GESTRANDET von Koji-chan und Sadomina

 

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Feedback bitte an: Koji-chan oder Sadomina

 

 

TEIL 1

"Komm schon Koji!!! Du musst dich beeilen und zum Flughafen kommen. Katsumi reißt dir sonst den Kopf ab, wenn du nicht wieder rechtzeitig zum Konzert da bist."

"Aber Izumi...bis das Taxi da ist, haben wir doch noch ein paar Minuten!"

Grinsend zog Koji Izumi an sich und küsste ihn. Die paar Stunden, die sie miteinander verbracht hatten, waren einfach nicht genug. Er hatte zwei Wochen auf seinen Freund verzichten müssen, und würde jetzt weitere zwei Wochen ohne ihn auskommen müssen. Nur weil man auf die Idee gekommen ist, dass Koji durch Europa touren soll! Ohne Izumi. Er wusste nicht, ob er noch einmal diese Zeit ohne ihn auskommen konnte. Die zwei Wochen waren die Hölle gewesen und in diese Hölle sollte er jetzt wieder hin? Es war einfach nicht fair.

"Wie soll ich nur die Zeit überstehen? Ich vermiss dich jetzt schon wieder so. Weißt du was? Ich verspreche dir, wenn ich wieder komme, nehme ich erst mal für eine Woche eine Auszeit! Und die werden nur wir beide ganz allein verbringen!!!"

"Baka!" Izumi spürte, wie er rot wurde, und drückte Koji schnell von sich.

"Du wirst schon noch zwei Wochen ohne mich auskommen! Ich werd sie jedenfalls genießen. Keiner da, der mich ständig ins Bett zerren will! Und jetzt komm, das Taxi ist da."

Koji folgte Izumi lächelnd nach draußen. Nach all der Zeit, die sie jetzt schon zusammen waren, wusste er, dass auch Izumi das gleiche für ihn empfand, wie er für Izumi. Bloß fiel es diesem immer noch sehr schwer es selber zu akzeptieren und es zu zeigen.

Unten, an der Haustür, umarmte er seinen Freund noch mal zum Abschied und ging dann zum Taxi.

"Koji...warte!!!"

Erstaunt drehte sich der Angesprochene um und sah, wie Izumi hastig auf ihn zu kam. Stürmisch umarmte dieser ihn noch einmal. Klammerte sich regelrecht an ihn.

Koji erwiderte überrascht die Umarmung. Das war noch nie vorgekommen. Izumi vermied es immer, hasste es regelrecht, in der Öffentlichkeit Gefühle für Koji zu zeigen.

"Izumi?" flüsterte Koji leise, "alles in Ordnung?"

"Ich...tut mir leid. Ich weiß selber nicht was über mich gekommen ist! Es war nur..."

Wie sollte er es Koji sagen, dass er auf einmal das Gefühl hatte, Koji nicht mehr wieder zu sehen? Er verstand sich ja selbst nicht. Diese plötzliche Angst...

"Du musst jetzt wirklich." Izumi versuchte das gerade eben passierte mit einem Lachen abzuschütteln.

"Wir sehen uns in zwei Wochen" und damit drückte er Koji ein dünnes, rechteckiges Geschenk in die Hand und lief zum Haus zurück.

Verwundert drehte Koji es in seiner Hand. Izumi hatte ihm etwas geschenkt? Sollte er es jetzt gleich aufmachen, oder lieber...Da entdeckte er einen Zettel.

- Mach es erst im Hotel, nach dem Konzert, auf, Izumi -

Lächelnd stieg Koji ins Taxi und lies sich zum Flughafen fahren. Das Geschenk von Izumi drückte er eng an sich. Auch Izumi würde ihn vermissen. Eine unsagbare Ruhe machte sich in ihm breit.

 

Flughafen

Hastig lief Koji durch das Gewühl. Er hätte vielleicht doch ein bisschen früher losgehen sollen, jetzt hatte er gerade noch ein paar Minuten, seinen Flug zu finden. Warum musste Katsumi auch ausgerechnet privat etwas buchen? Mit irgendeinem kleinen Flugzeug? Er hätte genauso gut eine normale Maschine nehmen können! Aber nur weil keine rechtzeitig zu dem Konzert heute Abend da wäre, musste es etwas Spezielles sein! Und jetzt durfte er sehen, wie er da hin kam!

"Nanjo-san bitte zum Informationsschalter 7. Nanjo-san, bitte zum Informationsschalter 7!"

Koji atmete erleichtert auf, als er die Ansagerin hörte und machte sich sogleich auf den Weg zu Schalter 7.

Etwas außer Atem kam er da an. Er wollte sich gerade melden, als neben ihm jemand stehen blieb und ebenfalls nach Atem rang. Neugierig drehte er sich um und erstarrte.

"H...Hirose?!"

"DU??!" platzte es aus beiden Nanjos gleichzeitig heraus. In ihren Augenstand Überraschung und Entsetzen geschrieben. Koji blickte seinen Bruder voller Abscheu an und dieser erwiderte mit einem kalten und überheblichen Lächeln. Die Dame am Schalter jedoch strahlte über das ganze Gesicht und unterbrach fröhlich gelaunt das gegenseitige Anfunkeln der beiden.

"Ach, sie gehören zusammen?" wandte sich die Dame freundlich an Hirose.

"Ähh, ja. Halbbrüder." antwortete dieser säuerlich.

"Das ist ein Zufall! Ich wollte ihnen gerade mitteilen, dass wir nun doch noch einen Platz für sie in der Maschine haben! Sie haben beide den gleichen Flug, ich könnte versuchen, dass sie Plätze nebeneinander bek-"

"Das ist nicht notwendig!" unterbrach Koji energisch.

"Wir wollen ihnen keine Umstände bereiten." fügte er noch mit gezwungenem Lächeln hinzu.

"Nein, wirklich. Muss nicht sein." bekräftigte Hirose Kojis Wunsch. Die Dame am Schalter nickte höflich mit gleich bleibender Miene.

"Wie sie wünschen. Also, hier wären dann ihre Tickets. Ich wünsche ihnen einen angenehmen Flug."

Hirose schnappte sich seine Flugtickets und schoss wortlos an Koji vorbei. Koji danke der netten Frau und machte sich auf den Weg in den Warteraum.

Als er gemütlich eine Zigarette rauchte, versuchte er das unliebsame Zusammentreffen mit seinem Bruder zu verdrängen und richtete seine Gedanken auf Izumi. Er fehlte ihm schon jetzt. In der letzten Zeit waren sie nur sehr wenig zusammen. Immer wieder Konzerttermine, PR-Arbeit...und nun wieder zwei Wochen voneinander getrennt. Aber danach...ja endlich würden sie wieder Zeit haben. Keine weiteren Termine, keine Arbeit - endlich Urlaub! Koji schloss seine Augen während er einen tiefen Zug seiner Zigarette inhalierte. Unbewusst suchte seine Hand nach Izumis Geschenk, das er in der tiefen Innentasche seines Mantels aufbewahrt hatte. Traurig dachte Koji an ihren Abschied. Eigentlich müsste er sich ja freuen, so lieb wie Izumi ihn nochmals umarmte, aber gerade das machte ihn nachdenklich.

Ein paar Zigaretten später wurde Kojis Flug aufgerufen, und schon war seine Stimmung wieder völlig am Nullpunkt. Schon schlimm genug, ständig so lange von Izumi getrennt zu sein und einen stundenlangen Flug in einer alten, mickrigen Maschine vor sich zu haben. Aber auch noch mit seinem verhassten Bruder in einem Flugzeug zu sitzen - schlimmer konnte es nicht kommen!

Oder doch. Ihre Plätze waren zwar nicht unmittelbar nebeneinander, aber nur zwei Reihen entfernt, so dass es sich beim besten Willen nicht vermeiden ließ, Hirose ständig im Sichtfeld zu haben. Die meiste Zeit versuchte Koji seinen Blick von ihm abzuwenden indem er mindestens vier Mal die Sicherheitsbroschüren durchlas, die an jedem Platz auflagen, aber auch das war auf die Dauern nicht sehr befriedigend. Gelangweilt schloss er seine Augen und überlegte sich neue Songtexte, konnte sich jedoch kaum konzentrieren. Seine Gedanken kreisten ständig um Izumi, Hirose, die Tournee, wieder zu Izumi...bis er schließlich einschlief.

Doch seine Ruhe fand abrupt ein Ende. Eine starke Turbulenz riss ihn jäh aus seinen Träumen. Und es blieb nicht bei einer. Plötzlich wurde das gesamte Flugzeug von immer stärker werdenden Turbulenzen geschüttelt. Im Bruchteil einer Sekunde brach ein Chaos aus. Menschen die verzweifelt durcheinander schrieen, Gepäckteile fielen laut krachend aus den Fächern, Passagiere wurden in ihren Sitzen hin und her gerissen. Kojis Herz schlug ihm rasend bis zum Hals, panisch klammerte er sich an der Armlehne fest. Ein Gefühl tief in seinem Magen verriet ihm, dass es sich nicht nur um die üblichen Turbulenzen oder Luftlöcher handelte, die er schon des Öfteren auf seinen Flügen erlebt hatte. Er konnte nicht mehr klar denken, es ging alles so schnell. Todesangst füllte Kojis Zellen, krampfte seine Eingeweide zusammen und schnürte ihm den Hals mit eiskaltem Griff. Doch stärker als seine Angst zu Sterben war der Gedanke an Izumi, den er nun in greifbaren Bildern direkt vor ihm sah. Koji wusste plötzlich, er würde ihn nie wieder sehen. Diese Angst war schrecklicher als alles andere um ihn. Es raubte ihm die Luft zum Atmen, nahm ihm die letzte Energie. "Izumi!" stieß es heiser aus ihm hervor.

"Izumi!" Sein flehendes Rufen verklang im Lärm des abstürzenden Flugzeugs und den Todesschreien der Passagiere. Koji konnte seinen Geliebten nun ganz deutlich vor sich sehen. Er sah, wie dieser ihn anlächelte, ein Lächeln, so warm und beruhigend. Wie ein Engel. >Bring mich weg von hier< Koji konnte noch fühlen, wie Izumi seine Hand nach ihm ausstreckte und ihn in seine schützenden Arme zog. Dann verblasste das Bild und eine unendliche Schwärze hüllte ihn ein.

 

TEIL 2

Hirose schaute sich in Todesangst um. Überall konnte er die Menschen im Flugzeug voller Panik schreien hören und herumrennen sehen. Vor ein paar Sekunden war das Flugzeug in die tobende See gekracht, in der es jetzt langsam versank. Nicht mehr lange, und sie würden alle ertrinken.

Eine unendliche Angst befiehl ihn. Er wollte jetzt noch nicht sterben! Nicht durch ertrinken. Nicht durch einen simplen Flugzeugabsturz!

Er würde nicht aufgeben. Schließlich war er ein Nanjo! Er musste hier rauskommen. Vorsichtig versuchte er aufzustehen und seine Panik unter Kontrolle zu bringen. Das war das Letzte was er jetzt brauchte.

Hastig schaute er sich um. Er durfte keine Zeit mehr verlieren, den schon drang Wasser ins Flugzeug und zog es hinunter. Noch ein paar Minuten und alles wäre hier voll. Er drängte sich an den kreischenden Passagieren vorbei. Schnappte sich eine Rettungsweste und sah dann eines dieser Rettungsboote, die sich von alleine aufbliesen, wenn man an einer Schnur zog. Genau das, wonach er gesucht hatte. Jetzt musste er nur noch aus dem Flugzeug raus. Durch das Aufblasen des Rettungsbootes könnte er sich nach oben ziehen lassen.

Mit zitternden Händen presste er das Schlauchboot an sich und versuchte zu einem der Fenster zu kommen. Vielleicht konnte er sie aufschlagen. Groß genug waren diese ja, dass er hindurch kommen konnte. Bei der Tür brauchte er es erst gar nicht zu versuchen. Sie schien verklemmt zu sein. Sonst hätten sie die anderen Passagiere, die an ihr voller Verzweiflung und Todesangst zogen und zerrten, längst aufbekommen. Endlich hatte er es geschafft, und war an einem der Fenster. Jetzt musste er nur noch sehen, wie er es aufbekommen konnte. Auch wenn er so vielleicht ebenfalls ertrank. Er hatte wenigstens versucht sich zu retten. Das Wasser ging ihm mittlerweile schon bis zu den Knien. Wenn er hier nicht bald raus kam, dann... In dem Moment stieß sein Fuß gegen was Hartes. Er bückte sich und griff tastete danach. Triumphierend zog er einen Feuerlöscher aus dem Wasser. Er musste sich bei dem Tumult gelöst haben und hin und her gekullert sein. Damit müsste er das Fenster einschlagen können. Er kam wieder hoch und sah den bewusstlosen Mann, der den Platz hier am Fenster haben musste. Erschrocken hätte er fast den Feuerlöscher wieder fallen lassen, als er den Bewusstlosen erkannte. Es war kein andere als sein Bruder. Blut klebte ihm am Kopf. Irgendetwas musste aus dem Gepäcknetz über ihn runter gefallen sein, und ihn getroffen haben. Hirose spürte, wie sein Herz schneller schlug, als er seinen Bruder so sah. An ihn hatte er überhaupt nicht mehr gedacht. Was sollte er jetzt tun? Er konnte ihn doch nicht hier zurücklassen! Die anderen Menschen hier im Flugzeug waren ihm egal. Sollten sie sehen, wie sie hier heraus kamen. Jeder musste sich selber retten in so einer Situation. Da war er eiskalt. Schließlich half ihm auch keiner.

Aber Koji...er war bewusstlos. Was sollte er machen? Er spürte einen schmerzlichen Stich im Innern, bei dem Gedanken das Koji hier sterben würde. Er wollte dies auf keinen Fall! Warum fühlte er das auf einmal? Verwirrt schüttelte Hirose den Kopf. Darüber konnte er sich auch noch später den Kopf zerbrechen. Jetzt musste er hier erst mal raus.

Er packte Koji und schlang seinen linken Arm um dessen Körper. Drückte ihn eng an sich, ehe er mit dem Feuerlöscher ausholte und die Scheibe zerschlug. Das Glas zerschlug und eine riesige Wasserfront schlug ihm entgegen. Die Leute im Flugzeug schrieen ihn an, wie er so verrückt sein konnte, doch Hirose reagierte darauf nicht. Einzig den Wunsch hier lebend raus zu kommen vor Augen zu haben, drückte er sich gegen das Wasser und kämpfte dagegen an. Kojis bewusstlosen Körper hielt er verkrampft fest. Noch einmal holte er tief Luft und versuchte durchs Fenster zu kommen. Er wusste nicht wie, oder woher er die Kraft auf einmal hatte, aber er schaffte es tatsächlich raus zukommen.

Sobald er draußen war, riss er an der Kordel und stieß sich vom Flugzeug ab. Sofort blies sich das Boot mit Luft auf und zog mit einem Ruck nach oben. Und dann endlich kam es an die tobende Oberfläche und Hirose schnappte hustend nach Luft. Jetzt erst erkannte er auch, warum das Flugzeug abgestürzt sein musste.

Ein wilder Sturm tobte um sie herum. Es war also noch nicht vorbei. Mit letzter Anstrengung zog er sich und seinen Bruder ins Boot und blieb dort erschöpft liegen. Er hatte keine Kraft mehr, sich um den Sturm sorgen zu machen. Alles was zählte war, dass er es geschafft hatte, aus dem Flugzeug zu kommen.

Kaltes Wasser klatschte ihm immer wieder ins Gesicht und das Boot schaukelte bedächtig hin und her. Dennoch hatte er keine Angst mehr, dass sie kentern konnten. Sie hatten das Unmögliche geschafft und waren aus dem Flugzeug gekommen, warum sollten sie dann jetzt umkippen und sterben?

Kurz bevor ihm die Sinne schwanden fragte er sich immer noch, warum er seinen Bruder gerettet hatte. Wahrscheinlich aus dem gleichen Grund, wie auch bei ihm. Ein Nanjo konnte nicht wegen eines einfachem Flugzeugabsturz sterben!

Dann umfing ihn eine angenehme Schwärze.

 

Als Koji langsam wieder zu sich kam, war das erste was er wahrnahm, Sand unter sich und Wasser, das ihn immer wieder bis zum Bauch umspülte.

Verwirrt und immer noch etwas benommen öffnete er die Augen und schaute sich um. Sein Kopf schmerzte höllisch und er hatte einen komischen Geschmack im Mund, so als ob er viel Salzwasser geschluckt hätte.

Erschrocken blickte er sich um. Wo war er hier? Was war passiert?

Erst nach und nach fiel ihm wieder ein, was passiert war. Das Flugzeug, die Turbulenzen und die Panik auf einmal. Die Angst, Izumi nie wieder zu sehen...Die plötzliche Schwärze. Und jetzt war er hier an einem Strand angespült. Auf irgendeine Insel. Wie war er aus dem Flugzeug raus gekommen? Hatten es auch andere geschafft?

Er lies seinen Blick über den Strand gleiten. Ein paar Meter von ihm entfernt lag ein Schlauchboot im Wasser. Allen Anschein nach war er mit dem hierher gekommen und musste dann kurz vor der Insel heraus gefallen sein.

Vorsichtig versuchte er aufzustehen und zu dem Boot hinzulaufen. Seine Klamotten hingen nass und schwer an ihm herunter und machten es nicht gerade leicht, sich durch das Wasser zu dem Schlauchboot zu kämpfen.

Als er näher kam konnte er sehen, das noch jemand in dem Boot drin war.

"Hey!" Koji versuchte schneller zu dem Boot zu kommen. Doch dadurch, dass er gerade erst wieder zu Bewusstsein gekommen war, war er immer noch sehr schwach und kam nicht sehr schnell voran. Dies schien aber auch nicht mehr notwendig zu sein. Denn die Person bewegte sich langsam und wachte wohl gerade auf. Und dann blieb Koji plötzlich wie angewurzelt stehen, als er erkennen konnte, wer dieser Person war.

"Hirose..."

 

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TEIL 3

Im ersten Moment war Koji geschockt, nach diesem furchtbaren Zwischenfall mit dem Flugzeug, erneut seinen verhassten Bruder wieder zusehen. Unter allen Passgieren genau auf Hirose zu stoßen! Während Koji wie paralysiert vor dem Schlauchboot stand, versuchte in diesem Moment der Gestrandete sich aufzurichten. Sichtlich geschwächt und noch völlig benommen, gelang ihm dies nicht auf Anhieb. Er hob seinen Kopf um zu sehen, wer seinen Namen gerufen hatte, krampfte aber sofort unter einem heftigen Hustenanfall zusammen. Beißendes Salzwasser brannte wie Feuer in seiner Kehle und Augen. Nach kurzem Zögern trat Koji näher, um den Zustand seines Bruders besorgt.

"Hirose! Bist du verletzt?"

Ein weiteres Husten kam als Antwort. Verzweifelt hielt Hirose sich am Rand des Schlauchbootes fest und rang nach Luft. Plötzlich fühlte er, wie ihm jemand kräftig auf den Rücken schlug und ihn festhielt, während er erneut zusammenkrampfte.

Koji wusste nicht, was er tun sollte. Vor seinen Augen kämpfte sein Bruder mit dem Leben, und wie es nach kurzem Umblicken aussah, waren sie beide hier die Einzigen weit und breit. Erst da wurde Koji richtig bewusst, in welcher Situation er sich befand. >Die Einzigen. Die einzigen...Überlebenden?<

Rasend vor Angst schüttelte er den Körper in seinen Armen, schrie ihn an und blickte unaufhaltsam um sich, um vielleicht doch jemanden zu sehen, der ihnen zur Hilfe kommen könnte.

"Koo-" keuchte eine leise Stimme, "Koji." Hirose hatte sich wieder einigermaßen im Griff und wand sich bereits energisch aus Kojis Armen. "Geht wieder. Hatte etwas Wasser verschluckt." ließ er seinen Retter kühl wissen und stieg, noch immer leicht schwankend, aber seine Stärke zeigend, aus dem Boot.

"Hirose! Wo sind die anderen? Wie konnte das alles nur geschehen?" fragte Koji ängstlich und doch erleichtert, dass es seinem Bruder wieder gut ging. Obwohl er ihm eigentlich egal war, er ihn abgrundtief hasste. Doch er war hier der einzige neben ihm, an den er sich halten konnte. Das einzig Wirkliche in dieser surrealen Situation, die ihn noch mit der Realität verband.

Hirose blickte ihn aus eiskalten Augen an. Keine Spur von Angst oder Verletztheit war zu sehen. Entweder er hatte sich wie immer absolut im Griff oder er konnte seine Gefühle meisterhaft verbergen.

"Die anderen. Ich weiß nicht wie viele es geschafft haben. Ich weiß nur, ich lebe und ich werde da rauskommen."

Er ließ seinen emotionslosen Blick um sich schweifen.

"Verdammt! Das darf doch alles nicht wahr sein!" fluchte er nun zornig und trat gegen eine im Sand angeschwemmte Handtasche. Dieser banale, alltägliche Gegenstand, eine rote Damenhandtasche aus korallenrotem Plastik, war grausamer Beweis für den tragischen Absturz der Maschine. Koji starrte wie gebannt auf das rote Ding, dass nun langsam vom Meer umspült wurde.

Hirose befasste sich in der Zwischenzeit mit dem Schlauchboot, denn es könnte noch von Nutzen sein. Er zog es weiter an Land um es nicht den gierigen Armen des Meeres zu überlassen. Da fiel sein Blick auf ein kleines Etwas, dass in dem Boot lag. Sein erster Gedanke war eine Brieftasche oder ähnliches, doch es war nur ein flaches Päckchen, anscheinend ein Geschenk. Doch das Absurdeste daran war, es war mit einer Widmung von Izumi an seinen Bruder versehen. Ohne weiter nachzudenken, steckte er es ein und fuhr mit seiner Arbeit fort.

Als er das Boot in Sicherheit gebracht hatte, machte Hirose sich sofort auf den Weg um nach Überlebenden zu suchen. Koji, aus seinen verzweifelten Gedanken gerissen, folgte ihm. Alles was sie anfangs finden konnten, waren nur kleine angespülte Gegenstände wie Taschen, Kleidungsstücke und Teile des Flugzeugs. Doch nach längerem Suchen machten sie den grausigen Fund mehrerer ertrunkener Passagiere.

Das war das Ende. Mehr war nicht mehr zu ertragen. Hirose behielt jedoch noch immer seinen, dem Anschein nach, kühlen Kopf, während Koji fast ohnmächtig vor Verzweiflung auf seine Knie sank. Wenn vorhin noch ein wenig Hoffnung bestand, so war sie nun mit einem Schlag weg. Verzweifelt. Alleine. Gestrandet. Hilflos gefangen in einer unbekannten Welt, fern ab von der Wirklichkeit.

"Izumi!" Kojis anfänglich leises Wimmern ging urplötzlich in hilfloses, verzerrtes Schreien über. "IZUMI!!!" Unter heftigen Tränen brüllte der Verzweifelte immer wieder den Namen seines Geliebten. Ein ungehörtes Gebet. Wahnsinnig vor Schmerz. Zerrissen von Trauer.

Erst ein harter Schlag ins Gesicht holte Koji wieder in die beinharte Realität zurück. Hirose hielt ihn mit eisernem Griff an den Schultern fest, schüttelte ihn kräftig durch und brüllte ihn an, er sollte sich wieder beruhigen.

"Vergiss verdammt noch mal deinen miesen kleinen Freund! Es ist nun einmal geschehen! Da gibt's nichts was daran zu ändern ist! Steh endlich auf und sei ein Mann!!!"

Mit einem wilden Funkeln in den Augen wischte sich Koji mit dem Handrücken seinen blutenden Mundwinkel ab. Ohne den Blick abzuwenden erhob er sich und zischte seinen Bruder an "Du hast keine Ahnung, was Liebe ist." Hiroses mögliche Reaktion ignorierend, drehte Koji sich um und ging Richtung Land.

Dort brach er müde von den psychischen und physischen Anstrengungen, verborgen vom Schatten der Bäume, zusammen. Er tastete nach dem einzigen, was ihm von Izumi blieb. Dem Geschenk, dass ihm dieser vor dem Flug in die Hölle überreichte. Ein Symbol seiner Liebe. Doch seine suchenden Hände blieben leer. Nicht einmal das ist ihm geblieben. Kaum hörbar weinte er still den Namen seiner einzigen Liebe. "Izumi." Bittere, hemmungslose Tränen begleiteten Koji in einen tiefen Schlaf.

 

Fassungslos starrte Hirose Koji hinterher. War das das einzige, an was er jetzt denken konnte? An diesen Izumi? Er konnte darüber nur noch den Kopf schütteln. Sie hatten jetzt wirklich andere Sorgen, als weinend zusammenzubrechen! Sie mussten sich überlegen, was jetzt weiter geschehen sollte. Wie sie hier wegkamen oder besser gesagt, wie sie auf sich aufmerksam machen konnten, dass man sie hier auf der Insel fand.

Ein Glück, dass wenigstens er sich zusammenreißen konnte. Einer musste schließlich einen klaren Kopf behalten. Jedenfalls war er davon felsenfest überzeugt. Das auch er eigentlich jeden Moment zusammenbrechen konnte, wollte er nicht wahrhaben. Unschlüssig schaute er sich um. Was sollten sie jetzt tun? Es wäre einfacher, wenn Koji ihm helfen könnte! Verdammt. Wütend lief er auf seinen jüngeren Bruder zu und sah jetzt erst, das dieser vor Erschöpfung eingeschlafen war.

Seufzend betrachtete er ihn. Immer noch klebte verkrustetes Blut an dessen Schläfen und einzelne Tränen liefen an Kojis Wangen herunter. Hiroses Wut verflog augenblicklich, als er seinen Bruder so sah. Das Gesicht von ihm war vor Verzweiflung verzerrt und er drehte sich unruhig im Schlaf hin und her.

Zögernd streckte Hirose seine Hand aus und wollte Koji die Tränen wegwischen, besah sich dann aber anders und zog sie schnell wieder zurück. Der warme Ausdruck, der für kurze Zeit auf seinem Gesicht zu sehen war, und den so gut wie kaum einer je zu Gesicht bekommen hatte, machte wieder seinem kalten Lächeln platz.

Er durfte diese Art von Gefühlen nicht zu lassen. Man sah bei Koji wohin ihn das geführt hatte! Dennoch war er innerlich verwirrt. Was war mit ihm los? Warum wollte er gerade so etwas wie Trost spenden? Kurz hatte er sogar überlegt Koji das Päckchen, dass er gefunden hatte, in die Hand zu drücken. Nein, es war das beste, wenn er es erst mal behielt. Wer weiß, wie Koji sich aufführen würde, wenn er das Geschenk von Izumi in der Hand hielt? Wütend über sich selbst, packte er Koji grob an den Schultern und schüttelte diesen Wach.

"Wach auf! Wir haben jetzt besseres zu tun, als zusammenzubrechen! Reiß dich verdammt noch mal endlich zusammen! Dein Geflenne nach deinem kleinen Geliebten hilft uns bestimmt nicht weiter!"

"Was weißt du den schon? Du hast doch keinen den du liebst! Du bist dazu ja nicht mal fähig. Du weißt nicht wie es ist, zu wissen das man lebt, aber denjenigen, den man über alles liebt, vielleicht nie mehr wieder zu sehen! Für dich sind doch die Menschen nicht weiter als Nutzung zum Zweck, oder? Du bist eiskalt!"

Fröstelnd schlang Koji seine Arme um sich. Die Verzweiflung nahm immer mehr zu. Allein schon der Gedanke, dass er hier ganz allein mit seinem Bruder war, war unerträglich. Wenn er nur nicht so kalt wäre. Koji wusste nicht was schlimmer war. Der Gedanke, hier auf dieser Insel allein zu sein, oder mit seinem Bruder hier zu sein.

Hirose schnaubte verächtlich. Dennoch konnte Koji daraus erkennen, dass er den anderen mit seinen Worten verletzt hatte. Gut so, schließlich hatte auch Hirose ihn verletzt, da war es nur richtig, wenn auch er seinen Bruder verletzte! Hirose kochte innerlich vor Wut. Welches Recht hatte Koji ihm das zu sagen? Was bildete er sich überhaupt ein?

"Interessante Worte. Aber gerade DU hast kein Recht dazu, sie zu sagen! Wenn ich mich recht erinnere warst du früher nicht anders. Dir war doch alles egal. Du warst emotionslos bis zum geht nicht mehr. Auch du warst kalt. Keinen hast du gefühlsmäßig an dich heran gelassen. Wir sind uns ziemlich gleich." Damit stand er auf und wollte zum Strand zurück, als Koji ihm hinterher rief.

"Ja, ich war früher so. Aber Izumi hat mich verändert. Doch du? Du würdest so ein Gefühl wie Liebe nie zulassen."

Hirose lief weiter und tat so, als ob er das eben Gesagte nicht gehört hätte, oder als ob es ihn nicht interessieren würde. Jedenfalls schien dies nach außen hin zu sein. Doch innerlich sah es bei ihm ganz anders aus.

Was Koji sagte war einfach nicht wahr! Er hatte sein Leben lang alles getan, damit ihr Vater stolz auf ihn war. Nur um ein paar Worte des Lobes aus dessen Mund zu hören. Koji hatte doch keine Ahnung! Für ihn war es leicht so was zu sagen. Verwirrt schüttelte er den Kopf. Warum nur beschäftigte ihn das so sehr, was sein Bruder gesagt hatte?

Erneut schüttelte er den Kopf. Das brachte sie jetzt auch nicht weiter. Er sollte sich lieber überlegen, wie es jetzt weiter gehen sollte. Schließlich wusste weder er noch Koji wie lange sie hier auf der Insel bleiben mussten, ehe man sie fand. Er hatte keine Ahnung, wie weit die Insel von der Absturzstelle des Flugzeuges entfernt war und wie lange die Rettungsmannschaften brauchten um auf die Idee zu kommen, auf dieser Insel hier nach Überlebenden zu suchen, falls sie überhaupt darauf kamen. Am Himmel war jedenfalls bis jetzt kein Zeichen von irgendeiner Such- oder Rettungsmannschaft zu sehen.

Hirose schaute sich am Strand erneut um. Einzelne Wrackteile vom Flugzeug waren jetzt an Land gespült worden. Ebenso wie einzelne Kleidungsstücke, aufgegangene Koffer und Handgepäck. Allerdings sah Hirose auch ein, zwei Koffer, die nicht aufgegangen waren. Zögernd näherte er sich einem und zog ihn weiter auf den Strand hinauf. Vielleicht war ja etwas drin, was sie gebrauchen konnten. Als er ihn ein Stück weit weg vom Meer gezogen hatte, ging er auf den anderen Koffer zu. Er war eher klein und man konnte ein rotes Kreuz drauf sehen. Es war doch wohl nicht etwa...doch. Es war ein Erste-Hilfe-Koffer. Hirose trug ihn zu dem anderen Koffer und öffnete ihn dann vorsichtig. Es herrschte ein heilloses Durcheinander im Innern. Viele der kleinen Medizinflaschen lagen zerbrochen herum. Aber er hatte Glück. Ein paar der Flaschen waren ganz geblieben.

Vorsichtig nahm er die heilen Flaschen, und was man sonst noch so aus dem Kasten gebrauchen konnte, raus und betrachtete sie. Einige von ihnen würden vielleicht noch ganz nützlich sein. Wer wusste, was alles auf dieser Insel passieren würde.

Nach kurzem Zögern nahm er eine kleine Flasche mit Desinfektion und etwas Verbandszeug und ging zurück zu Koji. Sein Gesicht blieb kalt, als er sich zu seinem Bruder hinsetzte und etwas von der Flüssigkeit auf ein Tuch tröpfeln lies. Koji blickte überrascht auf, sagte aber nichts. Auch Hirose schwieg, als er das Tuch, nicht gerade sanft, auf Kojis verletzte Schläfe drückte und dessen Platzwunde säuberte.

"Ich glaub, dass reicht. Verbunden muss sie nicht werden."

"D...Danke..."

Koji hatte den Kopf zur Seite gedreht. Es kostete ihn _sehr_ viel Überwindung, das zu sagen. Hirose zuckte nur mit den Schultern und drehte sich um. Innerlich spürte er allerdings eine kleine Genugtuung. Er wusste, dass es für Koji nicht leicht gewesen sein musste, das zu sagen. Vor allem nicht nach ihrem 'kleinen Streit' gerade eben. Wenn man das überhaupt als Streit bezeichnen konnte.

"Wir sollten uns überlegen, was wir jetzt machen. Vielleicht sind in dem Koffer ein paar Nützliche Sachen drin. Außerdem können wir die Toten nicht so einfach am Strand rum liegen lassen"

 

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