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Wir saßen nebeneinander auf dem Bett. Eigentlich saß ich, und er, na ja, er war irgendwo, bloß nicht hier. Die Augen halb geschlossen, blau und abwesend. Die Hände, ich liebte diese Hände, sie bedeuteten Schutz, jetzt mehr als früher, waren fest in dem Handtuch vergraben. Ich wünschte ich könnte schreien, könnte sprechen, oder wenigstens flüstern, irgendwas. „Das beste was man tun kann, ist, über Geschehenes zu sprechen und dann damit abzuschließen...“ Ich zitierte im Geiste..., wen eigentlich... Ich hätte darüber gesprochen, sicher, aber die Sache einfach anzusprechen? Nein! Er drehte das Handtuch zwischen den Händen. So fest, das die Knöchel weiß hervor traten. Das strahlende weiß des Handtuchs bekam Punkte, klein und rot. Ich lehnte mich rüber, ich sagte nichts, ich legte meine Kopf auf seine Schulter. Er zuckte zusammen wie aus einem Traum erwacht und drehte mir sein zerschlagenes Gesicht zu. „Fehler?“ Ich verstand es kaum. Die Stimme bebte so. Was sollte ich antworten... „Nein, du hast richtig gehandelt!“ oder „Du hast es übertrieben, du Arsch!“ Ich war doch selbst nicht sicher was ich dachte. Meine Hand strich durch sein langes, weiches, silbernes Haar. Er deutete dies wohl als Antwort, denn er drückte sich fest an mich, wie ein Kind, das Schutz suchte. Ich begann zu weinen. Eigentlich liefen die Tränen gegen meinen Willen über meine Wangen, denn mir war nicht nach Weinen zumute. Das Handtuch war inzwischen ziemlich durchgeweicht, vom Blut seiner Hände, vom Blut an seinen Händen. „Ich habe damit alle Brücken hinter mir abgerissen. Ich werde dir jetzt ewig zur Last fallen. Ich habe keine Hoffnung mehr...Fehler?“ Die Worte kamen langsam über die geschwollenen Lippen. Antworten, jetzt. „Ich weiß nicht...“ „Nein, du weißt es. Aber du denkst es ist deine Schuld.“ „Vielleicht...“ Eigentlich will ich darüber nicht nachdenken. Ich stehe auf und schaue in den Spiegel. Meine Haut spannt am Auge, da, wo mich die Faust traf. Meine Lippen sind gesprungen und ich sehe fast so aus wie er, was das blutig geschlagene angeht. Ihre Stimmen schallen durch meinen Kopf. Das Blut tropft auf den Teppich, mich stört es nicht. Stolz, nein Zufriedenheit, nein, ich weiß nicht was es für ein Gefühl ist. Ich gehe zum Bett und stolpere fast über den Mantel, auf dem seine Kette mit dem Kreuz liegt. Ich befeuchte meine Lippen, schmecke Blut. „Ich liebe dich“ Eine hand streckt sich mir entgegen. Voller Blut, und ich halte sie.
Er erwachte, langsam, ich hörte es an seinen Atemzügen. Ich hatte die Vorhänge so weit zugezogen, dass nur vereinzelte Strahlen rötlichen Lichts auf seine blutverschmiertes Gesicht fielen. Sein ganzer Körper war von Wunden überseht und pulsierte regelrecht. Und an einigen Stellen war die Haut so blau geschlagen und angeschwollen, als ob sie jeden Moment aufplatzen wollte. Es tat mir weh ihn so zu sehen. Seine Augen zu Schlitzen verengt, sahen nur sehr weltfremd ins Zimmer, und er bemerkte mich nicht. Seine Hände, ich starrte sie an, waren voller getrocknetem Blut und tasteten nach der Stellt, an der ich im Bett gelegen hatte, wo mein Körper nach den Schmerzen und den Strapazen zusammen gebrochen war. Ich sah auf meiner eigenen Hände herab. Da wo seine Finger meine Haut berührt hatte, stand sie immer noch in Flammen. Urplötzlich schreckte er hoch, sah zu der Stelle wo seine Hand ruhte und bemerkte mein Fehlen. Ein unglaublich tiefer Atemzug, und ein herz das so laut schlug, das ich das Klopfen zählen konnte. „Ruhig“ hörte ich ihn sagen, „Ganz ruhig, Koji“ wieder dieses Beben, diese Verzweiflung in der Stimme. Vor Schmerzen zitternd hievte er seine Beine aus dem Bett und seine Füße berührten da den Boden wo mein Brief lag. Ich atmete aus. <Fehler?>, ich erinnerte mich, ich hatte den ganze Nacht darüber nachgedacht, den ganzen Morgen, den ganze Tag. Tränen, ich sah sie nicht, aber ich sah wie seine Schultern bebten, er weinte, drückte seine Gesicht in das Kissen, mein Kissen, und hinterließ dunkelrote Spuren. Schluchzen, lautes Heulen. Ich pumpte alle Luft aus meiner Lunge, es schmerzte, ich hielt die Luft an, bis schwarze Punkte vor meinen Augen tanzten. >lies ihn, jetzt< Ein knistern von Papier, ich holte wieder Luft, sprach jede Zeile in Gedanken mit...
’Du hast mich gefragt ob es ein Fehler war, ich weiß es nicht. Ich weiß nicht was ich fühle. Du tust mir weh, und doch nimmst du den Schmerz. Du überschüttest mich mit deiner Liebe, so das ich darin fast ertrinke. Du erwartest, aber ich weis nicht was, aber ich weiß das ich es nicht länger geben kann. Vielleicht kann ich dir irgendwann sagen was ich denke und fühle, vielleicht...
Erneutes Schluchzen, Tränen tropften auf das Papier, verwischten die Tinte. „Ich werde dich nie mehr quälen“, seine schweren Schritte auf dem Teppich, Richtung Badezimmer. Klirren. Poltern.
Ich sitze im Sessel vor dem Fenster und starre zum Badezimmer, die Vorhänge habe ich geöffnet, werfe lange Schatten auf ihn, als er aus dem Raum kommt. Er bleibt wie angewurzelt stehen, die Rasierklinge gleitet dabei aus seiner Hand, schneidet, bevor sie frei fällt, in seine Finger und kaum merklich tritt ein wenig Blut hervor. „Du....du bist noch da.....ich....ich....“ stotternd. „Hast du gedacht ich gehe, bin weg?“ Meine Stimme klingt härter als ich will. „Ich...“ Tränen ersticken weiter Worte. „Wolltest du dich töten?!“ Schweigen. „Ich gehe nicht weg, nie mehr, und du auch nicht....“ Große blaue Augen mit Tränen gefüllt sehen mich an, und ich, ich starre auf den Fußboden, auf den Teppich, da wo das Blut von Gestern Abend getrocknet ist. >Verbunden, untrennbar, bis in den Tod....<
Ich hatte Koji beim Anziehen geholfen, hatte seine blutenden Wunder verbunden, hatte sein Gesicht mit einem Tuch ganz sanft abgewaschen, unter der Blutkruste seine helle Haut zutage gefördert, hatte um die Blessuren einen Bogen gemacht um ihm nicht noch mehr zu schmerzen. Als das Telefon klingelte, war keiner von uns beiden dran gegangen, wir tranken Tee, in der Küche. Ich drückte meine Nase fast in die Tasse, sog den Duft ein, schloss die Augen und sah auf meinen Körper herab. Eine merkwürdige Fremdheit umfing mich. Koji war aufgestanden und zur Anrichte gegangen. Ich spürte das Messer in seinen Händen, als läge es in meinen, und atmete zischend aus als er es auf sich richtete. Ein schnelle Bewegung und ein kurzer Schnitt und seine silbernen Haare rieselten auf die Fliesen. Ich riss die Augen auf und sah ihn an, er lächelte und sagte „Lass uns gehen“. Ich stand auf und ging auf ihn zu, fuhr mit der Hand über sein Gesicht, sah in seine Augen und besah sein Gesicht, drückte mich, nur für Sekunden, an ihn und schritt zur Tür. „Ja, es ist Zeit.“
Ich habe die Hände hinter meinem Rücken im Gitter verkrallt. Der Wind weht mir ins Gesicht und ich sehe in den Sonnenuntergang. Koji steht neben mir in gleicher Weise, nur sieht er mich an. Er trägt ein bordeauxrotes Hemd, wunderschön aus Seide. Seine unzähligen Wunden wirken dadurch nicht ganz so schlimm. Ich löse eine Hand aus dem Gitter, und drehe mich zu ihm, lehne, nein drücke mich an ihn, so das wir eigentlich verschmelzen müssten, dann löse ich auch die andere Hand aus dem Gitter, presse meine Lippen auf seine und die Welt um uns wird plötzlich leicht und windig.
„Ich liebe dich“ fliegt es über meine Lippen, als die Erde diese merkwürdige Anziehungskraft auf uns wirken lässt. Sehe noch einmal in sein Gesicht, Tränen und unaussprechliches Glück. Für einen Augenblick steht die Zeit still, fliegt kein Vogel, hallt kein Laut, schweben unsere Körper Bewegungslos in der Luft. Dann ist es als tauche ich in ein, und plötzlich sehe ich mich und Koji in einem roten Meer treiben. Ich schwebe wohl in sehr großer Höhe, kann deshalb nicht alles genau sehen, aber Koji scheint zu lächeln, während er meine Hand hält, und ich, ich lächele sicher auch. Der Lärm, die Schreie, die Sirenen vor dem Hochhaus nehmen zu wie damals bei meiner Mutter, aber ich entferne mich...
Katsumi öffnete die Tür zum Schlafzimmer. „Ich habe Hiroses Leiche gesehen. Du hast saubere Arbeit geleistet, Koji.“ Keine Antwort. Es war gereinigt worden, bis auf das Blut auf dem Teppich. Dieser Fleck war geblieben. „Ich habe auch Izumis Körper gesehen.“ Stille. „Und es waren nicht nur Spuren einer Vergewaltigung.“ Er zog ein Photo aus der Tasche seines Mantels. „Vielleicht musstest du ihn zerstören damit er dich lieben kann.“ Es war ein Polizeiphoto, welches zwei Gesichter zeigte, zerschmettert in einer Blutlache. „Vielleicht seid ihr jetzt glücklich.“ Die Gesichter lächeln. „Nein, ihr seid sicher glücklich.“ Katsumi küsste das Bild und steckte es wieder in die Tasche, dann schloss er die Tür wieder. Es wird düster um mich herum und das Zimmer rückt in entfernte Schwärze. Ich schwebe in völliger Dunkelheit, alleine, bis sich die Arme meines Geliebten um mich legen...
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