~*~

Wieder war der Raum durch die Kerzen, die Heizung und dem prasselnden Kaminfeuer bis aufs äußerste erhitzt, einer Sauna fast gleich. Er fragte sich, warum das immer so sein musste. Fror der junge Herr so leicht? Aber bei solchen Temperaturen hier drin und dann dem kalten Flur konnte man sich doch auch ganz schnell eine Erkältung einfangen. Zu fragen traute er sich allerdings nicht. Vielleicht hatte er seine Gründe. Und die würden ihn nichts angehen.

 

Das Essen zog sich endlos hin. Kôji versuchte durch eingeworfene Witze die Stimmung im Raum aufzulockern. Zunehmend wurde es Kôji immer wärmer und er entledigte sich der oberen Teile.

Der Wein war schwer. Takuto dessen nicht gewohnt. Obwohl er nur zögerlich davon trank, war das mit auf dem Tisch stehende Wasser schnell aufgebraucht, da die Speisen sehr stark gewürzt waren. Von süß-sauer, über salzig eingelegtes bis hin zu scharfem war alles vertreten, was das Herz begehrte. Nur leider kaum etwas Geschmackneutrales.

Immer häufiger war Takuto gezwungen, sich dem Wein im Glas zuzuwenden, wenn er Durst verspürte und so verlor er schon bald sein dienerhaftes Verhalten. Er wurde immer lebhafter, beteiligte sich stetig stärker am Gespräch, was Kôji mit großem Gefallen wahrnahm.

An diesem Abend endete das Verhältnis Diener / Herr zwischen ihnen und sie wurden Freunde. Jedenfalls glaubte Kôji das.

Kôji bot ihm das DU an, für den Fall, dass sie alleine waren. Takuto sträubte sich erst, doch dann willigte er ein. Etliche Stunden zechten sie und nebenbei gab Kôji ein paar Episoden aus seiner Studienzeit von sich. Lautes von Herzen kommendes Lachen erfüllte das leere Haus. Und immer wieder bemerkte Kôji, wie sehr er es mochte, wenn sein heutiger Gast so aus sich herausging; er seine Gefühle förmlich riechen konnte, seine eigenen Sinne dadurch geschärft wurden. Er immer wieder versuchte genau die pikantesten Begebenheiten herauszupieken bei denen er hoffte, dass sie die gewünschten Reaktionen hervorriefen. Bald gingen sie ihm jedoch aus und so schmückte er andere Ereignisse ein bisschen aus.

~*~

Als Takuto dann spät in der Nacht während der Tafelei einfach auf seinem Stuhl einschlief, ließ Kôji ihn da nicht etwa liegen. Vorsichtig trat er an ihn heran. Schnippte mit seinen Fingern vor Takuto's Ohr, doch der war so weit weg, dass er dieses nicht mehr wahrnahm. Vorsicht hob er Takuto vom Stuhl trug ihn ins Nebenzimmer. Blieb einen Augenblick unter der Mistel stehen… das Bild von Takuto's Zähnen auf seinen Lippen kehrte für eine Sekunde zurück… dieser Gesichtsausdruck dabei… Kôji schloss die Augen, schluckte und schüttelte den Kopf. Nein, er hatte jemanden hier auf dem Arm, der wahrscheinlich genau so alt und ein Mann wie er selbst war. Und doch… nur einmal… nur um zu sehen wie es ist. Ob es sich bestätigt. Vielleicht war ja auch alles nur Einbildung?

Sein Kopf neigte sich, suchte die Lippen zu berühren, doch kurz bevor er sie erreichte, haute ihm was gegen die Nase. Takuto hatte sich im Schlaf gedreht, den Kopf nun an Kôji's Hals gelagert.

Einen Augenblick stutzt dieser. Lächelte dann aber über den kleinen Schmusekater in seinen Armen und trug er ihn rüber zum Bett.

Auch wie er ihn nun auszog, rührte sich Takuto nicht. Ein kurzes wohliges Stöhnen kam über seine Lippen, welches Kôji sofort wieder die Röte ins Gesicht trieb. ‚WIESO?’, fragte er sich als er wieder dieses leichte Kribbeln verspürte.

Als die Kleidung sorgsam neben dem Bett lag, strichen seine Finger sanft über den Brustkorb, zogen die Linien nach. Kôji's Kopf kam immer tiefer… sein Atem berührte schon Takuto's Haut…. Dann berührten seine Lippen doch die von dem Schlafenden. Nur ganz kurz, ein antippen… wie ein Hauch.

Kôji's Lippen brannten, als er erschrocken den Kopf zurückzog. Sein Zeigefinger legte sich auf die Stelle wo er Takuto berührt hatte, strich sanft darüber. Ohne dass er es merkte wuchs das Verlangen in ihm, seine Hände wurden nun mutiger… erkundeten sein Gesicht, strichen über die schlaffen Lider, zogen die Nase bis zur Spitze nach, um darunter dann zum Mund weiterzufahren. Sie zogen die Lippen nach, dann zum Kinn… zum Kehlkopf. Verharrten dort einen Moment ehe sie wieder über den Brustkorb wanderten. Die eine Hand bekam Gesellschaft von der anderen. Die Finger zogen sanfte Kreise um die Brustwarzen, welche sich sofort bei den Berührungen verhärteten… an den Seiten hinab, hielten an der Shorts jedoch an um dann mit dem gesamten Handtellern und den Fingerspitzen wieder federartig nach oben zu fahren. Kôji seufzte… Er konnte einfach nicht genug von dieser zarten Haut bekommen, die wie die Sonne aussah und auch danach roch. ‚Wie der Frühling, in dieser kalten Jahreszeit…’

Als er sich traute die Berührungen zu intensivieren, da durchschoss ihn wieder jenes verheerende Feuer und sofort warf er sich Dummheit vor. Es war Wahnsinn, diesen Mann zu berühren. Es weckte Gefühle, die in seinem Leben keinen Platz hatten, zudem war er verlobt.

Schnell zog er die Hand fort. Dann verließ er wieder einmal, vor seinen eigenen Gefühlen weglaufend, fluchtartig das Zimmer. Aber nicht ohne den begehrten Körper zuvor wenigstens noch zugedeckt zu haben.

~*~

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Teil 4

Takuto erwachte am nächsten Morgen alleine in dem fremden Zimmer. Er wunderte sich, wie er in dieses Bett kam und noch mehr wunderte er sich darüber, dass sein neuer Kimono ordentlich zusammengelegt auf einem Stuhl neben dem Bett lag. Er hatte wunderbar geschlafen. Doch seine Träume am Anfang waren irgendwie seltsam. Vielleicht träumte er jetzt ja auch noch? Nur nicht aufwachen, dachte er bei sich.

Er überlegte was in den anderen Träumen passiert war, konnte sich aber nicht erinnern um was es ging. Vorsichtig, so als könnte er aus DIESEM Traum aufwachen, blickte er sich um.

Ja, dies hier war das Schlafzimmer des jungen Herrn. Es konnte also nur ein Traum sein. Denn wenn er hier lag und nicht der junge Herr, wo war der denn die Nacht über gewesen?

Ganz unerwartet wurde auf einmal die Türklinke leise betätigt und dann stand der an den er eben noch dachte mit einem Frühstückstablett beladen in der offenen Tür. Ohne Zweifel – ein Traum.

Welcher Herr bedient schon seinen Diener? Schließlich wurden seine Geschwister und er selbst hier wie Sklaven behandelt. Wenig essen, wenig Schlaf, keinerlei Freizeit oder gar Geld als Entlohnung für die schwere Arbeit. Es hieß sie hätten Schulden abzuarbeiten, auf Lebenszeit. Und ansonsten kämen neue Schulden hinzu.

Und nun stand einer von seinen Herrn da und brachte IHM das Frühstück ans Bett und er selbst lag noch im selbigen von IHM. Seine Augen weiteten sich. Er kniff sich selbst in den Oberarm um aufzuwachen, aber der Schmerz zeigte ihm, dass er längst wach war. Dann kam ihm eine Erkenntnis. NEIN! NICHT! Er hob die Decke… ‚Ein Glück’, seine Unterhose hatte er an.

Kôji kam lächelnd herein stellte das Frühstückstablett Takuto auf die Beine und setzte sich selbst im Schneidersitz zu ihm auf das Bett. Lehnte sich mit dem Rücken an das Geländer und sagte: „Einen wunderschönen GUTEN MOOOORGEN!!!“ Dann lächelte er ihn erneut an. „Na~, gut geschlafen?“

Takuto sah ihn an und errötete. Dieses gefiel Kôji. Dieser sanfte Rotton der Verlegenheit der sich seinem Gegenüber auf die Wangen gelegt hatte, sah zu verlockend aus.

„Guten Morgen“, sagte der Angesprochene ein bisschen kleinlaut, „Danke, ich habe sogar sehr gut geschlafen.“

„Freut mich. Besser als sonst?“

Takuto nickte. Wieder diese süße Rotfärbung, nur etwas tiefer im Farbton. „Ja, viel besser.“

Das Lächeln auf Kôji's Lippen, näherte sich einem Grinsen. ‚Das können wir gerne wiederholen.’

„Komm esse mit mir.“ Schon langte Kôji nach den Speisen. Als Takuto zögerte sich zu bedienen, machte er es sich einfach. Kurzerhand drehte er die Stäbchen, nahm was davon auf und hielt Takuto das Essen vor den Mund. „Aufmachen.“

Dieser stutzte, tat dann aber was man ihm sagte. Doch bevor Kôji Gelegenheit bekam das Spiel zu wiederholen, lehnte er ab, indem er sagte „Ich bin alt genug, ich kann alleine essen.“

„Ach ja? Sicher? Und warum tust du es dann nicht, wenn ich dich schon dazu auffordere und es dir sogar ans Bett bringe? Hm?“ Ein Schmunzeln lag auf seinen Lippen, die Augen leuchteten fröhlich.

Takuto sah verlegen zur Seite. Was sollte er darauf antworten? Das er eigentlich der Diener sei, und Kôji immer noch der Herr im Haus? Hatte es ihm gestern was genützt? Nein. Aber immerhin hatte sich der Blick seines Gegenübers in den letzten Stunden ihm gegenüber merklich verbessert. Nicht mehr diese undurchdringliche Fassade zierte sie, sondern ein leichtes Strahlen der Augen und ab und zu ein Lächeln auf den Lippen.

„Ich dachte, wir wären gestern Freunde geworden, duzen uns sogar… Wir hatten uns doch gut verstanden.“

„Ja… Aber…“

„Was aber?“, fragte Kôji nach. Seine Augen sahen plötzlich traurig aus. Er hatte geglaubt, in dieser „Eishölle“ endlich mal ein menschliches, warmes Herz gefunden zu haben; hatte sich in Takuto's Gegenwart so gut wie schon lange nicht gefühlt. Davon mal abgesehen, was er seit gestern über seine Gefühle zu ihm wusste. Und nun ging dieser wieder auf Distanz?

„Aber… Können Herr und Diener in diesem Haus wirklich Freunde sein?“, kam noch langem zögern endlich die Frage die Takuto quälte.

„Liegt das nicht an den Personen selbst?“, konterte Kôji.

„Vielleicht…. Vielleicht aber auch nicht… Nicht immer, jedenfalls.“

„Was soll das schon wieder. Von meiner Seite hat sich nichts geändert. Und wie sieht es bei dir aus? Hast du plötzlich Bedenken? Ist nur der Alkohol schuld, dass wir gestern so frei über ALLES reden konnten?“

„Über alles“; fragte Takuto leise. „Wirklich über alles? Glaubst du das?“

„Wenigstens duzt du mich noch. Und ich dachte wir haben über alles gesprochen. Deinen Bruder, deine Schwester… deine Arbeit, dein Leben hier, die Angst vor Hirose… Was glaubst du, war das nur ein Plauderstündchen oder hast du mir am Ende gar Märchen erzählt?“

„Nein – habe ich nicht.“, geknickt sah Takuto nach unten.

„WAS ZUM DONNERWETTTER IST DENN HEUTE FRÜH MIT DIR LOS, IZUMI!“

„Was soll schon los sein.“ Glaubte sein Gegenüber allen Ernstes er wüsste alles über seinen tiefen Schmerz, den er seit Jahren mit sich rum trug? Nein. Bei weitem nicht. Und nun, plötzlich soll er ihn beim Vornamen nennen und er selbst spricht ihn mit dem Familiennamen an. Was sollte dieses Spielchen.

„Muss ich dich erst wieder aus der Reserve locken oder bekomme ich heute noch eine Antwort.“ Kôji wurde langsam ungeduldig. Er merkte selbst, dass er in diesen vier Wänden langsam und sicher wieder zum Nanjo mutierte, dass seine auswärtige Erziehung scheinbar doch nicht tief genug saß, um das Blut vergessen zu lassen. Er wollte es nicht. Schon gar nicht bei IHM.

„Kann ich gehen?“, fragte Takuto und man sah ihm an, dass er große Mühe hatte die Selbstbeherrschung nicht zu verlieren.

„NEIN! Ich will erst eine Antwort.“

„Darf ich dann wenigstens aus dem Bett aufstehen? Ich komme mir hier so fehl am Platz vor.“

„Erst wenn ich meine Antwort habe.“ Kôji fokussierte seinen Blick auf Takuto's Augen. Doch dieser sah auf seine Hände, welche sich jetzt krampfhaft in die Decke krallten und sie wie eine schützende Wand, dichter an sich heran zog. „Also doch noch immer der Herr. Einmal Herr…, immer Herr.“

„Du weißt, dass das nicht stimmt. Ich habe mich nie wie ein Herr aufgeführt und schon gar nicht als deiner.“, antwortete Kôji trotzig.

„Ach nein?...“ Er wollte noch mehr sagen, aber ihm blieben die Worte im Halse stecken. Ein falsches Wort und seine Geschwister wären wieder der Willkür von Hirose ausgeliefert und das wollte er nicht riskieren. Erst jetzt begann er zu begreifen, dass er sich Kôji so vollkommen ausgeliefert hatte. Vom Regen in die Traufe. Wie konnte er vergessen, dass Kôji auch zu den Nanjos gehörte? Er musste tun was dieser von ihm wollte, ansonsten müssten sein Bruder und seine Schwester vielleicht daran glauben.

„Wie war noch mal deine Frage?“, versuchte Takuto abzulenken. Vielleicht hatte Kôji ja inzwischen die Ursache des Streites vergessen?

Aber nein, es war wohl zu viel der Hoffnung. Takuto sah wie er aufblickte, dass Kôji's Augen wieder ruhiger geworden waren. Er lächelte sogar erneut und dann kam der Hammer.

„Ich wollte wissen, worüber wir nicht gesprochen haben. Geschwister hatten wir, Arbeit, dein Leben… Hast du eine Freundin?“

„Nein. Habe ich nicht und werde ich wohl auch nicht haben, so der Herr sie mir nicht erlaubt.“

„Was ist es denn?...

„Unsere Eltern.“, kam es ganz leise von Takuto.

Kôji stutzte. UNSERE? Seine und meine? „Unsere?“, fragte er nun laut.

„Ich… meinte die von Yuugo, Serika und mir.“

„Ach so. … Stimmt, wenn ich so darüber nachdenke, die hast du wirklich noch nie erwähnt.“, kam nun von Kôji. Komm lass uns nebenbei weiter essen, sonst wird alles kalt, ja?“

„Danke. Aber ich mag nicht.“, sagte Takuto leise.

„Aber du siehst echt so aus, als ob du es gebrauchen könntest.“, konterte Kôji und nahm schon wieder eine Kleinigkeit und hielt sie Takuto vor den Mund.

Nur um nicht reden zu müssen, nahm er es nach kurzem Augenkontakt Kôji ab.

„Und Izumi… warum sollte mein Vater dir keine Freundin erlauben? Es ist doch dein Leben.“

„Mein Leben? Hab ich überhaupt noch eines? Das alles liegt schon sehr lange zurück und ist eine noch viel längere Geschichte.“

„Ich habe noch neun Tage Zeit. Meinst du, dass sie so lang dauert? Wenn länger, nehme ich mir halt noch ein paar Tage Zeit dazu.“ Kôji sagte das aus Spaß, aber Takuto fühlte einen Stich im Herzen.

„Hängt das mit deinen Eltern zusammen? Wieso lebt ihr drei nicht bei ihnen. Sind sie tot?“, fragte er weiter.

„Du willst allen Ernstes wissen, was mit unseren Eltern ist? JA?“ Takuto's Ruhe war nun endgültig vorbei. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Kôji wirklich nichts wusste. Seine Augen sprühten inzwischen pures Gift. Der Schmerz den Kôji mit seinen Fragen hervorrief, drohte ihn fast zu zerbrechen.

Da wagte der doch tatsächlich ihm vorzumachen, dass er es nicht wüsste. Er konnte es einfach nicht glauben. Sollte Kôji wirklich so unwissend und völlig ahnungslos sein oder war er einfach nur ein guter Schauspieler und verstellte sich vor ihm. Aber andererseits… war er Jahre lang im Ausland, woher sollte er es wissen? Es passierte doch erst nachdem er schon weg war.

Zwei Stimmen stritten sich in seinem Inneren. Die eine sprach für, die andere wider Kôji Nanjo. Doch am Ende beschloss er ihm zu glauben. Obwohl… Zweifel nagten immer noch in ihm. Denn selbst wenn er es nicht gewusst hatte, und immer noch nicht wusste, so wie er es ausdrückt, WIESO konnte er dann Serika und Yuugo von hier so einfach wegbringen. WIESO? Hatte sein Vater ihm nichts erzählt, als er ihn um die Kinder bat? Was für ein Geschäft mag er dafür eingegangen sein? Die Schulden waren unmöglich schon abgetragen.

„Ja. Sag es mir doch …! Ich verstehe dich nicht.“, hörte er Kôji und schaute ihn durchdringend an.

„Also… in Ordnung. Ich habe dich gewarnt. Es war so:“, begann Takuto. „Es passierte etwa ein halbes Jahr nachdem du nicht mehr da warst… Die Izumis hatten sich bei den Nanjos stark verschuldet. Vater und Mutter schafften es trotz aller eingesetzten Kräfte nicht sich alleine wieder aus der Schuldenfalle herauszubefördern.

Eines Tages stand dieser Herr Nanjo bei meinen Eltern einfach in der Tür. Zwei Bodyguards rechts und links von sich postiert, zwei weitere draußen vor der Tür und verlangte bis zum nächsten Zehnten sein Geld zurück, ansonsten würde er…“ Takuto schloss die Augen, schluckte. Aber die Erinnerung konnte er nicht hinunterschlucken. Zulange hatte er diese Bilder schon mit sich herumgetragen.

„Sein Blick war damals bereits so eiskalt. Wir Kinder bekamen es mit der Angst und klammerten uns an unsere Eltern. Wären wir doch nur da geblieben, wo wir waren… So oft habe ich es mir gewünscht… aber nein, wir hatten Angst und suchten Schutz. Schutz bei denen die wir liebten und von denen wir glaubten, dass sie uns beistehen könnten, wir bei ihnen sicher wären… Was für ein Irrtum… Leider.“

Erneut hielt Izumi einen Moment in seiner Rede inne. Sein Blick verklärte sich, so als ob er versuchte die Erinnerung festzuhalten. Seine Mutter, seinen Vater… seine beiden Geschwister… sie alle fünf zusammen.

„Ich sah unsere Eltern nie wieder. Aus lauter Verzweiflung wählten die beiden den Freitod…“

„Freitod… Warum? Wegen ein paar Schulden? Was hat er ihnen angetan?“

„ANGETAN? Was hat er ihnen wohl angetan. Was meinst du wohl…“, brüllte Takuto ihn an. Seine Augen funkelten teuflisch.

Kôji erschrak vor soviel Emotionen. ‚Angestaute Wut!’, ging es ihm durch den Kopf. Trotzdem versuchte er die Ruhe zu bewahren. Vielleicht war es gut, wenn Takuto diese angestauten Gefühle endlich mal loswurde, möglicherweise konnte er ihn dann besser verstehen, ihm helfen, ihm ein echter Freund sein, eventuell… auch mehr. „Vielleicht solltest du es alles rauslassen. Ich denke die Bürde lastete lang genug auf deinen Schultern, du hast lang genug daran herumgetragen.“, sagte er leise, während seine Hand die von Takuto suchte und sich beruhigend drüber legte. Doch dieser wollte den Kontakt nicht, entzog ihm seine Hand, krallte sich noch fester an die Decke.

„Warte kurz.“ Für einen Moment sah Kôji zu dem Jungen der unter seiner Bettdecke steckte, sah dann auf das schöne Frühstück, aber der Hunger war ihm inzwischen vergangen. Dies hier war jetzt wichtiger und Takuto schien auch keinen Hunger zu haben. Also stand er kurz auf, zog sich einen Stuhl neben das Kopfende des Bettes und stellte da das Tablett drauf ab. Takuto ließ ihn in der Zeit nicht aus den Augen, sprach aber auch nicht weiter. Sein Kopf war irgendwie leer. Eine einsame Träne bahnte sich bei den Erinnerungen an ihre glückliche Familie einen Weg über seine Wange. Unbemerkt von Kôji wischte er sie schnell fort.

Als Kôji fertig war, setzte er sich wieder auf den Platz Takuto gegenüber und sah ihn erwartungsvoll an.

So als wäre in der Zwischenzeit nichts gewesen, sprach dieser dann weiter: „HERUMGETRAGEN… Ja, das hab ich sie wohl... All die Jahre… Was meinst du wohl, warum wir hier sind. Hä? Kannst du es nicht erraten? Weißt du es wirklich nicht?“

„Er hat doch nicht etwa was damit …“ Plötzlich ging Kôji ein Licht auf.

Ooooh doch! Und wie er hat. Erst wollte er NUR MICH als „Geisel“, wie er sagte. Doch dann… Ich war ihm nicht genug. Er war schon fast zur Türe hinaus, da bestimmte er, dass meine Eltern besser und vor allem viel mehr arbeiten könnten, wenn sie sich um niemanden nebenbei noch kümmern müssten. Er nannte uns eine LAST… Last… wir…“

Die letzten Worte wurden immer leiser. Stumme Tränen liefen unaufhörlich über seine Wangen, benetzten sein Gesicht, fielen auf die Kleidung, auf die Bettdecke. „Selbst unseren kleinen Hund hat er töten lassen, dieser Bastard!“

Kôji sah ihn erschrocken an, konnte es nicht fassen, dass sein Vater dermaßen barbarisch gewesen sein soll. Seinen Brüdern hätte er solch Herzlosigkeit schon eher zugetraut. Aber dem eigenen Vater? Doch was war dann das was Izumi da erzählte? Und wenn er darüber nachdachte wie er so über sein eigenes Leben einfach bestimmte, warum dann nicht:..? Ein Teil kam zum Nächsten. Das Puzzle wurde langsam aber stetig zusammengesetzt, wuchs zu einer Einheit.

Er musste erkennen, dass sich Izumis Blick verändert hatte. Stumm sah dieser ihn an. Nein, dass was er sah war auch keine Wut mehr oder gar Zorn, wie man hätte vermuten sollen… Anklagend war sein Blick. Wie ein zum Himmel gerichteter Schrei nach Gerechtigkeit… eine Botschaft an wen auch immer, dass er seine Eltern und sein früheres Leben wieder haben wollte. Und… er klagte nicht Kôji's Vater an, nein… scheinbar die gesamte Familie Nanjo… was ihn mit einschloss. So als könnte er…

„Izumi… ich…“

„Nein. Ich will nichts hören. Du wolltest wissen was los ist? Also sollst du auch alles erfahren. Ich werde es nur einmal sagen, dann nie wieder… nie wieder…“ Izumi schloss die Augen. Tränen rollten erneut über beide Wangen. Tief holte er Luft, ließ sie langsam wieder durch den offnen Mund entweichen. Ein Schluchzen erstickte die Luft.

„Ja a-…“, unterbrach Kôji ihn wiederum. Das hätte er aber nicht tun sollen, denn schon wieder funkelte in Takuto's Augen dieses gefährliche Feuer als er sie beim ersten Ton von Kôji öffnete. Sein Stolz war bis ins Innerste verletzt.

„Aber ich schwöre dir Izumi… ich wusste bis heute nicht, warum und seit wann ihr hier seid.“

„Dich hat es auch nicht sonderlich interessiert… Oder?“, kam der Einwurf plötzlich.

„Ich gebe es zu… doch wer konnte so was schon ahnen… Ich jedenfalls nicht. Ich hatte mir eine ganz harmlose Ausrede dafür gesucht. Weißt du, Eri hatte Yuugo mal nach seinen Eltern gefragt, und da war er in Tränen ausgebrochen. Später hat sie es mir erzählt und wir glaubten beide an einen Unfall unter dem Dienstpersonal, wobei sie gestorben sind…, und dass Vater euch aus Güte hier behalten hat. Aber andererseits… es arbeiten viele für ihn…. Aber mit so was… hatte ich nicht gerechnet. Er selbst sagte auch nur, dass eure Eltern verstorben sind, dass ich mit euch dreien tun und lassen kann, was ich will. Wenn ihr ihm dabei nur aus den Augen bleibt. Vielleicht hat er sein Verhalten ja bereut?“, überlegte Kôji laut weiter. Er war inzwischen aufgestanden, lief ruhelos im Raum hin und her, gefolgt von einem unruhigen Augenpaar welches ihn fast aufspießte. „Es war so einfach ihn zu fragen, ob ich Serika und dich auch noch zu meiner „Verfügung“ haben könnte. Er meinte nur: als Dienstpersonal seid ihr drei zwar noch etwas jung und unerfahren, aber ich würde es euch schon beibringen, schließlich sei ich ein N… Neeeiiin!!! Das kann nicht sein Ernst gewesen sein.“ Erschrocken weiteten sich seine Augen, als er die Worte begriff.

„Ich muss die beiden da wegbringen, sofort. Ich glaube nicht, dass sie da sicher sind. Die Anstellungsverträge … ich dachte ihr hättet sie unterzeichnet, achtete nur auf eure drei Namen… ich habe sie zwar, aber mir nie genau durchgelesen. Er wollte wissen, was ich mit euch vorhabe und ich sagte, ich lasse Yuugo und Serika erst einmal ausbilden und da wollte er wissen wieso und wo. Sagte das sei in Ordnung… Mist. So hat er sie immer noch unter Kontrolle. Ich glaubte damals nur, dass ich sie vor meinen Brüdern schützen muss… doch wer ahnt so was…“ Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es zu spät sei, um noch irgendwas in die Wege zu leiten. Es war Freitag und um diese Zeit wollte sicher dort niemand mehr im Büro arbeiten. Der Vorteil war, dass sein Vater nichts ahnte und für weitere neun Tage auch nichts ahnen würde. „Er hat die Wahrheit in seine Richtung etwas gebeugt… und hat mir was vorgemacht.“

„ETWAS? Etwas gebeugt, sagst du? Hast du eine Ahnung. Du warst nicht dabei, als sich meine Eltern ihm zu Füßen warfen… ihn anflehten… ihn regelrecht anbettelten ihnen doch die Kinder nicht zu nehmen. Du hast ihre Tränen nicht gesehen. Nicht gehört, wie sie immer riefen, wir seien keine Last für sie. Wir bedeutenden ihr Glück, ihr Leben. Sie hätten sonst nichts mehr wofür es sich zu leben lohne. Wir seien ihr ein und alles… Oder hast du das damals gehört, Nanjo Kôji?“ Takuto machte im gleichen Atemzug wo er das letzte Wort sagte eine herrische Bewegung, die Kôji das Wort verweigerte.

„DU warst nicht dabei. Hast nicht gesehen wie verzweifelt sich meine Mutter an die Beine dieses Unmenschen geklammert hat und mit einem Fußtritt durchs Zimmer flog. DU NICHT! Aber ICH! Und ich schwöre dir, ich werde es nie vergessen und ich hoffe aus tiefster Seele meines Herzens, dass er eines Tages dafür in der Hölle schmort. Solch ein Mensch sollte nicht leben dürfen. Er hat es einfach nicht verdient. Er selbst hat meine Eltern in den Ruin getrieben und ich weiß nicht einmal wieso. Ich habe keine Ahnung warum und niemand wird mir diese Frage je beantworten können. Niemand! Denn ich glaube nicht daran, dass ausgerechnet ER sie mir je beantworten wird.“

Die Verzweiflung war ihm ins Gesicht geschrieben und Kôji fühlte in dem Moment als ob ihm jemand das Herz aus dem Leibe riss. Er sah diesen Jungen an und wusste nicht was er tun konnte um die Schmerzen und die Last von ihm zu nehmen.

Inzwischen hatte Takuto beide Hände vors Gesicht gelegt und schluchzte heftig. Kôji konnte es nicht länger mit ansehen, eilte auf ihn zu und wollte ihn in den Arm nehmen und trösten. Doch dieser wehrte sich. Aber Kôji war stärker, am Ende gab Takuto seinen Widerstand auf und klammerte sich an Kôji, der ihm beruhigend den Rücken rauf und runter strich, während Takuto seinen Tränen freien Lauf gewährte.

 

Lange hatten sie noch so da gesessen. Immer wieder streichelte Kôji ihm auch durch die Haare. Dann endlich nach schier endloser Zeit versiegten die Tränen. Kôji hob Takuto sein Kinn leicht an. „Na? Alles wieder einigermaßen in Ordnung? Ansonsten weine dich ruhig mal richtig aus.“

Wieder landete der Kopf an Kôji's Schulter. Der verstärkte die Umarmung, redete beruhigend auf ihn ein.

Wer weiß wie lange sie so schon saßen. Jedenfalls war bereits Mittag längst vorbei, als Takuto sich aus der Umarmung von Kôji löste. Der bedauerte die fehlende Nähe, freute sich aber zugleich darüber dass Takuto ihm überhaupt seine wahren Gefühle gezeigt hatte. Das konnte hier im Haus bestimmt niemand weiter von sich behaupten.

~*~

Diesem Gespräch folgten noch weitere in der Art an anderen Tagen. So nach und nach erfuhr Kôji was sich in den Jahren seiner Abwesenheit im Haus zugetragen hatte. Und nicht sehr viel von dem was ihm zu Ohren kam, fand auch immer seine Zustimmung.

 

Dadurch, dass sie in ihrem Tun und Treiben durch nichts gestört wurden, festigte sich ihre Freundschaft an den folgenden Tagen immer weiter. Die Mahlzeiten nahmen sie wie selbstverständlich gemeinsam ein, und des Abends saßen sie gemütlich beisammen oder aber sie verbrachten die Nächte miteinander außer Haus, an Orten die wesentlich gemütlicher, aber auch lauter waren als die heimischen vier Wände von Kôji's Zimmer. Keiner von beiden dachte im Augenblick daran, wie vergänglich doch die Zeit ist und dass mit dem Einundzwanzigsten wieder ein anderer Wind wehen würde, einer der ihnen sagt, dass die übrige Familie wieder das Sagen im Hause hat.

~*~

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Teil 5

Eines Tages hatte Kôji Lust mal wieder auszugehen. Das Nachtleben lockte ihn und so beschloss er, dass Izumi ihn begleiten sollte. Er fühlte sich in dessen Gesellschaft ausgesprochen wohl, konnte aber seine Gefühle für ihn noch nicht ganz einordnen. Als Yuugo und Serika dann aber auch noch am Nachmittag zu Besuch kamen, musste er seinen Entschluss vorläufig zurückstecken, denn er konnte Takuto's strahlenden Augen kaum widerstehen.

So verbrachten die Geschwister den Tag gemeinsam, während Kôji sich überlegte, was er wohl unternehmen könnte. Er setzte sich ans Telefon und rief einen Studienfreund an um sich von ihm beraten zu lassen.

Der Tag verging, der Abend kam.

~*~

Es war ein kleines Lokal welches sie aufsuchten. Etwas schummerig, da es kein Tageslicht gab. Ein paar Stufen führten hinunter zur Garderobe, wo sie ihre Sachen ließen. Dann gingen sie nach rechts an den Toiletten vorbei, hinein in den von bunten Scheinwerfern beleuchteten Saal.

Kôji steuerte sofort auf die Bar zu, verwickelte den Mann dort in ein kleines Gespräch welches Takuto nicht mitbekam. Die Musik war einfach zu laut, dass Gedränge auf der Tanzfläche bei diesem Titel enorm.

Es war viel geraucht worden, die Nebelschwaden standen eigentlich in der Luft und doch… Takuto merkte einen ganz leichten Luftstrom… Klimaanlage, Luftreinigungsgerät…

Er sah sich im Saal um. Viele Männer konnte er hier nicht entdecken, einige Paare, aber hauptsächlich Frauen welche wohl gemeinsam hergekommen waren. Da hinten saß noch eine feucht-fröhliche Männerrunde um den großen Tisch, aber das war es auch schon.

Plötzlich griff ihn jemand am Arm.

Takuto schreckte aus seinen Gedanken auf. Sah zuerst auf die schmerzende Stelle und dann folgte er dem Arm zu demjenigen, dem er gehörte: Kôji.

Dieser zog ihn inzwischen hinter sich her in eine kleine ruhige Ecke gleich neben der Bar. Sie war wie ein kleiner Dschungel angelegt. Hohe Gewächse teilten diese eine Sitzecke vom Rest ab. Man ging wie durch ein kleines Tor welches aus künstlichem Efeu bestand. Auch die anderen teilweise sogar blühenden Pflanzen mussten künstlich sein, denn wie sollten sie sonst bei diesen Lichtverhältnissen so gedeihen?

Die kleine Sitzecke dahinter war richtig gemütlich, wenn man zusammen rückte, hätten aber bequem acht Leute darin Platz gehabt. Dann sah Takuto das kleine Schild.

„Kôji, da steht: Reserviert.“

„Ich weiß.“

„Hier dürfen wir nicht rein, dass hast du doch gesehen.“

„Ich habe deswegen mit dem Mann schon gesprochen, es geht in Ordnung.“

„Ach so.“ Takuto ließ sich neben Kôji nieder, der sich schon hinter dem Tisch befand. Trotz der Pflanzen die sie umgaben, hatten sie eine prima Sicht auf die Tanzfläche.

Der Mann von der Bar kam herein, stellte die Getränke ab und verschwand wieder. Kôji machte sich daran einzugießen und schob Takuto ein Glas hin. Dieser beäugte es, nahm es dann und nippte kurz daran. Dann erweckte etwas anderes seine Aufmerksamkeit.

Die Musik hatte aufgehört, die Leute waren auf ihre Plätze zurückgegangen, und einer aus dem Publikum machte sich bereit für eine Karaokeeinlage. Diesem folgten andere und Takuto sah diesem Treiben mit regem Interesse zu. Dies schien Kôji zu reizen. Er wusste, dass er eine schöne Stimme hatte. Viele seiner Kommilitonen hatten ihn darum schon beneidet. Also stand er kurz entschlossen auf, um ebenfalls etwas beizusteuern.

Es war ein ruhiger Titel und er hatte ihn schon oft gehört. Seine schmelzende Stimme ließ so manches Mädchenherz höher schlagen.

Unter tosendem Beifall und etwas verlegen steuerte er nach seinem Auftritt wieder seinem Platz zu.

Takuto sah ihn mit großen Augen an. Das hätte er am allerwenigsten von einem Nanjo erwartet. Um so größer war seine Begeisterung.

Die Pause war beendet und die Band übernahm wieder ihr Terrain.

 

Plötzlich wurde die spärliche Lichtquelle verdeckt, etwas musste im Durchgang stehen. Ein junger Mann hatte sich genau in die Tür gestellt und bat darum ob er mit Kôji ein, zwei Worte wechseln dürfte.

Sie ließen ihn hinein kommen und er setzte sich zu ihnen an den Tisch, rief den Kellner und gab gleich erst einmal eine Runde aus, um sich für sein Eindringen zu entschuldigen.

„Mein Name ist Katsumi, Shibuya Katsumi“, sagte er und brachte gleich sein Anliegen hervor.

Er meinte, die Stimme von Kôji hätte ihm gefallen und er suche nach Gesangstalenten. Doch leider schien Kôji ihm so gut wie kein Gehör zu schenken und lehnte das Ansinnen gleich ab.

Trotzdem wurde es ein lustiger Abend zu dritt und die drei jungen Männer wurden Freunde und Kôji ließ sich sogar dazu überreden in einer weiteren Pause nochmals das Mikrofon zu nehmen.

Katsumi verstand als Kôji ihm von seiner Familie erzählte, dass er keine große Chance hätte ihn als Sänger zu gewinnen, gab ihm aber trotzdem seine Karte, kurz bevor er sich von ihnen so gegen ein Uhr morgens verabschiedete.

 

Kôji hatte noch kein Verlangen zu gehen, bei ihm war die Lust zum tanzen erwacht. Die ganze Zeit über während sich Takuto und Katsumi unterhalten hatten, hatte er mit einem blonden langhaarigen Mädchen geliebäugelt. Die Blicke waren zwischen ihnen hin und her geflogen und als die nächste Pause beendet war und gleich als erstes Damenwahl angekündigt wurde, flüsterte die Blonde mit ihrer Freundin und kurz darauf standen beide auf und gingen zum Separée.

Wieder verdunkelte sich für einen Augenblick das Licht in dem abgeteilten Raum und tatsächlich, als Takuto den Kopf hob, sah er da zwei Mädchen, welche sie zum tanzen auffordern wollten. Kôji ließ sich nicht zweimal bitten und griff sich gleich die große Blonde mit den langen Haaren. Takuto zögerte noch etwas, doch das Mädchen in dem kurzen, engen Blümchenkleid und den braunen Haaren ließ nicht locker und so folgte er ihr.

Die Musik war schnell, die Paare auf der Tanzfläche hatten ihren Spaß. Immer wieder wanderte Kôji's Blick zu Takuto hinüber und er freute sich diesen mal so locker zu erleben. Er schien Freude am Tanzen zu haben, obwohl es sein erstes Mal zu sein schien, wie er ihm am Nachmittag gesagt hatte. Er suchte Takuto's Nähe und sagte etwas zu ihm, doch Takuto lachte nur, verstand nicht und tanzte weiter.

Sie waren schon mehrere Tänze auf dem Parkett, doch dann änderte sich plötzlich die Musik. Sie wurde ruhiger, sanftere Klänge ertönten, einschmeichelnder. Kôji legte einen Arm um seine Tanzpartnerin und zog sie zu sich heran. Arm in Arm schwebten sie zur Musik.

Takuto zögerte etwas, schließlich wollte er dem Mädchen nicht auf die Füße treten, doch sie lachte nur und zeigte ihm wie es ging. Kommentarlos ließ er sich von ihr anfangs führen und beim zweiten Tanz übernahm er dann selbst die Führung.

Während dieser Zeit ließ Kôji ihn nicht aus den Augen. In ihm nagte etwas, wie er bemerkte, dass sie sich eng umschlungen hielten. Viel zu eng umschlungen wie er fand, seine eigene Situation völlig außer Acht lassend. Er wurde unkonzentriert, trat seiner Tanzpartnerin mehrmals auf die Füße und reagierte nicht auf das, was sie sagte.

„… du nicht mit mir tanzen willst, warum sagst, du es nicht einfach? Ist dein Kumpel soviel interessanter als ich?“

Wieder keine Reaktion. Kôji ließ das soeben gehörte an sich vorbei rauschen, denn so eben legte die Kleine mit den braunen Haaren ihren Arm um Takuto's Schulter und Takuto ließ sie gewähren. Das war zu viel. Er riss sich von seiner eigenen Tanzpartnerin los und wollte gerade auf das andere Paar zustürmen, besann sich dann aber eines besseren und eilte zu ihrem Tisch zurück.

„Wenn du schwul bist, sag’s doch gleich!“, schrie ihm die Blonde noch hinterher, stampfte auf und drehte sich wütend weg.

Kôji riss entsetzt die Augen auf. Die Leute sahen ihn an, als ob er ne gefährliche Krankheit hatte, wichen vor ihm aus. Takuto hat sie nicht verstanden, er tanzte sorglos weiter. Genau wie die anderen hinter ihm auf der Fläche.

Doch Kôji hat die Nase voll. Er stürmt zum Tisch, zog seine Geldbörse schmiss Geld auf den Tisch, stellte den Aschenbecher darauf, schnappte sich seine Jacke und rannte mit fliegenden Haaren hinaus.

Takuto wundert sich, als dieser auf einmal an ihm vorbeitobte, entschuldigt sich dann jedoch höflich bei seiner Partnerin: er sei mit ihm hier nur zu Besuch und wisse nicht wie er nach Hause kommen soll, wenn er alleine bleibt. Dann folgte er Kôji.

Kaum an der frischen Luft, erholte sich Kôji schnell wieder. Seine Selbstkontrolle kehrte zurück und als er Izumi sah, besserte sich auch seine Laune wieder. Er wusste nun, dass er diesen Jungen mit niemand bereit war zu teilen. Anders als all seine Beziehungen mit Frauen vorher, hatte er erstmals kennen gelernt was Eifersucht ist.

Ja, Eifersucht… diese argwöhnisch machende Gefühl, dass ihm Izumi gegenüber misstrauisch und dem Mädchen gegenüber neidisch werden ließ. Das musste es sein. Izumi gehörte ihm, nur ihm allein. Nun hieß es nur noch, es dem anderen auch begreiflich zu machen.

Und nicht mehr allzu lange Zeit bis seine Familie zurückkommen würde und er diese Eri zur Frau nehmen müsste. Kôji's Gehirn fing fieberhaft zu arbeiten an.

~*~

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Teil 6

Kôji hatte Serika und Yuugo inzwischen ein anderes Zuhause gesucht, eines von dem weder sein Vater noch seine Brüder in Erfahrung bringen konnten wo es genau war; denn nur vier Personen, war dieser Ort bekannt. Jedenfalls würde von diesen wohl freiwillig niemand was verraten und solange ein gewisser Nanjo Ryuichiro von dem Ortswechsel keinen Wind bekam, würde er auch nicht danach suchen lassen.

Kôji vermisste Takuto, der ihn sofort nach ihrem Frühstück verlassen hatte schon bald, aber er wollte sich nicht in die Familie reinhängen. So war er einkaufen gefahren, sah sich ein bisschen in der Stadt um und bemerkte, dass am Abend ein berühmter Sänger im Theater seinen Auftritt hatte. Hierfür besorgte er zwei Karten in der Loge, die sein Vater immer nutzte: sehr gute Plätze, um das gesamte Theater und die Bühne zu überblicken und um gesehen zu werden. Wollte man letzteres nicht, auch gut; die Loge war groß genug um anderen den Einblick ins Innere zu verwehren, um unsichtbar von dort aus aber alles zu verfolgen.

Um ihren wohl leider vorerst letzten gemeinsamen Abend, ohne väterliche Kontrolle, abzurunden, bestellte Kôji auch noch in einem vornehmen Restaurant einen Tisch und machte sich dann mit diversen Kleinigkeiten, welche er besorgt hatte auf den Weg nach Hause.

 

Takuto war noch nicht wieder zurück. Er musste mit zum Bahnhof gefahren sein.

Also sah er sich gelangweilt um und bemerkte plötzlich, dass der Anrufbeantworter blinkte. Wer ihn hier wohl anrief? Seit er hier angekommen war, hatte er nur einen einzigen Anruf auf diesem Apparat erhalten. Fragend drückte er auf den Knopf und vernahm schon wenig später die schon lang nicht mehr gehörte Stimme eines alten Bekannten der Familie. Sie waren etwa gleich alt, hatten als Kinder, wenn sich ihre Väter sahen, oft miteinander gespielt. Aber seit Jahren hatten sie eigentlich keinen richtigen Kontakt mehr zu einander. Sie wohnten immer schon zu weit von einander entfernt um richtige Freunde zu werden, die einander alles erzählten.

„…Kôji, ich traf deine Familie bei eurem Onkel in Kitakyusku und konnte deinen Vater dazu überreden, die Tage bis zum siebenundzwanzigsten Dezember bei mir in Fukuoka zu verbringen. Ein Geschäftspartner zu dem er schon seit längerem Kontakt sucht, wird ab Fünfundzwanzigsten da sein und das will er sich nicht entgehen lassen. Willst du nicht auch herkommen? Ein Bett für dich wird sich schon noch finden. Wäre doch traurig, wenn du zu deinem Geburtstag und zu Weihnachten ganz alleine zu Hause sitzt. Hier steigt ne riesige Verlobungsparty und wir könnten deinen Geburtstag mit dem Ehrentag meiner Schwester verbinden. Ruf mich doch an. Ich würde mich freuen dich mal wieder zu sehen. Meine Nummer…“

Verlobungsfeier? Nein, danke. Mir reicht schon, dass ich am Ersten heiraten soll. Noch ne Verlobung vorher, auch wenn es nicht meine ist, wäre mir echt zu viel. Außerdem… was wäre dann mit Izumi?

Was sagte er, bis zum Siebenundzwanzigsten? Das wären ja noch sechs zusätzliche Tage die der Himmel mir schenkt. Sechs Tage um…. Kôji spulte zurück, notierte sich die Nummer und rief dann an.

Sein Bekannter war selbst am Apparat und schon bald waren die beiden so in ein Gespräch vertieft, dass Kôji gar nicht mitbekam, wie Takuto das Zimmer betrat. Eigentlich wollte er wieder gehen, als er Kôji telefonieren sah, aber dann erinnerte er sich, dass dieser gesagt hatte, er solle sobald er wieder zurück sei, zu ihm kommen. Also schloss er leise die Türe und ging nach nebenan. Die Tür ließ er offen und so bekam er einen Teil des Gespräches ungewollt mit.

Der Spiegel reflektierte Kôji sein Gesicht und Takuto musste feststellen, dass es härter aussah, als wenn er sich mit Kôji unterhielt. Plötzlich wurde Kôji laut.

„NEIN, ich komme nicht. Habe keine Lust so eine lange Reise zu unternehmen und mach dir keine Sorgen, ich habe die letzten vierzehn Jahre ohne meine Familie meinen Geburtstag überlebt und ich werde es auch dieses Jahr überstehen.“

„Nein. Ich bekomme die Zeit schon rum. Ich habe doch meine Bücher. Muss sowieso noch einiges machen, damit ich nicht nachher soviel nachholen muss.“

„Was denkst du denn, natürlich macht mir das Spaß.“

„Ach was. Du musst das nicht so verbissen sehen. Ich bin nicht allein. Das Haus ist voller Personal und verhungern tue ich auch nicht.“

Yun, dass ist meine Sache. Nein. Danke für das Angebot, aber ich bleibe hier. Ich mag diesen Trubel nicht.“

Hmm… Ist in Ordnung. Machs gut!“ Kôji legte auf und atmete tief durch.

Plötzlich hörte er hinter sich so was wie ein schabendes Geräusch. Er schrak auf und drehte sich ruckartig um. „Ach… du Izumi.“ Kôji ließ sich in den Sessel fallen, der nur wenige Schritte von ihm entfernt stand, stütze das Gesicht in die linke Hand, bedeckte für einen Moment die geschlossenen Augen und rieb sich mit den Fingern nachdenklich über die Stirn.

Takuto kam zu ihm, blieb vor ihm stehen.

Kôji nahm die Hand weg, sah zu Takuto hoch. „Sind die beiden weg?“

„Ja.“

„In Ordnung.“

Für einen Moment herrschte Schweigen zwischen ihnen. Kôji musterte Izumi und dieser hielt dem Blick stand. Doch nach einer Weile brach Takuto diese unheimliche Stille. „Schlechte Nachrichten?“

„Nein. Im Gegenteil. Sie kommen alle erst am siebenundzwanzigsten wieder. Bleiben noch bis mein Vater seine Geschäfte am fünfundzwanzigsten ankurbeln kann in Fukuoka. Also schön weit weg.“

„Warum dann so nachdenklich?“, hackte Takuto weiter nach.

„Ich weiß nicht… mir kam da eben so eine Idee. Mal sehen. Aber ich will noch nicht darüber reden. Nur… Izumi…, angenommen… wenn du von hier wegmüsstest, und kannst deine Geschwister mitnehmen, würdest du sonst noch etwas hier vermissen?“

„Wie meinst du das?“ Takuto's Augen weiteten sich. Er wusste, dass es dieses Entkommen niemals geben würde. Deswegen hatte er sich noch nie Gedanken darüber gemacht.

„Wärst du bereit mit mir mitzukommen, weit weg von hier und nicht zu wissen ob wir je wieder zurückkommen… ich meine nach Japan zurückkehren?“

„Kommt drauf an… gibt es denn eine Möglichkeit zurückzukommen?“

„Ja. Es ist nichts endgültiges, wenn du das meinst.“

Hmmm. Ja… ich denke schon.“

„Gut… wenn es soweit ist, nehme ich dich beim Wort.“

Takuto wurde hellhörig, aber da Kôji schon wieder in seine Gedanken getaucht war, wagte er ihn nicht zu stören.

Doch schon einige Augenblicke später kam wieder Leben in die Statue die bis eben noch in dem Sessel ihren Platz hatte. Kôji sah ihn an und erzählte was er für den Abend geplant hatte. Gemeinsam suchten sie die Sachen dafür heraus und verbrachten den restlichen Tag bis dahin gemeinsam über den Büchern. Zwischendurch erzählte Takuto über seine Geschwister und Kôji hörte aufmerksam zu.

~*~

Takuto war noch nie in einem Theater gewesen, umso erstaunter war er, als er dann noch sah wo ihre Plätze waren. Voller Begeisterung schaute er von oben auf die bunte Menschenmasse herunter und als endlich das Programm losging hört er aufmerksam zu. Kôji beobachtete ihn dabei die ganze Zeit, warf nur hin und wieder mal einen Blick auf die Bühne, wenn ein besonders schönes Lied erklang, was gerade seine Gefühle ansprach. In ihm selbst reifte langsam ein Plan.

Er dachte dabei an das „Häuschen“ welches er mal von Hirose geschenkt bekommen hatte. Das hieß allerdings auch, dass er umziehen musste, von Amerika nach Europa. Uni-Wechsel… ohne Aufsehen zu erregen. Seinem Vater gehörte zwar die andere Hälfte des Gebäudes, aber der hatte Japan noch nie in seinem Leben verlassen und würde das auch niemals tun. Er mochte keine Flugzeuge und würde sich auch niemals in so eines reinsetzen. Lieber nahm er längere Zug- und Schiffsreisen in Kauf. Vor ihm wären sie dort also erst einmal sicher. Und seine Brüder, werden den Weg in diese Wildnis wohl auch nicht auf sich nehmen, sonst hätte Hirose es ihm ja wohl nicht, nach Abschluss seines eigenen Studiums dort, geschenkt.

 

Kôji hatte gar nicht bemerkt, dass das Konzert sich seinem Ende näherte, tosender Beifall holte ihn wieder zurück in die Wirklichkeit. Er beteiligte sich daran, aber mehr Izumi zu liebe, der über das gesamte Gesicht strahlte wie ein Engel. Aufgeregt schnatterte Takuto - wie ein kleiner Junge - und konnte gar nicht genug davon bekommen seine Empfindungen loszuwerden.

„Es ist wohl besser, wenn wir jetzt nach Hause fahren“, unterbrach Kôji ihn lachend.

Freundschaftlich legte Kôji die Jacke über Takuto's Schultern und die Berührung seiner Hände ließ Takuto's ohne hin schon schnell schlagendes Herz noch stärker pulsieren. Warum gelang es diesem Mann, solche Emotionen in ihm zu entfachen?

So verließen Takuto und der lächelnd zuhörende Kôji danach Loge und Theater. Selbst während des anschließenden Essens redete Takuto noch aufgeregt über seine Eindrücke.

Nach und nach wurde er dann aber etwas ruhiger und sie verbrachten an diesem Ort noch zwei schöne Stunden. Nur eines hatte Kôji nicht bedacht. Takuto war es immer noch nicht gewohnt zum Essen auch Alkohohl zu trinken und so war ihm der Wein bereits zu Kopf gestiegen als sie das Lokal wieder verließen. Während er so geschwärmt hatte, hatte er ohne nachzudenken, mehrere Gläser gelehrt und so war es an Kôji, den inzwischen leicht Schwankenden beim Laufen zu stützen.

 

Da Kôji keine Ahnung hatte welches Zimmer im Haus Takuto gehörte, brachte er ihn wieder in sein Zimmer und legte ihn dort in sein Bett, wo dieser auch sofort in einen tiefen Schlaf fiel.

Kôji sah enttäuscht auf Takuto hinunter. „Das war’s dann wohl.“ Langsam zog er ihn aus und deckte ihn zu.

Aber dieses Mal hatte Kôji nicht vor, in einem der Gästezimmer zu übernachten und so sah er auf die schlafende Gestalt in seinem Bett hinunter. Das Bett war groß und breit genug für zwei. Ihm würde schon notfalls irgendeine Erklärung einfallen.

Langsam zog er sich aus und legte sich dann in sein Bett. Vorsichtig, jede unnötige Bewegung vermeidend, damit der Schläfer nicht aufwachte, kroch er behutsam an Takuto heran und bettete ihn in seinen Armen. Sanft strich er ihm eine Strähne aus dem Gesicht.

Als er gerade seine Hand wieder zurückziehen wollte, kam Leben in Takuto. Er drehte sich um und suchte im Schlaf die Nähe von Kôji. Er kuschelte sich in seine Arme ein und vergrub sein Gesicht in Kôji's Halsbeuge, legte seinen rechten Arm über Kôji.

Für einen Moment erschrak dieser, doch dann begriff er das Takuto immer noch tief und fest schlief.

Er konnte Takuto's heißen Atem auf seiner Haut nun deutlich spüren und je länger dies geschah, um so schwerer fiel es ihm still liegen zu bleiben und sich nicht zu rühren.

Ein paar Mal stöhnte Takuto in seinem Traum auf, in dem Moment klammerte er sich dichter an Kôji fest und dieser hätte nur zu gerne gewusst wovon der Schläfer gerade träumte. Doch dies sollte dessen Geheimnis bleiben.

Mit Kôji's Selbstbeherrschung war es bald vorbei. Im Stillen betete er für Stärke, aber wie hieß es so schön: Sein Wille war stark, doch das Fleisch so schwach.

Als er einige Zeit mit sich so gerungen hatte, gab er schließlich nach, seine Hände wurden mutiger, wanderten sanft über den schlafenden Körper und er küsste den Schläfer auf die Haare. Wieder und wieder. Bis…

Takuto seufzte nur einmal kurz auf, es fühlte sich an, als ob Kôji danach einen Kuss auf seiner Brust spürte, die Wange kuschelte sich noch dichter und dann fiel Takuto in einen scheinbar traumlosen Schlaf und Kôji hätte sonst etwas für Takuto's Gedanken gegeben. Er fragte sich von wem Takuto da gerade träumte und wem der Kuss gegolten hatte.

Die weitere Nacht blieb Takuto ruhig liegen ohne eine einzige Bewegung und ohne einen weiteren Ton von sich zu geben. Auch Kôji traute sich nichts weiter. Er hielt ihn, wie dieser ihn hielt. Nur das sanfte Atmen zweier Personen war die weitere Nacht über zu vernehmen. Der eine ruhig und gleichmäßig, der andere schneller und aufgewühlt. Kôji schloss zwar die Augen, aber der Schlaf holte ihn trotzdem nicht ein. Stunden später fragte er sich, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war, sich neben Takuto zu legen.

~*~

Der herrliche Sonnenaufgang zeigte, dass es ein schöner Tag zu werden versprach. Die Vögel waren schon früh munter und trällerten schon seit der Morgendämmerung.

Takuto lag schon seit geraumer Zeit wach, aber noch immer in Kôji's Armen, welcher inzwischen doch tief und fest schlief. Die Müdigkeit und die gleichmäßigen Atemgeräusche hatten ihn letztendlich einschlafen lassen.

Jetzt war es an Takuto, der sich nicht traute sich zu bewegen. Er fragte sich was er hier zu suchen habe und erinnerte sich nicht einmal daran wie er überhaupt nach Hause, geschweige denn in dieses Bett gekommen war. Im ersten Moment war er erschrocken gewesen, merkte dann aber dass weiter nichts gewesen war.

Es war ja nicht die erste Nacht gewesen welche er in diesem herrlich weichen Bett verbracht hatte, doch diesmal lag er scheinbar nicht alleine darin. Oder hatte Kôji auch schon beim ersten Mal neben ihm geschlafen und war nur vor ihm wach geworden und hatte das Frühstück gemacht?

Er wusste es nicht. Erinnerte sich nicht daran.

Wieso lag er eigentlich schon wieder bei Kôji im Bett. Was hatte er da zu suchen? Der Herr widmete ihm einfach viel zu viel Zeit. War da mehr als nur Freundschaft? Konnten Diener und Herr eigentlich so einfach Freunde werden und sein? Er fand keine Antworten.

Es stimmte schon, die letzten Tage waren schön gewesen, er hatte viel erlebt, Sachen von denen er vorher nur geträumt hatte. Doch er fragte sich langsam: Wieso er?

Vorsichtig, ohne Kôji zu wecken schälte er sich aus dessen Armen, zog sich an und verschwand aus dem Zimmer.

 

Langsam wurde Kôji wach. Er merkte gleich dass etwas anders war, als am Abend zuvor. Er lag auf dem Rücken und der Platz neben ihm war zwar noch warm, aber leer…

~*~

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Teil 7

Drei Tage später hatte Kôji dann Geburtstag.

Der Tag verlief eigentlich wie jeder andere auch. Es waren keine Gäste da und so verbrachte er ihn über seinen Büchern.

Kôji und Izumi hatten mit keinem Wort die gemeinsame Nacht in den Armen des anderen erwähnt. Warum auch, mehr als das sie das Bett für eine Nacht geteilt hatten war scheinbar nicht geschehen. Zumindest dachten sie beide so.

Abends wollte Kôji es sich dann gemütlich machen, ließ ein kleines Festessen in der Küche zubereiten und den Raum etwas ausschmücken.

Er hatte extra angegeben, dass er in seinem Essen Speisen wie Austern, Ingwer-Sushi, Kaviar und Hummer wollte. Als Nachtisch sollte es dann Vanilleeis mit Bananen geben.

Auf den ersten Blick sah es zwar so aus, als ob er einfach nur Fisch und Meerestiere auf der Speisekarte hatte, aber wenn man genauer hinsah erkannte man dass es sich bei diesen Lebensmitteln um Aphrodisiaka handelte. Aber das interessierte die Leute in der Küche nicht und so wurde alles ohne Fragen zu stellen für ein Essen zu Zweit vorbereitet.

Der Gast des Abends, wie sollte es auch anders sein, war wieder Takuto.

~*~

Sie saßen noch am Tisch und keiner traute sich so recht was zu sagen oder aufzustehen. Irgendwie lag etwas in der Luft, aber keiner war bereit die Nacht zu erwähnen, oder Fragen danach zu stellen. Aus Verzweiflung sprach Takuto wieder etwas mehr dem Wein zu als ihm eigentlich zuträglich gewesen wäre.

Sanfte Musik spielte leise im Hintergrund. Plötzlich horchte Kôji auf.

„Ich möchte jetzt tanzen“, sagte er und sah Takuto dabei herausfordernd an. „… und in Ermangelung einer Tanzpartnerin, möchte ich das jetzt mit dir tun.“

Takuto's Augen wurden groß, er wollte protestieren, doch Kôji sagte nichts mehr.

Nur der Druck seiner Hände verstärkte sich, als er ihn am rechten Handgelenk packte. Mit geschmeidigen Bewegungen führte er Takuto in die Mitte des Raumes, schob schnell einen im Weg stehenden Stuhl bei Seite, ohne jedoch Takuto dabei loszulassen, bevor er sich ihm ganz zu wandte.

Notgedrungen gab dieser dem zarten Druck von Kôji's Hand nach, als er einen Arm um seine Taille legte und ihn zu der berauschenden Musik durch den Raum wirbelte. Steif und angespannt führte Takuto die ersten Tanzschritte aus. Er war es nicht gewöhnt. Da er sich aber keine Abfuhr holen wollte, musste Takuto Kôji's unwillkommende Nähe wohl oder übel ertragen und bald geriet Takuto in den Bann der betörenden Musik, der sein Missfallen milderte und genoss die vollendete Harmonie mit seinem Partner. Wie auf Wolken schwebten sie dahin und Takuto erwiderte den hypnotischen Blick aus Kôji's Augen. Beängstigte Gefühle erfassten ihn, sein Blut erhitzte sich. Doch dann überfluteten ihn die schmelzenden Klänge. Seine Sinne öffneten sich der Musik und Kôji's Führung, die wie er zugeben musste, gar nicht so schlecht war. Unwillkürlich grub er die Finger fester in Kôji's Schulter. Weich schwebte er in den Armen seines Tanzpartners durch den Raum.

Er genoss es von Kôji's kraftvollen Armen gehalten zu werden. Dessen beruhigende Nähe, das sanfte Wiegen zu den Takten der Musik, ihr gemeinsames lachen und scherzen in der lockeren Atmosphäre und auch der zuvor genossene Wein, all das versetze ihn in einen berauschenden Zustand.

Kôji zog Takuto enger an sich. Er streifte mit den Lippen seine Schläfen und ließ sie alles ringsum vergessen.

Als Kôji sich so mit Takuto im Tanz drehte, berührten sich sekundenlang ihre Körper. Diese federleichte Berührung weckte in Kôji ein heißes Verlangen, dass er kaum mehr bezwingen konnte.

Was hat dieser Mann nur an sich, dass schon sein Anblick ihn so aus dem Gleichgewicht brachte? Wenn er nicht bald diesen Tanz beendete, konnte er für nichts mehr bürgen. Doch wie würde Takuto darauf reagieren? Den Tanz mochte er noch als Spaß auffassen, doch mehr?

„Dich beim Tanz in den Armen liegen zu haben, ist wie mit einem Engel auf einer Wolke zu schweben“, hauchte Kôji Takuto leise ins Ohr.

Leicht benommen von Kôji's warmen Atem, der Ohr und Wange streifte, gab Takuto seine übliche Zurückhaltung auf. „Was für schmalzige Worte aus dem Mund eines Mannes, der mit einem anderen Mann tanzt.“

Hatte er tatsächlich diese Worte ausgesprochen? Takuto betrachtete Kôji's lange Haare, die leicht nach oben gebogenen Wimpern, die sinnlichen Lippen, die sich gerade leicht öffneten. Doch der Anblick der ihn beobachtenden Augen brachte ihn wieder zur Vernunft.

„In deinem Haar und deinen Augen, Izumi, funkeln durch das Kerzenlicht tausende kleine Lichter wie Sterne,…. hm… sehr ungewöhnlich.“, raunte Kôji.

„Ich denke weder mein Haar noch meine Augen sind von irgendeinem Interesse für einen Nanjo. Ich fürchte hier liegt eine Verwechslung vor. Oder übst du nur mit mir für deine nächste Freundin? Dann lass dir gesagt sein… das ist lausig.“

Kôji schlang sich noch fester um Takuto's Taille. „Nun mal langsam… Zum Teufel, was für eine Verwechslung denn? Siehst du hier noch jemanden außer uns beiden? Ich nicht!“, entgegnete er und lächelte sarkastisch. „... Und üben? Hmmm. So was braucht man nicht zu üben, entweder man hat’s drauf… oder nicht. Und letztendlich warum meinst du eigentlich deine Haare und Augen seien für mich nicht von Interesse? Würde ich es sagen, wenn es nicht so wäre? Du kennst mich nicht, Izumi. Ich sage nie etwas, das ich nicht auch so meine. Glücklicher Weise aber, passen die funkelnden Augen genau zu deiner scharfen Zunge, die sich trotz allem bemüht, ihr leidenschaftliches Wesen zu verbergen. Aber Augen lügen nicht, und wenn ich sie aus nächster Nähe betrachte…“

„Was für ein Unsinn. Was soll das schwülstige Gerede eigentlich bringen?“

Kôji lachte leise. „Welch Temperament!“

Mit wachsendem Unbehagen sehnte Takuto das Ende des Tanzes herbei und suchte nach einer bissigen Antwort um seine Verwirrung zu überspielen. Aber ihm fehlten im wahrsten Sinne die Worte. Also versuchte er sich aus Kôji's Armen zu befreien, doch dieser zog ihn nur umso dichter an seine Brust heran.

„Falls du mich in Verlegenheit bringen willst, höre besser sofort auf damit, weil es mich nicht amüsiert. Ich habe genug von diesem Abend…. Aaah… Was soll das?“

Geschickt manövrierte Kôji Takuto um eine große Topfpflanze herum, durch die offene Tür, welche ins Schlafzimmer führte.

„Lass mich sofort los!“

Doch der Angesprochene hörte nicht darauf. Er tanzte mit ihm auf das große Bett zu, umrundete es.

„Angst? Wovor?“, wollte Kôji wissen. Seine rauchige, leise Stimme übte eine viel zu starke Wirkung auf Takuto's Sinne aus. Mit einemmal sank Takuto – ohne zu wissen, wie ihm geschah – auf dem Bett nieder und Kôji hielt ihn an beiden Armen darauf fest.

Ein Kampf der Augen begann. Kôji versank förmlich in denen von Takuto und dieser funkelte sein Gegenüber böse an. Er versuchte sich zu befreien, doch Kôji war stärker.

„Was erlauben Sie sich. Ich bin doch kein Mädchen!“ Ein heftiges Zittern verriet seine Gefühle.

Kôji's Lippen öffneten sich, er musste all seine Sinne zusammen reißen um nicht jetzt in diesem Moment die Beherrschung zu verlieren und den Wehrlosen zu küssen. Was würde dieser dann von ihm denken? Abrupt zog Kôji ihn wieder hoch in seine Arme. „Waren wir nicht beim DU?... Hattest du eben Angst vor mir?“ Ein verträumtes Lächeln legte sich auf sein Gesicht. „Brauchst du nicht. Ich bin nicht wie meine Brüder. Komm der Abend ist noch nicht zu Ende.“ Er zog ihn wieder an sich und Takuto begann erneut zu beben, als er die muskulöse Brust von Kôji spürte.

Die Musik verklang, der Tanz endete. Kôji versank vor Takuto spielerisch mit weit ausladendem rechten Arm in eine Art tiefer Verbeugung, neigte den Kopf und bedankte sich. Dann lachte er laut und Takuto fiel in das befreiende Lachen ein.

~*~

Sie setzten sich wieder hin. Die Atmosphäre war jetzt lockerer. Kôji erzählte von seinen Reisen und seinem Studienaufenthalt und fand in Takuto einen aufmerksamen Zuhörer. Der Abend wurde lang und sie sprachen beide kräftig dem Wein weiterhin zu. Kôji's Verlangen wurde dadurch aber nicht kleiner. Keiner von beiden konnte sagen, dass er noch ganz nüchtern war und so alberten sie viel rum. Es war ein lustiger Abend, und inzwischen war es nicht mehr nur einfach Abend, sondern schon mitten in der Nacht.

~*~

Sie unterhielten sich gerade über Yuugo und Serika. Eine feine Röte überzog bereits Takuto's Gesicht, und machte den Kleinen für Kôji nur noch begehrenswerter.

Plötzlich sah Kôji Takuto mit ganz anderen Augen, er stellte ihn sich in der rosa schwarzen Kleidung der Zimmermädchen vor mit den rosa Schleifchen im kurzen, dunklen Haar. Er stutze und neigte den Kopf schief. Dann überlegte er eine Sekunde lang, wobei er ihn anstarrte, warf seine langen Haare, welche sich nach vorne verirrt hatten, über die Schulter in den Nacken und lachte übermütig.

„Kôji, was gibt es da zu lachen!?“, Takuto war vollends verwirrt. Er verstand nicht was hier gerade abging. Doch dass reizte Kôji nur noch mehr. Takuto war einfach zu göttlich, wenn er sich selbst so in Rage brachte. Kôji konnte nicht mehr.

Der Angesprochene hatte erst eine Art Erstickungsanfall bekommen, der sich schon einige Augenblicke später in einen wahren Lachkrampf verwandelt hatte. Seine dunklen Augen leuchteten vor Belustigung.

„Hör endlich auf damit. SCHLUSS!“ Eine unbeherrschte Wut packte Takuto. „Was bitte gibt es DA zu lachen… KÔ-JI !“

Doch dieser hörte nicht auf. Takuto trommelte gegen seinen Brustkorb um ihn zur Ruhe zu bringen. Damit erntete er aber nur eine erneute Reaktion, der er sich lieber entzogen hätte.

Kôji packte ihn nämlich an seinen Armen und zog ihn an seine breite Brust. Drückte ihn dichter an sich, so dass er von weiteren Schlägen verschont wurde.

„Kôji, lass mich los… Du…“, protestierte Takuto auf diese so unerwartete Berührung. Er hörte Kôji's Herzschlag.

Doch mehr kam nicht über seine Lippen, denn jetzt schlang Kôji beide Arme um ihn; hielt ihn endgültig gefangen. Gerade als Takuto sich seines eigenen rasenden Pulsschlages bewusst wurde, neigte Kôji seinen Kopf und ihre Lippen streiften sich. Eine flüchtige, hauchzarte Berührung und dennoch, sie hatte die Gewalt einer verzehrenden Feuersbrunst. Sie fühlten es beide, und beide zwangen sich es voreinander zu verbergen. Takuto stand regungslos vor Kôji. Sein Herz raste und der Puls pochte in seinen Schläfen. Was geschah hier mit ihm?

Plötzlich presste Kôji seine Lippen stärker auf die von Takuto. Die Umarmung wurde fester, fordernd und von männlicher Leidenschaft erfüllt.

Hilflos gefangen konnte Takuto sich nicht gegen ihn wehren. Sein Herz zeigte ihm, dass er nichts dagegen hatte. Er es auch wollte. Seine Knie wurden weich. Er drohte zu fallen, doch kräftige Arme ließen es nicht zu.

„Du wirst ja ganz rot? Wie süüüß. Rot wie reife Kirschen… und ich liebe Kirschen.“

Ehe Takuto wusste wie ihm geschah, presste Kôji seinen Mund erneut auf seinen eigenen. Dessen Zunge überwand mit wilder Begierde, die einen heißen Schauer über Takuto's Rücken jagte, spielerisch die Barriere von Takuto's Zähnen. Mit beiden Armen umfing er fest Takuto's Taille und Takuto fehlte die Willenskraft um sich loszureißen.

Zu seiner Verblüffung wollte er das auch gar nicht. Berauschende Emotionen zwangen ihn die Welt um ihn her zu vergessen. Begierig schlang er seine Finger in Kôji's lange Haare am Nacken.

Leise stöhnte Kôji, als er nach einer halben Ewigkeit den Kopf hob. „Noch nie hab ich so süße Kirschen gekostet“, flüsterte er atemlos.

Es dauerte eine Weile bis Takuto seine Gedanken ordnen konnte. „Und so was sagt ausgerechnet mir ein Mann, der bestimmt schon viele Früchte probiert hat.“

Was dann passierte, daran erinnerte er sich nur noch schemenhaft. Er hatte viel zu viel getrunken, aber er bekam doch noch mit wie Kôji ihn zu seinem Bett brachte und ihn bis auf die Unterwäsche auszog und zudeckte. Wenige Augenblicke später fühlte er wie das Bett sich senkte und Kôji ihn in seine Arme bettete. Das Licht ging aus, es war dunkel. Wie ein Hauch an seinem Ohr ein Flüstern: „Gute Nacht“. Dann war es still.

Eigentlich hatte Kôji sich von diesem Abend noch mehr erhofft, aber er würde sich mit den Küssen zufrieden geben. Ein kleiner Anfang war gemacht.

~*~

Takuto mochte nicht aus der Geborgenheit seines Dämmerschlafes auftauchen. Draußen vor dem Fenster raschelten die Blätter im Wind. Ein Chor von Vögeln begrüßte mit lautem Gezwitscher den Morgen.

Wasser plätscherte. Ein Wasserfall dachte Takuto und drehte sich schlaftrunken auf die andere Seite. Er streckte die Arme und seine Hand glitt über eine warme Mulde.

Blinzelnd öffnete er die Augen. Der Platz neben ihm war leer, aber noch konnte er Kôji's Körperwärme spüren.

Ich hab wieder die Nacht in einem Bett mit ihm verbracht, durchfuhr es Takuto. Das wohlige Gefühl des Erwachens war verflogen. Das Plätschern wurde lauter. Aber ein Wasserfall im Zimmer? Takuto hob den Kopf und bemerkte das die Tür zum Bad weit offen stand. Sein Blick fiel geradewegs auf die offene Badtür und die darinnen rauschende Dusche. Der Vorhang war nicht ganz geschlossen und so konnte er Kôji unter der Wasserbrause ausmachen.

Was er da sah fesselte ihn. Seine Kehle war plötzlich wie ausgetrocknet. Er schluckte.

Kôji hatte einen großartigen, muskulösen Oberkörper, wie er sich zugestehen musste. Takuto schauderte bei dem Gedanken. Plötzlich sprühte ein Regen von Wassertropfen auf, als Kôji den Kopf hochnahm und kräftig schüttelte.

Während er sich das Gesicht mit dem Handtuch abtrocknete, wandte er sich halb zu Takuto um. Takuto heftete gebannt seinen Blick auf Kôji seine breite Brust.

Während dessen glitt das Handtuch tiefer, erreichte jetzt Nacken und Schultern, doch Kôji's Blick löste sich nicht von Takuto. Ihre Augen begegneten sich und beide fühlten sich wie vom Schlag getroffen. Takuto sah im ersten Moment erschrocken zur Seite, fing sich dann aber wieder und wandte den Kopf zurück. Warum auch nicht? Schließlich hatten sie in der Nacht das Bett miteinander geteilt?

Wie schön er war, viel zu schön für einen Mann!

Eine sinnliche Erregung erfasste Kôji in der Erinnerung an den jungen, warmen Körper Takuto's, der jetzt keusch bis zum Hals hinter der Bettdecke versteckt saß.

„Ich hoffe, du hast gut geschlafen?“, fragte Kôji ihn, während das Handtuch noch ein Stück tiefer rubbelte.

„Ich erinnere mich nicht.“ Takuto mied Kôji's Blick. „Ich bin es nicht gewohnt so viel zu trinken und dann mein Bett mit einem anderen Mann zu teilen.

Kôji war fertig, er drehte sich um und schlüpfte schnell in Hemd und Hose. Takuto brauchte nicht zu wissen, dass seine Gegenwart ihm ebenfalls den Schlaf geraubt hatte. Die restliche Nacht hindurch hatte er einen erbitterten Kampf ausgefochten um der Versuchung zu widerstehen und Takuto in die Arme zu nehmen. Aber diesmal war er Sieger geblieben, da er befürchte der andere könnte sich dann endgültig von ihm zurückziehen. Die letzten Tage waren für ihn furchtbar gewesen und er hatte diese Stille seitens Takuto's nicht länger ertragen.

~*~

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Teil 8

Auch Weihnachten war inzwischen vergangen. Die Familie war wieder angereist und das Leben ging weiter wie bisher.

Es war also drei Tage nach Kôji's Geburtstag, da wurde plötzlich dessen Braut abends bei Tisch vermisst. Aufgeregt lief das Personal durch die Räume und suchten sie. Aber nachdem man mitbekommen hatte, dass die wichtigsten Utensilien aus ihren Schränken fehlten, war es klar. Die Braut war entweder entführt worden, was aber wegen einem kleinen fehlenden Koffer fast unwahrscheinlich war, oder sie war ganz einfach getürmt.

Auf dem Schreibtisch in ihrem Zimmer bei den Nanjos entdeckte man wenig später einen kurzen Brief, in dem sie schrieb:

Verzeiht mir. Ich habe es mir anderes überlegt und möchte die Verlobung auflösen. In diesem Hause und mit diesem Mann an meiner Seite könnte ich niemals glücklich werden. Ich wünsche ihm jedoch, dass er eines Tages erkennt bei wem genau sein Glück liegt. Ich habe meines bereits gefunden und bin nicht mehr bereit es noch einmal aufzugeben.

Iijima Eri

 

Doch was war eigentlich geschehen?

Eri hatte sich, da sie auch nachdem die Familie von ihrer Reise wieder zurückkehrte, von Kôji keinerlei Beachtung fand, sehr einsam gefühlt. Zwei Tage hatte sie noch darauf gewartet, dass sich ihr Bräutigam endlich um sie kümmern würde, doch dann sah sie ein, dass sie wohl vergebens wartete.

So wie es aussah hatte Kôji ein Auge auf Takuto geworfen und wurde trotz verschiedener wiederholter Abweisungen von diesem nicht müde seine Eroberungsversuche fortzusetzen, die eigentlich ihr gelten sollten. Sie sah es sich mit an und die Sehnsucht nach ihrem Geliebten, den sie verlassen musste, wurde immer stärker.

Wie sie dann morgens in der Ortschaft war um beim Schneider die Kleider anzuprobieren, schritt sie zur Tat. Schnell rief sie von einer Telefonzelle aus Hisaya an und nicht einmal eine Stunde später saßen sich die beiden im kleinen Eckcafé bei einer Tasse Kaffee gegenüber.

Eine ganze Weile konnte man die beiden dabei beobachten wie sie sich angeregt unterhielten. Die junge Frau schien sehr aufgewühlt zu sein. Immer wieder schniefte sie in ihr Taschentuch und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, während sie Hisaya schilderte, wie das Leben im Hause Nanjo wirklich ablief.

Sie erzählte, das sie sich in diesem Haus eingesperrt und wie ein Nichts behandelt fühlte. Niemand nahm Notiz von ihr und die Tage vergingen im Nichtstun und warten.

Hisaya versuchte sie zu trösten. Er wusste, dass es Ärger geben würde. Eris Vater hatte ihm verboten seine Tochter jemals wieder zu sehen und ihm damit gedroht, ihn einsperren zulassen. Aus diesem Grund hielt er sich noch zurück. Erst wollte er in Erfahrung bringen, was Eri wirklich von ihm wollte. Schließlich waren bis zu ihrer Eheschließung nur noch gut vier Tage Zeit.

Doch schon bald war ihm alles klar. Er rutschte zu ihr hinüber und nahm sie in den Arm.

Als Eri nach einer Weile wieder zu sich gefunden hatte, überlegten sie gemeinsam, was zu tun sei. Schließlich kamen sie zu dem Entschluss, dass ihnen nicht viele Möglichkeiten blieben. Zuerst einmal musste Eri dort weg und er musste so tun als ob nichts passiert wäre.

Also fuhr Eri zum Mittagessen wieder heim, und zog sich anschließend auf ihr Zimmer zurück. Niemand schöpfte Verdacht. Jeder ging seiner eigenen Beschäftigung nach.

So fiel es auch niemandem auf wie Eri auf die Schnelle sich die wichtigsten Sachen in einen kleinen Koffer packte und gegen fünfzehn Uhr unbemerkt durch den Hinterausgang zu ihrem Auto lief. Den Koffer auf den Beisitzer geschmissen, startete sie und kehrte dem Anwesen den Rücken. Als sie beim Tor vorne ankam, hatte sie das Köfferchen längst schon vor den Sitz gestellt, so dass man ihn nicht gleich sah.

Hisaya hatte ihr den Weg zu seinem kleinen Wochenendhäuschen beschrieben, dorthin war sie auf dem Weg und dort würde sie wieder auf ihn treffen. Sie hatten sich gedacht, dass sie sich die restlichen Tage des Jahres dort aufhalten sollte. Während er weiter seiner Arbeit in der Firma ihres Vaters nachging, um keinen Verdacht aufkommen zu lassen.

 

Trotzdem vermutete der Vater später bei wem seine Tochter sein könnte. Aber er wusste nicht wo sie genau war.

~*~

Kôji war froh, dass sich diese unliebsame Sache auf so einfache Art und Weise erledigt hatte.

Nur eines nervte ihn ständig, er hatte kaum noch Zeit für sich. Sein Vater hatte nicht wie gedacht reagiert und alle Feierlichkeiten abgesagt, sondern im Gegenteil. Nachdem seine Braut ihm davon gelaufen war, war Kôji scheinbar zum Freiwild erklärt worden.

Hiroses nicht locker lassende Versuche ihn mit anderen heiratsfähigen Töchtern aus supergut betuchten Familien zu verkuppeln, konnte genau so zermürbend sein, wie die ständigen Weiber die sich bei diesen Festlichkeiten an ihn kletteten; seit bekannt geworden war, dass er durch seine Mutter ein beträchtliches Vermögen geerbt hatte und wieder als solo gelte.

~*~

Um diesem ganzen Trubel zu entgehen und um den Plan in die Tat umzusetzen der ihm schon seit einiger Zeit vorschwebte, beschloß er kurzerhand auszureißen. Still und heimlich sammelte Kôji Informationen zu den Universitäten in Deutschland, zu Land und Leuten und bereitete alles vor. Es war schließlich erst Anfang Januar und dass hieß, er hatte noch fast vier Monate, dank seinem Vater, frei. Vier Monate in denen er mal das zu tun gedachte, was er gerne wollte.

Wenn da nicht stets diese Junggesellenjagd auf ihn statt gefunden hätte.

Mit seiner Volljährigkeit war er auch in Besitz des Geldes seiner verstorbenen Mutter gekommen, und er musste zugeben, es war erfreulicher Weise nicht gerade wenig gewesen. Da sein Vater sich von ihr hatte scheiden lassen, war er nie an das Geld herangekommen und der Verwalter seiner Mutter hatte dafür gesorgt, dass es sich gut vermehrt hatte. Selbst wenn keiner von beiden in der nächsten Zeit arbeiten gehen würde, könnten sie so gut einige Jahrzehnte davon leben.

~*~

Mitte Februar war es dann soweit. Kôji hatte alle Papiere besorgt und niemand schien bisher Verdacht geschöpft zu haben. Er nutzte ein Wochenende von dem er wusste dass seine Familie es seit Jahren auswärts verbringen würde. An diesem Tag hatte er genügend Zeit um mit Gepäck und Takuto das Anwesen zu verlassen. Serika und Yuugo würden bereits am Flughafen auf sie warten. Auch sie hatten nur das Nötigste an Gepäck dabei. Kôji würde ihnen bei Ankunft alles neu kaufen müssen, aber das war es ihm wert. So würde das Verschwinden der vier erst auffallen wenn es zu spät war.

Was mit Eri passierte, war Kôji indes egal und seine Familie konnte ihm auch gestohlen bleiben. Er war froh wenn er mit diesen Leuten nichts mehr zu tun haben würde.

~*~

Der Flug verlief glatt und bald saßen sie in einem gemieteten Auto, welches sie zu ihrem neuen Zuhause bringen sollte. Wie sie aus dem Auto ausstiegen, standen sie vor einem großen schmiedeeisernen Tor. Kôji ging vor und öffnete es einen Spalt, damit sie eintreten konnten.

Takuto war erstaunt, denn das was er nun sah, damit hatte er nicht gerechnet. „Das ist ja riesig. Wooow… und das soll nur für uns sein?“

„Tja, was Kleineres habe ich auf die Schnelle nicht gefunden, sonst hätten wir uns höchstens noch auf die Pelle rücken müssen.“

„Gefunden? Wo findet man denn so was?“

„Na ja, ich gebe es zu… nicht gefunden. Ich bekam die Schlüssel zu diesem Haus bereits schon zu meinem letzten Geburtstag. Habe es aber bis jetzt selbst noch nicht genutzt. Früher gehörte es wohl Hirose…“

Hmmm.“ Dies gefiel Takuto zwar überhaupt nicht, aber was konnte das Haus schon für seinen Vorbesitzer.

Doch was sah er eigentlich? Gleich hinter dem Tor erwarteten sie zwei riesige alte Kastanienbäume, welche rechts und links vom Weg wuchsen, und sicher ihre Kronen über dem Tor wie ein Laubdach vereinten, wenn sie erst im Vollbesitz ihres Blätterkleides wären. Dahinter sah er dann am Ende des gepflasterten Weges ein großes Haus, dessen Vordereingang Süden ausgerichtet war… drei Stockwerke… zwei große Seitenflügel, ein Mitteltrakt zu dem zwei große schwungvoll im Bogen gebaute Steintreppen mit Geländer zum Haupteingang hinauf führten. Außerdem noch auf jeder Seite eine kleinere Tür in gehörigem Abstand. Zwischen den Treppen und der Häuserwand waren außen Rosenrabatten angelegt, welche aber ebenfalls zur Zeit ziemlich traurig aussahen.

Große geschwungene Fenster, großteils mit Fensterkreuzen versehen. Das Haus selbst zum Teil an den Giebelseiten mit Efeu bewachsen… oder war es Wein? Takuto konnte es aus der Ferne nicht erkennen. Er hatte bisher nur davon gehört, dass die Leute so was machten.

Rechts neben dem Haus ein kleineres flaches Gebäude, welches aber ziemlich unbenutzt aussah und vom Weg selbst aus rechts und links englischer Rasen mit ein paar jüngeren Bäumen und dazwischen noch unbelaubte Rosensträucher. Wenn alles grün war, musste es hier toll aussehen.

Er nahm seine Tasche und seinen Koffer und ging staunend weiter.

„Kôji, hast du dir mal überlegt, wer das alles in Ordnung hält und vor allem was das kosten tut? Ich sehe da Baugerüste am linken Flügel.“

„Ich weiß… Vater sagte so was, dass er in dem Flügel was umbauen lässt. Sie wollen hier ein Hotel draus machen. So ist, wenn wir mal hier sind, immer Personal da und in unserer Abwesenheit bringt es der Familie noch Gewinn.“

„Ich denke es gehört dir.“ Takuto sah ihn fragend an.

„Na ja der gesamte rechte Flügel – der Westflügel. Das andere ist alles Vater sein Besitz. Aber keine Angst der weiß nicht wo ich jetzt bin und der kreuzt hier bestimmt nicht persönlich auf. Ich habe nur den Flügel damals von Hirose bekommen, aber der ist für uns doch groß genug, selbst wenn deine Geschwister hierher kommen, kann jeder zwei, drei Zimmer belegen.

„Na wenn das man gut geht.“

„Wird schon, wieso nicht. Bis jetzt hat mir noch nie jemand in meine Sachen reingeredet.“

„Ach ja? Bist du dir da ganz sicher. Ich denke mal nur an die Schule… deine Heirat…“

„HÖR AUF! Ich will davon nichts mehr hören, Izumi. Das war einmal. Aus und vorbei. Ja? Bitte.“ Kôji sah zu Takuto hinüber, seine Augen verrieten aber was ganz anderes als seine sonstige Mimik. Fest entschlossen wollte er wirken. Eiskalt die Gesichtszüge, nichts hindurch oder an einen heran lassend, oft geprobt und doch… ein kleiner Funken Angst lauerte in seinen Augen, den er nicht vor Takuto zu verstecken vermochte.

„Schon gut.“, sagte dieser nur und ging weiter an ihm vorbei auf das Haus zu. Kôji nahm nun auch seine Sachen auf, aber er zögerte noch. Sein Blick folgte Takuto und dessen Blick, auf die Umgebung und die Stockwerke hinauf auf das Dach. Dann setzte er sich auch in Bewegung.

„Wie kommt es eigentlich, dass du dies hier von Hirose bekommen hast? Hat es ihm nicht gefallen?“

„Weißt du, er hat hier seine Ferien verbracht während seines Studiums. Ein Hubschrauberplatz ist gleich hinter dem Haus, womit er wohl auch größere Erkundungen hier unternehmen konnte. Der gehört übrigens auch zur Familie. Wenn du ihn also mal nutzen willst… Hirose fand die Gegend hier damals recht reizvoll, konnte sich aber dass große Anwesen nicht leisten. Vater griff ihm unter die Arme und verlangte zwei Drittel für sich, nachdem er erfuhr wie groß es sei. Na ja und ich denke mal Hirose fühlte sich nachher hier doch zu eng an die Familie gekettet. Nach Abschluss des Studiums hörte ich, war er nie wieder hier. Ich kam unverhofft doch zu meinem Geburtstag nach Hause, obwohl Vater extra gesagt hatte ich solle dort bleiben. Vielleicht glaubte Hirose er käme damit günstig bei weg und ich würde es eh nie nutzen. Würde es auf Grund der Entfernung wohl auch nicht annehmen. Was weiß ich. Er war immer schon gerissen. Aber ich habe es damals trotzdem behalten. Wieso auch nicht. Vater ist eh nicht abkömmlich, war noch nie hier und wird es wohl auch nicht. Bevor DER Japan verlässt, muss die Welt untergehen oder die Hölle einfrieren.“

Kôji lachte laut auf. „Vielleicht wollte er mir damit auch nur eins auswischen, weil er es wieder loswerden wollte. So ist er nun mal. Und nun bin ich hier. Ob sie das wohl vermuten? Jedenfalls dürften deine Geschwister und du jetzt erst mal eine Weile vor ihnen sicher sein.“

„Kann sein. Er wird jedenfalls nach dir suchen lassen, denke ich. Und wenn er mitbekommt, dass wir drei auch nicht da sind, dann…?“

„Mach dir keine Sorgen. Erst einmal wird er mich suchen, nicht euch. Schließlich kann er nicht dulden dass einer seiner Söhne durchbrennt.“

„Er wird wissen, dass wir bei dir sind…“

„Kann auch sein, doch zuerst wird er die Studienplätze abgrasen und bis er uns findet, haben wir noch ein paar Wochen Zeit. Und somit genug Zeit um uns was Neues zu überlegen.“ Kôji wendete langsam den Kopf und sah nun zu Takuto. Eine ganze Weile standen sie da und starrten sich gegenseitig an. Der eine machte sich Sorgen um seine Geschwister, der andere versank nur in dem Anblick der sich ihm bot.

„Weißt du, dass Internat wo ich die beiden untergebracht habe ist nicht besonders groß, aber ganz hier in der Nähe. Du wirst sie öfter sehen, als dir lieb ist.“

Kôji steuerte auf die rechte etwas kleinere Türe zu. „Wir gehen nicht durch den Haupteingang, hier entlang sind wir ohne Umwege gleich da. Ich hoffe nur dass sie hier drin nicht auch schon angefangen haben mit dem Umbau.“ Mit diesen Worten öffnete er diese und sie traten ein.

~*~

Serika und Yuugo waren bereits schon einige Tage später in ihren Internaten und Kôji und Takuto lebten sich langsam ein.

~*~

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Teil 9

Etwa drei Wochen später…

Ryuichiro hörte sich gerade an, was der von ihm engagierte Privatdetektiv ihm zu berichten hatte. Mit keinem Wimpernschlag ließ er dabei erkennen was selbst in ihm vorging. Erst als sich die Tür wieder hinter dem Mann schloss, kam langsam Leben in die Figur hinter dem Schreibtisch.

Er las sich die Berichte durch, sah sich die zum Beweis geschossenen Fotos welche an die Seiten angeklammert waren an; wunderte sich, dass er seinen Sohn noch niemals so lachen gesehen hatte, wie auf einigen dieser Bilder. Lange betrachtete er sie, drehte sie hin und her, als erwartete er, dass das Lachen aus Kôji's Gesicht dabei heraus fallen würde.

Er konnte nicht fassen was er hier sah. Und vor allem, wer war dieser Takuto Izumi eigentlich? Doch eigentlich nur jemand, dessen Eltern ihre Schulden bei ihm nicht tilgen konnten. Außerdem war er ja noch nicht einmal eine Frau. Wenn es wenigstens dessen Schwester gewesen wäre, was dieses Lachen hervorgerufen hatte. Aber nein, ausgerechnet ein Bengel, der fast im gleichen Alter wie sein eigener Sohn war. Also was wollte sein Jüngster mit dem? Wieso klettete Kôji sich so sehr an diesen Burschen?

Nanjo Ryuichiro schüttelte den Kopf. Was war nur in seinen jüngsten Sohn gefahren?

Weder Hirose noch Akihito zeigten bisher Neigungen in bisexueller Richtung, geschweige denn dass sie sich einem anderen als dem weiblichen Geschlecht zuwandten.

Nein! Das Kôji dieses tat, dass durfte nicht sein. Wenn DIE Familie davon Wind bekäme… nicht auszudenken, was dann geschehen würde. So eine Schmach. Er müsste… Nein, nicht daran denken. Es darf nicht passieren. Es ist nichts geschehen, was sich nicht noch beseitigen oder richtig stellen ließe.

Aber was wenn Kôji dazwischen funkt? Hmmm… offensichtlich hat er bereits einen riesigen Narren an dem Jungen gefressen. Oder täuschte er sich? War das nur Beschützerinstinkt. Hatte einer der drei nur sein Herz gerührt und deswegen benahm er sich so?

Aber die Bilder schienen eindeutig zu sein, Kôji sah aus, als sei er bis über beide Ohren verliebt, schlussfolgerte er, als er die Bilder zum Abschluss nochmals betrachtete. Dann legte er sie zusammen mit den Berichten in seine Schreibtischschublade, schloss sie ab und steckte den Schlüssel ein.

~*~

Am nächsten Tag traf sich Kôji's Vater erneut mit einem jungen Mann, dieses Mal aber im kleinen Café auf dem Flughafen.

„Hast du die Fotos von Kôji's bisherigen Geliebten dabei.“

„Ja Vater, hier sind sie.“ Der junge Mann mit der Brille reichte einen Stapel von etwa fünfundzwanzig Fotos zu seinem Vater hinüber. Dieser nahm sie ihm ab und sah sich die Bilder missbilligend an, in dem er in schneller Folge ein Bild nach dem anderen hinter das zu letzt Gesehene steckte.

Hmm… das dürfte ja nicht besonders schwer sein.“

„Wie meinst du das?“, wollte Hirose von seinem Vater wissen, doch dieser ignorierte den Einwurf seines Ältesten.

Bis jetzt hatte Hirose noch nicht verstanden, wieso sein Vater ausgerechnet ihn nach Amerika geschickt hatte, um Kôji seine Ex ausfindig zu machen und er sollte es wie es schien wohl auch nicht so bald erfahren.

Er hatte Glück gehabt, Kôji ging auf die gleiche Schule dort wie er damals. Er kannte einen Großteil der Lehrer noch und konnte sich so schon die ersten Informationen beschaffen, die sein Vater von ihm erwartete. Es hatte ihn zwar geärgert, dass der Alte ihn für so etwas eingespannt hatte, aber um seinem ungeliebten Bruder eins auszuwischen, nahm er dann doch die Reise in Kauf.

Lange währte sein Aufenthalt in Japan aber nicht, deswegen hatte er seinen Vater gebeten sich hier mit ihm zu treffen. Er hätte eine ehemalige Liebe entdeckt und wollte ihr auf dem kürzesten Weg nach Hawaii folgen, wo sie ihren Urlaub verbringen wollte.

Sein Vater fragte ihn noch nach den Mädchen aus. Wollte so einiges über den Charakter wissen und musste dabei feststellen, dass sie genau so verschieden vom Typ her waren, wie die Gesichter auf den Bildern. Sie hatten scheinbar nur wenig gemeinsam… hüftlange Haare… möglichst blond, aber nicht Bedingung wie es aussah…. und einen großen Busen, jedoch schlank in der Gestalt. Die kurzen Röcke und knappen Oberteile zeigten mehr als sie verhüllten.

Als er dann auf der Rücktour im Auto saß, telefonierte er eifrig, um ein Treffen zu verabreden.

~*~

Keine zwei Stunden später wieder zu Hause, stand erneut ein Mann dem Familienoberhaupt der Nanjos gegenüber. Dieses Mal sah er aber weder gepflegt, noch wie ein Privatdetektiv aus.

Satô Ken'ichi war ein Mann im mittleren Alter, der zwar versucht hatte, dass Beste aus seinem Äußeren heraus zu holen, aber irgendwie war das dem schmierigen, fettleibigen Mann wohl nicht so ganz gelungen. Seine Haare, die mal wieder einen Frisurbesuch gebrauchen könnten, glänzten glatt angeklebt, so als hätte er viel zuviel Pomade hinein geschmiert, um mit ihrer Hilfe seine viel zu hohe Stirn und wohl auch beginnende Glatze zu verstecken. Seine Kleidung hingegen war irgendwie viel zu bunt und auffallend als dass man sagen könnte, sie passte zusammen. Er sah aus, als hätte er sie sich extra für diesen Anlass aus einem Theaterfundus ausgeliehen.

Geschmack schien der Mann nicht zu besitzen, stellte Ryuichiro mit Bedauern fest. Er hoffte, dass er trotzdem in der Lage war, die von ihm gewünschte Aufgabe zu seiner Zufriedenheit zu erledigen. Die Erkundigungen welche er eingezogen hatte, besagten dass er der Beste in diesem Fach sei. Auch wenn er selbst dies im Moment stark anzweifelte, wo er ihn vor sich sah.

Ryuichiro reichte die von Hirose erhaltenen Fotos über den Tisch hinweg auf den ungeduldig an seinen Fingernägeln fummelnden Mann weiter. Dieser besah sie sich genauer und sah anschließend seinen Auftraggeber fragend an.

„Finden Sie an Hand der Fotos ein Mädchen was in dieses Klischee hinein passt und welches für eine Art Wette, bereit wäre die Geliebte meines Sohnes zu „spielen“, ohne dass er selbst etwas davon mitbekommt…. Hmmm… oder sagen wir besser… es ist nicht unbedingt eine Wette, eher ein kleiner Streich den ihm „jemand“ spielen will. Die Ansprüche der jungen Dame sollten nicht allzu hoch sein und sie soll im Voraus wissen, dass es nur eine rein geschäftliche Verbindung ist. Sie braucht sich also keinerlei Hoffnungen auf ihn zu machen. Er ist bereits schon vergeben. Ach ja und dann brauchte ich noch eine zweite, hmm… aber leider habe ich da noch keinerlei Vorstellungen wie sie auszusehen hat. Wenn ich dazu etwas mehr weiß, werde ich Sie kontaktieren. Noch Fragen?“

„Na ja eigentlich nur noch nach der Höhe des zu erwartenden Honorars für die junge Frau und die Dauer die Sie sie benötigen.“

„Natürlich, wie konnte ich das vergessen.“ Ryuichiro musste sich zusammen nehmen um seine Verachtung für diesen Mann nicht zu offensichtlich werden zu lassen. „Sagen sie ihr, sie wird höchstwahrscheinlich für zwei vielleicht auch drei Monate benötigt, kommt darauf an und ich werde mich nicht lumpen lassen. Sollte sie mir zusagen, werde ich das Honorar mit ihr persönlich besprechen. Sie selbst kommen dann natürlich auch nicht zu kurz. Schönen Tag noch.“

~*~

Bereits ein paar Tage später stand der Mann von der Schauspieleragentur erneut vor Nanjo Ryuichiro, doch dieses Mal in dessen Büro. Er knüllte seinen Hut in den Händen, die er einfach nicht stillhalten konnte. Ryuichiro war aufgebracht. Saß er vor fünf Minuten noch hinter seinem Schreibtisch, so lief er jetzt ungeduldig zwischen diesem und der Fensterfront hin und her.

„Keine passende Schauspielerin im Moment frei? Das soll ich Ihnen glauben?“, knurrte er den Mann an.

„Nein keine der… die in Frage kommen würde, befindet sich gerade in der Stadt oder wäre ohne Engagement. Auch hab ich alle Karteien der mir bekannten Agenturen nach einer Betreffenden durchgesehen. Nichts. Niemand zur Zeit mit natürlichem Haar in dieser Länge und auch keine die auf das andere Beschreibungsbild passen würde.“

„Was kann man da noch machen? Hätten sie wenigstens einen Vorschlag?“

„Na ja wenn Sie so fragen… wenn die Angelegenheit noch gut zwei Wochen Zeit hätte, dann wäre diese hier frei.“ Er reichte dem bei dieser Nachricht stehen gebliebenen ein Foto hinüber. „Ich habe bereits mit ihr telefoniert, für den Fall dass Sie einverstanden wären…, und sie hat auch fest zu gesagt.“, versicherte Satô Ken'ichi.

Hmmm … sie sieht ganz passabel aus, aber ist schon nicht mehr ganz so jung.“

„Aber dafür eine der Besten in ihrem Fach, ein absoluter Profi.“, enthärtete er den Einwurf. „Außerdem, wenn er bereits mit dieser hier zusammen war, dürfte es glaubwürdig sein. Satô zog eins der Fotos die ihm übergeben worden waren aus der Tasche und reichte es seinem ursprünglichen Besitzer zurück.

Dieser warf einen Blick darauf und nickte dann. „Okay, dass wäre Nummer eins. Und was machen wir mit der zweiten jungen Frau? Heraus mit der Sprache.“

„Das ist nicht ganz so einfach, leider. Da sie mir nur ein einziges Bild reichten waren da nicht besonders viele Kriterien nach denen ich mich umsehen konnte. Die junge Dame die als Einigstes in Frage kommen würde, ist gerade erst siebzehn geworden. Ich habe sie letztes Jahr bei einer Schulaufführung gesehen und sie hat ein hervorragendes Talent. Nur… ihre Eltern sind gegen eine Schauspielkarriere. Deswegen steht sie auch nicht den Agenturen zur Verfügung.“

„Und wie komme ich dann an sie heran? Wer ist sie?“ Ryuichiro setzte sich wieder hin. Es schien interessant zu werden.

„Sie ist die Tochter des Direktors einer ihrer Filialen. Hier sind ihre Unterlagen. Sie hatte sie mal bei mir eingereicht und dann aber leider telefonisch abgesagt. Meine Sekretärin vergaß ihr die Unterlagen zurück zu schicken.“ Er legte einen großen, braunen Umschlag auf den Tisch und schob ihn zu seinem derzeitigen Auftraggeber hinüber. „Ich sprach bereits mit ihr nach der Schule.“

„Und wäre sie einverstanden?“

„Nein… sie lehnte leider ab. Aber ich habe in Erfahrung gebracht, dass die Filiale in der ihr Vater arbeitet wohl kurz vor der Schließung steht. Es könnte doch möglich sein, dass sie kein Geld will … sondern sagen wir …“

Ryuichiro hörte sich den Vorschlag ruhig an, welchen der Mann ihm nun unterbreitete. „Hmm…“, war alles was er hin und wieder von sich gab. Dann blätterte er nochmals die Unterlagen durch. „Die beiden scheinen sich zu kennen. So wie es aussieht wäre sie tatsächlich die Einzige die in Frage käme. Trotzdem sollten Sie für den Fall der Fälle noch nach einer anderen Ausschau halten. Mit diesem Mädchen werde ich trotzdem mal sprechen. Vielleicht fällt mir ja was ein. Wir sehen uns dann in einer Woche um die gleiche Zeit hier.“

Ähmm Herr Nanjo… Wie sieht es aus mit einem Foto? Hätten Sie da welche von ihrem Herrn Sohn? Wir könnten zum Beispiel Fotomontagen damit machen.“, warf Nanjos Gegenüber ein.

Ryuichiro sah Satô Ken'ichi einen Augenblick lang von oben nach unten hin an, schien zu überlegen.

„Nein, Fotos habe ich von meinen Sohn derzeit keine aktuellen und ich glaube auch nicht, dass in diesem Fall einfache Fotomontagen reichen werden. Ein bisschen einfallsreicher müssten Sie da schon operieren.

Wie sie es anstellen, dass die beiden getrennt werden, ist ganz alleine ihre Sache. Ich möchte vorläufig nichts davon wissen. Für mich zählt nur das Ergebnis. Alle Welt muss denken, dass das Mädchen und Kôji bereits seit einiger Zeit ein festes Paar sind. So dass ER… nein… besser gesagt, dass ich diese kleine Wette gewinne.“

„Aber wird ihr Herr Sohn die Sache nicht selbst richtig stellen, sobald er davon Wind bekommt?“

„Ich denke nicht, dass er es nachdem was sie machen sollen, noch schafft. Und… dafür werden sie sorgen. Keine Gewaltanwendungen wenn ich bitten darf. Wenn etwas schief geht müssen sie sich da alleine heraus winden.“

Satô Ken'ichi drückte beim Abschied dem Familienoberhaupt der Nanjo’s die Hand und verließ das Zimmer mit einem erhebenden Gefühl. Ab sofort würde er für diese „große Persönlichkeit“ also arbeiten.

~*~

Der Zufall spielte Ryuichiro dieses Mal in die Hand. Als er am Nachmittag nach Hause kam, sah er das rothaarige Mädchen vom Foto gemeinsam mit seiner Tochter Nadeshiko das Haus betreten.

Kurzerhand schickte er, nachdem er in seinem Arbeitszimmer angekommen war, jemand nach der Besucherin mit der Bitte: wenn sie gehen wollte, doch noch einmal bei ihm reinzuschauen, er hätte ihr noch was für ihren Vater mitzugeben.

Die beiden Mädchen wunderten sich zwar über das seltsame Anliegen, aber nachdem sie sich von einander verabschiedet hatten, ging Minako zum Vater ihrer Freundin.

Ohne viel drum herum zu reden kam Herr Nanjo gleich auf sein Anliegen, kaum dass sie das Zimmer betreten hatte.

 

„Ich möchte, dass Sie den Eindruck erwecken, Sie hätten zu einem Bekannten von mir seit längerem eine recht intime Beziehung.“

„Aber ich…“ Mit großen Augen starrte sie den merkwürdigen älteren Herrn vor sich an.

„Unterbrechen Sie mich bitte nicht. Es handelt sich um eine kleine harmlose Wette, innerhalb der Familie, die ich keinesfalls zu verlieren gedenke. Sie verstehen mich doch? Nichts davon wird an die Öffentlichkeit dringen.“

„Ja natürlich verstehe ich Sie, aber was hab ich damit zu tun?“, erwiderte Minako und Ryuichiro spürte deutlich, dass sie ihm kein Wort glaubte.

„Ich bin mir ganz sicher, mein junges Fräulein, dass sie die perfekte Darstellerin für diesen Job sein werden. Ich habe bereits Erkundigungen eingezogen und bin dabei auf etwas sehr erfreuliches gestoßen. Sie kennen den jungen Mann um den es geht sogar; er lebt hier bei mir im Haus. Sein Name… Izumi Takuto.“

Beim Klang des Namens zog eine leichte Röte über die Wangen des Mädchens, welche Herr Nanjo mit Freuden wahrnahm, sich aber davon nicht aus dem Konzept bringen ließ.

„Ich weiß, dass Sie mal vor einiger Zeit mit ihm befreundet waren, das macht die Sache nur noch glaubwürdiger.“

„Aber warum sollte ich das für Sie tun?“

„Dazu komme ich gleich. Wir hätten alle beide was davon. Wenn sie Glück haben, hätten sie sogar anschließend wieder freie Bahn bei ihm, aber erst einmal…“

„Wie meinen Sie das… wir hätten beide was davon? Ich weiß, dass Takuto mir damals nur freundschaftliche Gefühle entgegen brachte und das daraus nicht mehr wird.“

Hmm… wer weiß?“

Einen Augenblick sah Ryuichiro sie starr an. Das Mädchen erschrak, bei dem finsteren Anblick, verkroch sich weiter in sich hinein, während ihr gegenüber abschätzte, wie weit er bei ihr gehen konnte.

„Sie hatten doch bereits gehört, dass es der Firma ihres Vaters nicht sonderlich gut geht?“

„NEEIIN!“

„Doch so ist es. Bei meiner diesjährigen Überprüfung musste ich leider einige Unregelmäßigkeiten feststellen. Dabei stieß ich darauf, dass scheinbar Gelder der Firma veruntreut worden sind. Irgendwelche jungen Schnösel haben sich auf Kosten der Firma „gesundgestoßen“ und das ergaunerte Geld im Hohen Bogen… wie sagen sie… verpulvert, um es ihnen gegenüber mal nicht so krass auszudrücken. Die drei Täter wurden zwar der Polizei übergeben, aber da sie auf Wunsch von ihrem Vater eingestellt worden sind… und sie nicht in der Lage sind das gestohlene Geld zurückzuzahlen, wird er wohl auch mit haftbar gemacht.“

„Das können sie nicht tun!“, rief Minako verzweifelt.

Ganz gegen ihre Art hatte sie die Hände vors Gesicht geschlagen um Ryuichiro nicht ihre Tränen zu zeigen, welche ihr in die Augen stiegen.

„Ich kann nicht? Wie lächerlich. Die Firma gehört zum Familienimperium und wenn ich zulasse, dass dies hier durchgeht, was meinen Sie wohl, wie lange dieses Imperium noch bestehen würde. Jeder kleinere Angestellte würde sich bedienen und das kann ich nicht zulassen. Außer…“

„Ich soll ihnen als Gegenleistung bei der Wette helfen.“

„Kluges Kind. Ich wusste dass wir uns verstehen werden. Für den kleinen Gefallen bin ich gerne bereit die Gelder aus eigener Tasche zu begleichen.“

Um ihr einen Augenblick Bedenkzeit zu geben, stand er auf und wandte sich dem Fenster zu, sah hinaus als sei das was hier drin verhandelt wurde nur eine Bagatelle. Einige Zeit später drehte er sich zu ihr zurück. Sie saß immer noch mit gesenktem Kopf da, die Hände inzwischen im Schoss verschränkt und wog Für und Wider ab.

„Also…? Hast du es dir überlegt? Ich werde deinem Vater anbieten, dass du mit meiner Tochter eine kleine Reise unternimmst, durch Europa… Reisedauer erst einmal so zwei Monate. Sollte es länger dauern, könnte sich dass dann auch regeln lassen. Aber ich denke mal, bis dahin ist alles gelaufen. Wenn du deinen jetzigen Lebensstandart behalten und deinen Vater vor den Gefängnis retten willst, kannst du eigentlich nur zusagen.“

Sie wusste, dass er gewonnen hatte, trotzdem wagte sie einen letzten Vorstoß. „Das ist Erpressung.“

„Ist es das?“ Ryuichiro kalter Blick heftete sich an sie wie eine eisige Hand, welche ihr die Kehle zudrückte. Sein Blick war unergründlich, das reinste Pokerface. Plötzlich jedoch entglitt ein Lächeln seinen Zügen.

„Nenn es wie du willst. Aber ich würde an deiner Stelle ja sagen. Du hast dein und das Leben deines Vaters in der Hand. Es ist nur ein Austausch kleiner Gefälligkeiten. Eine für eine andere und du musst zugeben, soviel verlange ich ja nun wirklich nicht von dir.“

„Und was soll ich genau dafür tun?“

Ryuichiro legte den Kopf leicht schief. „Ist das ein ja?“

Das junge Mädchen nickte.

~*~

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Teil 10

Doch zurück von Ryuichiro zu den beiden „Ausreißern“.

Was weder Kôji noch Izumi zu diesem Zeitpunkt ahnen konnten: Es wurde zwar tatsächlich in dem Gebäude renoviert und umgebaut, in dem sie jetzt lebten, aber erst einmal nur im Hauptteil. Der Ostflügel war zwar schon eingekleidet und es liefen da später auch eine Menge Leute drin herum, doch einige Wochen nachdem sie hier angekommen waren, handelte es sich dabei keinesfalls mehr um Bauarbeiter.

Hätten sie sich die Leute in ihrer Umgebung nur mal genauer angesehen, wäre ihnen aufgefallen, dass dort etwas nicht stimmte. Aber keiner von beiden hegte zu diesem Zeitpunkt schon einen Verdacht.

 

Denn Kôji's Vater hatte sehr wohl Bedenken gehabt, dass sein Sohn verschwinden wollte. Er war durch Zufall darüber gestolpert, da sich Kôji plötzlich für die Baupläne des Hauses und für die Umgebung interessiert hatte. Die Vorbereitungen welche Kôji im geheimen geglaubt hatte auszuführen, waren durch einen Privatschnüffler, der seit der geplatzten Hochzeit auf Kôji angesetzt worden war, aufgedeckt worden.

Und so hatte Herr Nanjo seine eigenen Intrigen gesponnen um seinen jüngsten Sohn wieder in seine Fänge zu bekommen.

Und diese Intrige samt Helfer bewohnten fast den ganzen Ostflügel, seit sie eines Nachts oder besser gesagt im Zeitraum zwischen drei und vier Uhr morgens hier eingetroffen waren, als die restlichen Bewohner des Anwesens im tiefsten Schlaf lagen.

Der jungen Frau war verboten worden, die Zimmer im dritten Stock in denen sie sich aufhielten, außer auf Anweisung zu verlassen. Man wollte so verhindern, dass alles aufflog. Eine zweite „Dame“ wurde in den nächsten Tagen noch erwartet.

Diese Zimmer waren genau so ausgestattet worden, wie die Räume, in denen sich Kôji und Izumi im Westflügel aufhielten. Bis hin zum kleinsten Detail stimmte von innen her alles überein. Und dass hatte auch einen guten Grund.

Ohne dass die Bewohner des Westflügels es bemerkten, wurde hier die arglistige Täuschung teilweise mit Kameras in die Tat umgesetzt, ohne dabei die wirklichen Zimmer auf Dauer zu blockieren.

Ein Blick hinter die Kulissen zeigte ein schüchternes junges Mädchen, welches krampfhaft die beiden Hälften ihres Morgenmantels zusammenhielt. Ihr unruhiger Blick eilte stetig durch den Raum. Augen die lautlos jedermann um Hilfe anriefen. Sie wollte dies hier nicht tun, kam sich dabei schäbig vor.

Doch alles half nichts. Hier war sie von lauter engagierten Profis umgeben und die kannten nur ein Ziel, nämlich das welches ihnen einen ganzen Batzen Geld einbringen würde. Die erste Aufnahme musste in zwei Stunden im Kasten sein.

Die Scheinwerfer erhitzen das Zimmer. Es war bereits unerträglich heiß hier drin. Die Fenster mussten jedoch geschlossen bleiben, damit nicht der Verdacht von Leben in diesen Räumen und eventuelle Neugier bei den beiden Opfern aufkam, was leicht passieren konnte, da sich genau unterhalb dieser Räumlichkeiten ein künstlich angelegter Teich mit einer herrlichen Sitzecke befand. Doch zum Glück war es um dort zu sitzen noch zu kalt und so fiel das starke Scheinwerferlicht in diesen Räumen auch zur Zeit niemandem auf.

~*~

Der Tag versprach wunderschön zu werden. Bereits am frühen Morgen schickte die Sonne ihre Strahlen durch das Fenster geradewegs in Kôji's Bett. Sie waren zwar noch nicht besonders warm, aber einige verirrten sich auf sein Gesicht. Die Haut kribbelte leicht und Kôji erwachte.

Ein Gähnen, ein wohliges Strecken. Langsam schlug er die Augen auf. Sein Blick fiel geradewegs auf das nur einen Spalt geöffnete Fenster, hinaus auf einen fast makellosen blauen Himmel. Ein paar Sekunden genoss er diesen Anblick, doch dann schob sich ein weißes Wölkchen in sein Blickfeld.

Er starrte darauf und war es Einbildung, Wunschdenken oder Wirklichkeit, er hatte das Gefühl das die Wolke die Form eines Kopfes hatte. Während sie am Himmel weiter ihre Bahn zog, verdichtete sie sich langsam und bekam Gesichtszüge… Izumis Gesichtszüge.

Kôji schloss die Augen, seufzte tief auf. Dann ging ein Ruck durch seinen Körper. Er richtete seinen Oberkörper auf, streifte sein Oberteil ab, ließ es achtlos aufs Bett fallen, schlüpfte in die Hausschuhe und stand auf.

Langsam schlurfte er zum Fenster, öffnete es weiter und sah hinaus.

Die Wolke war weiter gezogen oder hatte ihre Gestalt verloren. Jedenfalls konnte er sie nicht mehr erkennen. Andere Wolken waren zu dieser hinzugekommen, die aussahen wie normale Wolken… ohne Kontur… ohne Umriss… keine Figuren, Körper oder sonst was erkennbar.

Er streckte sich vor dem offenen Fenster. Machte drei vier Kniebeugen um die restliche Müdigkeit aus den Gliedern zu vertreiben, atmete tief die frische Luft ein. „Ein wundervoller Tag… mal sehen was man daraus machen kann.“

Dann fiel sein Blick auf die verschlossene Tür. Ein kurzes Lauschen. Stille. Nichts verriet das jemand nebenan war. Erneut kam ein diesmal enttäuschtes Seufzen aus seiner Kehle.

~*~

Erfrischt von der morgendlichen Dusche, angekleidet und mit nach hinten zusammengebundenen Haaren verließ er eine halbe Stunde später das Zimmer um an Takuto's Tür zu klopfen.

Keine Antwort. Es blieb ruhig. Er öffnete die Tür, steckte den Kopf hinein. Leer.

Ein Bedauern machte sich auf seinem Gesicht breit. Er schloss die Tür und sah sich suchend um. Wo mochte er wohl so früh am Morgen stecken?

Kôji ging an den anderen Türen vorbei. Doch nirgends war was zu hören.

Am Ende des Ganges war ein Fenster. Noch immer in Gedanken fiel sein Blick aus diesem geradewegs in das unten liegende Gelände.

Eine große Wiese und ein paar Bäume dass war alles was er genau erkennen konnte. Doch was war das? Unter einem der Bäumchen, Halb durch Stamm und Krone versteckt, sah er dass sich dort etwas bewegte. Dieses fesselte seine Aufmerksamkeit. Als er genauer hinsah erkannte er tatsächlich da unten Izumi.

Angeregt unterhielt er sich mit seinen Geschwistern.

Kôji drückte sich fast die Nase an der Scheibe platt. Kurzerhand öffnete er es dann aber, um die drei besser beobachten zu können.

Yuugo schien sehr aufgeregt zu sein. Er fuchtelte mit Armen und Beinen wütend in der Gegend herum. Serika stand mit hängendem Kopf, neben den beiden, während Takuto gerade Yuugo beide Hände auf die Schultern legte. Mehr konnte Kôji nicht erkennen, da er Izumi nur von hinten sah.

Takuto versuchte auf Yuugo einzureden, doch der schüttelte nur den Kopf und stieß dann seinen großen Bruder von sich. Scheinbar wütend drehte er sich um und stampfte mit dem rechten Fuß auf.

Kôji musste schmunzeln. Wirklich noch ein Kind, schoss es ihm durch den Kopf. Doch über was mochten die drei da unten sich gerade unterhalten? Ging es darum das sie… Sein Blick fiel auf die Uhr. Er sah die Zeiger, sah die Datumsanzeige und dann…. Ja, das musste es sein.

Heute war ihr letzter gemeinsamer Tag, oder besser die letzten gemeinsamen Stunden, bevor die Geschwister sich wieder trennen mussten. In gut drei Stunden fuhr ihr Zug. Serika und Yuugo würden beide wieder auf das Internat gehen.

Nicht auf das gleiche wie er selbst erst angenommen hatte, sondern auf unterschiedliche in der gleichen Stadt. Serika war zwei Jahre älter und er hatte sie in einem reinem Mädcheninternat angemeldet, und so hatte er unbewusst alle drei Geschwister voneinander getrennt. Aber er hatte sich doch dafür schon bei ihnen entschuldigt. Was war noch? Er hatte gleich am nächsten Tag versucht, dass Serika in dem bei Yuugo aufgenommen wird, aber sie war dafür schon zu alt und seine Sprachkenntnisse waren nicht gut genug um es alleine geregelt zu bekommen, um eine Ausnahme zu erwirken.

Aber sie waren wenigstens in der gleichen Stadt, konnten sich nach der Schule jederzeit besuchen, im Gegensatz von Takuto. Da es doch etwas weiter war als gedacht, lohnte es sich nicht, jedes Wochenende zu kommen. Die Anfahrt wäre zu lang gewesen. Doch dass konnte Kôji nur Recht sein, denn so konnten sie seine Wochenendplanungen nicht immer durcheinander werfen.

Noch knapp drei Stunden und dann konnte er seinen Gefühlen freien Lauf lassen. Konnte sich ganz alleine auf Izumi konzentrieren und musste seinen Freund erst einmal mit niemandem mehr teilen. Mit keinem kleinen Bruder, mit keiner kleinen Schwester… nur er und Takuto… das riesige Haus… eine Unmenge an Zimmern… und ein noch größeres Anwesen…. Ein paar Bedienstete, die sich unsichtbar machten, sobald er auftauchte… der strahlend blaue Himmel… eine leuchtend goldene Sonne… und…

Moment. Eben war der Himmel doch noch blau. Und nun? In ein helles grau hatte es sich verfärbt.

Sagte der Wetterbericht nichts von „Kein Regen heute?!“

Schon hörte er es grummeln. Zwar nicht über ihnen, eher klang es als ob es noch weiter weg wäre. Aber sie waren hier in den Bergen. Schnell schloss er das Fenster, lief die Treppe hinunter, rannte auf dir Türe zu und riss sie auf. „IZUMI… Serika?... Yuugo? Es wittert gleich, kommt besser schnell rein.“

Noch während er das rief, fielen die ersten Tropfen und dann ging alles sehr schnell.

Die drei unterbrachen ihre Diskussion und rannten auf das Haus zu.

Doch noch bevor sie es überhaupt erreichen konnten, ging ein starker Platzregen über ihren Köpfen los.

Kôji eilte schnell in das sich in dieser Etage befindliche Bad und holte drei Handtücher.

Als die ersten beiden durch die Tür kamen, drückte er Serika und Yuugo gleich eines in die Hand, damit sie sich die Haare abtrocknen konnten. Serika lächelte ihn an, doch Yuugo…

Uuuuuuuuhh, welch ein böses Funkeln in dessen Augen.’ Er hatte ihm auch förmlich das Handtuch aus der Hand gerissen. Ohne weiter was zu erwidern war er damit verschwunden.

„Zieht euch am besten gleich trockene Sachen an und Regenzeug drüber, wir müssen bald los.“, rief er ihnen noch hinterher.

Doch wo blieb Takuto? Er war doch eben noch hinter den beiden gewesen?

Ein Blick durch den noch offen stehenden Türspalt nach draußen zeigte ihm, dass Takuto wohl noch mal zurück gerannt sein musste. Sich mit der rechten Hand an der Wand abstützend, mit der linken die Tür festhaltend, stand Kôji da und wartete.

Plötzlich leuchtete ein greller Blitz auf. Kôji zuckte zusammen. Doch schon kam Takuto auf die Tür zu gerannt. Schnell öffnete er sie weiter und ging aus dem Weg. Als Takuto hereingestürmt kam, hatte Kôji schon das Handtuch auseinander geschlagen und hängte er ihm sofort über den tropfenden dunklen Haarschopf.

Kurz trafen sich ihre Augen! Doch verlegen wendete sich Kôji schon bald ab und schloss die Tür, damit der Regen draußen bliebe.

Takuto zog sich die Schuhe aus und rubbelte sich die Haare trocken.

„Mist Wetter.“, rief er aus, drehte sich dann zu Kôji zurück und sagte „Danke Kôji.“

Der nickte nur kurz und ging dann zu den anderen beiden die bereits umgezogen am Frühstückstisch saßen und warteten.

~*~

Die verbliebene Zeit verging wie im Flug. Eh Kôji sich versah, saßen Takuto's Geschwister im Zug, hatten die Fenster herunter gezogen und unterhielten sich noch ein letztes Mal mit ihrem Bruder, während er selbst ein paar Meter abseits an einem Zeitungsladen stand, um den Geschwistern noch ein paar Minuten zu geben. Er sah wie Serika immer wieder von Takuto zu ihm rüberschaute und sich mehrmals schnäuzte und sich die Tränen entfernte. Aufmunternd lächelte er sie an. Dann hörte er einen Pfiff und der Zug setzte sich wenig später in Bewegung.

Er schritt auf Takuto zu, dieser winkte. Kôji auch… bis der Zug um die Ecke verschwand.

~*~

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Teil 11

Eines Tages beschloss Kôji mit Izumi Skifahren zu gehen, sie hatten sich Ski geliehen und machten sich mit dem Auto auf den Weg in das Skigebiet.

Der Tag war herrlich gewesen. Kôji hatte Izumi gezeigt wie es geht und dieser hatte sich für sein erstes Mal gar nicht so dumm angestellt. Mittags dann hatten sie zwei Schwestern kennen gelernt, die auch erst auf der Anfängerpiste fuhren. Es war ein lustiger Tag zu viert geworden und eigentlich schon reichlich spät. Als die beiden erfuhren, wohin Kôji und Izumi mussten, baten sie Kôji ob er sie nicht zu Hause absetzen könnte, unterwegs würden sie ihnen auch eine Abkürzung zu ihrem eigenen Haus, welches in der Gegend wohlbekannt war, zeigen.

Gesagt, getan. Die beiden Mädchen fuhren mit und als Kôji sie raus gelassen hatte, nahm er die besagte Abkürzung. Doch irgendwie bog er falsch ab. Ein Straßenschild fehlte an einer Kreuzung und so irrten die beiden durch die Nacht.

 

Der Mond stand schon hoch am Himmel, als Kôji endlich in der Ferne, zwischen all den Bäumen die aussahen als ob sie zu einer großen Obstplantage gehörten, ein Dach ausmachen konnte. Zielstrebig fuhr er darauf los.

Die Enttäuschung war dann aber groß als sie keinen Ort oder gar eine Stadt ausgemacht hatten sondern einfach nur eine große Scheune fanden, die fast bist zum Dach mit Stroh gefüllt war. Nach einigem hin und her fanden sie, dass es angenehmer sein dürfte im Stroh zu kuscheln, als die Nacht im Auto zu verbringen. Seufzend stiegen sie aus dem Wagen aus und gingen auf die große Holztür zu, die sie zur Seite schoben, um sich einen Überblick zu verschaffen. Ballenweise gepresstes Stroh lag darin und eine Leiter führte nach oben. Vorsichtig kletterten sie diese zum Dachboden hoch.

Kein Service, keine Betten. Wie schon erwartet lagen da nur Stroh-, und ein Heuhaufen und in einer Ecke ein paar leere Kartoffelsäcke, die sie unter sich ausbreiteten wie eine Decke, damit die Halme sie nicht so zerstachen.

Kôji versuchte sich einigermaßen bequem auszustrecken. Takuto lag in einer kleinen Höhle die er sich in das Stroh gegraben und mit dem Heu ausgepolstert hatte, indirekt unter einem kleinen runden Fenster, durch welches sie ein Stückchen vom Himmel sehen konnten.

Obwohl Takuto und Kôji nun endlich ein Plätzchen gefunden hatten wo sie ihre Beine auch mal ausstrecken konnten, stand Kôji plötzlich unter großer Anspannung.

„Verzeih, aber das hier ist eine der unbequemsten Herbergen, in denen ich je nächtigen musste. Ich würde dir lieber was Besseres bieten, als das hier“, sagte Kôji kleinlaut.

„Ist schon gut, du kannst ja nichts dafür, wir hätten vielleicht eine Karte mitnehmen sollen, du kannst ja nicht wissen dass uns ein fehlendes Schild in die Wüste schickt. Von wegen Abkürzung und so.“

Eine Weile herrschte Ruhe, doch dann hörte Takuto ein klapperndes Geräusch und wie er aufsah, bemerkte er, dass es Kôji's Zähne waren.

„Kôji, du müsstest nicht so frieren, wenn du etwas näher an mich heran rücken würdest, dann könnten wir uns gegenseitig wärmen. Also komm her“, schlug Takuto vor, doch dieser wollte das Angebot erst schroff zurückweisen. Wer weiß ob er sich dann hätte beherrschen können.

Daher dachte Takuto er hätte irgendwas falsch gemacht und suchte verzweifelt nach Fehlern seinerseits. Das Klappern wurde immer lauter und schneller, also machte Takuto sich daran sein „Nest“ etwas größer auszubauen und zeigte Kôji damit seinen guten Willen. Schlussendlich zog Kôji die Wärme in der Höhle neben Takuto doch dem Geklapper seiner Zähne vor, und ging auf dessen Angebot ein, indem er zu ihm rutschte.

 

Durch das Fenster drang gerade mal genug Licht, dass Kôji Takuto's Gesicht erkennen konnte, und so musste er sich mit aller Macht beherrschen, um nicht verlangend seine Hände danach auszustrecken und ihn zum Kuss an sich zu ziehen. Kôji sah seinen Izumi liebevoll an. Er hatte festgestellt, dass er mit jedem neuen Tag den sie zusammen verbrachten neue Züge an ihm entdeckte, die ihn beidruckten und jede neue Seite an ihm verstärkte seine Bewunderung und machte Takuto noch wertvoller und unentbehrlicher für ihn. Zärtlich strich er ihm mit dem Handrücken über die Wange.

„Bereust du es, dass du deiner Ehe aus dem Weg gegangen und nun hier mit mir zusammen bist?“, wollte Takuto plötzlich wissen, während er aus dem Fenster in den Himmel sah und die Sterne welche da zusehen waren, versuchte einzuordnen.

Kôji lächelte wehmütig bei der Erinnerung. „Ich wusste es damals noch nicht“, fuhr er leise fort. „Tatsächlich wollte ich die Wahrheit bis vor ein paar Wochen einfach nicht erkennen. Die Erkenntnis war so schmerzlich, dass ich mich ihnen niemals hätte stellen können, wenn du mir nicht den Mut gegeben hättest, mich mit der Familie auseinander zusetzten.“

Takuto hatte ihm staunend zugehört. Nun hatte er das Gefühl, er müsse vor Glück und Freude in viele Stücke zerspringen. Er strich ihm durch die Haare und legte dann eine Hand an Kôji's Wange. Dann ließ er all seinen Instinkten freien Lauf und kuschelte sich noch mehr an ihn und fing an die kalte Haut mit seinen warmen Lippen zu liebkosen.

Kôji reagierte darauf mit offenkundiger Freude. Zufrieden seufzend, drängte er sich seinerseits an Takuto.

„Es kommt mir wie ein Wunder vor, dass du ständig bei mir zu sein scheinst, selbst wenn wir von einander getrennt sind“, flüsterte er. In seinen Augen lag ein schmerzlicher Ausdruck. „Doch nun lass uns schlafen, Kôji. Es ist schon spät“, fügte Takuto hinzu.

Kôji starrte ihm wie gebannt ins Gesicht. Takuto's Augen waren von geheimnisvollen Schatten umgeben und schimmerten in der Dunkelheit. Kôji sah wie sich sein Brustkorb hob und senkte.

Kein Sterblicher kann so viel Nähe aushalten, dachte er. Ich muss hier raus. Doch noch während ihm dieser Gedanke kam, streckte er unbewusst beide Hände zu Takuto aus. „Ich hab keine Kraft mehr dagegen anzukämpfen“, murmelte er und presste den Mund auf Takuto's Lippen.

Takuto erwiderte seinen Kuss mit schrankenloser Hingabe. Er spürte Kôji's Zunge in seinem Mund und beantwortete das suchende Spiel in gleicher Weise. Die Küsse wurden immer gieriger, steigerten sich noch durch das so lange bekämpfen und verleugnete Begehren.

„Das ist Wahnsinn“, stieß Kôji heiser hervor, während er mit einer Hand unter Takuto's Jacke und Pullover nach der nackten Haut tastete.

„Nein, Schicksal“, widersprach Takuto und zerwühlte ihm mit den Händen ungestüm die langen Haare. Er spürte unter Kôji's Berührungen einen süßen Schmerz in seinem Körper und bewegte sich ungeduldig hin und her, als dieser ihm die Kleidung abstreifte.

„Jetzt kann ich wirklich nicht mehr aufhören, Liebster“, raunte Kôji. „Ich hätte, bevor wir auf dem Dachboden ankamen, wissen müssen, was hier geschieht.“

„Vielleicht wusstest du es ja?“ Takuto erbebte, Hitzwellen durchströmten ihn, als Kôji abwechselnd seine Brustwarzen küsste und die Spitzen mit der Zunge reizte. Er stöhnte unterdrückt auf und zerrte an Kôji seiner Oberbekleidung. Kôji zog sich aus und tastete dann mit einer Hand von Takuto's Hals hinunter zu dessen Hosenbund.

Unbeschreiblich zart und sanft berührte Kôji Takuto's intimste Körperstellen. Er schien unter den zärtlichen Liebkosungen seiner Finger zu vergehen und drängte sich ihm kaum merklich entgegen, damit er ihn noch stärker erregte.

„Izumi, mein Engel, ich liebe dich so sehr.“ Er entledigte sich seiner restlichen Kleidung und kniete sich über Takuto.

Dieser schluckte mehrmals und starrte Kôji dann voller Versunkenheit an. Er war überwältigend in seiner Nacktheit und strahlte mehr Kraft und Männlichkeit aus als je zuvor. Takuto zitterte vor Erregung, als er Kôji seine bloße Haut an den Hüften spürte.

Kôji beugte sich vor und küsste Takuto, den nun auf Grund der Wärme ihrer nackten Köper ein erregendes Prickeln überlief, während Kôji begann Takuto behutsam vorzubereiten. Takuto indes umklammerte ihn, als wolle er Kôji niemals wieder loslassen. Sie hatten das Gefühl, auf ein unbekanntes Ziel zuzusteuern, gelenkt von den unbeschreiblichen Reaktionen ihrer Körper.

Immer wieder küsste Kôji Takuto leidenschaftlich, doch dann senkte er sich langsam auf ihn herab um ihn sein eigenes Verlangen spüren zu lassen. Sein Kuss wurde drängender, als ob er nicht genug bekommen könnte. Seine Zunge wanderte tiefer, und erkundete jede Stelle von Izumis Körper.

Takuto hingegen berührte Kôji's Männlichkeit und konnte sehr wohl spüren, wie sehr Kôji ihn begehrte. „Kôji“, stöhnte er fallend, „ich brauche dich.“

Kôji sah in das gebräunte Gesicht unter sich und konnte es gar nicht glauben was er da hörte. Er schluckte hart. „Izumi… womit habe ich jemanden wie dich verdient?“

„Du hast mir das Gefühl gegeben, zu jemandem zu gehören. Das konnte mir, seit dem Tod meiner Eltern, lange Zeit niemand mehr vermitteln. Du hast meine Einsamkeit vertrieben und mir einen Teil der Verantwortung für Serika und Yuugo abgenommen. Ich bin nicht mehr nur ich, sondern ein Teil von dir.“ Takuto's Lippen bebten und Kôji's Augen schimmerten verdächtig. Wenn er es nicht besser gewusst hätte, wäre er überzeugt gewesen, dass Kôji kurz davor war Tränen zu vergießen. Kôji strich mit den Lippen über Takuto's Gesicht, umspielte mit der Zunge seine Mundwinkel und neigte dann den Kopf, um die zarte Haut der rosigen Knospen weiter zu liebkosen und zu reizen.

Plötzlich zog Takuto scharf die Luft ein, als Kôji in ihn stieß und immer tiefer in ihn glitt und nebenbei seine Männlichkeit und die Hoden zärtlich zu liebkosen begann. Der anfängliche unerwartete Schmerz ging bei Takuto bald vorüber. Reine Ekstase schien die beiden Liebenden zu überschwemmen, als Kôji langsam immer tiefer in Takuto eindrang. Sie schienen sich als Einheit zu bewegen, es gab keine Trennung, kein Hindernis mehr. Sie fanden ihrem gemeinsamen Rhythmus und empfanden ihn für sich doch als einzigartig.

Gerne hätte Takuto sich dem Taumel der Lust vollends hingegeben, den Kôji in ihm entfachte, doch er sehnte sich danach, ihn ebenfalls an den Rand der Ekstase zu treiben.

Er zog den Kopf zu Kôji seinem hoch und ruckartig legte er sich auf Kôji. Nun war er es, der ihn mit zärtlichen rhythmischen Bewegungen und gewagten Küssen zum Stöhnen brachte.

„Wo hast du das gelernt?“, stieß dieser hervor und Takuto legte ihm für einen Moment den Zeigefinger auf die Lippen.

„Nun“, sagte der Gefragte gedehnt und strich sich dabei mit der Zungenspitze verführerisch über die leicht geöffneten Lippen, „ich denke ich bin ein Naturtalent!“

„Oh ja“, klang es heiser zu ihm herüber und Kôji schloss die Augen und überließ sich voll und ganz Takuto's Zärtlichkeiten. „Du bist einzigartig, Izumi.“

„Du aber auch Kôji.“ Takuto setze sich rittlings auf ihn und nahm ihn in sich auf. Kôji umfasste sein Geschlecht und liebkoste es so zärtlich wie ihm seine eigene Ekstase es noch erlaubte. Plötzlich ließ er von ihm ab und umfasste stattdessen sanft Takuto's Hüften und steigerte damit noch dessen Bewegungen. Bald trieben sie der berauschenden Erfüllung ihrer Leidenschaft entgegen.

Durch das Fensterchen über sich sah Takuto einen Stern besonders hell aufblitzen und im nächsten Moment schien in ihm und um ihn herum alles in einem Feuerwerk von überwältigenden Empfindungen zu explodieren. Schließlich wurden seine Atemzüge allmählich ruhiger und er versuchte das so eben erlebte zu verstehen. Völlig erschöpft löste er sich von Kôji und glitt an ihm herab. Lange Zeit blieb er reglos liegen.

Kôji war ebenfalls sehr still geworden. Er war in Takuto's Schoß äußerst glücklich gewesen. Er hatte viele Freundinnen gehabt, aber bei keiner hatte er diese momentane Befriedigung jemals so stark empfunden, wie jetzt in diesem Augenblick. Trotz Takuto's Unerfahrenheit hatte er bei ihm eine überwältigende Erfüllung erlebt, wie er sie nie für möglich gehalten hätte.

„Mein über alles geliebter Izumi“, flüsterte er dem anderen zärtlich ins Ohr, und schmiegte sich zärtlich an ihn. Da von diesem keine Reaktion kam, glaubte Kôji schon er sei eingeschlafen. Vorsichtig richtete er sich auf und sah seinen Izumi an.

Dieser hatte die Augen geschlossen und liebevoll zog Kôji nun mit einem Finger die wie gemeißelt wirkenden Züge seines Gesichts nach.

Takuto war immer noch im Bann des Erlebnisses seiner Vereinigung mit Kôji. Nun schaute er diesen an und lächelte dabei so strahlend, wie seine Augen im Mondlicht leuchteten. „Was immer geschieht“, flüsterte er ergriffen, „wir gehören für alle Zeiten zusammen.“ Sein Gesicht war feucht von Tränen.

„Oh Izumi“, flüsterte Kôji. „Keiner von uns beiden verdient den anderen. Wir machen uns gegenseitig zum Geschenk, das in Freiheit dargeboten und mit Dankbarkeit angenommen wird. Wie sehr ich dich liebe, kann ich gar nicht in Worten ausdrücken.“

Eine Träne löste sich aus Takuto's Augen, aber noch bevor sie davon laufen konnte, leckte Kôji sie behutsam mit seiner Zungenspitze auf. Als Dank beugte Izumi sich hoch und küsste seinen Liebsten auf die Stelle, worunter sein Herz schlug.

Dieser legte sich wieder neben Izumi deckte ihn behutsam mit ihren Jacken zu und kuschelte sich an ihn. „Gute Nacht, schlaf gut mein Herz.“

„Gute Nacht, Kôji, du auch.“

~*~

Der nächste Morgen war regnerisch, sie beeilten sich diesen ungastlichen Ort, der für sie aber zur bleibenden Erinnerung werden würde, so schnell als möglich zu verlassen. Zum Glück.

Als sie gerade fünf Minuten im Auto saßen, kam ihnen ein Mann auf einem Pferdewagen entgegen, der wohl gerade unterwegs zu ihrer nächtlichen Scheune war um Stroh zu holen. Eine halbe Stunde eher und er hätte sie bestimmt noch schlafend erwischt.

Kôji sprach kurz mit ihm und er zeigte ihnen den richtigen Weg. Knapp drei Stunden später waren sie dann endlich wieder daheim.

Auch wenn Takuto sich hier auf einmal gar nicht mehr so wohl fühlte, er nicht wusste ob die vergangene Nacht nicht doch nur ein Ausrutscher war, musste er sich doch bald von Kôji das Gegenteil beweisen lassen. Es war als ob Kôji ihn keinen Augenblick mehr von seiner Seite lassen wollte. Aber zuerst einmal ließ dieser für sie beide ein heißes Bad ein.

~*~

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Teil 12

Es war bereits später Samstag Nachmittag. Sie waren nun schon seit einigen Wochen in diesem Haus. Kôji hatte was zu erledigen und würde erst spät in der Nacht wieder zurück sein. Also beschloss Takuto sich das Anwesen mal etwas genauer anzusehen. Gesagt, getan. Er griff sich seine Jacke und warf sie über.

Einige Zeit rannte er draußen im Garten rum, und als er dort glaubte jeden Baum zu kennen, wandte er sich der nächsten Fläche zu, der Seeseite des Gebäudes der von Bauarbeiten eigentlich vom Rest abgetrennt wurde. Da die Gerüste verwaist waren, konnte er es wagen dort entlang zu gehen, da ihm ja nichts dabei auf den Kopf fallen würde. So beschloss er eine Runde um das riesige Gebäude zu drehen und sich nebenbei einen Überblick zu verschaffen wie groß es eigentlich war. Bei all seinen Erkundungen kreisten seine Gedanken allerdings um Kôji. Im Stillen dachte er wie schön es wäre, wenn sie hier jetzt gemeinsam entlang schlendern würden.

Lange Schatten fielen von den Bäumen, und die Strahlen der bereits untergehenden Sonne flirrten durch das Unterholz. Geblendet blinzelte Takuto in das flammende Licht und wandte den Kopf zur Seite. Der kleine See gleißte wie Feuer in den rot glühenden Strahlen, und die leichten Wellen schwappten sacht ans Ufer oder spielten zuvor noch etwas mit dem Schilf, bevor sie sich darin verloren.

Es war ein schönes Bild, ein beruhigendes; den See in der Abenddämmerung liegen zu sehen und einer plötzlichen Eingebung folgend, hielt er in Gedanken versunken für einen Moment an und sah den blauen und grünen Libellen zu, die über der ersten weißen Seerose schwebten. Bienen summten zwischen den Blumen und ein verschreckter Frosch sprang ins klare Wasser. Die Vögel schienen sich schon zurückgezogen zu haben, man hörte sie zwar noch, aber zusehen war kein einziger.

Verträumt setzte er sich ins hohe Gras des Ufers und ließ seinen Gedanken freien Lauf.

Aber das war ein Fehler. Denn was Takuto nicht wusste war, dass ihm sechs Augen folgten, die oben hinter den Fenstern des dritten Stockes die ganze Zeit schon ihn belauerten.

Als einer der Männer sah, dass der Augenblick günstig war, erteilte er den anderen beiden Anweisungen und noch ehe Takuto es sich anders überlegte und somit vielleicht aus der Sicht der Männer verschwunden war, hatten diese sich in Bewegung gesetzt.

Es war doch noch recht frisch und so lief Takuto nichts ahnend weiter, schaute mal nach rechts, mal nach links. Sein Blick wanderte die Hausfront hoch und er bewunderte die bereits halbfertig restaurierten Ornamente.

Plötzlich hörte er hinter sich etwas knacken. Erstaunt, dass jemand hier entlangkam, drehte er sich um und erhaschte einen flüchtigen Blick auf die beiden Männer in Arbeitsachen, welche sich ihm schnell näherten. Er machte sich aber keine Gedanken weiter und wollte gerade weitergehen, da er sie nicht kannte, da rief ihn der eine an, schien was zu fragen, doch Takuto verstand ihn nicht und ließ sie näher kommen.

Er lächelte sie an, da er der benutzten Sprache nicht mächtig war und hoffte sie würden sich anders verständlich machen können.

Als die beiden jedoch näher kamen, glaubte er den einen schon mal irgendwo gesehen zu haben. Den anderen Mann kannte er nicht. Wie ein Blitz tauchte das bekannte Gesicht in seinem Gedächtnis auf und er erinnerte sich diesen schon mal bei den Nanjos gesehen zu haben. Doch da war es bereits zu spät.

„Was wollt ihr von mir?“, rief er ihnen entgegen. Dann sah er einen Gegenstand in der einen Hand des Unbekannten aufblitzen.

Geistesgegenwärtig machte er kehrt und rannte so schnell er konnte auf das Haus zu. Dabei stolperte er über die knorrige Wurzel eines alten Baumes und fiel der Länge nach hin. Er schrie vor Schmerz und Panik auf, doch Kôji war nicht da, hätte ihm also gar nicht helfen können. Außerdem war die rettende Tür viel zu weit weg, als dass ihn jemand im westlichen Flügel hätte hören können und die Bauarbeiter hatten alle schon Feierabend.

Bevor er aber ein weiteres Mal um Hilfe hätte schreien oder aber sich aufrappeln können, würde er von einem schweren Stiefel auf den Boden zurück gedrückt. Gleichzeitig presste sich eine Hand mit einem Tuch darin über seinen Mund und die Nase und erstickte einen weiteren Schrei.

In aufsteigender Angst stieß er mit den Füßen zu und wehrte sich nach Leibeskräften. Er kratzte, strampelte und schlug auf die Angreifer ein, doch all die Anstrengungen waren umsonst. Ein unflätiger Fluch drang zwar an sein Ohr, als er einem der Eindringlinge in die Hand gebissen hatte, aber die beiden Männer ließen sich durch nichts abhalten. Grob riss der eine ihn an sich, drückte ihm die Arme auf den Rücken und schlang ihm ein raues Seil um die Handgelenke. Takuto trat um sich, stürzte erneut und spürte wie ihm nun auch die Füße gefesselt wurden. Wiederum legte man ihm dieses Tuch auf das Gesicht und diesmal drang ein süßlicher Geruch in seine Nase. Er fühlte sich noch von starken Armen ergriffen und über eine breite Schulter geworfen, dann schwanden ihm die Sinne und die Welt um ihn her versank in schwarzer Finsternis.

~*~

Die Geräusche schwerer Stiefel die gegen Holz stießen und eine zuschlagende Tür drangen in Takuto's Bewusstsein und an den Gelenken fühlte er einen brennenden Schmerz. Unversehens erinnerte er sich was geschehen war und schlug erschrocken die Augen auf. Alles war dunkel. Er lag auf einem Bett, mit dem Gesicht scheinbar in Richtung Wand. Verzweifelte versuchte er sich umzudrehen, um wie er hoffte durch das Fenster einen Anhaltspunkt zu bekommen wo er sich gerade befand.

Eine Hand drückte ihn hart nach unten und eine tiefe Stimme sagte in merkwürdig heiterem Ton: „Gleich mein Lieber. In einer Minute bist du deine Fesseln los. Wir wollten nicht so hart mit dir umgehen, aber du ließest uns keine andere Wahl.“

Das Blut rauschte Takuto in den Ohren und verzweifelt rang er nach Luft. Nach einer Zeit die ihm wie eine Ewigkeit vorkam, schnitt ihm der Mann die Fesseln durch und befreite ihn auch von dem Tuch vor dem Mund. Dann drehte er sich um und konnte im Flackern des Kaminfeuers den Raum in Augenschein nehmen.

Im ersten Moment dachte er, er befände sich in seinem eigenen Schlafzimmer. Aber dann erkannte er, dass die Farben in diesem Raum doch etwas anders gewählt waren, und der Schrank mit der großen Glasvitrine war durch ein fast leeres Bücherregal ersetzt worden. Ansonsten war dieser Raum sehr elegant eingerichtet. Im fahlen Licht der Abenddämmerung erkannte er auch noch eine hohe mit Intarsien verzierte Standuhr, einen chinesischen Wandschirm sowie einen Tisch an der einen Seite der Wand worum zwei Stühle standen. Allerdings gab es keinerlei Teppiche, was den Raum trotz der Ausstattung kalt erscheinen ließ.

„Wer seid ihr, und was wollt ihr von mir?“, fragte er angsterfüllt an den Mann gerichtet.

Doch der Kerl grinste ihn nur an, und verließ ohne ein weiteres Wort den Raum.

~*~

Langsam richtete er sich auf und achtete dabei sorgsam auf irgendwelche schmerzende Körperstellen. Sein Knie tat weh und die Handflächen zeigten Abschürfungen. Diese hatte er sich wahrscheinlich bei dem Sturz über die Wurzel zugezogen.

Takuto stellte fest, dass er bis auf die Schuhe vollständig bekleidet war. Er guckte im Zimmer umher konnte diese aber nirgends entdecken. Also ging er auf Socken zum Fenster um sich erst einmal zu vergewissern wo er sich befand. Er öffnete es und beugte sich nach draußen. Ein Blick zeigte ihm dass sein Gefängnis drei Stockwerke über dem Erdboden lag. Ein Fluchtweg war dies aber nicht, denn genau unter seinem Fenster wuchsen Rosenhecken, und Rosen haben ja bekanntlich Dornen, also mit aus dem Fenster in dritten Stock springen war nichts.

Sein Blick irrte draußen umher. Irgendwie schien er diese Gegend zu kennen. Den See.

Ja! Er erinnerte sich, er befand sich noch auf dem Anwesen, aber wie es aussah in dem Bereich den Kôji nie betreten würde, da hier die Bauarbeiter noch fleißig bei waren und er ihn niemals hier vermuten würde. Schreien war also auch sinnlos, er war viel zu weit von ihren Zimmern entfernt. Und ausgerechnet bei seinem Fenster waren die Gerüste von außen bereits entfernt worden was ihm zeigte dass sich das Zimmer fast am äußeren Ende des Hauses befinden musste.

Wie in Gedanken schloss er das Fenster. Ihm fröstelte, also legte er sich seine Arme um den Körper und rieb sich die Oberarme.

Sein Blick irrte durch den Raum, zögernd ging er auf die Tür zu. Ohne große Hoffnung fasste er an den Griff, rüttelte an ihm, doch wie befürchtet hatte man ihn eingeschlossen.

Schleppend und ohne Hoffnung ging er zurück zu dem Bett und setzte sich wieder darauf.

~*~

Inzwischen kroch die Sonne höher, doch noch immer war er zu keinem Ergebnis gekommen, was er hier sollte, warum man ihn festhielt.

Die Tür würde geöffnet und die beiden Männer betraten den Raum, wortlos stellte der eine was zu essen ab, während der andere in der Tür stehen bleib und so jede Flucht verhinderte. Takuto sprang auf um für einen erneuten Angriff gewappnet zu sein, starrte sie beide an. Doch als die sich nicht weiter um ihn kümmerten und gerade wieder gehen wollten, rief er: „Was wollt ihr von mir? Warum haltet ihr mich hier fest?“

Der das Essen gebracht hatte ging wortlos weiter, vorbei an dem anderen. Dieser neigte den Kopf etwas schief, hob eine Augenbraue und zeigte ein fieses Lächeln. „Du bleibst so lange hier, bis der junge Herr wieder zurück in den Schoß der Familie gekehrt ist. Und zwar ungebunden, freiwillig und ohne Bedingungen.“ Ein grausiges Lachen ertönte, dann ging die Türe wieder zu und Takuto war erneut allein.

Er warf einen Blick auf das Essen, doch er hatte keinen Appetit. Also stellte er sich an das Fester und beobachtete ob er draußen irgendwas sehen konnte. Leider war die Auffahrt viel zu weit weg und so hatte er keine große Hoffnung sich Kôji bemerkbar zu machen. Wie ein gefangenes, wildes Tier ging er im Zimmer auf und ab, aber er sah keinen Fluchtweg.

Die Stunden vergingen, ihn überkam der Hunger und so setzte er sich an den Tisch um zu essen. Zu trinken gab es nur einfaches Wasser, aber das war besser als nichts. Er spülte das Essen runter und tigerte danach wieder durch die Gegend, bis er plötzlich merkte dass er irgendwie müde war. Also legte er sich auf dass Bett um fünf Minuten abzuschalten. ‚Vielleicht’, dachte er sich, ‚finde ich danach einen Ausweg aus meiner Lage.’

Was er nicht wissen konnte war, dass man ihm unter das Essen eine Droge gemischt hatte, die ihn ruhig halten sollte, damit er sich nicht aus dem Fenster heraus mit irgendjemand verständigen konnte.

Und so schlief Takuto ein.

 

Wie lange er bereits geschlafen hatte, wusste er nicht, doch plötzlich öffnete sich die Tür. Der dritte Mann der ihn zuvor gesehen hatte und der hier die Anweisungen erteilte, war kein geringerer als Hirose Nanjo und eben dieser wollte sich überzeugen, dass ihr Gefangener tief und fest schlief.

Er betrat den Raum und schob die Tür mit einer Hüftdrehung hinter sich zu. „Na mein Kleiner, nun hab ich dich da wo ich dich immer schon gern gesehen hätte. Was hältst du von einem meiner kleinen Spielchen?“

Er näherte sich dem Bett und lehnte sich unbekümmert an einen der Pfosten die den Baldachin hielten.

„Lass mich überlegen… Vielleicht sollte ich dich… hmmmm…. Nein… vielleicht lieber doch was anderes. Schließlich will ich doch meine Freude mit dir haben, während mein Bruderherz sich nach dir verzehrt und vor lauter Angst nicht weiß wo du bist…“

Er lachte höhnisch auf, dann trat er auf Takuto zu, setzte sich auf das Bett, während seine rechte Hand unter Takuto's dicken Pullover glitt und über die glatte Haut strich.

„So sanft. So heil. Noch ohne Narben. Welch eine Verschwendung! Mal sehen wie wir das ändern können.“ Hirose grinste hämisch, seine Augen funkelten in wilder Vorfreude.

Doch unerwartet trübte sich seine Begeisterung. Ein Seufzen entwich ihm plötzlich. „Schade dass ich damit noch etwas warten muss, aber noch ist „unser Spielzimmer“ hier nicht fertig. Und dich wieder nach Japan zu bringen um dort mit dir meinen Spaß zu haben, ist mir ein bisschen zu gefährlich, mein Kleiner… Dein holder Held könnte dich ja mit fliegenden Fahnen finden und befreien. Aber wenn er erst mal wieder zu Hause ist, dann… ja dann habe ich dich ganz für mich allein. Dich… und deine Geschwister. Denn Kôji wird glauben sie sind hier in Sicherheit und wird sie bestimmt im Internat lassen und wenn sie dann Ferien haben und dich mein Herz besuchen wollen, dann... werden auch sie meine Bekanntschaft machen. Erst dein süßer kleiner Bruder… und anschließend noch deine hinreißende Schwester.“

Wieder zeigte er sein diabolisches Grinsen und konnte sich nicht verkneifen Takuto in eine seiner Brustwarzen zu zwicken. Dessen Körper bäumte sich im Schlaf auf, ein Stöhnen entwich ihm, aber er stand viel zu sehr unter der Droge als dass er davon aufgewacht wäre. Hirose lachte laut, als er das sah. Sein Gesicht verwandelte sich in eine boshafte Grimasse.

„Ja, ja Drogen sind schon eine feine Sache. Bald mein Lieber wirst du nicht mehr ohne sie können und falls Kôji dich doch noch irgendwann finden sollte, bist du nur noch ein drogensüchtiges Frack.“ Nochmals drückte er fest zu und wieder beobachtete er wie sich der Leib aufbäumte. Dann ritze er ihn mit seinem Daumennagel von Takuto's Brust quer über seinen Bauch runter zum Bauchnabel, und zwar nicht einfach nur bis ein roter Striemen zusehen war, sondern das Blut darunter hindurch quoll.

Hirose leckte sich über die Lippen. Seine Augen gierten nach mehr, doch er wusste dass er sich noch etwas bezähmen musste, denn er wollte den anderen soweit haben, dass dieser es auch bewusst miterlebte. Zwar wurde er dann bereits unter Drogen stehen, aber noch genug Schmerzen empfinden können.

Hirose hatte für den Augenblick genug, und mit einem letzten Blick auf sein neues Opferlamm, ließ er den Schlafenden allein.

~*~

Spät in der Nacht kam Takuto wieder zu sich, und wunderte sich über seinen schweren Kopf. In ihm hämmerte es, als ob Kôji ihn betrunken gemacht hätte und so brauchte er einen Augenblick bis er wieder wusste wo er sich befand. Aber schnell fand er sich dann zurecht, und bemerkte, dass sein Essen verschwunden und durch Neues ersetzt worden war.

Er sprang aus dem Bett und sah nach draußen, es war dunkel. Wie spät mochte es sein? Er wollte auf die Uhr sehen, da stellte er fest, dass diese fehlte. Irgendwer hatte sie ihm abgenommen.

Da sein Magen schon wieder knurrte setzte er sich um was zu sich zu nehmen. Doch als er erneut kurz danach müde wurde, wunderte er sich, doch etwas. Damit hatte er nicht gerechnet. Er probierte von dem Wasser doch dass schmeckte genau so geschmacksneutral wie eben Wasser halt schmeckt. Also musste irgendwas mit dem Essen sein. Weiter kam er aber mit seinen Gedanken nicht, da versank er schon wieder in die albtraumhafte Finsternis.

Kaum war er wieder zusammengesackt, tauchten die beiden Typen auf.

Da Hirose dass Zimmer mit versteckten Videokameras überwachte, wusste er ganz genau wenn es soweit war.

Das Zimmer war gleich nach Hiroses Ankunft ganz auf die Schnelle präpariert worden, als Kôji mit seinem Izumi hier her floh. Die Bauarbeiten waren dabei nur von Nutzen, doch trieb er sie voran, damit das Baugelände von den letzten Zimmern möglichst schnell entfernt und umgesetzt werden konnte.

Sie nahmen ihn vom Bett und trugen ihn in ein anders Zimmer, dort wurden Aufnahmen von ihm gemacht, wobei eine junge Frau genaue Anweisungen erhielt was sie mit dem Schlafenden zu tun hätte.

Als alles im Kasten war, wurde Takuto wiederum in sein Zimmer zurückgebracht und Hirose begab sich noch mal zu ihm. Er sah sich um, ließ wieder dass Essen und das Wasser austauschen, bevor er abermals dem Schlafenden voller Gier betrachtete. „Bald! – Nur noch drei vielleicht auch vier Tage, dann kann ich mit dir machen was immer ich will und du wirst bettelnd und winselnd mir zu Füßen liegen.“

~*~

Kôji kam gegen dreiundzwanzig Uhr dreißig nach Hause. Was ihn gleich verwunderte war, dass kein Licht brannte. Er lief durch den gesamten Flügel auf der Suche nach Izumi, doch er fand ihn nicht. Daher machte er die Leute die für ihn arbeiteten wach, doch niemand hatte Takuto den Tag über gesehen.

Er suchte noch mal alles ab, doch er fand keine Nachricht. Aufgeregt griff er zum Telefon und rief Serika an, doch auch bei ihr hatte er sich nicht gemeldet. Yuugo bekam er nicht erreicht, dieser hatte das Telefon ausgezogen, da er bereits in der letzten Zeit öfter durch Klingelstreiche des Nachts aus seinen Träumen gerissen worden war. Also hieß es da bis zum Morgen warten.

Aber Kôji fand keine Ruhe. Immerzu fragte er sich warum Izumi so plötzlich verschwunden war. Die ganze Nacht lief er wie ein wildes Tier im Käfig zwischen Fenster und Telefon hin und her.

Gegen sechs Uhr morgens stöpselte Yuugo das Telefon wieder ein, nachdem er aufgestanden war und kaum zwei Minuten später klingelte es und er hatte einen völlig aufgelösten Kôji am anderen Ende.

Doch auch er konnte nicht sagen, wo sein Bruder steckte, da er schon seit ein paar Tagen nichts von ihm gehört hatte.

Kôji versuchte den Kleinen zu beruhigen den er mit seiner Unrast inzwischen auch angesteckt hatte und versicherte ihm sich zu melden sobald Takuto wieder aufgetaucht sei oder aber er näheres wusste.

 

Kaum hatte er aufgelegt, arbeitete sein Kopf fieberhaft. Doch er konnte beim besten Willen keine Erklärung finden, warum Takuto so plötzlich davon gelaufen sein sollte.

Gegen acht Uhr brachte dann ein Bote einen Brief.

 

„Mein lieber Sohn,

falls du deinen Geliebten vermissen solltest, wundere dich bitte nicht, aber der ist bereits gestern mit der Mittagsmaschine nach Japan geflogen worden und dürfte jeden Moment hier ankommen. Such nicht nach ihm, du wirst ihn doch nicht finden.

Ich habe lang genug deine Flausen erduldet, und werde sie nicht länger billigen. Was zu weit ist, ist zu weit. Du wirst SOFORT in den Schoß deiner Familie zurückkehren, deine Pflichten wieder übernehmen  und deine Verlobte, die zu dir zurückgekehrt ist, zur Ehefrau nehmen, anderenfalls werde ich „deinen Gespielen“ in achtundvierzig Stunden opfern.

Das heißt, du wirst ihn nicht wieder sehen, außer du hättest vor ihm im kalten Wasser Gesellschaft zuleisten, wo ich ihn mit Betonfüßen versenken werde.

Dein Vater

Nanjo Ryuichiro

 

Kôji schrie auf. Er schlug mit der Faust auf den Tisch, dass dieser erzitterte. Wütend las er den Brief wieder und wieder. Was bildet dieser Alte sich eigentlich ein. Es war sein Leben. Er konnte damit tun und lassen WAS ER WOLLTE. Er war alt genug, hatte keine Lust weiter nach der Pfeife seines Vaters zu tanzen, und doch… IZUMI… was sollte er machen. Der Alte hatte ihn in seiner Gewalt. Oder doch nicht?

Ihm fiel etwas ein. Schnell lief er zum Telefon, und rief einen Kommilitonen an. Der jobbte bei einer Fluggesellschaft und konnte so herausbekommen, ob Izumi tatsächlich im Flieger gesessen hätte oder ob ne Privatmaschine in Richtung Japan geflogen sei.

Jetzt hieß es wieder warten… warten… warten…

Kôji kamen die Sekunden wie Tage vor, die Minuten wie Jahre. Endlich klingelte das Telefon und er stürzte ran. „Nanjo“

„Kôji, ich bins. Ich wollte dir nur sagen, dass gestern den ganzen Tag von Deutschland aus kein Privatjet in Richtung Japan geflogen ist und die einzige Maschine die Mittags flog, war bereits seit Wochen ausgebucht, da ja eine Studentengruppe den Flug nehmen wollte. Nicht mal ein Platz in der ersten Klasse war zu bekommen. Ich hoffe das hilft dir weiter.“

„Danke mein Freund, du hast was gut bei mir. Also gibt es keine Chance dass er gestern geflogen ist?“ „Nein, außer er hätte sich als Student noch in die Gruppe geschmuggelt und einem anderen die Karte geklaut. Also höchst unwahrscheinlich, die Maschine flog auch nicht direkt Tokyo an, sondern landete in Kyoto.“

„Okay, ich danke dir. Dann werde ich erst mal hier mein Glück versuchen. Tschüß“

„Tschüß Kôji, und melde dich, wenn du ihn hast.“

„Mach ich.“

Es knackte in der Leitung, Kôji legte auf.

„Also geflogen ist er nicht, dann muss er hier noch irgendwo sein. Nur wo?“

~*~

Derweil erwachte Takuto und wunderte sich über den schmerzhaften Riss auf seinem Körper. Aber er konnte sich nicht erinnern wie das geschehen war.

Man hatte ihm die Tür zum Bad hin aufgeschlossen und auch wieder Essen bereitgestellt. So gönnte er sich erst einmal eine Dusche.

Stundenlang grübelte er über den Grund nach, warum er hier festgehalten wurde. So nah und doch so weit weg von Kôji. Er wäre nie auf den Gedanken gekommen, dass Kôji's Vater ihn als Lockvogel nahm, und dass dessen ältester Sohn, selbst seinen Vater hinterging.

In einem Anflug unbeschreiblicher Mutlosigkeit warf er sich danach auf das Bett und weinte.

~*~

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Teil 13

Eine weitere Viertelstunde verging, dann hatte Takuto die Nutzlosigkeit seines Tränenausbruchs eingesehen und wischte sich entschlossen die Augen ab.

Trotz der Rosen unter seinem Fenster hatte Takuto seine Fluchtpläne noch nicht aufgegeben. Je länger er eingesperrt war und je schwieriger seine Lage wurde, desto entschlossener war er zur Flucht. Es musste einen Weg geben diesem Gefängnis zu entkommen.

Und es gab einen Weg.

Takuto kniete bereits seit einiger Zeit auf dem Boden und knotete Streifen eines zerrissenen Leintuchs, seiner Bettwäsche, zusammen.

Da unten von Zeit zu Zeit Leute lang liefen konnte er nicht wagen, sein Rettungsseil aus dem Fenster zu lassen, um dessen Länge zu prüfen. Aber er schätzte, dass zwei oder drei weitere Leinenstreifen genügen müssten.

Im Schutz der Dunkelheit, wenn alle schliefen, würde er sich dann nach unten hin abseilen. Blieb nur noch zu hoffen, dass alles gut ging und er sich nicht in den Kletterrosenstöcken zu sehr verletzte.

In fieberhafter Hast knotete er ein Stoffende ans andere. Immer wieder zog er an dem Seil, um die Haltbarkeit der Knoten zu prüfen.

Das Rascheln des Stoffes war das einzige Geräusch im Raum. Ansonsten war es still.

Erst als Takuto den dunklen Schatten gewahrte, blickte er erschrocken auf.

„So, so. Was haben wir denn da?“ Der Mann bückte sich und riss Takuto den Stoff aus der Hand. Als er das Machwerk näher betrachtete, stieß er einen leisen Pfiff aus und musterte Takuto voller Respekt.

Dieser sprang mit der Behändigkeit einer Katze auf die Füße. Er sah seine einzige Gelegenheit entschwinden, seine Flucht scheitern. Doch als er nach dem Seil fasste, schlossen sich die Finger des bulligen Mannes um sein Handgelenk.

„Unser Herr wird nicht erfreut sein, wenn er das sieht. Er starrte Takuto lüstern an und ließ seinen Blick über dessen schmalen Körper gleiten. Die braungebrannten Arme und das Gesicht verrieten, dass auch der restliche Körper recht viel versprechend aussah.

Was für eine aufregende kleine Person! Er lächelte. Hätte der Gefangene ihm nicht schon vom ersten Moment an gereizt, hätte er ihn spätestens jetzt verrückt gemacht.

„Bei meiner Treu, so was Reizvolles und Leckeres wie dich hab ich schon lang nicht mehr gesehen“, stieß er leise hervor.

Eine lähmende Angst fuhr Takuto durch die Glieder. Er wollte zurückweichen, aber der stämmige Kerl vor ihm hielt ihn fest.

„Vielleicht“, meinte er in schmeichlerischem Ton, „tja eigentlich braucht der Herr ja von deinem durchtriebenen Fluchtplan nichts zu erfahren.“

Ungläubig riss Takuto die Augen auf. „Sie werden nichts verraten?“

Mit einer schnellen Bewegung schlang der kräftige Bursche das Seil um Takuto's Hals und zog ihn unsanft zu sich heran. Fast berührten sich ihre Gesichter.

„Das liegt ganz bei dir. Es hängt von deiner Überzeugungskraft ab.“

Takuto's Knie wurden weich. Es war offensichtlich was der Kerl wollte und schon begann der auch seine Absicht in die Tat umzusetzen.

In der einen Hand das Seil, machte er sich mit der anderen an der Kleidung von Takuto zu schaffen. Als der Gefangene sich widersetzen wollte, zerrte der Kerl ihn grob an seinem Kragen. Der Stoff zerriss und gab den Blick auf gebräunte Haut darunter frei.

„Bitte… Ich will das nicht.“ Takuto schluckte. Angst schnürte ihm die Kehle zu. Vielleicht gelang es ihm, an das Ehrgefühl dieses Gorillas zu appellieren, falls der so etwas besaß. „Bitte, ich bin… ich bin nicht schwul.“

Die Augen des Riesen leuchteten auf. „Um so besser!“

Er zwirbelte das Seil und als Takuto einen erstickten Laut von sich gab, grinste er boshaft. „Verzeih mir, Kleiner. Ziehe ich zu fest. Es wäre schade um dich.“

Takuto krallte die Hände in das Seil, aber der Mann drehte unbarmherzig weiter.

„Bitte nicht!“, flehte Takuto mit vor Tränen erstickter Stimme. „Ich … ich kann… nicht mehr… at…men.“

„Ich soll also loslassen, Kleiner?“

Er nickte und umklammerte die Hände seines Peinigers, aber der lachte nur und zog noch fester.

„Dein Widerstand ist zwecklos“, höhnte er, „früher oder später bist du mein. Gleich wirst du bewusstlos sein und wenn du wieder zu dir kommst, wirst du wissen was mir viel Vergnügen bereitet.“

„Nein!“ Takuto sah das widerlich grinsende Gesicht vor ihm nur noch verschwommen. Alles um ihn herum drehte sich. Der Boden unter ihm schwankte.

Der Strang um seinen Hals wurde enger und enger. Aber er kämpfte. Er trat und tobte, grub seine Fingernägel in die Hände seines Peinigers, doch der lockerte das Seil nicht.

Ein merkwürdiges Summen sirrte in Takuto's Ohren. Schwarze Flecken tanzten vor seinen Augen. Eine welle dumpfer Stille überflutete ihn. Er schwankte, taumelte, fiel, suchte verzweifelt Halt. Aber seine Hände griffen ins Leere und sanken kraftlos an ihm herab.

Der Boden unter ihm drehte sich, immer schneller. Dann kniete der Kerl über ihm, griff nach dem Tau, lockerte es gerade genug, dass Takuto nicht erstickte.

In einem dunklen Winkel seines schwindenden Bewusstseins vernahm Takuto das Geräusch, als seine Kleidung vom Körper gerissen wurde.

Er war kaum noch bei Bewusstsein, aber ein übermenschlicher Wille verlieh ihm die Kraft sich weiter gegen seinen Angreifer zu wehren. Wild bäumte er sich auf, als der Kerl in haltloser Gier an Takuto's Hose zerrte. Er griff nach dessen Händen und zerkratze sie mit seinen Fingernägeln.

„Du biestige kleine Raubkatze, wann gibst du endlich auf? Ich krieg doch was ich will“, zischte der Kerl wütend und drückte Takuto's Hände auf dessen Brust.

Da biss Takuto zu, grub seine Zähne tief in das Fleisch, bis er den Geschmack von Blut spürte.

Der Schmerz versetzte den Mann in rasenden Zorn. „Dummer Junge!“, stieß er hervor und schlug Takuto so heftig ins Gesicht, dass dessen Kopf zur Seite flog und hart auf den Boden aufprallte.

Ein stechender Schmerz durchzuckte Takuto, Sterne tanzten vor seinen Augen und dann sank er kraftlos zurück. Er spürte den widerlichen, heißen Atem des Anderen, spürte die ekelerregende Berührung seiner Hände. Aber sein Widerstand war gebrochen.

„Lass den Jungen in Ruhe!“

Wie aus weiter Ferne drang die Stimme in Takuto's Bewusstsein. War es ein Traum? Eine Sinnestäuschung?

Der hechelnde Atem war nicht mehr zu spüren, die Hände wurden fortgezogen. Plötzlich war es ganz still im Raum.

Takuto schlug die Augen auf und mit einem Schlag wich der entsetzliche Alptraum einem neuen, wahrscheinlich noch Schlimmeren. Vor ihm stand Nanjo Hirose.

Er hielt ein Messer in der Hand. Kalter Zorn sprach aus seinem Blick. Drohend ging er auf den bulligen Kerl zu, dem der Angstschweiß auf der Stirn stand.

„Er wollte fliehen. Ich hab ihn nur daran hindern wollen.“ Hastig sprang er auf und wich von Takuto zurück, als er dessen funkelnde Augen sah.

Hirose bemerkte nun erst die zerfetzte Kleidung von seinem Gefangenen. Er kam näher heran, betrachtete das geknotete Seil welches sich auf dem Boden schlängelte und sah dessen Spuren an Takuto's Hals. „Ach ja?“ Ungläubig sah er den Mann an und mit scharfer Stimme sprach er weiter: „Und da fiel dir nichts besseres ein, als ihn zu erwürgen um ihn ficken zu können? Oder wie soll ich das hier verstehen? Mach das du mir aus den Augen kommst und lass dich nicht noch mal blicken, bevor ICH mit ihm fertig bin! Verstanden?“

Der Mann nickte und verschwand.

Dann betrachtete Hirose sich das Werk von Takuto genauer und musterte mit düsterer Miene die doppelt und dreifach gezurrten Knoten. Als er mit den Blicken der Länge des Seils folgte, sah er dass es in einer Schlinge um Takuto's Hals endete. Er sah auch die tiefvioletten Würgemale und dann die Risse in der Kleidung, die aufgeplatzte Naht in der Hose. So sah keiner aus, der sich freiwillig in sein Schicksal ergibt. Er schien sich kräftig gewährt zu haben. Sollte er sich getäuscht haben und Takuto sei von Kôji doch noch nicht angerührt worden? ‚Unwahrscheinlich, aber möglich. Und… um so besser, dann wird es mir ein Vergnügen sein, ihn nebenbei ein bisschen einzuweisen.’, schoss es ihm durch den Kopf.

Hirose ließ den Blick höher wandern, bis er Takuto's begegnete. Er las darin grenzenlosen Schmerz und Angst, nackte Angst. Ein befriedigter Ausdruck trat auf sein Gesicht. Das war es was er sehen wollte, aber nicht ein anderer sollte diese Angst in seinem Opfer auslösen, sondern er selbst.

Mit einem fiesen Lächeln nahm er Takuto die Schlinge vom Hals ab, wickelte das Seil zusammen und verließ damit den Ort des Geschehens.

Nicht ein Wort der Erklärung, was er da zu suchen hatte. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss, der Schlüssel wurde gedreht. Takuto war wieder allein.

 

Hilflos sah er an sich herab, sah das Blut und wusste doch, dass er selbst unverletzt war.

Wie lange er da schon gesessen hatte und seiner verpassten Chance nachtrauerte, wusste er nicht. Er musste die Sache erst verdauen.

Plötzlich hörte er die Tür. Einer der Männer die ihn eingesperrt hatten brachte einen Stapel Kleidung und verschwand wieder. Also nahm Takuto erst einmal eine erfrischende Dusche und entledigte sich dazu seiner blutbeschmierten Kleidung.

~*~

Da er den ganzen Tag noch nichts zu sich genommen hatte, ging er anschließend zu dem Tisch hinüber, auf dem neben einem Glas eine große Karaffe mit frischem Wasser stand und schenkte sich daraus ein. Erst einmal prüfte er das Wasser darauf ob sich was abgesetzt hatte, aber da dem nicht so war, trank er davon.

Er trank es in großen Zügen, auch wenn ihn das Schlucken schmerzte. Er war wie ausgedörrt.

Essen wollte er nicht. Er schwor sich nur das Wasser zu sich zu nehmen und dass Essen keinesfalls anzurühren, da er darin das Schlafmittel vermutete.

Doch er hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht, diesmal hatte Hirose dem Wasser eine flüssige geschmackslose Droge beigefügt und auch so verschlief er wieder den größten Teil des restlichen Tages. Hirose war zufrieden.

 

Während dieser Zeit führte Kôji seine Telefonate.

~*~

Als Izumi wieder schlief kamen die Kerle erneut, wieder wurden Bilder gemacht, doch vorher mussten die Würgemale mit Theaterschminke unkenntlich gemacht werden und erneut musste die schlafende Schönheit sich den Blicken von zwei Videokameras in verschiedenen Posen stellen, aber immer so, dass die geschlossenen Augen nicht verrieten dass er in Wahrheit schlief., die Frau versah dazu seinen Körper mit diversen Knutschflecken. Über die sich Takuto doch bestimmt am nächsten Tag sehr wundern dürfte, aber das war Hirose egal. Er würde hier sowieso nicht lebend raus kommen, also warum sollte sein Körper nicht vorher noch mal die Lippen einer Frau zu spüren bekommen? Auch wenn er selbst nichts davon wusste.

Die Aufnahmen waren bald erledigt und Takuto wurde wieder in sein Gefängnis gebracht. Doch diesmal nicht in das, worin er die bisherigen Stunden verbracht hatte. Da er kaum mehr das Essen und Trinken anrühren werde, und Hiroses Spielzimmer inzwischen fast komplett eingerichtet war, wurde Takuto gleich runter in den Keller gebracht, wo man ihn an Händen und Füßen auf eine Pritsche fesselte, und an einen Tropf hing. So wurde ihm Nahrung gemeinsam mit der Droge eingeflößt, welche ihn noch bis zum nächsten Tag in diesem Schlafzustand halten sollte.

Als Hirose ihn so liegen sah, schloss er noch die letzten Videokameras an, vergewisserte sich dass die Fesseln festsaßen und er keine Möglichkeit hätte den Tropf aus dem Arm zu ziehen und zog die Tür dann ins Schloss. Abschließen brauchte er nicht, das Schloss war eh noch kaputt und der Gefangene hätte sowieso nicht die Flucht ergreifen können.

 

Doch eines hatte er nicht bedacht. Wie es hieß, war Takuto der Gespiele seines Bruders und dieser Kerl von vorhin war nicht der Einzige der ein Auge auf ihn geworfen hatte. Da er nun wehrlos war und Hirose selbst dafür gesorgt hatte, das sich nicht herum sprach was sein Bediensteter da mit Takuto angestellt hatte, sahen die anderen hier eine Möglichkeit, sich mit dem hilflosen Takuto zu vergnügen. Sie hatten genauso perverse Ansichten wie ihr Herr, hatten sie ihm doch jahrelang bei seinen Spielchen unterstützt.

Den anderen Kerl hatte Hirose zwar wohlweislich gleich vom Grundstück gejagt, doch ahnte er nicht, dass von seinen beiden Mitarbeitern die gleiche Gefahr ausging.

 

Hirose schaltete oben die Monitore an, und starrte noch eine ganze Weile auf den schlafenden, jungen Mann, den er da in seiner Gewalt hatte.

„Wie lange hab ich auf den Zeitpunkt gewartet, und nun ist es bald so weit. Morgen, ja morgen schon würde er sich an den Schmerzen die er diesem Takuto Izumi zufügen würde, erfreuen können, morgen sobald er aufgewacht sei.“

Mit diesen Worten und einem niederträchtigen Schmunzeln begab Hirose sich zu Bett.

 

Aber die zwei warteten nur darauf. Sie hatten genau mitbekommen, dass die Türe nicht verschlossen worden war und dachten sich, sie könnten noch ein bisschen ihren Spaß mit dem „Schläfer“ haben.

Also lösten sie die Fesseln und unterbrachen auch die Zufuhr vom Tropf, aber sie ließen dass Teil stecken um ihn jederzeit wieder unter Kontrolle bringen zu können.

Dann wurde der immer noch Schlafende von ihnen entkleidet und sie fesselten seine Hände an die Eisenkette, welche von der Decke hing, hoch über seinen Kopf und zogen ihm anschließend das Lederkorsett - was ebenfalls daran befestigt war - an. Als dies geschehen war zogen sie an der Kette, so dass seine Füße in der Luft hingen. Nun wurden auch diese mit Ketten fixiert, so dass er nicht mehr in der Lage war seine inzwischen gespreizten Beine zu schließen.

Als Izumi nach einiger Zeit die Augen aufschlug, sah er geradewegs in die Gesichter von den beiden Männern die ihn entführt hatten. Dann wurde er sich seiner komischen Haltung bewusst und auch dass man ihm seiner Kleidung beraubt hatte.

„Was wollt ihr.“, kam ein angstvolles Flüstern. Takuto riss die Augen auf. Er schien langsam zu begreifen was hier gerade vor sich ging.

Panische Angst befiel Takuto und sein Herz klopfte ihm bis zum Hals. Instinktiv wusste er jedoch, dass jetzt alles darauf ankam nicht die Fassung zu verlieren und Besonnenheit zu wahren.

Und noch mal: „WAS WOLLT IHR VON MIR?“ Diesmal schrie er es mutiger geworden heraus, aber es half nichts, nur hämisches Gelächter erwartete ihn.

„Nur ein bisschen Spaß!“

„Kôji wird euch das nie verzeihen!“ Die Panik in Takuto nahm zu, er zappelte in den Ketten aber sie gaben nicht nach.

Alles was er darauf erntete war wieder ein kraftvolles Gelächter. „Wenn Kôji vernünftig ist, wird er jetzt schon im Flieger zu seiner Familie sitzen.“, sagte der eine.

„Soll ich ihn wieder ruhiger stellen?, fragte der andere, welches Hiroses Diener war, den der Takuto's bisher immer noch unbekannt war.

„Nein, bloß nicht, wo bleibt denn unser Spaß, wenn er da wie ne leblose Leiche hängt.“

„Das könnt ihr doch nicht tun?“, wimmerte Takuto.

„Warum nicht? Warum soll der Herr Hirose alleine den ganzen Spaß haben? Wir haben uns genauso die Tage und Nächte um die Ohren geschlagen.“

„N-E-I-N-!“

„Warum zierst du dich so? Der junge Herr wird dir doch wohl schon beigebracht haben, was ein Mann so zum Leben braucht.“ Er lachte hinterhältig auf. „Und wenn du noch unberührt sein solltest, werden wir dich jetzt noch wunderbare Dinge lehren, bevor der Herr dich endgültig kaputt spielt. Und falls nicht, werden wir drei zweifellos uns gegenseitig Genuss bereiten. Vielleicht kannst du uns sogar noch was beibringen? Na wie wär’s?“

Er stieß ihn brutal, so dass Takuto gefährlich in den Ketten hin und her wippte. Er schrie, doch die beiden lachten nur. Dann zog der eine ihn zu sich heran und betatschte Takuto's Oberkörper gierig.

„So weiche, junge Haut und wirklich noch narbenfrei, na ja bis auf das hier …“ Er zeigte auf die rote Schramme quer über seinen Vorderleib und wunderte sich auch über die Würgemale. „War dein Liebhaber so stürmisch, dass er dir so was angetan hat? Das können wir sicher auch, wenn du das brauchst, um heiß zu laufen.“

Er griff Takuto hart an den Penis, so dass dieser die Augen schloss, tief einatmete und durch die Zähne pfiff.

„LAUTER, KLEINER… Wir wollen dich schreien hören!“, forderte der Diener Hiroses.

Doch Takuto wollte sich nicht die Blöße geben. Er atmete nur noch stoßweise. Sein Mund fühlte sich wie ausgetrocknet an. Er schrie noch einmal laut auf, als der Unbekannte auf einmal in ihn stieß und versuchte, wenn auch vergeblich nach dem Kerl hinter ihm zu treten, aber da griff der andere schon wieder nach seinem Geschlechtsteil und drückte hart zu.

Entsetzt kam Takuto zu Bewusstsein, dass es hier keine Menschenseele gab, die auch nur einen Finger zu seiner Befreiung rühren würde.

„Du machst zu viel Lärm, Yamato“, zischte der Unbekannte. „Sei stiller, was wenn der Herr das mitbekommt was wir hier machen… Und du auch, leiser, sonst stopf ich dir den vorlauten Mund.“

„Dann lasst ab von mir…!“, bat Takuto, doch noch eh der Satz ganz zu Ende gesprochen war, schlug der Mann namens Yamato ihm brutal ins Gesicht und zog anschließend seine Fingernägel ihm quer über die Brust bis hinunter zur Taille, wobei er tiefe lüsterne Laute ausstieß.

Takuto zischte und rang verzweifelt nach Luft. Das tat weh, brannte wie Feuer. „Gibt es denn in Hiroses Umgebung nur solche Schweine wie euch?“ Takuto keuchte.

Nebenbei verging sich dieser andere auch noch von Hinten an ihm, und ihm blieb nicht mal die kleinste Hoffnung auf einen Fluchtweg. Nun fing dieser Yamato auch noch an seinen Hals und den Oberkörper mit feuchten, ekelerregenden Küssen zu überschütten und zwischendurch mit der Zunge die roten Striemen die er verursacht hatte nachzufahren.

Krampfhaft versucht Takuto die Beine zusammenzudrücken um den Störenfried von hinten rauszuzwängen, aber die Ketten hinderten ihn daran. Er versuchte den vorderen zu beißen doch der wich mit seinem Kopf Takuto's Angriffen immer aus.

„Geht weg ihr Schweine… VERSCHWINDET! Lasst mich in Ruh…!“

BATSCH! Da hatte er eine Faust im Gesicht. „Halt die Klappe oder ich stopf sie dir!“, entrüstete sich Yamato. Von hinten kam nur noch ein kehliges Stöhnen, der Mann schien sich total aufgegeilt zu haben und wurde immer schneller und heftiger. Das Blut lief Takuto schon längst die Beine hinunter und er schrie vor Schmerz auf.

 

Plötzlich hörten sie eilige Schritte.

„Der Herr?“ Die Augen der beiden wurden größer. Schnell zog der Unbekannte seinen Schwanz aus Takuto und zog die Hose hoch, obwohl er noch nicht zum Zug gekommen und noch total heiß war, aber er wollte sich nicht so bei was Verbotenem erwischen lassen, obwohl die Blutspuren ihn ohnehin verraten hätten.

Da hörten sie eine Tür neben ihrer sich öffnen und wieder schließen.

Takuto schluchzte vor Verzweiflung laut auf, schöpfte jedoch neue Hoffnung, als er das Geräusch von schnell näher kommenden Schritten hörte.

„Weiß der nicht mehr, wo wir ihn...“ Weiter kam er nicht mehr, da wurde die Tür auch schon aufgerissen, und dann stand da ein wütender Kôji mit dem Katana in der Hand im Raum, keine drei Meter von ihm und diesen beiden Schurken entfernt.

Sekundenlang herrschte gespenstische Stille im Raum. Mit zwei Blicken hatte Kôji die Lage erfasst. Seine Lippen waren nur noch als schmale, harte Linie zu erkennen. Er hielt den Blick starr auf die beiden Übeltäter gerichtet. Niemals in seinem Leben hatte Kôji einen Menschen mehr gehasst als jene beiden in diesem Augenblick und noch eh die beiden ein Wort zu ihrer Verteidigung sagen konnten, lagen sie niedergestreckt auf dem Boden und sollten nie wieder damit liebäugeln können, Takuto auch nur ein Leid antun zu können.

Dann schmiss Kôji das Katana zur Seite, und machte sich daran, seinen Izumi zu befreien.

Es dauerte einige Zeit bis Takuto wieder zu sich kam, und Kôji erkannte. Er wollte sich die Tortour nicht anmerken lassen und rappelte sich mühsam auf. „Danke Kôji“, sagte Takuto erleichtert, umarmte ihn und gab ihm einen zärtlichen Kuss. Unversehens erkannte Kôji, wie viel ihm Takuto wirklich bedeutete. Er war sein Ein und Alles, sein Leben, seine Zukunft.

Nichts auf der Welt besaß größere Bedeutung für ihn als sein geliebter Engel Izumi. Er streichelte seine Wange, schaute ihm lächelnd in die Augen, wie ein Versprechen ihn von nun an besser zu beschützen. Er fasste ihn leicht am Kinn und kurz darauf verschmolzen ihre Lippen zu einem flammenden Kuss, der Takuto um Vergebung bitten sollte.

„Ich liebe dich“, sagte Kôji rau, „lass uns hier schnellstens verschwinden.“ Er wandte sich um und ging hinaus, rechts und links vor der Tür guckend, ob sie noch mit mehr Angreifern zu tun hätten. Dann kam er wieder hinein. Ein unbeschreibliches Gefühl des Glücks erfüllte Takuto und es dauerte eine Sekunde, bis er begriff was Kôji gesagt hatte.

Takuto hatte sich inzwischen angekleidet und sich auch schon etwas erholt, doch eigentlich war er noch etwas wacklig auf den Beinen und so nahm Kôji ihn entschlossen auf die Arme und trug ihn zurück in den anderen Flügel, in sein Schlafzimmer.

~*~

Hirose indes hatte unruhig geschlafen, er wollte sich vergewissern, ob Izumi Takuto noch schlief und sah gerade noch das Gemetzel und auch was die beiden da wohl gerade mit seiner Geisel gemacht hatten. Er seufzte bedauernd auf, ging vorsichtshalber zu seiner Zimmertüre und schloss sie ab. „Hauptsache Kôji weiß nicht dass ich auch hier bin. Die Zwei konnten es ihm mir Sicherheit nicht sagen und Takuto wird ihn mit Sicherheit wohl nicht verraten.“ Somit legte er sich wieder hin und schlief weiter.

~*~

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Teil 14

Es war eine sternenklare, aber kalte Nacht. Der Vollmond erhellte mit seinem kalten Licht… die Straßen und leuchtete auch so manchem verliebten Pärchen was sich um diese Zeit noch in Parkanlagen - auf den Bänken aneinander gelehnt - küssten.

Er spürte, dass Izumi lieber allein bleiben wollte und legte ihm ans Herz sich hinzulegen und auszuruhen.

Gerade wollte er zur Tür hinausgehen, als Takuto sich seines Hemdes entledigte. Kôji hielt kurz inne. Irgendwas schien nicht in das Bild zu passen. Wie sonst auch konnte er sich an seinem Izumi nicht satt sehen. Ein träumerisches Lächeln legte sich auf sein Gesicht. Aber dann wusste er, was es war, er sah es und es ließ sein Lächeln gefrieren. Schnell stürmte er auf seinen Izumi zu, der erschrocken zusammenfuhr. Ängstlich sah er Kôji an, als dieser sein Kinn umfasste und Takuto's Gesicht emporhob. Doch dann entdeckte er den schmerzhaften Ausdruck in Takuto's Augen.

„Was ist das? … Haben sie dich gewürgt?“, flüsterte Kôji. „Haben sie dich etwa schon öfter… Ich kam nicht rechtzeitig genug, hätte dich viel eher finden müssen. Meine Schuld… meine…“ Kôji riss die Augen auf. Langsam ließ er die Finger über die dunklen Male an Takuto's Hals gleiten und untersuchte jede einzelne Stelle. Wer auch immer dir das angetan hat, er wird es bitter bereuen. Ich finde den Kerl und dann…“

„Es wird heilen“, sagte Takuto leise. „Ich wollte mit einem selbst gemachten Seil fliehen und wurde dabei überrascht.“

„Wenn es in meiner Hand läge…“, Kôji drückte sanft die Lippen auf die blauvioletten Würgemale, „dann würde ich dir deine Schmerzen abnehmen.“

Takuto stand regungslos da, aufgewühlt von übermächtigen Gefühlen. Kôji durfte niemals erfahren, dass er sich wahrscheinlich die ganze Zeit über in den Händen seines ältesten Bruders befunden hatte. Obwohl er nach der gerade überstandenen Tortur sich lieber in ein Schneckenhaus zurückgezogen hätte, wehrte er sich nicht gegen Kôji's federartiges Streicheln an seinem Hals mit Fingern und Lippen. Wie liebevoll, wie sanft und zärtlich doch diese Berührungen waren. Er hatte das Bedürfnis ihnen auszuweichen, doch wusste er auch das Kôji dies nicht zulassen würde. Er würde Fragen stellen. Fragen deren Antwort er selbst lieber für sich behielt, als sie mit Kôji zu teilen. Immer wieder holte er sich vor Augen, dass Kôji ihm so etwas Schlimmes nicht antun würde.

Aber war er sich dessen so sicher? Es war ein Nanjo und doch… es waren Hiroses Diener gewesen, also hatte er diese Schmerzen keinem Nanjo direkt zu verdanken, obwohl dieser bestimmt Ähnliches mit ihm vorgehabt hätte, sollte Kôji erst einmal wieder in Japan sein. Schnell schloss er seine Augen, damit Kôji in ihnen nicht seine hilflose Wut erkennen konnte, stöhnte innerlich auf. Ohnmächtig vertrieb er seine düsteren Gedanken und gab sich Kôji's Liebkosungen hin.

Nach einer Weile hörte dieser jedoch auf, ihn zu küssen. Er spürte dass Takuto einfach nicht bei der Sache war und schrieb dies der Schwere des Erlebten zu. Und wie wahr, Takuto's Gedanken kehrten immer wieder zu dem Punkt zurück: Warum das alles? Es musste einen Grund geben. Mehr als nur die Gier des Nanjo-Bruders nach ihm.

Da fiel es ihm siedendheiß ein. Er riss die Augen auf und schien zu verstehen. „Wenn ich dir wirklich wichtig bin Kôji, lass uns hier und kehre zu deiner Familie zurück. Ich glaube sie wird uns sonst nie in Ruhe lassen.“

Kôji musterte sein gegenüber. Takuto war vollkommen beherrscht. Sein Blick verriet nicht die kleinste Regung.

„Denkst du wirklich ich könnte dich aus meinem Leben verbannen und glücklich dabei werden, wenn ich wieder zurückkehre? NIEMALS!“

Ein trauriges Lächeln huschte über Takuto's Gesicht. „Doch du kannst es, wenn du willst. Du hast schon so viel für uns getan, und ich glaube fest an dich.“

Kôji machte eine blitzschnelle Bewegung. Ehe Takuto mit der Wimper zucken konnte, hatte er ihn bei der Hand gepackt und herumgewirbelt. Dann umschlang er ihn von hinten mit den Armen und drückte ihm die gekreuzten Hände auf den Magen.

Takuto's Atem ging keuchend. Sein Puls raste. Mit jeder Faser seines Körpers spürte er Kôji's sinnliche Wärme, der ihn an sich gepresst hielt.

„Nun Izumi?“ Sein Atem war heiß und seine Lippen streiften sanft das Haar an Takuto's Schläfe. „Ich glaube, das vergessen wir ganz schnell wieder. Wir würden beide unglücklich damit werden. Ich will davon nichts mehr hören, denn es kommt auf keinen Fall in Frage.“

Takuto stieß scharf die Luft aus und versuchte mit aller Kraft sich freizukämpfen. Aber er wurde wie von eisernen Klammern festgehalten.

„Kôji, ich denk dabei nicht nur an mich, sondern auch an Serika und Yuugo. Wenn sie mich auch kein zweites Mal kriegen sollten, dann vielleicht sie. Ich würde mir ewig Vorwürfe machen, wenn ihnen etwas passiert, wenn ich es hätte verhindern können.“

„Das lassen WIR nicht zu!“

„Und wie willst du das verhindern?“ Takuto gab das Kämpfen auf. Stattdessen wehrte er sich gegen sein erwachendes Verlangen nach dem Mann, der ihn immer noch an sich gedrückt hielt.

„Ich weiß noch nicht, aber erst einmal haben wir einen kleinen Sieg errungen, als ich dich da rausholte.“

„Sieg? Du spinnst! Wer war hier der Sieger?... Sie hatten mich mehrere Tage und Nächte in ihrer Gewalt. Ich war ganz in deiner Nähe und doch so weit von dir entfernt, dass du nicht wusstest wo ich war. Sie sind im Haus, und du sprichst von einem Sieg? Willst du mich hier die kommenden Jahre in das Zimmer einsperren, damit sie mich nicht wieder holen kommen? Was passiert wohl das nächste Mal?“

„Es wird kein nächstes Mal geben. Wir beide gehören zusammen. Er strich mit dem Daumen leicht über die kleine Erhebung unter der Takuto's Brustwarze versteckt lag, sog den Duft seiner Haut am Hals ein, ließ die Lippen über das Haar gleiten. Heftiges Verlangen erfasste ihn und er spürte wie Takuto erbebte. Kôji fragte sich nach der Ursache für Takuto's Reaktion. War es seine Nähe oder der Gedanke an vergangene oder bevorstehende Ereignisse? Er ließ Takuto los und trat einen Schritt zurück.

Als Takuto sich langsam umdrehte, lag ein hinreißendes Lächeln auf seinem Mund und doch die Augen wirkten noch nicht gänzlich überzeugt, sondern traurig.

„Sie werden uns in Ruhe lassen. Schluss jetzt! Kein Wort mehr davon!“

„Aber…“

Kôji heftete einen Blick auf Takuto seine Lippen und dann einem plötzlichen Impuls folgend küsste er Takuto. Küsste ihn so wild und leidenschaftlich, dass er ihm die Sinne raubte.

Der tiefe erregende Kuss ließ Kôji alles andere vergessen. Er verlor sich in Takuto's Wärme, in seinem Duft, seinem berauschenden Zauber. Er versank in einem Taumel von Zärtlichkeit, fühlte wie seine Sinne nur noch Izumi wahrnahmen. Er wollte ihn am liebsten nie wieder loslassen, wollte ihn vor allem Bösem beschützen.

Langsam löste Kôji den Mund von Takuto's Lippen. Was war nur in ihn gefahren? Noch nie hatte irgendwer ihn so von seiner Pflicht abgelenkt. Er sorgte sich um ihn, fürchtete um seine Sicherheit und sein Leben und doch er durfte es Izumi nicht zu offen zeigen. Es würde ihn nur verletzlicher machen und dies konnte bei so gefährlichen Gegnern wie seiner Familie wirklich über Leben und Tod entscheiden. Die geringste Ablenkung, die kleine Unaufmerksamkeit konnte erneut Unheil heraufbeschwören.

Kôji wich langsam von Takuto zurück. „Ich sollte besser gehen.“, flüsterte er heiser. „Ich hab noch eines zu tun, aber vorher möchte ich noch deine Verletzungen reinigen.“

~*~

Eine ganze Weile war vergangen und Takuto fielen inzwischen schon fast die Augen zu. Kôji war ihm beim Baden behilflich gewesen und hatte danach seine Wunden versorgt und nun… war er wieder allein, lag in dem großen Bett und konnte doch nicht einschlafen.

Immer wieder musste er an das Grauen zurückdenken und weinte still vor sich hin. Wie erstaunt war er aber, als er gerade am wegdämmern war und sich überrascht die Tür zu Takuto's Schlafzimmer öffnete und Kôji eintrat.

„Du?“, fragte Takuto unsicher. Und wischte sich die salzigen Tränenspuren mit dem Handrücken fort.

„Kann ich bei dir bleiben? Ich kann einfach nicht einschlafen und würde gerne noch mit dir etwas reden.“

Takuto nickte.

„Außerdem ist mir kalt. Ich werde einfach nicht warm und mein Zimmer ist auch irgendwie nicht genug geheizt.“

Als Antwort schlug Takuto nur die Bettdecke zurück. „Komm her, du Frostbeule.“

Nachdem Kôji seinen Yukata abgelegt hatte, spürte Takuto schon die Kälte von Kôji's Körper, ohne ihn jedoch berührt zu haben. Seinem inneren Wunsch nachkommend, schmiegte er sich an ihn und schenkte ihm seine eigene Wärme.

Gebannt schaute Kôji in die unendlich traurig wirkenden Augen und suchte nach einer Entschuldigung, dass es solange gedauert hatte bis er ihn endlich fand. Doch statt beruhigend auf Takuto einzureden, presste er plötzlich den Mund auf Izumis Lippen und küsste ihn leidenschaftlich.

Takuto spürte, wie Kôji ihn zu sich hochzog und dicht an sich schmiegte und ließ es geschehen. Er hatte das Gefühl, der Boden würde unter seinen Füßen nachgeben und klammerte sich nach Halt suchend an Kôji fest. Seine Lippen schienen unter Kôji's fordernder werdenden Liebkosungen zu glühen, und Takuto meinte, er würde bis auf den Grund seiner Seele vorstoßen.

Nur undeutlich nahm er wahr, dass Kôji mit den Lippen über seinen Hals, die Würgemale entlang, strich und sacht weiter nach unten zur linken Brustwarze fuhr. Takuto hörte auf zu weinen und genoss verwundert das Gefühl von Kôji's starken Händen auf seinem Körper. Kôji's Finger tasteten zaghaft weiter bis sie die zarten Spitzen unter dem Schlafshirt erreichten und dort verweilten bis sie sich aufrichteten, um kurz darauf das Shirt Izumi über den Kopf abzustreifen.

Gemeinsam ließen sie sich aus der Sitzstellung auf das Bett sinken, wo Kôji nun unendlich sanft die aufgerichteten Spitzen mit der Zunge weiterbearbeitete und seine Arme sich eng um Takuto's Körper legten.

„Wir werden nicht wieder getrennt, keine Angst! Nie wieder! Das lasse ich nicht zu!“

Mit einem Seufzen öffnete Takuto die Augen, welche er schon eine ganze Weile geschlossen hatte, um Kôji besser spüren zu können. Dicht über ihn sah er Kôji's feine Gesichtszüge mit seltsam verschleiert anmutenden dunklen Augen. Er wirkte so wie er augenscheinlich war, hilflos und gar nicht wie der stets beherrschte, kühle Mann, den er den anderen seiner Familie immer „vorspielte“.

Plötzlich spürte Takuto sich in seiner Gewissheit bestätigt, dass er eine gewisse Macht über Kôji ausübte. Er schlang seine Arme um ihn und ließ sich vom Taumel der Gefühle, die nun folgen sollten, mitreißen.

~*~

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Teil 15

Draußen regnete es schon den ganzen Tag. Takuto schlenderte durch sein Zimmer und sah aus dem Fenster. Irgendwie war ihm langweilig.

Kôji hatte den ganzen Tag auswärts zu tun, wie an einigen der vergangenen Tage auch schon und wollte ihn diesmal nicht dabei haben. Also war er wieder einmal zu Hause geblieben.

Inzwischen kannte er von diesem Flügel hier jedes Zimmer. Die Arbeiter hatten auf Grund der Wetterlage ihre Arbeit eingestellt und waren schon längst weg. Niemand war da mit dem er hätte reden können und bei diesem Wetter in den Ort hinuntergehen, wollte er auch nicht. Also sah er sich in seinem Zimmer näher um.

Er öffnete verschiedene Schränke und schloss sie wieder, nachdem er einen Blick hinein geworfen hatte.

Nichts Besonderes fand er, die meisten waren leer. Er hatte nicht viele Sachen, die er darin hätte verstauen können.

Gegenüber seinem Bett fand er einen großen Schrank, in welchem er einen eingebauten Fernseher fand, schloss man die Schranktüren konnte man ihn nicht mehr sehen. Auf der Suche nach der dazugehörigen Fernbedienung öffnete er die Schublade die sich darunter befand und sah einen Videorecorder.

Sein Interesse war geweckt. Vielleicht konnte er hier auch ein paar Videos finden?

Aber Fehlanzeige. Nach erfolglosem Suchen gab er schließlich auf, denn nichts dergleichen befand sich in seinem Raum. Also ging er in Kôji sein Zimmer und sah sich dort drin um. Nach einigem Durchstöbern der Schränke fand er ein paar Hüllen, die alle ziemlich eigenartig beschriftet waren. Den Bildern nach zu urteilen, waren es eher Aufnahmen welche nicht wirklich von Interesse für ihn waren.

Doch was war das? Eine trug nur das mit Bleistift geschriebene Datum von vor drei Tagen? Ob Kôji da was aufgenommen hatte?

Auch da war er den größten Teil des Tages auswärts gewesen, fiel es Takuto wieder ein. Abends war er dann so müde, dass Kôji gleich zu Bett gegangen war. Sie hatten sich an dem Tag nur ganz kurz gesehen, da Kôji ihn nicht mal in sein Zimmer gelassen hatte, sondern ihn gleich an der Tür abfertigte.

Neugierig geworden, was auf dem Band wohl drauf sein könnte, nahm er es an sich und ging damit in sein Zimmer zurück.

Dort legte er es in das Gerät ein und setzte sich auf das Bett, bestätigte das Abspielen und wartete.

Zuerst war es nur blau…. Dann schwarz und plötzlich sah er Kôji aus dem Bad in sein Zimmer kommen, nur mit einem Handtuch unten herum bekleidet.

Dann setzte sich Kôji auf das Bett. Das Gesicht war nicht zu erkennen. Trotzdem verriet seine Haltung dass er müde sein musste. Er saß eigenartiger weise nicht aufrecht. Sein Kopf war in die andere Richtung des Zimmers gerichtet und hing so eigenartig, so dass Takuto davon ausging, dass er wahrscheinlich irgendetwas las. Aber warum sollte er sich in dieser Position selbst aufnehmen? Vor allem wo war die versteckte Kamera? Er hatte bei Kôji im Zimmer keine gesehen.

Auf einmal setzte Takuto's Herz für zwei, drei Schläge aus. Wer war das denn?

Eine langhaarige Blondine erschien auf der Mattscheibe, steuerte geradewegs Kôji's Bett an und schmiegte sich von hinten an ihn,… hielt ihm scheinbar die Augen zu und nun… nun bückte sie sich auch noch zu ihm hinunter. Mist. Er konnte Kôji nicht sehen. Dieses Biest verdeckte ihn.

Aber er schien nichts dagegen zu haben. Jetzt fiel auch noch ihr Bademantel und Takuto konnte sehen wie noch Wasser aus ihren Haarspitzen über ihren Körper, ihren Po, die Schenkel hinab lief und sich in einer kleinen Pfütze zu ihren Füßen sammelte.

ER hatte genug gesehen. Mehr wollte er nicht. Er betätigte die Fernbedienung und schaltete das Gerät ab.

Eine ganze Weile starrte er noch auf die schwarze Scheibe und überlegte was das sollte. Wer war sie, was machte sie hier? Und vor allem… warum hatte Kôji ihm nichts von ihr erzählt?

Es konnte nur ein Irrtum sein. Takuto hörte noch immer wie Kôji ihm das Geständnis gemacht hatte, dass er ihn brauche. Nie mehr ohne ihn sein will. Das kein anderer Mensch auf der Welt mehr für ihn zählt und nun…?

Nein. Es musste sich hier um einen unangemeldeten Besucher handeln. Kôji würde sie sicher gleich von sich schubsen und rausjagen. Doch wenn sie zu Besuch war, warum hatte er von ihr nichts mitbekommen?

Takuto drückte erneut auf >PLAY<. Das Bild wackelte kurz, fand seine Spur wieder. Takuto ging auf Rückspulen und sah sich die Szene noch einmal an. Als er an der Stelle war wie die Hülle von ihr fiel, sank seine Hand mit der Fernbedienung in die Decke. Seine Finger krallten sich immer fester um das kleine Teil, denn es sah so aus als ob diese Blondine Kôji während dessen Kusses in die Waagerechte beförderte. Sie selbst schob die Decke über sich und ihn und alles was Takuto sah, war eine Hand welche jetzt auf dem Rücken der jungen Frau auftauchte und diese scheinbar dichter an sich zog. Dann tauchte eine Zweite unter ihr auf, die sich in ihren Haaren vergrub. Er erkannte den Ring an Kôji's Hand.

Das Weibsbild schmiegte sich fester an Kôji und jetzt konnte er Kôji's Gesicht kurz sehen. Schnell spulte er zurück.

Ja er hatte sich nicht getäuscht. Kôji sah so zufrieden aus, genoss den Kuss anscheinend mit geschlossenen Augen.

Das war genug. Takuto schaltete ab, spulte zurück und brachte die Kassette wieder da hin, wo er sie gefunden hatte.

~*~

Egal was Kôji auch tat, sein Izumi ignorierte ihn von nun an. Er tat seine Arbeit ohne Kôji eines Blickes zu würdigen, aber auch ohne ein Wort mehr zu reden als unbedingt notwendig war.

Kôji litt unter Takuto's Ablehnung sehr und was noch schlimmer war, er konnte nicht vergessen was er gesehen hatte.

Auch er hatte als er spät abends nach Hause kam, und den Fernseher noch einstellen wollte um abzuschalten von seinen Studien, auf dem Gerät eine Videokassette gefunden. Erstaunt betrachtete er das Teil. Er war sich nicht bewusst wie es dort hingelangt sein könnte. Neugierig schob er sie in das vorgesehene Fach des Recorders und startete sie.

Erst glaubte er seinen Augen nicht zu trauen, auf dem Band sah er Takuto mit einem rothaarigen Mädchen im Bett. Die Kleine schien etwas schüchtern zu sein. Plötzlich stutzte er. Sie war Japanerin, wie es aussah, denn sie sprach die Sprache fließend. Doch wann und wo sollte Takuto hier die Bekanntschaft dieses Mädchens gemacht haben? Und vor allem wann und wo war sie hergekommen.

~*~

Am nächsten Tag machte er sich auf die Suche. Er ging Zimmer für Zimmer in dem großen Haus ab, auf der Suche nach einer Spur von ihr. Er wollte nicht glauben was er da gesehen hatte. Aber konnten die Bilder lügen? Zu eindeutig waren sie gewesen.

Als er alle Räume abgegangen war, musste er feststellen, dass er mit Takuto und ihrem Personal ganz allein in dem riesigen Gebäude waren. Selbst die Bauarbeiter waren nicht da, obwohl eigentlich Arbeitszeit gewesen wäre. Er stutzte, konnte aber niemanden weiter finden. Auch die Zimmer waren wieder verändert worden, so dass er nicht über Ähnlichkeiten hätte stolpern können. Die Möbel waren mit Planen abgedeckt, so als ob sie schon eine Weile nicht benutzt wurden. Das aber der Staub auf selbigen fehlte, fiel ihm nicht auf.

Er stellte Takuto am Abend zur Rede, ob er eine Freundin hätte, doch dieser verhielt sich irgendwie sonderbar, wollte plötzlich nicht mit ihm reden und sperrte sich in sein Zimmer ein, wo er sich zur Nacht fertig machte.

Kôji wollte es nicht glauben und doch musste er der Tatsache ins Auge sehen. Izumi würde ihm nie ganz gehören. Wenn er ihn zwang, vielleicht… sein Körper, aber niemals sein Herz oder gar seine Seele. Vielleicht war da ein gewisser Abstand gut? Aber kann man ein Herz belügen?

Da sich Takuto ihm in den nächsten Tagen immer weiter verschloss und er eines Morgens den nächsten Drohbrief seines Vaters mit der Eilpost erhalten hatte, dass er sich gefälligst sofort zu Hause einzufinden habe, er könne schließlich nicht ewig alle drei Gören vor ihm verstecken, blieb ihm nichts anderes übrig, als sich mit dem Gedanken vertraut zu machen, dass er erst einmal zurückzukehren muss, um mit seinem Vater sein weiteres Leben in einem persönlichen Gespräch zu klären.

~*~

Kôji musste alle Willenskraft aufbieten, um nicht zu weinen. Er stand neben Takuto's Bett und betrachtete die schlafende Gestalt. Vorsichtig, um den Schläfer nicht zu wecken, beugte er sich zu ihm herunter und berührte dessen Lippen zu einem flüchtigen, letzten Kuss.

Langsam, auf Zehenspitzen schleichend, entfernte er sich. „Versteh mich bitte“, flüsterte er, während er an einem Tisch im Wohnraum hastig ein paar Worte auf ein Stück Papier kritzelte. Auf einem anderen Zettel gab den Bediensteten die Anweisungen, dass sie für Takuto und seine Geschwister zu sorgen hätten in seiner Abwesenheit, dass kein weiterer „Besuch jeglicher Art“, was auch seine Brüder einschloss, hingegen geduldet wird.

Dann holte er die Sachen, die er in einem Schrank versteckt hatte. In aller Eile schlüpfte er in die bequeme Reisekleidung. Er ergriff den Beutel mit dem Proviant und warf sich den Rucksack über die Schulter. Von der Tür aus sah Kôji noch einmal zu Takuto hinüber.

Sie hätten ein unvergessliches Leben miteinander hier verbringen können, aber sein Vater wusste durch irgendwen schon längst dass sie sich hier aufhielten. Er hatte ihm alle Geldmittel gestrichen und die Konten in Japan gesperrt. Wenn er dies wieder zurechtbiegen wollte, musste er sich wohl oder übel den Wünschen seines Vaters unterordnen und vorübergehend heimkehren. Der Abschied fiel ihm schwer. Er konnte tief in seinem Innersten nicht glauben, was das Video ihm vorgaukelte. Und doch… vielleicht war sein Izumi glücklicher ohne ihn.

Eine Nacht heißer Umarmungen und zärtlich geflüsterter Liebesworte und Versprechungen hätte er sich noch als Abschiedsgeschenk gewünscht, aber es hatte nicht sein sollen. Izumi, sein Izumi war ihm gram und er wusste selbst nicht warum.

Takuto hatte geheimnisvolle Andeutungen gemacht, die er aber nicht verstand, aber mehr war nicht aus ihm heraus zubekommen. Dieser Abschied würde alles entscheiden, entweder sie sahen sich bald wieder und es würde ihrer beider Leben für immer verändern oder aber das Schicksal hatte es schlecht mit ihnen gemeint und dieses würde ein Abschied für immer sein. Tief in sich drin hoffte er aber, dass dem nicht so sei.

Oh, wie er ihn liebte! Wie sehr er ihn in den kommenden Tagen und Wochen vermissen würde. Aber er musste gehen, ihm blieb keine Wahl.

Tränen liefen ihm über die Wangen, als er aus dem Zimmer huschte und die Treppe hinunter hastete. Statt durch den knarrenden Haupteingang über den Hof zu gehen, verließ er das große Gebäude sicherheitshalber durch eine kleine Seitentür.

~*~

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Teil 16

Doch diesen Entschluss sollte Kôji schneller bereuen als ihm lieb war. Sein Herz wurde krank vor Sehnsucht und zugleich platzte seine Seele fast vor Eifersucht. Er aß nichts mehr, trank höchstens Wasser und abends, wenn niemand mehr auf ihn aufpasste, tauschte er dieses gegen Hochprozentiges ein. Gefangen wie ein Vogel in einem goldenen Käfig, so fühlte er sich. Jeder Wunsch wurde ihm von den Augen abgelesen, solange er brav war und in allem folgte, aber wehe wenn nicht. Dann wurden ihm die Flügel gestutzt und die Federn einzeln ausgerissen.

Hätte sein Vater nicht dafür gesorgt dass in seiner Abwesenheit seine Konten in Japan gesperrt worden wären und ihm gedroht es auch mit den Geldern für die beiden Geschwister zu tun, wäre es ihm gleich gewesen. Er wäre um nichts auf der Welt zurückgekehrt.

Aber wie sollte er sie alle vier durchbringen? Sich und Izumi vielleicht… wenn er doch wieder zu ihm zurückfinden würde, ja … ganz bestimmt. Er würde alles für ihn tun. Aber die anderen beiden auch noch?

Für jemandem der noch keinem Abschluss hatte, ein bisschen viel Verantwortung auf einmal und dass wusste sein Vater auch. Deswegen konnte er ihm die Daumenschrauben ansetzen. Und dass er zuvor dann auch noch Izumi in flagranti mit dieser kleinen Rothaarigen im Bett erwischt hatte…. das war zu viel für ihn gewesen. Doch wer hatte ihm eigentlich das Band dahingelegt? Wer hatte die Aufnahmen von Izumis Untreue gemacht?

Wieder nahm er einen Schluck aus der Flasche.

Eigentlich waren alle aus seiner Reichweite entfernt und stattdessen durch Obstschalen ersetzt worden, aber er fand immer wieder einen Weg, um an seinen „Tröster“ zu kommen.

Wenigstens ein paar Stunden konnte er sich in eine heile Welt versetzen, denken dass alles in Ordnung sei. Auch wenn dann das Erwachen umso Grausamer war. Er hoffte so zu vergessen, doch das Einzige was er wirklich vergaß war, dass es auf diese Art und Weise nie gelingen konnte.

Den dritten Tag ging das ganze nun schon so und es war noch kein Ende abzusehen. Letzte Nacht war er doch tatsächlich in seinem Suff die große Treppe runter gefallen und lag nun ziemlich angeschlagen in seinem Zimmer. Zwei Rippen und sein rechter Fuß waren gebrochen. Aber das brachte ihn nicht zur Besinnung. Er änderte seinen Lebensstil nicht.

~*~

Nun war er schon seit einer Woche wieder hier, und noch immer zeigte sein Vater kein Erbarmen, also warum sollte er sich ändern oder gar das Bett verlassen. Er hatte mit dem Leben abgeschlossen. Ohne Izumi war es nicht lebenswert. Also warum sollte er daran hängen? Er lebte nicht mehr, vegetierte nur noch vor sich hin.

Ryuichiro machte sich langsam Sorgen um seinen Jüngsten. Die Ärzte lies er nicht an sich ran und wenn er so weiter macht würde er verhungern oder an Alkoholvergiftung drauf gehen.

Was war nur mit ihm los? Sollte er Recht gehabt haben und Kôji liebte diesen Bengel tatsächlich so sehr, dass er bereit war sein Leben zu opfern? Nein! Niemals!

Das musste einen anderen Grund haben. Also ließ er kurzerhand Takuto aus Deutschland einfliegen.

~*~

Seit dem Vorfall mit den Nanjo-Leuten war Takuto etwas schreckhaft geworden. Er fühlte sich noch nicht so recht wieder sicher. Ihm fehlte Kôji's Geborgenheit, die Sicherheit die er ihm gab.

Ein Ast knackte. Das Geräusch, dass Takuto zu hören glaubte, wollte er deswegen einfach überhören. Hier würde ihm niemand was tun, er war allein. Wenn er nicht vor lauter Angst den Verstand verlieren wollte, durfte er sich seinen Phantasien nicht länger hingeben.

Aber es war dieses Mal keine Einbildung. Plötzlich sah er sich in einer eisernen Umklammerung wieder, die ihn fasst umriss. Fremde Arme legten sich um seinen Hals. Er wollte schreien, aber eine Hand verschloss seinen Mund.

„Izumi Takuto.. Entweder du kommst freiwillig mit uns mit oder aber wir holen uns zuerst deine Geschwister zum Zeitvertreib, bis du es dir anders überlegst.“, hörte er auf einmal eine Stimme an seinem Ohr raunen.

Als Takuto sah, dass seine Geschwister bedroht wurden, ergab er sich in sein Schicksal. „Wenn ich mitkomme, lasst ihr sie in Ruhe?“

„Vorerst… ja.“

„In Ordnung, ich komme mit.“

„Und das sollen wir dir glauben?... Na ja… Damit es keine unliebsamen Zwischenfälle gibt, bis wir auf dem Flughafen sind, fesselt ihn.“

Takuto sah wie der Mann der soeben gesprochen hatte, aus seiner Tasche Fesseln holte. Er zerrte noch einmal an den Händen, doch vergeblich. Der Schurke drückte nur noch fester zu.

Schwarze Punkte tanzten vor seinen Augen. Einen Moment lang hatte Takuto daran gedacht, um Hilfe zu rufen. Aber wer würde ihn schon hören? Und was würden sie dann Serika und Yuugo antun?

 

Takuto musste gegen die Übelkeit ankämpfen, als er den heißen Atem und den Druck der fremden Hände an seinem Körper spürte. Es war schon erniedrigend genug gewesen, wie ein Sack Mehl auf die Rückbank des Autos geworfen zu werden. Aber dicht an die fremden Männer, die danach noch zugestiegen waren, zu sitzen und bei jeder Unebenheit des Weges die festen Schenkel an seinen zu spüren, das war ihm unerträglich.

Als hätten sie seine Gedanken erraten, rückten sie noch dichter an ihn heran und einer ließ sogar seine Hand über Takuto's Körper wandern. Der andere lachte lauthals ganz gemein.

„Dir nutzt dein Geziere gar nichts Kleiner, du entkommst uns nicht mehr. Denk immer dran, du oder dein Schwesterchen und dein kleiner Bruder...“ Er neigte sein Gesicht vor. „Mal sehen was der alte Herr Nanjo von dir will. Vielleicht sehen wir uns schneller wieder als dir lieb ist.“

Takuto erschauderte. Die gehässige Antwort, die ihm auf der Zunge lag, verkniff er sich lieber. Es wäre unklug, sie weiter zu reizen. Er würde abwarten und Augen und Ohren offen halten.

 

Eine Möglichkeit zur Flucht ergab sich vorerst aber nicht. Der Wagen fuhr geradewegs zum Flughafen, wo ein Privatjet wartete.

~*~

Takuto hatte seine Arbeit im Hause der Nanjos wieder aufgenommen. Zu schön war die Zeit außerhalb Japans gewesen. Doch nun… alles hatte sich verändert. Zum Glück durften seine Geschwister wenigstens noch weiter zur Schule gehen, auch wenn er nicht wusste wann er sie je wieder sehen konnte. Aber sie waren außer Reichweite der Gefahr, hoffte er.

Er hingegen… er wusste nicht wie es weiter gehen sollte. Er hatte nichts zu verlieren und doch… er hatte bereits alles verloren. Denn was hatte er zum Schluss noch besessen außer die beiden und sich selbst?

Ryuichiro schickte ihn in die Küche nach Essen und Medizin, welches er in Kôji's Schlafzimmer zu bringen hatte.

Als dieser verschwunden war, schlich er selbst in Kôji seine Zimmer, welcher mal wieder schlief, und von dort geradewegs in das Bad, wo er sich hinter der Tür, welche nur angelehnt war, verschanzte. Von dort aus wollte er die beiden belauschen.

Er musste auch gar nicht lange warten, vielleicht so zirka fünf Minuten, da trat Takuto schon mit dem Tablett ein und schob den Vorhang zur Seite. Wie es aussah schlief Kôji.

~*~

Genau so hatte er sich die Hölle vorgestellt. So als fühlte man sich wenn man zu ewigen Qualen verdammt war. Kôji schlug im Traum um sich. Ein Fieberwahn hatte ihn gepackt.

Sein ganzer Körper fühlte sich wie eine einzige schwärende Wunde und ringsum beißender Gestank, von Feuer und Schwefel. Und er hatte es verdient…, denn er hatte Izumi verloren, weil er den schwersten Fehler begangen hatte, den er hätte begehen können. Er hatte ihm misstraut. Ihm nicht zugehört, und ihn schon Tage zuvor wenig Beachtung geschenkt. Zu wenig … und letztendlich war er geflüchtet ohne sich mit ihm ausgesprochen zu haben und nun war er wieder in den Fängen seines Vaters. Ausgerechnet an dem Ort, an den er nie mehr zurück wollte.

Niemals hatte er sich vor etwas gefürchtet oder war vor irgendetwas davongelaufen, bis auf diesen Augenblick, gerade jetzt musste er es tun, als er anfing sein eigenes Leben zu leben. Mit Izumi.

Doch nun würde er ohne ihn leben müssen. Izumi war weg. Vielleicht inzwischen tot. Er wusste es nicht. Zuzutrauen war seiner Familie alles.

Wieder überflutete Kôji eine Welle unerträglicher Schmerzen. Er bäumte sich auf, aber es gab kein Entrinnen. Die Flammen des Höllenfeuers fraßen sich durch seinen Körper. Er warf sich hin und her, in seinen Schweiß gebadet, aber die Teufelskralle in seiner Brust bohrte sich nur noch tiefer in sein Fleisch. Ein Feuersturm tobte in ihm.

Plötzlich berührte etwas Kühles sein Gesicht. Verzweifelt griff er danach, aber die Hand entzog sich ihm. In seinem Wahn gaukelte er sich vor, dass Izumi ihm diese Kühlung spendete. Dabei hatte er ihn doch verloren, für immer.

Kôji vernahm ein Geräusch, fern und kaum hörbar. Wie wohltuend und sanft es war. Aber war es nicht auch trügerisch? Izumi… sein Izumi? Aber konnte er es auch sein? Rief er ihn zurück oder wartete er auf der anderen Seite.

Kôji streckte die Hand aus, um den Schatten festzuhalten. Doch er griff ins Leere und ließ die Hand ermattet sinken. Nun wusste er es genau: Es war nur ein Trugbild. Er würde Izumi nie wieder sehen. Niemals würde er mit ihm glücklich sein können, und sich ein gemeinsames Heim mit ihm schaffen.

Liebe. - Was er im Leben nie vor seinem Vater zugegeben hätte, hier konnte Kôji es sich eingestehen. Er liebte Izumi Takuto. Liebte ihn mit einer solchen Hingabe, wie er noch nie für eine Frau zuvor empfunden hatte. Er liebte ihn mehr als sich selbst und war bereit alles für ihn zu tun.

Ein Becher wurde ihm an die Lippen gehalten. Wasser benetzte seinen ausgetrockneten Mund. Er schluckte und gleich noch einmal. Es strengte ihn unsäglich an und er drehte den Kopf zu Seite.

Ein kühlendes Tuch wurde ihm auf die Stirn gepresst und für einen kurzen Augenblick wich die sengende Hitze aus seinem Körper. Er zwang sich die Augen einen Spalt zu öffnen, da er sehen wollte was um ihn herum geschah.

Zuerst sah er auf zwei Hände, dann ging der Blick höher und er traf auf ein paar strahlende Augen von unergründlicher Tiefe.

„Izumi.“ Seine Lippen formten stumm den Namen.

Ein Lächeln war die Antwort. Strahlend wie die Sonne an einem Sommerabend. Warm und tröstend wie ein Feuer in einer eiskalten Winternacht. Kôji wusste, dass es nicht Schöneres auf dieser Welt gab als dieses Lächeln.

Auf der Welt? Tausend Fragen wirbelten ihm durch den Kopf. Dies war die Hölle. Die Welt hatte er für immer verlassen. Auch Izumi war sicher schon tot.

Durfte er vor dem Einzug ins himmlische Reich noch einmal zu ihm kommen, um Abschied zu nehmen? Kôji versuchte zu sprechen, doch es bewegten sich nur seine Lippen, denen ein schwaches Krächzen entkam.

„Schlaf“, flüsterte der himmlische Engel mit leiser Stimme und Kôji fühlte eine zarte Berührung auf seiner Wange, welche flüchtig wie ein Hauch war.

Erschöpft schloss er wieder die Augen und nahm die liebliche Vision mit in die Welt der Düsternis und der Schmerzen. Das Feuer in ihm loderte weiter, aber Izumi hatte ihm ein bisschen Frieden gebracht.

~*~

Kôji sein Körper war noch immer schwach, aber die Brühe mit der Medizin schien ihre Wirkung nicht zu verfehlen und so sank er wieder in seine Traumwelt zurück. Doch irgendetwas war dieses Mal darin anders. Die Schmerzen verschwanden. Sein Atem wurde ruhiger. Eine Schwärze lullte ihn sanft ein und ließ ihn friedlicher schlafen, trotzdem war nicht alles so wie es sein sollte.

Leise öffnete sich die Badtür weiter. Ryuichiro schlich aus dem Bad ins Zimmer, als er merkte dass Takuto in Gedanken versunken war und nicht bemerken würde woher er so plötzlich auftauchte. Als er hinter ihn trat, wechselte Takuto gerade erneut das Tuch auf Kôji's Stirn.

„Wie geht es ihm?“

„Er kämpft“, antwortete Takuto leise. „Noch ist nichts entschieden.“

„Du weißt was passiert, wenn er stirbt?“ Ryuichiro warf noch einen letzten Blick auf seinen jüngsten Sohn, bevor er sich wieder zum gehen wandte. Plötzlich stockte er.

„Er ist stark. So leicht wird er nicht aufgeben…“, ‚hoffe ich.’ „Ich tue alles was in meinen Kräften steht, aber sein Leben liegt nicht in meiner Hand. Er hatte seiner Gesundheit schon zu sehr geschadet.“

Sein Vater hatte genug gesehen um sich ein Bild machen zu können. Lautlos wie er gekommen war, verschwand er aus dem Raum.

~*~

In seinem Zimmer angekommen, ging er auf und ab; überlegte was zu tun sei.

Nach fast endlosem Grübeln kam er zu einem Entschluss, dass eine Frau her musste die Kôji den Kopf zu Recht rücken konnte und das so schnell als möglich.

Nur wer käme da in Frage? Eri ja nun scheinbar nicht, die hatte nicht das Format. Schade drum.

Schnell ging er eventuelle Heiratskandidaten durch, doch niemand schien sowohl Geld als auch die Fertigkeiten zu haben, die er nun benötigte. Wo das Geld sich türmte, waren die Mädchen entweder nicht hübsch genug, um Kôji's Aufmerksamkeit zu erregen, oder genau so als Püppchen und Schmuckstück erzogen worden wie die eigene Tochter. Also keine Hilfe von deren Seite aus zu erwarten.

Nadeshiko! Sollte sie ihren Bruder zur Vernunft bringen! So eben gedacht, schon machte er sich auf den Weg zu ihr.

~*~

Fünfzehn Minuten später stand sie bei ihrem Vater im Zimmer; den Blick zum Boden, die Hände vorm Schoss verschränkt und schüttelte traurig den Kopf. „Er registriert nicht mal, wenn jemand mit ihm spricht. Wie ich rein kam lag Kôji seitlich auf dem Bett, den Blick zur Wand, schlang seine beiden Arme fest um sich und hatte die Knie zur Brust angezogen. Weinend flüsterte er immer wieder Izumis Namen.

Ansonsten keine Reaktionen, keine Bewegung, kein Antwort… nur einmal ganz kurz.“

Ihr Vater wollte schon frohlocken, doch als er hörte weswegen Kôji sich regte, verlor er gänzlich die Hoffnung seine Pläne in die Tat umsetzen zu können.

„Dieser Takuto war einmal kurz drin im Raum, er holte was und verschwand dann wieder. Es war als ob Kôji ihn schon am Türe-Öffnen erkennen konnte. Kurzzeitig weckte ihn dieser aus seiner Lethargie. Aber kaum schloss sich die Türe wieder hinter ihm, verfiel er wieder in sie zurück. Tut mir Leid, ich konnte nichts erreichen und ich weiß auch nicht was ich noch versuchen soll. Wenn es einer schaffen könnte, dann sicher nur…“

„Sprich den Namen nicht aus. Er ist schuld das Kôji sich so verhält und… geh jetzt lieber.“

Traurig ging sie und ließ ihren Vater alleine zurück.

~*~

Als Kôji die Augen nach zwei Stunden öffnete, drehte Izumi seinen Kopf zu ihm. Er saß wieder auf dem Stuhl neben dem Bett und wechselte die kühlenden Tücher. Zum Glück schien das zu helfen und das Fieber zu senken.

Die Augen voller Schmerz sah Kôji Takuto an, doch dieser stellte nur wortlos die Schüssel mit dem Wasser ab und wollte gerade gehen, da griff Kôji nach dessen Handgelenk, das noch immer eines der Tücher hielt. „Izumi… warum bist du hergekommen. Du warst doch in Sicherheit.“

Eine Träne löste sich aus Kôji's Augen, ran die Wange runter.

Doch Takuto rührte sich nicht, tat so als ob er nur auf Tuch und Hand starrte. Keine Bewegung, nicht die kleinste Regung in Mimik und Gestik… und doch beobachtete er den Liegenden, der jetzt den Oberkörper leicht anhob, aus den Augenwinkeln heraus.

Er wollte was tun, aber sein gekränkter Stolz ließ es nicht zu. Er konnte nicht vergessen, was er gesehen hatte. Hörte die Worte noch immer welche Kôji ihm nur zwei Stunden vor dem Ereignis gesagt hatte und sah dann ihn und diese große, vollbusige und äußerst knapp bekleidete Blondine.

Takuto sein Blick hatte sich kurzzeitig von teilnahmslos in wütend verwandelt. Er schüttelte den Kopf um die Gedanken zu vertreiben. Er ließ das Tuch los und auch wenn es ihm in diesem Haus nicht zu kam, schüttelte er Kôji's Hand ab, welche sich an seine Hand geklammert hatte, wie ein Ertrinkender an die letzte Möglichkeit einer Rettung. Doch diese Rettung blieb Kôji versagt, er sah dies erneut als Ablehnung an.

„In SICHERHEIT?... Wenn einem solche Bastarde wie die Nanjos im Nacken sitzen?... Das war ein Witz! Für euch alle sind wir doch nichts weiter als Marionetten.“ Dann drehte Takuto sich um und ging.

„Izumi…? I-ZU-MI!... BLEIB… bitte!“, hörte er noch Kôji's verzweifelte Stimme rufen.

Dann fiel hinter Izumi die Tür geräuschvoll ins Schloss.

~*~

Ein weiterer Tag verging und immer noch trat keine Besserung ein. Weder gut zureden noch mit ihm schimpfen, oder gar der Satz Ohrfeigen den er ihm noch vor seinem Unfall verabreicht hatte, brachten Ryuichiro auch nur einen Schritt bei Kôji weiter und er sah schon seinem Sohn bald unter der Erde liegen.

Resignierend seufzend sah er aus dem Fenster. „Ich muss mir was anderes einfallen lassen… nur was?“

Erst mal muss Kôji wieder normal werden und dazu sind mir alle Mittel Recht und wie Nadeshiko auch schon erkannt hat, käme dazu wohl doch nur der eine in Frage…. Izumi Takuto!

Eilige Schritte ging er auf die Türe zu und „T-A-K-U-T-O-!!“ brüllte er quer durch das ganze Haus, dass selbst die Fensterscheiben klirrten.

Die anderen Bediensteten sahen sich erschocken an, ließen ihre Arbeit stehen und liegen und suchten stattdessen den Jungen.

Der war derweil in der Küche, half der Köchin beim Essen vorbereiten und hatte diesen Wutausbruch des Familienoberhauptes noch gar nicht mitbekommen. Gleichzeitig stürmten mehrere Leute herein und redeten durcheinander, bis die Köchin Einhalt gebot und den Grossteil erst einmal aus ihrem Revier herausschmiss.

Der Älteste sagte auf die Frage „Was zum Teufel denn los sei?“, dann nur, dass der alte Herr Takuto lauthals suche. Jeder wusste sofort was das hieß.

Takuto wusch sich in aller Ruhe die Hände, obwohl er von den anderen gedrängelt wurde, er solle sich gefälligst beeilen. Dann band er die Schürze ab und ging nachdenklich an den anderen vorbei, hinaus aus der Küche.

~*~

„Sag mir, warum Kôji so an dir hängt.“, fuhr Ryuichiro Takuto an.

Dieser wagte nicht sich zu bewegen, noch immer starrte er nur auf den Fußboden. „…Ich weiß nicht, was Sie meinen“

„Du zögerst? Ich denke du weißt es… Hmmm na gut, wenn du es nicht sagen willst… ich kann es mir auch so denken. Wenn ich auch nicht weiß wieso er dich einer Frau vorziehen sollte.“

„Tut er aber nicht.“, warf Takuto patzig ein.

„Aber du hättest es gerne?“

„N…ein.“

Eine Pause entstand, in der Ryuichiro Takuto genau musterte. Seine Augen hefteten sich förmlich an den Jungen, als ob sie die Kleidung durchdringen wollten um in Erfahrung zu bringen, was Kôji so anziehend an diesem Bengel fand. Aber ein Röntgenblick blieb ihm versagt.

„Du zögerst mit deiner Antwort, also stimmt meine Vermutung. Ich will, dass du dich wieder mit ihm verträgst, hast du gehört? Tu was er verlangt. Muntere ihn auf. Sorge dafür dass er wieder isst und sich erholt. Mach alles für ihn, egal was du tun musst.“

„Ich bin kein Sklave, ich bin Euch nicht hörig…. Außerdem… Freundschaft ist zerbrechlich, man kann sie nicht kitten oder auf Befehl hin wieder aufbauen.“

Nanjo Ryuichiro riss die Augen auf. Der nichtsnutzige Bengel wagte doch tatsächlich ihm zu widersprechen?! Ungestüm eilte er auf ihn zu, ergriff ihn an der Kleidung vorne, zog ihn dichter zu sich heran.

„Du tust gefälligst was ich sage oder… denk mal an deine beiden Geschwister… Ich weiß sehr genau, wo sie sich momentan aufhalten und kann sie jederzeit wieder zurückholen. Wenn Kôji stirbt, gebe ich euch drei als Spielzeug an meine beiden älteren Söhne. Willst du das? Überleg es dir gut. Ich weiß was die beiden so für Spielchen treiben und glaube mir, du weißt noch längst nicht alles darüber und willst es bestimmt auch nicht am eigenen Leib erfahren.“

„Sie drohen mir?“

„Na und? Wen stört es. Ihr drei seit hier in meiner Gewalt UND ICH kann hier tun und lassen was ich will.“

„Wir gehören Euch nicht. Sind freie Menschen, auch wenn unsere Eltern Schulden gemacht haben.“

„Irrtum mein Lieber. Was du nicht weißt, ist… dass ich von euch dreien der Vormund bin. Was ich sage zählt hier und noch sind die anderen beiden nicht volljährig. Und was die Schulden betrifft, die könnt ihr drei nicht mal bis zu eurem Lebensende abbezahlen. Denk an die Zinsen, die laufen immer weiter. Dazu noch eure Verpflegung, Obdach, Kleidung… keine Angst, ich setze alles mit auf die Rechung.“

„Gemeiner Bastard!“, zischte Takuto zwischen seinen Zähnen hervor.

„Das hilft dir auch nicht weiter. Tust du es? Baust du Kôji wieder auf, egal was er von dir verlangen wird?“

„Ich sagte schon, dass man Vertrauen und eine zerbrochene Freundschaft nicht einfach so kleben kann.“

„Von seiner Seite her dürfte das kein Problem sein, und wenn du es nicht kannst, dann spiel es ihm gefälligst vor. Bring ihn dazu dass er wieder isst und seinen Verstand zurück erhält. Mehr will ich nicht von dir.“ Wütend über den frechen Bengel, schleuderte er ihn zu Boden. „Mir ist ganz egal wie du es machst, und nun scher dich raus und geh zurück zu meinem Sohn. Und wehe du verlässt seine Zimmer, außer Kôji erlaubt es dir.“

~*~

Als Kôji sich bewegte, durchzuckte ihn ein stechender Schmerz. Die Schulter, die Rippen, das Bein mit dem gebrochenen Fuß, überall Schmerzen. Wie von einer brennenden Fackel durchglüht, brannte sein Rücken. Er versuchte, den Kopf zu heben, und alles im Raum begann sich zu drehen.

Aufstöhnend sank er zurück. Hörte dieser Alptraum denn niemals auf? Er öffnete die Augen, und jetzt erblickte er neben sich eine zusammengerollte Gestalt. Langsam kam die Erinnerung. Und ein unbeschreibliches Gefühl der Erleichterung.

Takuto lag dicht bei ihm. Sein Gesicht war ihm zugewandt. Sein Kopf berührte Kôji's Schulter, und sein Arm ruhte leicht auf seiner eigenen Brust. Tief und gleichmäßig gingen seine Atemzüge.

Kôji wagte nicht, sich zu rühren. Voll dankbarer Zärtlichkeit betrachtete er Takuto's entspanntes Gesicht. Und wieder fragte er sich, seit wann dieser wundervolle Mensch von seinem Leben Besitz ergriffen hatte. Er konnte sich ein Leben ohne Takuto nicht mehr vorstellen. Obwohl er wusste, wie sehr sein Herz an den beiden Geschwistern hing, würde er alles daransetzen, um ihn glücklich zu machen.

Aber hatte er ein Recht dazu? Musste Takuto's Glück ihm nicht am wichtigsten sein, wenn er ihm etwas bedeutete?

Er durfte ihn nicht lieben. Welten, oder besser seine Familie, trennten sie voneinander.

Aber er liebte ihn. Liebe - brachte sie immer nur Schwierigkeiten?

Er hatte sich nicht verlieben wollen. Warum musste er sich auch noch dazu in einen Mann verlieben, der seine Gefühle anscheinend nicht genug erwiderte?

Takuto gab einen leisen Seufzer von sich, bevor er die Augen öffnete und Kôji benommen ins Gesicht blinzelte. Es dauerte einen Moment, bis er seine Umgebung erkannte. Als klar wurde, wo er sich befand, setzte er sich unvermittelt auf. Wie hatte er nur einschlafen können!

Kôji kam aus dem Staunen nicht heraus, als er Takuto's schamhaften Blick und die roten Flecken auf seinen Wangen bemerkte. Was war plötzlich los? Sein Benehmen war sehr sonderbar.

~*~

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Teil 17

„Du bist wieder da?“ Kôji konnte es nicht fassen. Er hielt Izumi für ein Traumbild. Vorsichtig als ob die Seifenblase jeden Moment platzen könnte, strich Kôji leicht mit den Fingerspitzen über Takuto's Kinn, doch dieser wich abrupt zurück.

Um das Tablett mit dem Tee und dem Essen abstellen zu können, musste er sich aber wieder dem Bett nähern.

Kôji der seine Hand noch nicht wieder hatte sinken lassen, nutzte die Gelegenheit um behutsam über Takuto's Wange zu streichen. Diese Geste entfachte verwirrende Emotionen in Takuto.

Während Takuto immer noch mit seinen Gefühlen rang, die Kôji's Berührung ungewollt wieder in ihm geweckt hatte, antwortete er kühl: „Das interessiert dich wirklich? Ich kann es nicht glauben… Ich dachte, du hättest keine Skrupel, mich während meiner Gefangenschaft mit dieser üppigen Blondine zu betrügen. Denn zu zutrauen wäre es dir, denn ganz offensichtlich wurdest du auf dem Video nicht von Gewissensbissen gequält. Es war doch alles ziemlich eindeutig.“

„Was für ein Video…. Was für eine Blondine… IZUMI wovon redest du?“

Kôji richtete sich auf, sein Körper war doch noch recht schwach und so konnte er sich nur leicht auf dem rechten Ellbogen abstützen, zu mehr reichte seine Kraft nicht aus. Seine Augen wurden immer größer. Er verstand die Welt plötzlich nicht mehr. Er sollte…? Mit einer blonden Frau? Aber er hatte doch Takuto auf dem Video mit einer Rothaarigen gesehen? Von was sprach Izumi da? Und wieso hatten sie eigentlich beide Videos mit irgendwelchen Frauen… Woher kamen sie…?

„Ich weiß nicht wie ich auf ein Video dort zusammen mit einer Blondine komme. Ich habe dich gesucht und letztendlich auch gefunden. Ich habe nur rumtelefoniert mit meinen Freunden und dabei erfahren dass du das Land nicht verlassen hast. Also habe ich dort nach Spuren von dir gesucht, und nachts habe ich im Bett gelegen und nachgedacht wo du sein könntest. Glaube mir, wo soll dabei eine Blondine herkommen, ich hatte keinen Besuch.“

„Und das soll ich dir glauben?“

„Ja, denn es ist die Wahrheit. Desgleichen könnte ich dich fragen, wann du dich mit dieser Rothaarigen amüsiert hast, wann du sie kennen gelernt hast, wieso sie mir nie über den Weg lief und du trotzdem scheinbar mit ihr schlafen konntest, obwohl ich im Nebenzimmer gewesen sein muss.“

„Kôji! STOP! Was wirfst du mir da vor. Ich habe noch nie mit einer Fr…au…“ Takuto schlug sich auf den Mund.

„Siehst du, und doch gibt es auch dazu ein Video. Es lag wie ich nach Hause kam auf dem Gerät. Das war auch der Grund warum ich hier her zurückkam. Ich konnte es nicht ertragen.“

„Du hast auch…?“ Takuto wusste nicht wie ihm geschah. Plötzlich wurden ihm die Beine weich, er musste dich setzen und nutze gleich dazu Kôji's Bett.

„Ja ich auch Izumi… Irgendwas stimmt hier nicht. Jetzt wo du sagst, dass man dir auch so ein Video untergeschoben hat, verstehe ich auch deine Reaktion. Aber glaube mir, ich bin unschuldig. Ich kenne sie nicht. Hast du das Band noch?“

„Nein, ich hab es zurückgelassen müssen. Dein Vater ließ mich auf etwas… unkonventionelle Weise einfliegen.“

Kôji griff nach Takuto's Schulter und zog ihn etwas zu sich heran. Das Geschirr klirrte bedrohlich, aber er achtete nicht darauf. Starke Finger umfassten Takuto's Nacken, doch dieser sich seiner Gefühle noch immer nicht sicher, wollte sich losreißen – ein vergebliches Unterfangen. Sobald er Kôji's kraftvollen Körper spürte, war er wie gelähmt. Er roch so wundervoll.

Atemlos starrte Takuto seine sinnlichen Lippen an. Dann schloss er die Augen und überließ sich Kôji's fordernden Kuss. Freude, Zorn, Scham kämpften in ihm und seine Kapitulation erregte heftige Schuldgefühle, er konnte nicht die Bilder vom Video loswerden: wieder sah er die Frau im Bett sitzen und plötzlich Kôji mit nichts weiter als einem Handtuch um die Hüften aus dem Bad kommen. Er war wach, saß im Bett… Aber eines war gewiss, bis auf die eine kurze Szene im Bett wo sie die Initiative ergriffen hatte, was so gar nicht zu Kôji passte, und wo er Kôji auch nur von hinten sah, waren sie nie gemeinsam auf den Bildern zu sehen gewesen. Entweder nur er oder nur sie. Doch wie wurde das Video gemacht?

Inzwischen umfing Kôji mit beiden Armen Takuto's Taille und zog ihn zu sich ins Bett. Der leidenschaftlich, verführerische Kuss machte Takuto ganz schwindelig. Wie aus eigenem Antrieb schlangen sich seine Finger in Kôji's lange Haare. Um die Glut zu stillen, die er entzündet hatte, schmiegte sich Takuto noch enger an ihn.

Aber da entzog ihm Kôji schlagartig den Kopf. „Na, Liebling, immer noch böse mit mir?“

Zutiefst erschüttert konnte Takuto nicht antworten. Die Wange an die Brust gelegt wünschte er die Zeit zurück, bevor Hirose’s Leute ihn geschnappt hatten.

„Wer hätte solch ein Feuer hinter deiner eben noch so kühlen Fassade erwartet?“, flüsterte Kôji ihm ins Ohr. „Ich bin überwältigt…“

„Oh sei doch still! Deine Küsse gehören nur zu der diabolischen Kampagne, die du gegen meine Familie führst. Und ich benehme mich wie ein Narr.“ Schluchzend stieß er sich von ihm ab. „Nun kannst du damit prahlen gehen, dass du mich wieder rum bekommen hast… Dein Vater wird sehnsüchtig auf dieses Geständnis warten.“

Energisch packte Kôji ihn erneut an der Schulter und brachte Takuto so zum schweigen. „Glaub mir Izumi, dieser Kuss war nicht geplant, und er erfolgte auch nicht in böser Absicht. Ich liebe dich… du weißt das. Ich würde dir nie böses wünschen oder antun, das schwöre ich dir.“

„Aber dein Vater hat mit meinen Geschwistern gedroht… er will uns deinen Brüdern als Spielzeug überlassen… wenn ich nicht tue was du willst.“

„Dann war das eben nur gespielt?“ Kôji riss die Augen auf, schüttelte Izumi. „Das war nur gespielt? Du kommst nicht zu mir zurück? NEEEEEEIIIN! Sag, dass das nicht wahr ist!“

„Der Kuss wahr keine Lüge…. Ich….“ Takuto fehlten die Worte.

„Ja?“

„Ich… ich… ich empfinde… wirklich was für dich.“

„Oh Izumi“, Kôji umarmte ihn. „Mach dir keine Sorgen um Serika und Yuugo, da hab ich auch noch ein Wort mit zu reden.“

„Ich fürchte nicht.“ Eine Träne löste sich, und lief ihm über die Wange, welche Kôji vorsichtig wegwischte.

„Wieso meinst du das?“

„Dein Vater, er hat… die Vormundschaft und…“

„Keine Angst, ich werde versuchen, ob man das ändern kann. Du bist alt genug und solltest die Vormundschaft für deine Geschwister selbst übernehmen können. Ich werde mit einem Freund reden, dessen Vater ist Anwalt. Doch nun sei wieder fröhlich… oder sind die beiden etwa auch hier?“

„Nein.“

„Gut. Solange sie in der Schule sind, sind sie in Sicherheit.“

~*~

„Wie geht es dir heute Morgen?“, fragte Takuto freundlich, aber nicht zu sehr. Er musste sich zwingen, Kôji ins Gesicht zu blicken, statt auf seine verbundene Brust oder die eindrucksvollen Muskeln seiner Schultern und Arme zu starren. Tagelang war dieser ein Todgeweihter gewesen, ein aus Wunden bestehendes Bündel Mensch. Jetzt war er ein Mann.

Kôji lächelte. „Wie es mir geht? Nun, wie jedem verliebtem Mann, der an der Seite von dir aufwacht.“

„Das... das meinte ich nicht...“

„Izumi!“ Kôji lachte in sich hinein. „Schau mich an.“ Er umfasste sein Kinn, damit er seinem Blick nicht ausweichen konnte. „Es beruhigt mich ungemein, dass meine Männlichkeit trotz der Brüche nicht beeinträchtigt ist. Kannst du das nicht verstehen?“

Takuto wurde rot und sprang hastig auf. „Ich hole dir etwas zu essen. Das Krankenlager hat dich sehr geschwächt.“

„Im Moment fühle ich mich alles andere als schwach. Und ich hungere nicht nach Nahrung.“

Takuto drehte sich in der Tür um. „Lass diese Witze! Ich tue hier nur meine Arbeit.“ Schnell rannte er hinaus, verfolgt von dröhnendem Gelächter.

~*~

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Teil 18

Inzwischen ging es Kôji dank Takuto's fürsorglicher Pflege wieder besser. Die Brüche waren fast schon verheilt und er aß auch wieder vernünftig. Soeben hatte er seinen ersten kleinen Spaziergang mit Takuto's hilfreichem Arm hinter sich gebracht und nun waren sie beide gerade wieder auf den Rückweg, damit Kôji etwas ausruhen konnte.

Takuto führte Kôji in den Schlafraum. Die frischen, weißen Laken auf dem Bett waren zurückgeschlagen.

„Versuch es, ich bin sicher, du schaffst es allein.“ Takuto ließ Kôji los und sah zu, wie er unsicher auf das Bett zuwankte und sich auf den Rand setzte.

„Wenn du etwas benötigst, brauchst du nur nach mir zu schicken. Ich bleibe in der Nähe.“

„Lass mich nicht allein.“ Kôji stöhnte leise auf.

Takuto musterte ihn besorgt und kauerte sich vor ihm hin. „Es geht dir nicht gut. Wo hast du Schmerzen?“

„Hier!“ Er zeigte auf seine Brust.

„Aber an der Stelle ist doch gar nichts!“, stellte Takuto erstaunt fest.

Kôji ergriff Takuto's Hand und presste sie auf sein Herz. „Fühlst du es nicht?“

„Was soll ich fühlen?“

„Mein Herz. Es zerspringt, wenn du es berührst.“

„KÔJI...“ Takuto wollte die Hand wegziehen, aber Kôji hielt sie fest auf seine Brust gepresst. Er hatte eine erstaunliche Kraft.

„Du sagtest, ich bräuchte dich nur zu rufen, wenn ich etwas wünsche!“

„Natürlich, aber...“

„Ich will dich, Izumi. Du hast extra den weiten Weg hierher gemacht, nur um mich tagein, tagaus zu pflegen, warst an meiner Seite, und in all diesen Tagen und Nächten habe ich dich begehrt. Und jetzt, da ich wieder stark genug bin, möchte ich dir zeigen, was ich für dich fühle!“

„Kôji, du darfst nicht...

„Ich lasse dich nicht gehen, Izumi.“ „Habe ich dazu nicht auch etwas zu sagen?“

„Nein!“ Er zog ihn ungestüm an sich.

Takuto wollte sich entziehen, aber es war zu spät. Kôji senkte den Mund bereits auf seine Lippen und küsste ihn.

Dies war kein zärtlicher Kuss, keine sanfte Berührung ihrer Lippen. Aus Kôji brachen aufgestaute Gefühle hervor, die er bereits allzu lange zurückgedrängt hatte. Er küsste Takuto mit wilder Leidenschaft, und dieser wehrte sich nicht.

Überwältigt von seiner ungestillten Sehnsucht nach diesem Mann, umarmte Takuto ihn und erwiderte dessen Kuss, leidenschaftlich und hingebungsvoll. Beide versanken in einen berauschenden Wirbel.

Wie lange hatten sie dieses übermächtige Verlangen nacheinander zurückgehalten? Sie konnten sich nicht voneinander lösen, verschmolzen in ihrer innigen Umarmung. Kôji ertrank in Takuto's Liebkosungen, und dieser hungerte nach Kôji seinen Küssen.

„Ich begehre dich, Izumi. Ich begehre dich so sehr“, flüsterte Kôji mit heiserer Stimme.

Seine Worte erschreckten Takuto. Er wusste, dass kein anderer Mensch ihm je soviel bedeuten würde wie Kôji. Keinem anderen würde es gelingen, mit einem Wort, mit einem einzigen Blick sein Verlangen zu wecken. Er wollte Kôji.

Doch noch immer nagten leise Zweifel in ihm und so fragte er sich was geschähe, wenn er seinem Begehren nachgab: Würde er sich dann Kôji vielleicht nicht nur als auswechselbares Spielzeug hingeben, wenn mal keine Frau in seiner Nähe war? Das wollte er nicht, er wollte mehr sein für ihn, viel mehr.

Und wenn schon, flüsterte ihm plötzlich eine Stimme zu. Er würde doch niemals einem anderen sein Herz schenken. Es gab nur ihn, Kôji. Nur ihn liebte er, und ihn würde er immer lieben.

Mit geschlossenen Augen, die Lippen halb geöffnet, kniete Kôji vor ihm. Er bedeckte Takuto's Mund, seinen Hals, seine Wangen mit kleinen heißen Küssen. Wie sehr er diesen Mann liebte und begehrte. Kôji sein Verlangen nach ihm war schmerzhafter als die Schmerzen, die ihm sein Vater zufügen könnte. Er ertrug es nicht mehr, er musste Takuto besitzen.

„Ich will dich, Izumi“, stieß er rau hervor und umfasste zärtlich dessen Gesicht, das im Schein der Kerzen leuchtete. Oder strahlte es von innen heraus? „Ich liebe dich mein kleiner Engel.“

Gegen alles konnte Takuto sich wehren, aber nicht gegen seine Liebe. Er hob Kôji das Gesicht entgegen. „Und ich liebe dich, Kôji.“

Überwältigt von seinen Worten, stand Kôji langsam auf und zog Takuto in die Arme. Er hielt ihn so fest umschlungen, dass ihre Herzschläge eins wurden.

Kôji glaubte, wahnsinnig zu werden. Sein Körper erbebte in wildem Verlangen, sein Begehren wuchs ins Unerträgliche. Aber der Mann in seinen Armen verlangte Behutsamkeit und Geduld. Dieselbe Geduld, mit der er ihn all die Tage gepflegt hatte. Er würde ihn nicht drängen und seine eigenen Bedürfnisse hinten anstellen.

Sein Kuss war nun sanft und lockend. Er vergrub die Lippen in Takuto's Haar, hauchte ihm einen Kuss auf die Stirn, küsste zart dessen Augenlider. Dann ließ er die Zunge verführerisch über Takuto's Lippen gleiten, zeichnete sie nach.

Takuto stöhnte leise auf und drängte sich an ihn. Seine Lippen öffneten sich Kôji seinem Kuss. Kôji schmeckte einen süßen und wilden Duft, als er mit der Zunge die samtene Höhlung von Takuto's Mund erforschte. Und während er ihn küsste, ließ er die Hände über dessen Rücken gleiten und presste ihn fest an sich.

Takuto spürte Kôji's Erregung und seinen hämmernden Herzschlag. Wie lange hatte er davon geträumt, wieder so in seinen Armen zu liegen und in wildem Flug davongetragen zu werden? Höher ging der Flug, immer höher, bis er glaubte, sich von der Erde zu lösen und zu den Sternen zu schweben.

Er spürte, wie seine Kleidung langsam geöffnet wurde, und noch einmal kämpfte diese Stimme in ihm drin mit sich. Es war ein aussichtsloser Kampf. Als Kôji den Mund in seinen Hals vergrub, gab er sich hilflos seinen Gefühlen hin und ließ es geschehen.

Die Sachen glitten zu Boden. Das Hemd wurde von seiner Schulter gestreift.

Takuto's makellose Schönheit nahm Kôji den Atem. Im Feuerschein leuchtete seine Haut bronzen und seine Augen schimmerten, wild und geheimnisvoll. Mit andächtiger Langsamkeit strich Kôji mit den Fingerspitzen über Takuto's Schultern. Dieser erschauerte unter der Berührung, bog aufseufzend den Kopf zurück, als er den Kuss auf seinem Hals spürte. Ein erregendes Prickeln durchlief ihn. Nie in ihrem Leben, niemals hatte er solche Gefühle erlebt.

Kôji ließ die Lippen tiefer wandern, langsam und lockend. Als sie sich um die Knospen von Takuto's Brust schlossen, brandete eine heiße Welle in ihm heran und trug ihn in eine Welt, die er nie zuvor betreten hatte. Er konnte nicht mehr denken, nur noch fühlen. Seine Sinne öffneten sich und verschmolzen zu einem harmonischen Ganzen.

Kôji fühlte, dass Takuto bereit war. Er hob ihn hoch und legte ihn auf das Bett, in die weißen, duftenden Laken. Hastig befreite er sich von seinen restlichen Kleidern. Dann lag er neben Takuto und nahm ihn in die Arme.

Er küsste sein Gesicht, seinen Hals, seine Brust, streichelte und liebkoste ihn, bis er am ganzen Körper bebte. Alle Kraft schien aus ihm gewichen zu sein. Er schwebte auf einem Wolkenschiff von Gefühlen, die ihn schwach und willenlos machten.

Kôji raubte ihm mit seinen magischen Liebkosungen die Sinne. Takuto wand sich aufstöhnend in Kôji seinen Armen, gab sich lustvoll dem kundigen Spiel seiner Hände hin. Es drängte ihn, diesen genauso verführerisch zu berühren, aber er zögerte noch.

Kôji sah ihn verlangend an, senkte den Blick tief in Takuto's bereits verschleierte Augen. Endlich streckte er zaudernd die Hand aus und streichelte Kôji seine Wange. Dieser schmiegte sein Gesicht in Takuto's Handfläche und rieb es an ihr. Seine Augen wurden schmal.

Kühner geworden, strich Takuto nun über Kôji's Brust.

Er fuhr mit seinen Liebkosungen fort, bis Kôji lustvoll aufstöhnte. Er war seinen Zärtlichkeiten hilflos ausgeliefert, welch eine erregende Entdeckung! Dies weckte in Takuto ein Gefühl des Triumphs.

Tiefer ließ er die Finger wandern, tastend erforschte er Kôji's wundervollen Körper. Unter seinen Händen spannten sich dessen Muskeln, und leise aufstöhnend warf Kôji den Kopf zurück.

Trunken wurde er noch mutiger. Er presste die Lippen auf Kôji's Hals und zog eine heiße Spur glühender Küsse über dessen Brust und dessen flachen muskulösen Bauch. Währenddessen setzten seine Hände ihre zärtlichen Erkundungen fort.

Kôji stieß ein lustvolles Stöhnen aus. „Du kleiner Teufel!“ Seine Stimme war ein heiseres Flüstern.

Eine schnelle Drehung, und Takuto spürte das Gewicht seines Körpers auf sich. Nun war er es, der sich unter Kôji's qualvoll-süßer Folter wand. Dessen Hände und Lippen waren überall, um die verborgenen Geheimnisse seines Körpers zu erforschen.

Takuto wand sich hin und her, trank hungrig Kôji's Küsse, drängte ihm seine Erregung entgegen, rief keuchend dessen Namen.

Kôji musste seine ganze Willenskraft aufbieten, um seine Begierde zu zügeln. ‚Es ist das erste Mal seit unserem verflixten Streit, das erste Mal seit unendlich langer Zeit’, mahnte er sich. ‚Und es soll so sein, dass er es nie vergessen wird. All seine unbegründeten Zweifel soll er vergessen. Ich will sie ihm vergessen machen.’

„Ich liebe dich, Izumi“, flüsterte er. Dann ließ er suchend seine Finger zwischen Takuto's Schenkel gleiten. Dieser öffnete sich ihm, er war bereit.

Kôji nutze dies um mit der einen Hand Takuto vorzubereiten, während er zugleich dessen Erregung mit Zunge und Lippen neckte. Und ehe Takuto überhaupt begriff, was mit ihm geschah, loderte ein Feuersturm in ihm auf, der ihn zu verzehren drohte. Ein Zucken lief durch seinen ganzen Körper, er bäumte sich stöhnend auf.

„Noch nie habe ich einen Menschen so geliebt wie dich, Izumi. Ich begehre dich, ich will dich. Ich will dich lieben und glücklich machen.“

Takuto's Atem ging stoßweise. „Kôji, oh Kôji“, keuchte er. In seinem ohnmächtigen Sinnenrausch umklammerte er dessen Schulter. „Kôji, ich liebe dich.“ Takuto öffnete sich ihm weit, um ihn in sich aufzunehmen. „Bitte, komm zu mir. Ich ... will dich.“

Die Grenze war überschritten, Kôji konnte nicht länger warten. Behutsam drang er in seinen geliebten Izumi ein, doch im Moment der Vereinigung setzte sein Denken aus.

Takuto schrie lustvoll auf, als er ihn tief in sich spürte. Und dann, mit einer Wildheit, die ihn überraschte, folgte Takuto Kôji seinen Bewegungen. Er passte sich Kôji seinem Rhythmus an, der schneller und drängender wurde. Gemeinsam traten sie die Reise ins Vergessen an, den endlosen Flug zu den Sternen.

Höher flogen sie, immer höher, in schwindelerregende Bahnen, bis sie den Himmel erreichten. Millionen von Sternen zerstoben und ergossen sich in einem glitzernden Funkenregen über das Firmament.

Kôji versank in einem duftenden Meer von Sonnenblumen und Takuto, er gab ihm in diesem Augenblick alles: sein Herz, seinen Körper, seine Seele.

~*~

Eng umschlungen und schweigend lagen sie beieinander. Kôji betrachtete zärtlich Takuto's gelöstes Gesicht. Sein Blick versank in der Tiefe von Takuto's feucht schimmernden Augen.

„Tränen, Izumi?“ fragte er bestürzt und küsste die Träne fort, die ihm plötzlich über die Wange rollte. „Habe ich dir wehgetan?“

„Nein.“ Takuto drehte das Gesicht weg, um seine Schwäche zu verbergen. „Es war so... so wunderschön.“

Kôji nahm ihn sanft in die Arme und küsste seine geschlossenen Augen. „Ja. Es war schön. Du schämst dich doch nicht deiner Tränen? Es ist ganz natürlich zu weinen, wenn man etwa so überirdisch Schönes erlebt hat!“

„Du findest nicht, dass ich mich wie ein albernes Kind aufführe?“

„Wie kommst du auf die Idee? Du bist weder albern, noch bist du ein Kind. Das am allerwenigsten. Du bist das schönste, begehrenswerteste Wesen, dem ich je begegnet bin!“

Takuto schniefte. „Schöner als die Frauen die du kennst?“

Kôji musste lachen. „Keine einzige Frau war annähernd so schön wie du, Izumi.“ Er ließ Takuto's kurzes Haar durch seine Finger gleiten.

Takuto fasste Mut für die nächste Frage. „Ist es... immer so wie eben?“

„Was meinst du?“

„Die Liebe!“

Kôji zog mit der Fingerspitze die Linien von Takuto's Mund nach. Leise und mit weicher Stimme antwortete er: „Ich glaube, dass nur wenige Menschen das erleben, was wir beide erleben durften!“

„Warum?“

Er ließ die Hände über Takuto's bronzene Haut wandern. Die Berührung genügte, um von neuem sein Begehren zu wecken. „Warum? Vielleicht aus Angst, sich aneinander zu verlieren.“

„Warum haben sie Angst davor?“

„Sie wollen sich nicht weggeben, nicht die Kontrolle über sich verlieren. Es gibt nur wenige Menschen, die stark genug sind, vor den anderen ihre Schwächen und Bedürfnisse zu zeigen. Die meisten verschanzen sich hinter einem Schutzpanzer!“

„Hast du Schwächen?“ fragte Takuto mit einem Lächeln.

„Eine habe ich gerade entdeckt“, antwortete Kôji mit Grabesstimme. „Es ist ein schöner, widerspenstiger, nach Sonnenblumen duftender Engel. Er macht mich mit einer einzigen Berührung schwach!“

„Was für eine Berührung? Vielleicht so?“ Takuto strich mit der Fingerkuppe ganz leicht über Kôji's Brust und Bauch. Seine Hand näherte sich dessen Schenkeln.

Heißes Verlangen loderte in Kôji auf. Doch ehe er sich den Verführer greifen konnte, war dieser ihm zuvorgekommen. Takuto rollte herum und lag auf ihm. Seine brennenden Augen spiegelten Leidenschaft und Verlangen wider. Kôji begann sich zu bewegen, und Takuto lächelte, als er Kôji's wachsende Erregung spürte.

„Nicht Engel, sondern ein Teufel bist du. Ich bin ein schwer kranker Mann, der sich von seinen Brüchen erholt. Du bringst mir den Tod.“

„Dann… lasse ich dich jetzt allein, damit du dich ausruhen kannst!“

Bevor Takuto seine Drohung wahr machen konnte, schloss Kôji die Arme um seinen Rücken und zog ihn an sich. Kôji's Lippen und Hände taten ihre magische Wirkung. „Du bist die einzige Medizin, die ich brauche, Liebster“, flüsterte er. „Bleib bei mir und liebe mich!“

Sie tauchten in eine Welt berauschenden Glücks ein. Eine Welt, die sich nur den Liebenden öffnet.

~*~

Es war tiefe Nacht. Takuto lag neben Kôji und horchte auf dessen gleichmäßige Atemzüge. Ob er wusste, was er ihm an diesem Tag gegeben hatte? Hatte er eine Ahnung, dass er ihm mit seiner ruhigen Zuversicht, mit seiner Stärke und Liebe jenes Gefühl von Sicherheit wiedergab, das er seit langem verloren hatte?

So viel hatte sich in seinem jungen Leben ereignet. So viel Chaos, Tod, Mord und Intrigen.

Takuto hatte den Boden unter den Füßen verloren, sein Leben war leer und ziellos geworden. Und so wäre es für immer geblieben. Doch alles hatte sich in einer Nacht geändert.

Takuto fühlte sich wieder beschützt und geborgen. Mehr. Er wurde geliebt. Liebe. Das war es, worauf er all die Jahre gewartet hatte.

Kôji zog ihn schlaftrunken an sich und drückte ihm einen Kuss auf die Schläfe. „Schon wieder wach, Izumi?“

Mit einem glücklichen Seufzer schmiegte Takuto sich an ihn. „Ich glaube, ich werde nie wieder schlafen können.“

Kôji liebkoste mit den Lippen Takuto's Ohrläppchen. „Und was hindert dich am Schlafen?“ flüsterte er. Seine tiefe raue Stimme ließ Takuto's ganzen Körper erschauern.

„Es ist alles so neu. So aufregend.“ Takuto stieß einen leisen Seufzer aus, als Kôji die Finger leicht um seine Brustnippel kreisen ließ. „Oh Kôji, wird das immer so bleiben? Wirst du nicht eines Tages genug von meiner Liebe haben, meiner müde sein und dich wieder irgendeiner Frau zuwenden?“

Kôji lachte leise. „Niemals, Izumi. Eine Ewigkeit mag verstreichen und mehr. Es würde meine Liebe zu dir nicht vermindern!“

Takuto seufzte glücklich und verlor sich in seinem Kuss. „Aber es gibt einen schöneren Liebesbeweis als Worte“, hörte er Kôji flüstern, „einen viel, viel schöneren...“ Und wieder versanken sie im Taumel ihrer Liebe.

Kôji war von Takuto's Leidenschaftlichkeit überwältigt. Noch nie hatte Takuto ihm so hingebungsvoll sein Liebe offenbart. Er versank in ihm, und ihre Körper und Seelen verschmolzen miteinander.

Obwohl alle im Nanjo-Anwesen bedeutungsvolle Blicke tauschten, tuschelten und flüsterten, nahmen die beiden Liebenden nichts als einander wahr. Eingesponnen in ihren Kokon der Liebe, störte sie es nicht, dass sie Gegenstand der gewagtesten Vermutungen und Gerüchte waren.

~*~

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Teil 19

Langsam zogen zinngraue Wolken über den Himmel, aber Takuto ließ sich von seinem Spaziergang nicht aufhalten. Er wollte nur raus aus diesem Haus, seine Gedanken sammeln, über Kôji, sich selbst und seine Geschwister nachdenken. Tief in Grübeleien versunken bemerkte er nicht, dass er inzwischen den Park verließ und sich auf unwegsamem Gelände zwischen den Feldern weiter fortbewegte.

Die ersten Regentropfen fielen auch bereits und zeigten an, dass der sonnige Morgen nun mehr nur noch eine Erinnerung war. Aber das störte ihn nicht.

Viel war inzwischen passiert und er fragte sich, ob man das je wieder rückgängig machen konnte. Kôji und er waren sich so nah gekommen, wie noch nie ein anderer Mensch in seinem Leben. Aber da waren schließlich noch seine Geschwister auf die er acht zu geben hatte, also konnte er sie nicht aus den Augen lassen und sich voll und ganz Kôji hingeben.

Durch dichte Regenschleier eilte er weiter. Seine Jacke über den Kopf gezogen lief er durch den plötzlichen Wolkenbruch. Der Regen tropfte ihm während des Laufens von seinen Wimpern und rann über seine Wangen.

Als er die dunkle, halbverfallende Scheune an seinem Weg endlich erreichte, trat er rasch ein. Er hörte den Regen auf das Strohdach prasseln und schüttelte erst einmal das Wasser von der Jacke, bevor er sie wieder überzog. Die Kälte kroch ihm über die Haut und auch seine Füße waren nass geworden, aber dagegen konnte er erstmal nichts machen.

„Ich hoffe nur, es hört bald auf zu regnen.“

Zu seiner Bestürzung hörte er jemanden rufen. Erstaunt schaute er sich um. Die Stimme die er gehört hatte, kam von der anderen Seite der Scheune.

Plötzlich fegte ein kalter Windstoß durch das baufällige Gebäude und ließ ihn erzittern. Neugierig geworden, ging er in den hinteren Bereich. Dort klafften zwischen den Planken der Bretterwand breite Lücken. Er schaute hindurch und konnte den Fluss hinter dem Gebäude vorbeiströmen sehen.

Ein greller Blitz erhellte den Himmel. Die Äste der Trauerweiden hingen ins Wasser und bildeten ein grünes Gewölbe über den Fluss. Langsam glitt ein Entenpärchen dahin, die Schnäbel nach unten gebogen, als ob sie nach Futter suchten. Takuto ließ seinen Blick über die atemberaubend schöne Gegend streifen. Der Anblick war überwältigend. Friedliche Stille erfüllte ansonsten die Szene, bis auf die leise platschenden Regentropfen, die in die Wellen fielen.

Er dachte schon er wäre einer Sinnestäuschung unterlegen gewesen, da plötzlich hörte er wieder diese Stimme, allerdings leiser, gepresster, angstvoll. Irgendwer rief da um Hilfe.

Ein Blick in die Richtung unter den Trauerweiden hindurch, zeigte ihm, dass es dort eine Brücke über den Fluss gab und das Geländer derselben war von einem Auto durchbrochen. Ein Rad hing schon runter, mit den anderen dreien schien er noch auf der Brücke zu stehen.

Trotz des Regens rannte er sofort dahin, um sich die Lage anzusehen und eventuell helfen zu können.

Er konnte den Fahrer nicht erkennen, aber dieser rührte sich auf seine Rufe hin auch nicht. Scheinbar war er nicht mehr bei Bewusstsein. Obwohl er nicht wusste, ob der andere ihn noch hören könne, sagte er ihm dass er sich ruhig verhalten solle, damit der Wagen nicht weiter runterrutschte. Die Fahrertür war durch die Metallplanke halb aufgerissen worden und verkeilt im Geländer. Da ließ sich so nichts machen, die musste erst weg gebogen werden.

Er besah sich den Schaden genau, bemerkte aber gleich, dass er ohne fremde Hilfe hier nichts erreichen konnte. Alleine würde er weder den Wagen wieder rauf, noch den Fahrer aus diesem befreien können.

Rasch eilte er zurück zum Nanjo-Anwesen um dort Hilfe zu finden. Denn das war das dichteste Anwesen hier in der Nähe.

~*~

Als sie endlich alle am Unfallort mit dem Abschleppwagen angekommen waren, half er den drei Männern. Alles geschah im Bruchteil von Sekunden, aber Takuto hatte das furchtbare Empfinden die Zeit sei stehen geblieben. Oder aber lief sie nur in einem unglaublichen, schon nicht mehr fühlbarem, Schneckentempo weiter? Wie es genau geschah, konnte Takuto selbst kaum noch sagen. Seine Reaktionen und Handgriffe waren so schnell, dass man es kaum erfassen konnte.

Als es endlich überstanden war, war das erste was er wahrnahm eine stahlharte Brust, die sich erschöpft auf ihn fallen ließ. Nur einen Augenwimpernschlag später spürte er schmerzhaft den harten Griff zweier ihn an seinen Armen packender Hände; welche sich an ihn krallten, wie aus Angst wieder fallen gelassen zu werden.

Erst jetzt hatte Takuto die Möglichkeit einen Blick auf die Gestalt zu werfen, welche er kurz zuvor das Leben gerettet hatte.

Sein Blick glitt höher und wanderte von einem dunkelblauen Hemd – dessen oberen Knöpfe offen standen -, auf kurze Haare dessen schwarz bereits mit reichlich grau oder besser weiß durchzogen war. Ein scharfes, markantes Kinn, ein arroganter Mund, darüber ein leichter Oberlippenbart und dann…

Dann schaute er in ein paar braune Augen. Hart und gefährlich.

Augen, die er nur bei einer Familie bisher je gesehen hatte, welche eine Eiseskälte verströmten, wie in einer sternenklaren Winternacht. Augen, so leer und bar jeglicher menschlicher Gefühle, welche ihn bereits mehr als die Hälfte seines jungen Lebens verfolgten, bei Tag sowie auch in der Nacht. Augen, die er am liebsten für immer geschlossen gesehen hätte und denen er trotzdem erlaubt hatte, die Welt weiterhin zu betrachten.

Als hätte das Antlitz dieses Mannes einen Geist aus einer weit entfernten, geheimnisumwitterten unschattenhaften Welt gerufen, sah Takuto sich plötzlich in eine Zeit zurückversetzt, als sie alle noch glücklich waren.

Er sah eine Tür aufgehen… ihn hineinkommen… seine bettelnde Mutter… die plötzlich durch das Zimmer flog… sah wie sich für immer die Türe hinter sich schloss.

Sein Blut gefror in den Adern und eine grenzenlose Einsamkeit über den erlittenen Verlust seiner geliebten Familie erfüllte sein Herz.

Ryuichiro Nanjo… der Mensch den er am meisten auf dieser Welt hasste, den er für all den Unbill der vergangenen Jahre, den er und seine Geschwister durchgemacht hatten, verantwortlich machte, ausgerechnet diesem Ungeheuer hatte er soeben das Leben gerettet.

~*~

Ryuichiro verstand die Welt nicht mehr. Da hatte dieser Izumi Takuto doch die Chance seines Lebens gehabt, ihn und somit den Vormund seiner Geschwister loszuwerden ohne einen Handschlag dafür tun zu müssen und stattdessen rettete er ihm das Leben. Er konnte es nicht glauben. Und doch war es geschehen.

Unschlüssig lief er in seinem Zimmer auf und ob. Vielleicht war an dem Burschen doch mehr als er geglaubt hatte?! Sollte Kôji so eine gute Menschenkenntnis besitzen, dass er ihm bis auf den Grund der Seele geschaut hatte? Er schüttelte den Kopf, hielt dann aber in seinen Schritten inne. Was war dieser Izumi Takuto eigentlich für ein Mensch...?

Grübelnd nahm er seine Runden wieder auf. Zu einem Ergebnis kam er dabei aber nicht, das einzige was ihm immer wieder in den Sinn kam war: er hatte ihm sein Leben zu verdanken. Ohne ihn, wäre er bestimmt nicht heil aus der Sache herausgekommen, da um diese Zeit, und gerade auf dieser Strecke selten mal ein Auto fuhr. Er hatte sein Leben einer Laune des Schicksals zu verdanken, die diesen Takuto ihm in den Weg geschickt hatte.

Gut, dachte er bei sich, sollte Kôji seinen Willen bekommen. Er beschloss den beiden reinen Wein einzuschenken.

~*~

Nun saß er schon seit einer halben Stunde mit ihnen bei Kôji im Zimmer zusammen.

~*~

„Ganz richtig mein Sohn. Dieser junge Mann hier, weiß von all dem was du ihm vorwerfen könntest nichts und…… er musste zwangsweise denken, dass du nicht nur Wahnvorstellungen, sondern dass du außerdem noch eine feste Freundin hast. Ich wollte ihm Angst machen, dass er den Abstand den du scheinbar nicht mehr zu halten vermagst, selbst einhält.“

„Was redest du da für einen gequirlten Mist, Vater?“

„Es ist kein Mist. Sei mal für einen Moment ruhig und höre mir zu, mein Sohn. Du warst überzeugt, das die junge Frau welche du mehrmals auf dem Band sahst, seine ist. Stimmt’s?“

„Ja! Wer sollte sie sonst sein, räkelt sich da in seinem Bett. Und dann das Video… da teilten sie es sogar gemeinsam.“

„Hast du sie jemals WIRKLICH und vor allem WACH zusammen gesehen? Oder du, Takuto. Hast du auch nur ein einziges Mal Kôji in Natura mit der Blondine erwischt?“

„Mich?...“, fragte Kôji.

„Sei still, überleg lieber ob du die Rothaarige zusammen mit Takuto gesehen hast. Also Takuto… hast du?“

„…Nein… eigentlich wirklich zusammen nur auf dem Videoband, welches ich fand… ansonsten nur Teile von ihr, Haare auf dem Bett, einen Kamm…“

Ryuichiro drehte sich zu seinem Sohn um. „...und du Kôji?“

„… Nur auf den Band. Worauf willst du hinaus, Vater?“

„Richtig… alle beide. Der andere war nie wach oder aber mit im Raum, weil ICH euch die Frauen unter geschoben habe. Ich wollte euch trennen. Das alles hat ein kleines Vermögen gekostet. Die Videos im Bett wurden gedreht, während ihr unter Schlafmitteln standet.“

„Deswegen hatte ich öfter morgens Kopfschmerzen…?“, fragte Takuto erstaunt.

„Leider waren das nicht vorhersehbare Auswirkungen bei dir auf diese Tranquilizer.“

„Aber wo…?“

„Kôji, die Zimmer im Ostflügel… Du hast so alles durch die rosarote Brille gesehen, dass du die Leute die mitten unter euch wohnten, gar nicht bemerkt hast. Einmal waren sie sogar noch alle da, wie du deine Zimmer betreten hast. Wir dachten schon, alles sei aufgeflogen, aber du hast die sechs Leute nicht einmal eine Sekunde beachtet.“

„Aber im Ostflügel wurde doch auch gebaut, oder etwa nicht?“

„Nur Requisitengegenstände. Dort wohnten sie alle gemeinsam. Sobald ihr außer Haus wart, ging es dort rund.“

„Und die Bänder?“

„Erinnerst du dich wie Takuto den einen Abend so schrecklich müde war. Er ging früh zu Bett. Du selbst noch mal außer Haus. In der Zwischenzeit wurden von ihm mit verschiedenen Kameras Aufnahmen gemacht und dann natürlich als er in Hiroses Gewalt war. Von all dem bekam er natürlich nichts mit. Bei dir war es übrigens genau so. Wir hatten die kleine rothaarige Minako sogar zweimal in Takuto's Zimmer in sein Bett mit gelegt, während er darin schlief, wo du sie dann finden solltest. Aber ausgerechnet an diesen Abenden kamst du so spät erst heim, dass du dein eigenes Zimmer aufgesucht hast, ohne bei Takuto noch mal hinein zu schauen. Pech für uns, wir mussten das Mädchen wieder da rausholen, bevor Takuto erwachte.“

„Bei mir? Aber ich hab nichts gemerkt.“

„Solltest du ja auch nicht. Deine Blondine Kôji, war genau so falsch wie die Rothaarige in Takuto's Bett.“

„Erspar mir bitte weitere Einzelheiten, Vater. Ich habe genug gehört.“

„Wie du willst mein Sohn.“

Kôji sah zu Takuto hinüber, der immer noch die ganze Zeit über an der Tür stand, die Hände im Rücken und sich damit vor lauter Schreck an der Tür abstützte. Seine Augen durchzog ein Blitzen und die Hände hinter sich ballten sich langsam zu Fäusten. Erst hatte er nicht richtig verstanden, um was es hier ging, doch so nach und nach verstand er die Andeutungen des Herrn Nanjo.

Schwungvoll drehte er sich um und riss die Tür auf, wollte nur weg von diesen Irren, die so mit dem Leben anderer spielten. Die Nanjos waren doch alle gleich. Wie hieß es so schön? Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Akihito und Hirose zeigten ihre Spielchen offen, ihr Vater hingegen schmiedete seine Intrigen zwar versteckt, aber im Grunde tat er den Menschen damit genau so weh, wenn nicht sogar noch mehr. Er hätte es besser wissen müssen. Hätte nicht den ersten Vorfall vergessen dürfen. Seine Eltern waren doch das beste Beispiel für seine „Spielchen“. Erst den Leuten gut zureden, dass bei dem Geschäft nichts schief gehen kann und dann wenn sie merken, dass sie reingelegt worden sind, ist es schon viel zu spät um noch unbeschadet wieder heraus zu kommen!

„BLEIB!... Bleib bitte… Izumi!“ Kôji hatte er von seiner halb am Bettgeländer sitzenden Position aufgerichtet und beide Arme in Richtung Tür ausgestreckt. „Bitte – komm her – Izumi! Du weißt nun mit Sicherheit, dass ich unschuldig bin… bitte bleib bei mir! Was hab ich nun schon wieder falsch gemacht? Ich dachte wir hätten alles geklärt? I…ZU…MIIII!“

Langsam drehte sich Takuto um, sah Kôji an, der nur kraftlos die Arme fallen ließ, da er Takuto's Blick sah.

Verzweiflung. Unverstehen und Wut… Drei Gefühle die eine einzige Mine ausdrückten.

„Bleib bei mir, hier bei mir…“, wiederholte Kôji flehend und ohne ihn dabei nur eine einzige Sekunde aus den Augen zu lassen.

Takuto's Mimik änderte sich. Er schmolz förmlich wie Butter in der Sonne als er Kôji's trauriges Gesicht sah.

„Wenn ich HIER bleibe… kannst du mir garantieren, das nicht die nächste Intrige uns ins Haus steht?“, fragte er ihn.

Kôji sah ihn fragend an, nickte dann aber.

„Gut, ich bin gleich wieder da, hole uns nur schnell etwas zu essen.“

„Sagst du es auch nicht nur so?“ Kôji's Ton klang immer noch zweifelnd, so als ob er befürchten würde, dass sobald sich die Türe schließt, sich Takuto in Luft auflösen würde.

„Hab ich DICH je belogen?“ Dieses mal klang die Frage herausfordernd, so als wollte er sagen: Sieh her, du hast nun den Beweis das ich die ganze Zeit über unschuldig war.

„Ach Takuto“, brachte sich Nanjo Ryuichiro wieder bei den beiden in Erinnerung, bevor das Gespräch in Dimensionen ausartete, die er jetzt lieber nicht heraufbeschwören wollte. Man wusste nie wie Kôji sich danach verhalten würde. „Das Band welches du…“

„Ein Band?... Hmmm, welches Band?“ Mit einer Unschuldsmine sah Takuto den älteren Mann an.

„Danke!“, war alles was Nanjo Ryuichiro über die Lippen kam.

Einen Augenblick sahen sich die beiden so unterschiedlichen Männer fest in die Augen. Verwunderung und Anerkennung konnte Takuto erkennen, aber so sehr sich Ryuichiro auch anstrengte, Takuto ließ ihn seine Gefühle nicht erkennen. Als der Ältere schuldbewusst für zwei Sekunden die Augen senkte, nutzte Takuto dies um die Tür zu ergreifen und sich umzudrehen. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren verließ er das Zimmer.

Aber Kôji hatte diesen letzten stummen Wortwechsel sehr wohl mitbekommen. Der Punkt ging ganz eindeutig an Takuto.

Sooo… und nun zu dir, Vater!“

Der Angesprochene sah von der Tür weg, hinüber zu seinem Sohn und winkte ab. „Tut mir leid.“

„So plötzlich?“, fiel Kôji ihm ins Wort. „Warum hast du…“

„Warum ich euch trennen wollte?“

„Nein, so schlau bin ich alleine, dass ich die Antwort kenne. Warum hast du deine Meinung geändert und all das eben zugegeben? Es entspricht nicht gerade deiner sonstigen Lebensart.“

„Da magst du Recht haben. Aber kann sich nicht jeder Mensch mal ändern?“

„Ausgerechnet du sagst das? Das glaube ich dir nicht.“

„Ich konnte einfach nicht mehr mit ansehen, was du mit deinem Leben machst, wie du es wegwerfen wolltest. Und außerdem…“

Oooohh sag bloß, es gibt ein „Außerdem“?!“

„Kôji, bitte benehme dich mir gegenüber. Gewöhn dir ganz schnell einen anderen Ton an…. Ja, es gibt ein außerdem… Er und seine Geschwister wurden von mir und auch deinen Brüdern immer nur mies behandelt und trotzdem rettete er mir das Leben. Er hätte keinerlei Veranlassung dazu gehabt.“

„Das ist es also… Erst muss man dir oder jemandem der dir nahe steht also das Leben retten, bevor du sie so behandelst als ob sie Menschen seien. Traurig so was.“

„Du hast ihn sehr gerne, stimmt’s Kôji? Du wolltest dich seinetwegen zugrunde richten und wenn er sogar mir einen unbezahlbaren Dienst erweist, obwohl ich es war der ihn von seinen Eltern getrennt habe, kann er kein schlechter Mensch sein. Vielleicht… vielleicht ist es Schicksal… vorherbestimmt. Ich werde mich nicht länger dagegen stellen.“ Ryuichiro stand auf. „Die Schulden sind vergessen. Ich werde auch seine Ausbildung finanzieren, wenn dir soviel daran liegt. Er hat einiges nachzuholen.“

Er kramte in seiner Tasche, holte einen Schuldbrief heraus zeigte ihn Kôji und zerriss ihn dann vor dessen Augen.

„Du hast ja tatsächlich ein Herz?“, höhnisch klang es.

„Hast du daran gezweifelt? Schließlich bist auch du mein Sohn. Auch wenn noch schwere Zeiten auf mich deswegen zu zukommen scheinen.“

„Darüber brauchst du dir erst einmal wohl keine Gedanken zu machen. Ich möchte hier nicht länger bleiben und werde zurückkehren. Takuto zieht es sicher auch vor in der Nähe seiner Geschwister zu sein. Du brauchst also nichts in der Familie verlauten zu lassen, außer dass dein Sohn weiter im Ausland studiert.“

„Wenn das dein Wunsch ist?“

„Ja, und nun geh bitte, Vater. Takuto kommt gleich mit dem Essen und danach möchte ich schlafen.“

Dieser nickte nur verstehend, warf noch einen letzten Blick auf den im Bett liegenden, doch Kôji hatte sich schon wieder hingelegt und die Augen geschlossen.

~*~

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Teil 20

Ein paar Wochen später war Kôji wieder vollständig genesen und machte die Ankündigung war. Er regelte alles in Japan und flog mit seinem Izumi wieder zurück nach Deutschland.

~*~

Doch eine Sache ließ Kôji keine Ruhe. Ständig dachte er daran, wie in seinem unmittelbarem Umfeld Massen an Menschen ein- und ausgehen konnten, ohne dass es auch nur einem der anderen Hausbewohner aufgefallen war. Das konnte er nicht so auf sich sitzen lassen. Er wollte dieser Sache auf den Grund gehen. Takuto war immer noch unterwegs, um ein paar Runden zu laufen, also eilte er selbst nach kurzer Überlegung runter in die Küche.

Wie ein wütender Geist polterte er dort unten hinein. Eine der Aushilfen ließ vor lauter Schreck einen Stapel Teller zu Boden gehen, welcher dort mit einem mächtigen Knall in tausenden von Splittern ankam.

Im Nu hatte Kôji die gewünschte Aufmerksamkeit, denn nachdem alle auf den Scherbenhaufen gesehen hatten, fiel ihnen der angstvolle Blick des Mädchens auf und schon richteten sich die anwesenden Augen auf die betreffende Zielperson.

Kôji wandte sich von dem Geschehen ab, zog sich einen der Küchenhocker heran. Dann stütze er einen Fuß auf die Kante des nun vor ihm stehenden Teils, beugte sich vor legte die Arme um das Knie.

Seine ohnehin eng anliegende schwarze Hose, welche er heute trug, spannte sich noch mehr um die gestrafften Muskeln. Aber keiner der Anwesenden, die ihn in diesem Augenblick so sahen, ließ sich von der zwanglosen Haltung täuschen.

„Also ich höre“, brummte Kôji, „will mir nun endlich mal jemand erklären, wie sich verdammt noch mal so viele Personen hier im Haus aufhalten und auch noch beköstigt werden konnten, ohne das ich es erfahre? Ich dachte die Abrechnung die mir vorgelegt wurde, galt nur für den von mir eingestellten Personenkreis PLUS MEINEN GÄSTEN und mir.“

In dem Moment betrat Takuto hinter ihm den Raum, wobei ihm nicht entging in welch geladenener Stimmung Kôji gerade war. Taktvoll wollte er sich zurückziehen, als die Person unmittelbar vor ihm, ohne etwas an der Haltung zu ändern oder ihm gar den Kopf zu zudrehen, sagte: „Izumi, du kannst dir das wenn du willst gerne mit anhören. Es betrifft dich genauso.“

Takuto zögerte noch eine Sekunde, trat dann aber nachdem er nochmals einen Blick auf Kôji's Rückseite geworfen hatte, neben diesen.

„Also Leute… aber, aber… doch nicht alle auf einmal“, meinte Kôji nur ironisch.

Takuto hingegen gefiel sein Gesichtsausdruck überhaupt nicht. Er ahnte, dass wenn sich nicht gleich einer zu Wort melden würde, etwas Schreckliches passiert.

„Wenn so viele auf einmal reden, verstehe ich nichts. Mir kann doch niemand erzählen, dass es OHNE Kenntnis in der Küche geschah, dass ich nicht einmal Essen in eine andere Richtung als in meine Zimmer hab gehen sehen. DEMZUFOLGE…“

Ein älterer Mann mit grauem Haar, welches er unter einer weißen Mütze verborgen hielt, trat verlegen von einem Bein auf das andere, hob aber seinen zum Boden gerichteten Blick vorerst nicht.

„Du da… was weißt du davon.“

Der Angesprochene schluckte und musste sich sichtlich zwingen sein Gegenüber anzusehen.

Dann sagte er stockend: „Es geschah… alles … auf Anweisung… ihres… Herrn… Vaters.“

„Dacht ich es mir doch. WEITER!“

„Na ja, er hat hier angerufen…“

„Bei wem?“ Als nicht schnell genug die Antwort kam, wurde sein Tonfall noch eine Nuance frostiger und somit bedrohlicher für die Anwesenden. „Mit wem hat er das hier abgesprochen?“

„… mit mir.“, kam es ganz kleinlaut nach einer Weile von dem älteren Mann.

„Okay, alle anderen wieder an ihre Arbeit. Es sei denn…, jemand anderes hat mir noch was zu gestehen?... Nein?... Und DU kommst sofort in mein Büro.“

Kôji drehte sich um, ergriff Takuto an der Hand der noch immer wie vom Blitz getroffen dastand und zog ihn hinter sich her, hinaus aus dem Raum.

Wenige Minuten später befanden sich drei Personen in dem bis dato verwaisten, weil ungenutzten Büro. Der Chefkoch schilderte bereitwillig Punkt für Punkt wie alles begann und was sich seit dem ersten Anruf von Nanjo Ryuichiro zugetragen hatte. Die Angst saß ihm dabei tief im Nacken, dass er seine gute Anstellung verlor.

~*~

Endlich waren sie wieder allein. Kôji hatte sich ihn einfach geschnappt und hoch getragen, weil er der Meinung war das es so schneller ging, als wenn er Takuto erst noch darum bitten wollte.

Oben angekommen, spürte Takuto bald wieder festen Boden unter den Füßen. Doch nicht für sehr lange, denn Kôji zog Takuto sogleich wieder an seine Brust und ein sinnliches Feuer flackerte in seinen Augen.

„Hab keine Angst mehr. Ab jetzt werden wir hier sicher sein.“ Kôji nahm Takuto's Gesicht zwischen seine Hände und gab ihm einen langen, stürmischen Kuss.

„Meinst du wirklich… auch vor deinen Brüdern?“, flüsterte Takuto.

„Ausnahmsweise denke ich ja. Vater wird in diesem Fall wohl schon dafür sorgen.“

Mit aufreizender Langsamkeit begann er Takuto zu entkleiden und während dessen bereits zu streicheln und zu liebkosen. Er küsste ihn leidenschaftlich und heißblütig, schloss seine Lippen um dessen erstarkende Erregung und ließ danach wieder von ihr ab um mit seiner Zunge über Takuto's Körper ihre Bahnen zu ziehen.

Aufstöhnend schmiegte sich Takuto an ihn, berauscht von seinen Zärtlichkeiten, entbrannt vom Feuer der eigenen Lust.

Die Leidenschaft, die aus Kôji's Augen sprach, faszinierte Takuto und die Sehnsucht in ihm verstärkte sich. Zaghaft streichelte er Kôji's Wange und war verwundert, wie sehr diese kleine Geste der Zärtlichkeit dessen Feuer nur noch mehr entfachte.

Kôji stöhnte auf und küsste Takuto, hungrig und besitzergreifend. Voller Leidenschaft suchte er Takuto's Nähe. Er raunte ihm verführerisch, sinnliche Koseworte zu, streichelte und erregte ihn. Indes erkundete seine Zunge jeden Winkel von Takuto's Mund, reizte und verführte ihn, bis er keuchend nach Atem rang. Spielerisch biss er ihm in die Unterlippe, streichelte dabei weiter über dessen Brust und rieb sacht den Daumen über eine der gestrafften Spitzen.

Takuto zuckte leicht zusammen, seufzte tief auf und presste seine Hand auf Kôji seine, während der ihn mit wachsender Glut liebkoste. Die wonnevollen Regungen, die heiß in ihm aufwallten, sie durchfluteten und erhitzten, betörten ihn mehr und mehr die Sinne und machten ihn trunken vor Verlangen. Er fühlte, dass er unaufhaltsam auf etwas zu trieb, dass er herbeisehnte.

Er war bereit, sich Kôji erneut zu schenken, und diesmal ein Leben lang. Gewiss, er ging das Risiko ein, sich ganz an ihn zu verlieren, aber er liebte ihn.

„Izumi“, murmelte Kôji zwischen stürmischen Küssen, „Izumi, gib dich mir ganz hin. Du bist so wunderschön, so begehrenswert!“ Er ließ die Hände tiefer gleiten, aufreizend langsam, über dessen weiche Haut, die Taille, die empfindsame Haut seiner Schenkel.

Takuto schob die Finger in Kôji's Haarpracht und zog ihn dichter, um seinen Mund ganz fest auf seinen Lippen zu spüren, schmiegte sich fordernd an ihn und spreizte aufstöhnend seine Beine.

Kôji drängte sich zwischen sie, ergriff Takuto's Hand und drückte sie um seine harte Männlichkeit. „Streichle mich, Izumi“, sagte er in dunkel vibrierendem Ton. „Fühlst du, wie sehr ich mich nach dir sehne? Ich will dich, will dich mehr, als du dir vorstellen kannst. Du sollst ebenso vor Verlangen brennen wie ich.“

Mit schnell auflodernder Leidenschaft liebkoste Takuto ihn, schloss beglückt die Lider und flüsterte, halb benommen von dem Wohlbehagen, das ihn erfüllte: „Und wie willst du das feststellen?“

Kôji lächelte flüchtig, presste die Hand zwischen Takuto's Schenkel und antwortete rau: „Du wirst es mir auf deine Art zeigen, Liebster.“

Schwungvoll nahm Kôji Takuto auf die Arme, trug ihn zum Bett und ließ ihn sacht auf das Laken gleiten. Rasch zog er sich ganz aus und legte sich zu ihm.

Eine unvorstellbar angenehme Wärme durchflutete Takuto bei Kôji seiner Berührung, und ungeduldig rieb er sich an ihm. „Siehst du denn nicht, Kôji“, fragte er mit bebenden Lippen, „dass ich vor Sehnsucht nach dir bereits vergehe?“

Wortlos verschloss Kôji Takuto den Mund mit einem inbrünstigen Kuss, und seine Zunge begleitete das rhythmische Spiel seiner Finger, der langsam und köstlich erregend in Takuto eindrangen.

„Kôji!“ stöhnte er auf und klammerte sich an dessen Schultern.

Dieser nahm nach einiger Zeit die Hand fort, legte sich ganz auf Takuto und zwängte sich enger an ihn. „Winkele die Beine mehr an. Ja, so ist es gut, öffne dich mir. Sag mir, dass du mich willst.“

„Ich… will… dich, Kôji!“ Er war schwer und presste ihn tief auf das Lager.

Berauscht vor Verlangen, vereinte er sich mit ihm, erfüllt von einem Feuer, dessen unbändige Flammen sie beide restlos verzehrten. Sie liebten sich wild, ungestüm und ausdauernd, bis die Trunkenheit ihrer entfesselten Leidenschaften alle Erinnerungen an die vergangenen, beklemmenden Ereignisse ausgelöscht hatte.

~*~

Matt und erschöpft, aber glücklich und zufrieden hielt Kôji Takuto im Arm geborgen, beseelt von dem Wunsch, dass die Zeit still stehen möge und gönnte ihnen beiden einen Moment der Ruhe, nachdem er seinem Izumi noch einen Kuss auf die feuchte Stirn gehaucht hatte.

Freundschaft. Vertrauen. Liebe. Takuto schloss glücklich seufzend die Augen und ließ Kôji in allem gewähren. „Oh Kôji, ich liebe dich so sehr.“

„Und ich liebe dich, mein Izumi“. Kôji hauchte einen Kuss auf Takuto's Mund, während seine zärtlichen Hände ihre Magie wiederum vollführten. „Willkommen in deinem und meinem Zuhause, mein Engel.“

Sie tauchten erneut ein in ihre Liebe und erlebten eine jener Nächte ohne Dauer, am Rande der Zeit. Es war der Beginn eines Glücks, das selbst ihr Leben überdauern würde.

 

~ ENDE ~

~*~*~*~*~*~

 

 

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