BLUTIGER KUSS von Koji-chan und Sadomina

 

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Disclaimer: Die Charas sind leider noch immer Eigentum von Minami Ozaki, wir haben sie dieses mal auch noch ins Reich der Vampire verfrachtet. In Anlehnung und inspiriert durch Polanskis Tanz der Vampire ist diese Fic entstanden (besser gesagt, sie entsteht noch^^). Wir wollen mit dem geistigen Eigentum von Ozaki & Polanski weder Profit machen, noch ihre Arbeit in irgendeiner Form schädigen.

Feedback bitte an: Koji-chan oder Sadomina

 

 

TEIL 1

Der Wind peitschte gnadenlos um Takasaka und Izumi. Erschöpft von ihrem langen Weg durch die stark verschneite Landschaft und völlig ausgehungert, kämpften sie sich durch die Nacht. Izumi fluchte leise in sich hinein. War doch sein Freund schuld an ihrer misslichen Lage. Wenn er doch nicht immer so zerstreut wäre! Immer hatte dieser Mann seinen Kopf wo anders, dachte immer an seine Hirngespinste namens 'Vampire', anstatt auf ihren Weg zu achten. So war es kein Wunder, dass sie sich nach ihrer Panne mit der Kutsche verirrt hatten... 'Ist ja nicht weit weg vom nächsten Dorf...wirst sehen, hinter dem Hügel ist schon die erste Farm...dort vorne seh ich schon Lichter...' Hätte Izumi doch nicht auf Takasaka gehört, würde er sich jetzt nicht hier in dieser trostlosen Gegend seinen Allerwertesten abfrieren und würde zur selben Zeit schon in einer warmen Stube eine heiße Suppe schlürfen. Im Gegensatz zu Izumi war Taka noch ziemlich gut gelaunt und voller Tatendrang. Flotten Schrittes trieb er das Tempo ihrer Wanderschaft an, und redete pausenlos von seinen Vampiren.

"Wenn die Erzählungen der Leute aus dem letzten Dorf stimmen, dann handelt es sich bei den Vampiren in dieser Gegend um ganz besondere Exemplare. Ich bin mir sicher, spätestens morgen Abend werden wir sie zu Gesicht bekommen! Takuto, du wirst Augen machen, das sag ich dir. Die Geschichten, die ich darüber gesammelt habe..."

"Wenn wir nicht bald irgendwo eine Herberge finden, dann sind WIR Geschichte!" unterbrach der jüngere Mann genervt.

"Ach Taku, du bist ja überhaupt nicht daran interessiert. Wie soll ich aus dir nur einen brauchbaren Vampirjäger machen?" seufzte Takasaka.

"Das einzige, was mich jetzt interessiert, ist ein heißes Bad, ein Bett und ein voller Magen." antwortete Takuto, noch immer sauer.

Hätte er gewusst, dass ihr Abenteuer so einen Verlauf nehmen würde, hätte er sich bestimmt nicht dazu überreden lassen, mit seinem Freund nach diesen Fantasiegebilden aus alter Überlieferung und ein paar verstaubter Bücher, zu suchen. Aber er war einfach zu gutmütig, brachte es nicht übers Herz, Takasaka alleine reisen zu lassen und ihn mit seinem Vorhaben alleine zu lassen. Außerdem brauchte dieser jemanden, der ihn wieder auf den Boden der Realität zurück holen sollte, denn Vampire gab und gibt es nicht. So tat Izumi ihm den Gefallen und begleitete ihn als sein 'Student', wie der Ältere ihn gerne nannte. 

Takasaka öffnete den Mund um etwas zu erwidern, doch er beschloss nun doch, dass es keinen Sinn hätte, weiter mit Izumi zu diskutieren. Sein Freund war schon verärgert genug, und die Anstrengung ihrer Reise, besonders des heutigen Tages, hatten ihm wie es aussah, die letzten Reserven seiner Nerven geraubt. Der Vampirjäger seufzte tief, zog seinen Mantel enger um den Hals und stapfte stumm neben seinem Student durch den hohen Schnee. Und Takuto war ihm dankbar, dass ihre sinnlose Diskussion beendet war.

Nachdem sie weitere Stunden mühseligem Schneestapfens hinter sich gebracht hatten, gab es für die beiden endlich einen Lichtblick. Durch die die Wipfel der dunklen Tannen, die sich wie schwarze Spukgestalten in den Nachthimmel streckten, konnten sie ein helles Leuchten erkennen.

"Sieh mal da! Ich hab's dir ja gesagt, es kann nicht mehr lange dauern - da vorne ist ein Haus!" rief Takasaka erfreut. "Vielleicht gewährt man uns dort Einlass und etwas zu Essen, und möglicherweise auch einen Platz zum Schlafen."

"Nicht mehr lange, das hat er vor drei Stunden schon gesagt..." brummelte Takuto finster in seinen Schal. Aber er freute sich, dass sie nun wirklich eine Chance auf eine wohlverdiente Rast bei warmen Kaminfeuer hätten. Frohen Mutes beschleunigten sie beide nun ihre müden Schritte und standen schon bald vor dem kleinen Gasthaus, welches die verlockende Lichtquelle war.

Als sie den Raum betraten, war Takuto schon völlig mit seinen Gedanken bei einer deftigen, heißen Mahlzeit und einem federweichen, duftigen Bett. Doch im nächsten Augenblick wurde er durch die liebliche Erscheinung der jungen Wirtstochter aus seinen Träumen gerissen. So ein bezauberndes Wesen hatte er noch nie zu Gesicht bekommen. Sie hatte dichtes, kastanienbraunes Haar, rosige Wangen, wunderschöne, braune Augen,...und eine dampfende Schale Knoblauchsuppe.

Nachdem Takasakas und Izumis Hunger gestillt war, und sie sich von der beißenden Kälte etwas erholt hatten, brachte Serika, so hieß das hübsche Mädel, die beiden auf ihr Zimmer. Takuto hatte eigentlich vorgehabt, sich sofort auf dem großen, einladenden Federbett auszustrecken, doch etwas in seinem Kopf ließ ihn nicht zur Ruhe kommen.

Ruhelos ging er in dem kleinen Raum auf und ab und verharrte schließlich beim Fenster. Er starrte in die rabenschwarze Nacht hinaus und genoss den Anblick der Sterne, während Taka im Bett lag, und seinen Kopf wie immer tief in seine Bücher steckte.  Izumis Blick wanderte zu dem Balkon nahe des Fensters. Serikas Zimmer. Er starrte hinüber, in der Hoffnung, noch einmal einen Blick auf dieses süße Wesen zu erhaschen, doch sein Wunsch wurde ihm nicht erfüllt. Stattdessen bekam er etwas anderes zu Sehen. Er war sich nicht sicher, ob er seinen Augen trauen konnte, aber er bemerkte eine dunkle Gestalt, die plötzlich auf dem schmalen Sims des Balkons stand. Dem Anschein nach ein großer, schlanker Mann. Wie dieser dort hin gekommen war, konnte Izumi nicht sagen, er dachte beinahe sowieso, er wäre vielleicht eingeschlafen und träumte dies nur alles. Neugierig presste der Junge sein Gesicht nahe an die Fensterscheibe um einen besseren Ausblick zu bekommen.

Jetzt konnte er diesen Mann genauer erkennen. Ja, er war groß. Fast von gewaltiger Größe. Sein silberweißes Haar wehte im rauen Nachtwind und umrahmte ein Gesicht von makelloser Schönheit und nobler Blässe. So feine Züge im Gesicht eines Mannes hatte Takuto noch nie zuvor gesehen. Plötzlich bewegte sich der Mann. Geschmeidig wie eine Katze kletterte er über das Geländer und stieg in das Fenster zu Serikas Zimmer. Izumi stockte der Atem. >Ein Einbrecher? Ein Liebhaber?< Während er noch grübelte, kam die finstere Gestalt auch schon wieder aus dem Fenster, doch dieses mal nicht alleine. Mit Entsetzen stellte Izumi fest, dass er das junge Wirtsmädchen in seinen Armen trug. Hilflos musste er mit ansehen, wie dieser fremde, beängstigende Mann dieses unschuldige Mädchen ganz offensichtlich verschleppte! Takuto rang nach Luft, sein Herz klopfte bis in seinen Hals hinauf. Er wollte schreien, an die Scheibe schlagen - irgendetwas unternehmen - doch er war wie erstarrt. Und plötzlich, als hätte ihn sein lautes Herzklopfen verraten, drehte sich der Mann um und blickte Izumi an. In seinen Augen lag etwas, dass dem Jungen kalten Schweiß aus seinen Poren trieb. Diese Augen...sie hatten die Schönheit eines lupenreinen Diamanten und gleichzeitig die Wildheit eines hungrigen Tieres. Izumi starrte zurück, konnte seinen Blick nicht von den Augen des Fremden lösen. Es war, als wäre er hypnotisiert. Er begann am ganzen Leib zu zittern, konnte nicht mehr klar denken. Konnte nicht mehr sagen, was sich da vor seinen Augen gerade abspielte oder was er fühlte. Angst. Verzauberung. Neugier. Er wusste es nicht. Doch dann sah er, wie der geheimnisvolle Mann ihn anlächelte. Ein weiches, beruhigendes Lächeln. Ehe Takuto deuten konnte, was das alles zu sagen hatte, schwang der Fremde seinen weiten Umhang mit einer eindrucksvollem Geste um sich und seine Beute und verschmolz mit der unendlichen Schwärze der Nacht.

"Izumi? Hörst du mir noch zu?" hörte er nun seinen Freund, der anscheinend schon längere Zeit versucht hatte, ihm wieder von seinen Geschichten aus den Büchern zu erzählen.

"Junge, was ist los? Du bist ja kalkweiß und zitterst wie Espenlaub!" fragte Takasaka mit besorgtem Blick. Takuto drehte sich um, seine Arme eng um den Körper geschlungen.

"Ach nichts. Es ist nur...verdammt kalt...die Nacht."

 

Koji eilte, mit dem bewusstlosen Mädchen auf dem Arm, zurück zum Schloss, wo er mit seiner Sippschaft lebte. Das Bild des Jungen nicht mehr aus dem Kopf bekommend. Verwirrt schüttelte er den Kopf. Was war nur mit ihm los? Er spürte ein Verlangen, sofort zu dem Jungen zurückzugehen. Wieso? Wütend über sich selbst betrat er das Schloss. Sobald er sich an dem Mädchen vergnügt und seinen Durst gestillt hatte, würde er den Jungen vergessen, dessen war Koji sich jedenfalls sicher.

Doch kaum hatte er das Schloss betreten, wurde er schon von etwas anderem abgelenkt. Er konnte die tiefe, wütende Stimme seines ältesten Bruders hören, der jemanden tadelte. Neugierig schlich Koji näher. So was kam nicht oft vor, das Hirose selbst, der Anführer ihrer Sippschaft, jemanden tadelte. Vor allem nicht, seitdem Kurauchi, die Linke Hand und ergebender Diener von seinem Bruder, den Tod durch einen Vampirjäger gefunden hatte. Hirose war nie jemand gewesen, der seine Gefühle gezeigt hatte, weder damals so richtig als Mensch, noch jetzt als Vampir. Als Vampir schon gar nicht. Immer kalt und gerissen. Und seit dem Tod von Kurauchi...Er war sich nie sicher gewesen, wie die beiden wirklich zu einander gestanden hatten. Und es interessierte ihn eigentlich auch nicht. Aber dass Kurauchi etwas mehr für seinen Herrn empfunden hatte, war jedem hier klar.

Koji zuckte die Schultern. >Was soll's. Er ist tot und damit hat sich die Sache.< Ihn interessierte nun mehr, um was es hier ging.

"...du musst dich endlich mehr vorsehen! Du musst dich endlich zusammenreißen und versuchen nicht mehr so viele Spuren zu hinterlassen! Durch so was kommt man uns sehr leicht auf die Schliche und sollte man deine Spuren verfolgen...Wir haben bei Kurauchi gesehen, was passiert! Einmal nicht aufgepasst, schon ist man vernichtet!"

"Aber...du weißt, dass ich dafür nichts kann!"

Hm...die Stimme seines zweiten Bruders. Das kam ja noch seltener vor. Hirose sagte so gut wie nie etwas Böses zu Akihito. Eher im Gegenteil. Er nahm ihn immer in Schutz, wenn sich die anderen über ihn beschwerten. Kein Wunder...wo er auftauchte, blieb es nicht sehr lang unblutig. Sobald der Hunger ihn überkam, konnte er sich nicht mehr zusammenreißen und er schlug mit all seiner Kraft seine Zähne in den Hals seines Opfers. Und zwar so geschickt, dass man den danach nicht mehr gebrauchen konnte. Innerhalb von wenigen Minuten starb dieser an Blutmangel. Normalerweise konnte man sich mehrmals an seinen Opfern vergnügen. Oder man überlies sie den eher niedrigen Vampiren, wenn man genug Spaß mit ihnen hatte und sie einem langweilig wurden. Akihitos Ausrede war allerdings immer wieder, dass bei ihm damals, als er zu einem Vampir gemacht wurde, etwas schief ging. Weswegen er nicht so stark wie die meisten Vampire war, und sich nicht richtig unter Kontrolle hatte, sobald er Durst bekam. >Als ob das für all seine Dämlichkeit eine Ausrede ist!<

"Das weiß ich, aber du kannst nicht immer das als Vorwand nehmen! Momentan sind mehr Vampirjäger denn jäh unterwegs, und ich habe keine Lust, dass sie unser Versteck herausfinden oder noch mehr von unseren Leuten vernichten! Sieh dich also mehr vor." Und damit hörte Koji, wie sich Hirose entfernte.

Grinsend kam er um die Ecke und sah seinen Bruder schadenfroh an. Dieser warf ihm nur einen wütenden Blick zu und wollte gerade gehen, als sein Blick auf das junge Mädchen in Kojis Armen fiel.

"Du weißt genau, das Hirose es hasst, wenn du solche jungen Dinger hier anschleppst! Das einzige, was sie können ist  kreischen und hysterisch um Gnade betteln!"

"Tja...wenigstens können meine Opfer noch kreischen, was man von deinen ja nicht sagen kann...so wie du ihren Hals immer zerfetzt, wenn du deine Zähne hinein gräbst.", erwiderte Koji böse grinsend. Akihitos Gesichtsfarbe daraufhin wurde vor Wut leicht rot.

"Du...."

"Ich...? Dein alles geliebter Bruder hätte dich bestimmt nicht gescholten, wenn wir nicht immer hinter dir herräumen müssten um deine Spuren zu beseitigen! Und wenn du mich jetzt entschuldigst, sie ist schwer", damit zeigte er auf das Mädchen und lief, ohne eine Antwort von Akihito abzuwarten, los. In seinem Gemach legte er sie aufs Bett und beugte sich genüsslich vor. Er hatte schon zu lange gewartet, als jetzt noch darauf zu warten, dass sie wieder wach würde und er ein klein wenig...mit ihr spielen konnte. Sanft strich er ihr über den Hals und beugte ihn leicht zur Seite. Sie weiche und reine Haut. >Ob sich die Haut von dem Jungen auch so anfühlt? Oder vielleicht sogar besser? Was...Was DENK ich da eigentlich?!< Erschrocken über sich selbst lies er von dem Mädchen ab. Erneut hatte er das Bild von dem Jungen vor Augen. Doch diesmal wollte es einfach nicht weichen.

Seine Gedanken machten sich selbstständig, als sie sich immer wieder vorstellten, wie es sein würde, ihn zu berühren. Die Zähne in dessen zarten Hals zu bohren. Seine Hände über dessen Körper wandern zu lassen...Verzweifelt versuchte Koji sich zusammenzureißen und Herr über seine Gedanken zu werden. >Ich werde noch mal losgehen, das wird mich ablenken!< Er rief nach einen der Diener und befahl diesem das Mädchen erst mal zu verwahren. Er würde sich später um sie kümmern. Dann eilte er erneut durch die Nacht.

Erst als er auf dem Fensterbrett von dem Zimmer des jungen Mannes stand, wurde ihm bewusst, dass seine Füße ihn von ganz allein hierher getragen hatten. Vorsichtig öffnete er das Fenster und stieg ein. Lief leise zu dem Bett wo der Junge schlafend lag. Er fühlte sich innerlich ganz merkwürdig, als er ihn so sah. Er bemerkte noch eine andere Person im Bett, allen Anschein nach dessen Bruder oder Herr, da dieser aber auf der anderen Seite des Bettes lag, war er uninteressant und Koji schenkte ihm keine Aufmerksamkeit mehr. Seine kalten Augen betrachteten den Jungen lange. Koji wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als er seine Hand dazu brachte, das Haar des Jungen zu berühren. Es fühlte sich weich an, ganz anders, als man es bei dem braunen Haar denken würde.

>Ob sich seine Haut auch so anfühlt? Was tu ich hier nur? Wahrscheinlich hat er irgendein besonderes Blut, auf das mein Körper reagiert. Anders kann ich mir hier das alles nicht erklären!< Koji schüttelte den Kopf. Das es dann aber auch ausgerechnet ein Mann sein musste...nun gut...

Langsam beugte er sich vor und drehte den Hals etwas zur Seite, immer darauf bedacht, den jungen Mann nicht zu wecken. Deutlich konnte er die Halsschlagader unter der Haut schlagen sehen. Zaghaft berührten seine Lippen den weißen Hals. Wanderten ihn hinauf und blieben dicht vor den rötlichen Lippen stehen. Jeglicher Verstand schaltete sich ab, als er ihnen immer näher kam.

RUMMS

Abrupt schoss er in die Höhe. Was war er da gerade im Begriff gewesen zu tun?

"Hngh..." Weiter zum Nachdenken kam Koji nicht. Erstens weil der Junge durch den Lärm langsam aufwachte und zweitens weil der Lärm immer mehr zu nahm. Hastig lief Koji zum Fenster und sprang raus. Sah die frische Blutspur im Schnee und den kleinen Schatten, der sich rasch und humpelnd entfernte.

"Akihito..."

Er warf noch einen kurzen Blick auf den jungen Mann, der sich gerade erhob, dann schwang er sich in die Nacht und kehrte zur Burg zurück. Nicht wissend, ob der Junge ihn noch gesehen hatte, oder nicht.

 

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TEIL 2

Lärm und lautes Geschrei ließen Takuto und Takasaka unsanft aus ihrem Schlaf schrecken. Hastig schlüpften sie in ihr Gewand und stürmten nach unten, wo bereits ziemliche Aufregung herrschte. Was eigentlich kein Wunder war. Das erste, was Takuto erblickte, war eine dunkelrote Blutspur auf dem hölzernen Parkettboden, die direkt zur Eingangstür des Gasthauses führte. Die Quelle dafür war umzingelt von unzähligen aufgebrachten Gästen und den Wirtsleuten. Alle standen sie rund um die brutal zugerichtete Leiche einer der Mägde. Takasaka drängte sich sofort zu dem blutigen Körper und startete seine Untersuchungen, während sein junger Begleiter mit einem Anfall von Übelkeit kämpfte. Soviel Blut! Überall am Boden, an den Wänden. Niemals zuvor hatte der Junge etwas in dieser Art gesehen. Außer dieses eine Mal, als er bei seiner Tante zu Besuch war und mit ansehen musste, wie ein Ferkel für das Festmahl vorbereitet wurde. Dieser Gedanke reichte aus, und Takuto konnte sich nicht länger halten. Er rannte vor die Tür in die eiskalte Nacht und musste sich sofort übergeben. Erleichtert und geschwächt lehnte er sich an die Hausmauer. Da fiel sein Blick auf die schwarzroten Spuren im Schnee, die direkt in den finsteren Wald hinein führten. Daneben konnte man noch die frischen Fußstapfen von zwei Menschen erkennen. Einer hatte ziemlich kleine Abdrücke im Gegensatz zu den zweiten Spuren, die dagegen nahezu riesig und unecht wirkten.

Bei diesem Anblick kam Takuto wieder seine Begegnung von letzter Nacht in den Sinn. Beinahe hatte er es vergessen, es als Traum abgetan. Doch nun wirkte dieses Erlebnis lebendiger als zuvor. Dieser Mann. Seine große, hünenhafte Gestalt. Trotz seiner Größe bewegte er sich geschmeidig wie ein Tänzer. >Wie ein Raubtier< Augen, funkelnd wie Kristall. Scharf und eiskalt. Als würden sie sich durch seine Seele schneiden. >Ein Wolf, der sein Opfer begutachtet< Doch dieses unergründliche Lächeln, kurz bevor er in den Schatten verschwand, war auf seltsame Weise so weich und beruhigend... Die Gedanken an diesen fremden Mann ließen Takuto bis tief ins Mark erschaudern. Er machte ihm Angst. Aber egal. Er musste Taka umgehend davon berichten!

Noch immer völlig blass im Gesicht betrat er wieder das Gasthaus. Im gleichen Augenblick stürzte die Wirtin in den Raum. "Sie ist weg! Sie haben Serika! Oh Gott, Serika!" unter Tränen brach sie in den Armen ihres Mannes zusammen. Die Menge um sie verfiel in Schweigen. Takutos Blick fand den seines Freundes, der tief über die tote Frau gebeugt kniete. Beide sahen sich ernst und schweigend an.

"Es ist, wie ich vermutet hatte." begann Takasaka mit einem Tonfall, der jedem das Blut gefrieren lässt, "Vampire."

 

In der Zwischenzeit rief Hirose seine Brüder und einen seiner treuesten Untertanen, Kojis besten Freund und Diener, Katsumi, zu sich. In einer kurzzeitig einberufenen Krisensitzung, nachdem das Oberhaupt des Vampir-Clans wieder einmal der traurigen Pflicht nachkommen musste, seinem Lieblingsbruder Akihito für seinen jüngsten Vorfall die Leviten zu lesen, berieten sie, was sie im Weiteren tun könnten, um dieses 'Missgeschick' aus der Welt zu räumen.

"Nun, zumindest wird ja niemand die Schuld für diesen 'Unfall' bei uns suchen. Schließlich weiß niemand weder von uns noch von unserem Aufenthaltsort. Es gibt doch keinerlei Spuren oder Beweise" stellte Hirose, eher fragend, fest. Er wandte sich Akihito zu und fuhr fort "Du 'hast' doch keine Spuren hinterlassen?"

Akihito wich schweigend Hiroses Blick aus.

"Spuren ist gut. Kein Hund könnte sein Revier besser markieren als Akihito. Die schönste Blutspur inklusive Fußabdrücke führen direkt zu unserem Tor." klärte Koji bitter lächelnd auf.

"Vermischt mit deinen Spuren! Deine riesigen Abdrücke sind noch weniger zu übersehen!" fauchte Akihito seinen jüngeren Bruder an.

"Und außerdem, was hattest 'du' eigentlich dort zu suchen? War deine Beute von vorhin, diese kreischende Magd, zu blutleer dass du noch einen Nachtisch brauchtest?" fügte er noch giftig hinzu.

"Ich kann wenigstens ohne eine mordsmäßige Sauerei anzurichten dinieren!" erwiderte Koji mit arrogantem Tonfall.

Nun wurde es dem Oberhaupt zu bunt. Zornig fuhr er zwischen die beiden Streitenden.

"Jetzt ist aber Schluss mit euren Kindereien! Wollen wir hier herum diskutieren bis diese Bauern das ganze Dorf zusammen trommeln um bei uns mit einer Horde von Vampirjägern aufkreuzen?" Hiroses Worte verhallten langsam in der nun eingetretenen Stille.

"Koji! Du und Katsumi, ihr werdet jetzt nochmals dort hingehen und alle Spuren beseitigen." befehligte Hirose streng, "GRÜNDLICH beseitigen! Verstanden?"

Die beiden Angesprochenen nickten verstehend. Anschließend richtete Hirose sein Wort wieder an Akihito.

"Und du gehst jetzt am besten in dein Gemach und denkst über das nach, was du getan hast."

Koji grinste spöttisch zu Akihito, der völlig entnervt auf seine Hände starrte.

"Unfähig wie immer..." flüsterte Koji ihm spitz zu, "Es wäre besser für alle, du bleibst in deinem Loch bei deinen Ratten, mit denen du immer heimlich übst."

Das war zuviel. Rasend vor Wut stürzte Akihito auf Koji zu.

"Du verdammter Bastard! Ich bringe dich um, du mieses..."

"Ach, ein Massaker pro Tag ist dir wohl zu wenig?" spottete Koji und hielt sich seinen aufgebrachten Bruder lässig mit einer ausgestreckten Hand vom Leib.

"Schluss jetzt!" fuhr Hirose streng dazwischen, dass seine Stimme erhaben durch die Hallen tönte. "Noch ein Wort, und ihr könnt beide morgen Früh den Sonnenaufgang bewundern!"

Akihito ließ von Koji ab, verbeugte sich vor Hirose, eine kurze Entschuldigung murmelnd, und rauschte mit hasserfülltem Blick an Koji vorbei. Dieser erwiderte seinen Blick mit einem triumphierenden Lächeln und machte sich schließlich mit Katsumi auf den Weg, ihre Aufgabe zu erledigen.

 

Schnell liefen die Beiden zum Gasthaus zurück, dabei darauf bedacht, so gut wie keine Spuren zu hinterlassen. Auch wenn sie alle Personen in dem Gasthaus beseitigen sollten, musste man doch vorsichtig sein. Koji hatte jedoch ein ungutes Gefühl. Was war mit dem Jungen? Sollte er ihn auch gleich töten? Konnte er es überhaupt? Allein bei dem Gedanken daran spürte er einen Schmerz in seiner Brust. Was war nur los mit ihm? So was war doch noch nie vorgekommen. Bis jetzt hatte er noch nie Probleme beim Töten gehabt, egal wie schön die Frauen oder die Mädchen auch waren. Und dann passierte so was ausgerechnet bei einem jungen Mann!

Er sollte aufhören darüber jetzt nachzudenken. Vielleicht war er auch gar nicht mehr da, oder sie nahmen sich sein Zimmer als letztes vor. Dann konnte er sich immer noch überlegen, was er wegen ihm tun sollte.

"Koji?"

Verwirrt drehte sich der Angesprochene zu seinem Diener um. Katsumi schien ihn schon eine ganze Weile mit seinem Namen angesprochen zu haben, verlor aber kein Wort darüber, warum sich Koji erst jetzt zu ihm umgedreht hatte.

"Was ist?"

"Wie gehen wir vor? Ich meine...ich weiß, dass es nicht das erste mal ist, dass wir so was machen, aber...In so einem Gasthaus sind immer viele Menschen..."

"Sollten noch welche auf sein, was ich stark annehme. Bei dem Lärm den Akihito gemacht haben muss," Koji vermied es zu erwähnen, das er es ja eigentlich gehört hatte. Es musste nicht unbedingt herauskommen, dass er sich zu der Zeit auch in dem Gasthaus befunden hatte.

"Wahrscheinlich haben sie schon längst die Leiche gefunden und beraten jetzt, wie sie vorgehen sollen."

"A-ha...also wie wir?"

"In Etwa. Ich denke, wir sollten heimlich alle Kerzen erlöschen lassen und dann einen nach dem anderen das Genick brechen. Ist sauber und geht schnell. Ein oder zwei können wir am Leben lassen und uns an ihnen sättigen. Danach zünden wir das Haus an und verschwinden."

"In Ordnung." Katsumi grinste. Es war für ihn das erste mal, dass er an so was Teil nahm. Er war, im Gegensatz zu den meisten anderen Vampiren in ihrem Clan, noch ziemlich jung. Koji hatte ihn aus einer Laune heraus erschaffen und zu seinem Diener gemacht. Was dieser allerdings schon oft bereut hatte. Katsumi war ein Scherzkeks und um Koji herum, wann immer er konnte. Dennoch war er zum guten Freund geworden, was Koji aber nicht gerne zu gab.

"Ich habe vorhin gehört, dass in dem Gasthaus ein junger Vampirjäger mit seinem Assistent heute untergekommen sein soll...Wäre das nichts für unseren Anführer? Dann können wir ihn gleich wieder etwas milde stimmen."

Katsumi schaute Koji grinsend an und wartete darauf, was dieser zu seinem Vorschlag sagen würde.

Dieser überlegte lange. Könnte es sein...das vielleicht dieser Junge der Assistent war? Wenn er sich angestrengt an das Zimmer zurückerinnerte, war ihm so, als ob er ein Buch für Vampirjagd auf dem Tisch im Zimmer herumliegen gesehen hatte. Das musste so sein! So hatte er endlich eine Ausrede, warum er den jungen Mann nicht töten konnte. Er nahm ihn einfach mit. Dann konnte er immer noch sehen, was er mit ihm machte! Ein kaltes Lächeln huschte über Kojis Gesicht.

"In Ordnung. Dann nehmen wir ihn und seinen Assistenten mit."

Mittlerweile waren sie am Gasthaus angekommen. Leise schlichen sie über den Hintereingang ins Haus und traten unbemerkt in den Gastraum ein. Verschmolzen mit den Schatten, so das man sie nicht sah. Alle hatten sich in diesem Raum versammelt.

Koji konnte ganz deutlich den Jungen sehen, wie er mit dem Vampirjäger neben der Leiche saß und mit diesem diskutierte. Koji fühlte sich auf einmal ganz flau im Magen, bei dem Anblick des Jungen. Würde sein Herz noch schlagen, es würde jetzt heftigst gegen seinen Brustkorb klopfen. >Ich muss mich zusammenreißen<, dachte Koji. Er schloss die Augen und fing an sich zu konzentrieren.

Wie als wenn ein kalter Wind durchs Zimmer fegte, gingen auf einmal alle Kerzen nacheinander aus. Eine unheimliche Stille trat ein. Keiner von den Leuten im Raum traute sich was zu sagen, als ob jeder wusste, das dies ein Böses Omen war.

Koji wartete kurz ehe er Katsumi ein Zeichen gab. Blitzschnell griffen sie sich jeder ihr erstes Opfer und brachen ihm das Genick. Es ging alles so schnell, das keiner der herumstehenden es mitbekam. Und als sie es endlich merkten, war es schon zu spät. Innerhalb einer halben Minute waren fast alle Tod. Außer Takasaka, Izumi und zwei von den Gästen, die von Koji und Katsumi in einer eisernen Umarmung festgehalten wurden. Koji schleuderte sein Opfer gegen eine Wand, so dass dieser Ohnmächtig zusammenbrach. Um den würde er sich später kümmern, jetzt waren erst mal der Junge und der Vampirjäger dran.

Bedrohlich und kalt lächelnd kam Koji näher. Auch Katsumi ließ von seinem Opfer ab. Er würde sich wie Koji etwas später um ihn weiter kümmern.

Die Beiden, auf den Boden hockenden Menschen schienen jetzt erst wahr zu nehmen, was um sie herum in der letzten Minute passiert ist. Wütend starrte der braunhaarige Junge Koji an. Seine Augen funkelten nur so. Dieser wilde und wütende Blick traf Koji tief und machte den Jungen für ihn nur noch faszinierender. Schnell packte er ihn und drückte den sich wehrenden jungen Mann gegen die Wand.

"Du gefällst mir. Die meisten würden jetzt um Gnade winseln, aber nicht du." Flüsterte Koji ihm ins Ohr.

"Izumi!"

Koji drehte sich um und sah, wie sich der andere auf ihn stürzen wollte, um seinen Schützling zu helfen. Doch da war schon Katsumi zur Stelle. Mit einem gekonnten Schlag schlug er ihn bewusstlos.

"Taaaaaakaaaaaaaa...."

Izumi versuchte sich noch mehr zu wehren und loszureißen.

"Keine Angst, wir rühren ihn nicht an, er ist für jemand anders bestimmt. Was dieser allerdings mit ihm macht...sollte dich nicht mehr interessieren. Du kannst von Glück sagen, dass ich dich für mich in Anspruch nehme! Mal sehen wie lang du mich interessierst."

Ehe Izumi darauf etwas erwidern konnte, spürte er einen Schlag im Magen und um ihn herum wurde alles schwarz.

"Koji? Ich dachte wir wollten beide für Hirose nehmen."

"Nein, nur den Vampirjäger oder besser gesagt den Gelehrten. Ich glaube nicht, das er schon jemals einen Vampir gejagt geschweige denn gesehen hat. Den Jungen hier will ich für mich haben."

Die beiden stärkten sich noch, nahmen dann ihre beiden Gefangenen und verließen das Gasthaus. Draußen zündete Koji eine Fackel an und schmiss sie hinein. So hatten sie wirklich alle ihre Spuren verwischt. Ungeduldig kam ihnen Hirose schon entgegen, als sie am Schloss angekommen waren.

"Was soll das? Ich habe gesagt ihr sollt _jegliche_ Spur beseitigen und nicht noch zwei hierher bringen!"

Koji zuckte daraufhin nur mit den Schultern. "Der eine ist ein Vampirjäger. Wir haben uns nur gedacht, der könnte dich interessieren, aber wenn du nicht willst..."

"Als ob du dir darüber Gedanken machst, was mich interessiert! Aber wenn er schon mal hier ist, bring ihn auf mein Zimmer."

Koji nickte Katsumi zu, und dieser tat, was man ihm gesagt hatte. Hirose wollte ihm gerade folgen, als er sich noch einmal zu Koji umdrehte.

"Ich weis nicht, was du vorhast, oder warum du mir ein Geschenk gemacht hast, aber glaub mir, wenn es irgendwas gegen unseren Clan ist, dann..." Hirose sprach die Warnung nicht weiter aus. Jeder wusste wie kalt und gefährlich Hirose werden konnte. Nicht umsonst war er der Anführer. Doch Koji beeindruckte dies nicht. Er grinste nur und wich dem Blick von Hirose keinen Millimeter aus.

"Ich habe nichts vor. Außer mich mit diesem Jungen hier zu beschäftigen." Und damit machte er sich auf den Weg in sein Zimmer.

Hirose sah ihm nach. Er wurde aus Koji einfach nicht schlau.

Koji bettete den Jungen, der anscheinend Izumi hieß, auf sein Bett und betrachtete ihn. Er konnte sich ein Lächeln nicht verwehren, als er ihm ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht strich. Dann erhob er sich kam mit einer Kette wieder zurück. Vorsichtig fesselte er die Hände von Izumi am Kopfende seines Bettes. Die Sonne würde gleich aufgehen und her hatte keine Lust, dass dieser versuchen würde ihn im Schlaf zu töten, sobald er aufwachte. Danach schloss er die Läden seines Fensters und legte sich zu dem Jungen auf Bett. Er konnte nicht aufhören ihn anzuschauen. Warum faszinierte ihn dieser Izumi nur so? Nach einer Weile fielen ihm die Augen zu und er sank in seinen todesähnlichen Schlaf.

Auch Hirose betrachtete den jungen Mann, den Katsumi auf sein Bett gelegt hatte. Wie ein Vampirjäger wirkte er wirklich nicht. Er war viel zu jung dafür. Seine Haut war fast weiß und sein Körper war fiel zu schwach dafür einen Vampir wirklich zu jagen. Er wirkte eher, als ob er fast sein ganzes Leben nur mit Büchern gelebt hätte. Nichts weiter als ein Gelehrter der sein Wissen endlich ausprobieren wollte. Wie viele von diesen hatte er schon getötet? Duzende. Und es war jedes Mal das gleiche. Ängstliches flehen und schreien. Schlimmer als bei den meisten Frauen, die Koji mit brachte. Dieser würde wahrscheinlich nicht anders sein. Und dennoch...es war wie bei Koji. Irgendetwas war da, was ihn an diesem Mann faszinierte. Er verspürte nicht die Lust ihn sofort zu töten, sondern wollte warten bis dieser aufwachte. Seine Hand glitt über dessen Gesicht. Es fühlte sich weich und glatt an. Angenehm zu berühren. Mit einem Ruck lies er von ihn und stand auf. Er war wütend auf sich selbst. Was tat er da? Das hier war ein Mensch! Ein Vampirjäger. Auch wenn er bis jetzt wahrscheinlich noch keinen Vampir getötet hatte, Jäger blieb Jäger!

Da fiel sein Blick auf eines seiner Fenster. Die Sonne ging gerade auf, hastig schloss er alle Läden und spürte dann, dass ihn jemand beobachtete. Er drehte sich langsam um und sah, dass sein Gefangener gerade zu sich gekommen war.

 

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TEIL 3

Trotz leichter Benommenheit, versuchte Takasaka wieder klaren Kopf zu bekommen, und vor allem ruhig zu bleiben. Er wußte sehr schnell, in welcher Lage er sich befand. Und er wußte, wie aussichtslos seine Situation war, wenn er auch nur einen Fehler machte. Der größte davon wäre es, Angst zu zeigen. Obwohl sein Herz in der Brust beinahe zersprang und er mit aller Mühe sein Zittern zu verbergen versuchte, blieb er ruhig und aufrecht auf dem großen Bett, in dem er sich wieder fand, sitzen. Aufmerksam ließ er seinen Blick durch das dunkle Zimmer wandern um seine Chancen abzuschätzen. Der Raum war atemberaubend riesig, doch sehr spartanisch eingerichtet. Es waren kaum Möbel oder Ziergegenstände zu sehen. Nur das Nötigste, wie das Bett, ein mächtiger Sekretär aus Wurzelholz sowie ein großer Leder bezogener Lehnstuhl, standen kühl und einsam im Zimmer. Die Wände jedoch waren bis auf den letzten freien Winkel mit Regalen verbaut, auf denen unzählige alte Bücher standen. Takasaka traute seinen Augen kaum, als er diese Auswahl an antiken Werken von unschätzbarem Wert und verborgenem Wissen erblickte. Am liebsten wäre er kopfüber aufgesprungen und hätte die Bibliothek verschlungen, doch die Lage in der er sich befand, erlaubte ihm dies auf keinen Fall. Er war ein Gefangener. Gefangen von den gottlosen Kreaturen, die er vorhatte zu vernichten.

Sein Verlangen nach den Büchern war mit einem Schlag verschwunden, als Hirose zu ihm aus den Schatten trat. Takasaka hatte ihn vorher noch nicht wahrgenommen. Entweder konnte dieser sich so gut verbergen oder er hatte ihn vor Aufregung einfach übersehen. Hirose blieb ein paar Schritte von seinem Gefangenen entfernt stehen und blickte ihn mit leeren, eiskalten Augen an. Minuten lang stand er nur da, absolut regungslos. Und er starrte schweigend auf seine Beute. Takasaka kämpfte gegen seine Angst die ihn beinahe ohnmächtig werden ließ. Er versuchte den Blick seines Gegenübers standzuhalten, was er trotz größter Furcht sogar schaffte. Kalter Schweiß schoß ihm aus jeder Pore seines Körpers, lief ihm langsam über seine Stirn. Doch er blieb standhaft, als hätte ihn seine Angst paralysiert. Hirose zeigte noch immer keine Reaktion. Er genoss es, sein Opfer zu beobachten. Er wußte, dass der junge Mann vor ihm vor Furcht fast wahnsinnig wurde, doch die Art wie er sie zu verbergen versuchte, gefiel ihm. Gefiel ihm sogar sehr. Ein leichtes Lächeln huschte über Hiroses Lippen und er schritt näher zu Takasaka.

"Hast du Angst?" fragte er seinen Gefangenen.

Takasaka blickte ihn verächtlich an. "Wovor?" Er lachte schwach auf. "Vor dir?"

Taka wußte, er hatte sein Todesurteil gesprochen. Aber innerlich hatte er bereits schon vorher mit seinem Leben abgeschlossen. Nach all dem was er von Vampiren gelesen hatte und man so erzählte...Wenn man erst in ihren Händen war, konnte es sich nur um Minuten handeln. Es gab aber auch Exemplare, die es liebten, mit ihren Opfern zu spielen, sie zu quälen, ehe sie ihnen den Tod brachten. Und das wollte er auf keinen Fall. Sollte er ihn doch gleich töten. Sofort auf der Stelle. Er war bereit. Hirose traute seinen Ohren nicht, obwohl ihn die mutige Antwort des Mannes auf eigenartige Weise erfreute. Ja, er hatte beinahe sogar damit gerechnet. Er setzte sich auf den Rand des Bettes und beugte sich ganz nahe zu seinem Opfer. Blitzschnell streckte er seine Hand aus und riß ihm das Hemd auf. Mit eisigen Fingern glitt er langsam Takas Brust entlang nach oben, ehe er sie ihm mit eisernem Griff um den Hals schloss. Takasaka mußte seine Zähne zusammenbeißen um nicht in Panik los zu schreinen. Und er wäre dazu auch gar nicht im Stande gewesen. Hiroses Hand schnürte ihm brutal und unabweichlich die Luft zum Atmen. Der Vampir brachte sein Gesicht nun ganz nahe an Takas und starrte ihm eindringlich in die Augen. Takasaka hob seine Hände und zerrte verzweifelt an Hiroses. Er bekam keine Luft. Sein Körper bebte vor Angst. Doch noch immer erwiderte er den Blick seines Peinigers mit völliger Abscheu.

"So....du hast also keine Angst" hauchte Hirose leise und lies seine scharfen Eckzähne etwas hervorblitzen. "Ja richtig. Du bist ja ein gefürchteter Vampirjäger! Die kennen keine Angst!" lachte er laut auf. "Wie viele meiner Art hast du und dein kleiner Lehrling denn schon auf dem Gewissen?"

Takas Antwort war nur ein Röcheln. Ein verzweifeltes Ringen nach Luft. Hirose hob mit gespieltem Erstaunen seine Augenbrauen und betrachtete ihn mit mitleidiger Miene.

"Ach, verzeih. Meine Begrüßung war etwas zu grob, nicht?"

Endlich lockerte der Vampir seinen Griff und Takasaka rieb sich seinen schmerzenden Hals. Er funkelte Hirose giftig an und versuchte zu sprechen.

"I-izu-mi! W-was habt ihr i-ihm angetan?"

"Izumi? Dein Schüler?" fragte Hirose. "Ach, mein jüngerer Bruder behielt ihn zum Zeitvertreib. Nur schade, dass er immer so schnell die Lust an seinen Spielgefährten verliert."

Takasaka fuhr entsetzt auf. Sein eigenes Leben wäre ihm ja egal gewesen, das war nun einmal die Gefahr, ein Vampirjäger zu sein. Doch sein Freund, er war noch so jung und unschuldig, er konnte rein gar nichts dafür. Er durfte nicht sterben! Nur wegen ihm! Hätte er ihn doch nur nicht überredet, mit ihm mit zu kommen.

"Ich bitte dich! Laß ihn gehen! Er hat damit nichts zu tun!" flehte Taka.

"Nichts damit zu tun? Dein 'Schüler' hat 'nichts' mit der Vampirjagd zu tun? Hah! Das ist wohl das Beste was ich jemals von euch Pack gehört habe!" lachte ihn Hirose aus.

"Nein, ich schwöre dir! Er ist unschuldig!" Takasaka schob nun seinen letzten Stolz beiseite, senkte beschämt seinen Blick und gestand mit zitternder Stimme "Er...wir hatten noch nie einen von euch getötet. Ich habe jahrelang nur die Bücher studiert und Izumi hat mich begleitet."

Hiroses Gelächter überschlug sich. "Wie gemein das Schicksal so mit euch Würmern spielt. Endlich bietet sich die Chance eures Lebens, das hart erarbeitete Wissen anzuwenden und schon ist es vorbei."

Der Vampir hob abermals seine Hand und streckte sie nach Takasaka aus, welcher reflexartig davor zurückweichen versuchte. Doch dieses Mal schlossen sich die kalten Finger nicht um den noch immer schmerzenden Hals, sondern griffen sanft nach seinem Kinn.

"Aber hab keine Angst. So schnell werde ich dein Leben nicht beenden. Noch nicht." flüsterte Hirose. "Was deinen kleinen Schützling betrifft, hab ich leider wenig Einfluß. Mein Bruder ist manchmal sehr eigenwillig."

Takasaka fühlte wie heiße Tränen in ihm aufstiegen, doch er schaffte es, sie mit aller Kraft zurück zu halten.

"Wie ist eigentlich dein Name?" fragte Hirose.

"T-takasaka" erwiderte der Gefragte zaghaft.

"Takasaka" wiederholte der Vampir, und wieder huschte ein leichtes Lächeln über seine Lippen. "Ich denke, ich werde dich noch eine Weile behalten. Besuch ist so rar heutzutage. Und dazu noch ein Gelehrter. Ich bin mir sicher, wir werden uns noch gut unterhalten können."

Er strich noch einmal leicht mit dem Daumen Takasakas Kinn entlang und ließ schließlich unmerklich seufzend von ihm ab. Dann erhob er sich und ging zu einem der Bücherregale. Noch einmal drehte er sich zu seinem Gefangenen.

"Du bist solange mein Gast. Ich will dir doch noch die Chance geben, zu studieren was du töten wolltest. Mein Diener wird dafür sorgen, dass es dir an nichts fehlt. Fühl dich wie zuhause. Es wird dein letztes sein."

Damit drehte er sich wieder um, und verschwand augenblicklich in den langen Schatten des Zimmers. Takasaka starrte verwundert in die Dunkelheit, fragte sich aber nicht mehr lange, wie der Vampir es schaffte, vor seinen Augen zu verschwinden. Denn im nächsten Moment übermannten ihn seine Gefühle, die schon die ganze Zeit über in ihm steckten. Angst. Trauer. Entsetzen. Hilflosigkeit. Weinend und völlig mit seinen Nerven am Ende brach er zusammen.

 

Hirose beobachtete ihn aus den Schatten heraus weiter. Nicht genau wissend, was er von der ganzen Sache halten sollte. Warum hatte er ihn leben lassen? Wirklich nur aus Neugierde? Widerwillig musste er zugeben, dass er etwas Achtung vor dem Gelehrten hatte. Er hatte es geschafft, nicht vor ihm zusammenzubrechen. So etwas hatte er noch nicht erlebt. Er konnte diesen Gelehrten nicht einschätzen. Der Vampir hatte das Gefühl, dieser war anders als die Menschen, mit denen er es bisher zu tun hatte.

Ein kühles Lächeln beherrschte wieder seine Lippen, als sich der andere langsam beruhigte.

„Wir werden ja sehen, ob du bei unserer nächsten Begegnung heute Abend auch wieder so mutig bist. Bis dahin...“

Takasaka schreckte auf. Nicht wissend, woher dieses Geflüster auf einmal kam. Den Vampir, der hier wohl der Anführer war, konnte er nirgends sehen. Er hatte keine Ahnung, ob er überhaupt noch im Zimmer war. Hatte er das Zimmer verlassen, als er mit den Schatten verschmolz, oder war er immer noch im Zimmer? Nach dem Geflüster zu Urteilen, müsste er noch da sein, aber...warum sah er ihn nicht?

Hirose sah ihm amüsiert zu, als dieser sich mit dem Kopf nach allen Seiten im Zimmer umschaute. Ein Vorteil der Vampire, wenn sie mit dem Schatten verschmolzen, konnte so gut wie kein lebendes Wesen sie sehen oder ihre Anwesenheit spüren, solange sie selber es nicht wollten.

Ärgerlich rieb sich Hirose über die Augen, als seine Sicht langsam verschwamm. Er war zu lange wach. Zwar konnte ihm die Sonne nichts anhaben, wenn er nicht direkt in ihren Strahlen stand, aber wenn er immer noch wach war wenn sie aufging, begannen seine Kräfte langsam abzunehmen. Seine scharfe Sicht trübte sich langsam, oder seine Schnelligkeit nahm ab. Er sollte sich wohl wirklich hinlegen. Er war der einzige von seiner Sippschaft, der so lange wach bleiben konnte. Koji würde wahrscheinlich ebenfalls bis nach dem Sonnenaufgang wach bleiben können, würde er sich in der Nacht nicht so verausgaben. Selten blieb dieser im Schloss. Meistens trieb er sich in einer Stadt rum, suchte sich ein hübsches Mädchen oder eine junge Frau, mit der er erst seinen Spaß hatte, ehe er seinen Durst an dem erschöpftem Ding stillte.

Noch einmal trat er kurz aus den Schatten hervor. Stand plötzlich hinter Taka und flüsterte ihm ins Ohr:

„Du solltest dich etwas hinlegen. Ich mag es nicht, wenn meine Gäste schlafen, wenn ich mich mit ihnen unterhalten will.“

Ebenso schnell, wie er hinter ihm stand, war er auch schon wieder weg. Eilig berührte er einen Stein in der Wand, vorauf hin eine versteckte Tür geöffnet wurde, in die er schnell hineinhuschte und die sich dann sofort wieder schloss, sodass Taka davon nichts mitbekam. Ein schmaler Gang erstreckte sich vor Hirose, der zu einen geheimen Gemach führte. Hirose schlief selten in dem Bett in seinem Zimmer. Meistens verzog er sich hierher. Hier hatte er seine Ruhe und konnte ungestört nachdenken. Müde legte er sich auf das altertümliche Bett. Der Raum war ebenso wie sein Gemach, mit Büchern voll gestellt. Diese Bücher hier waren jedoch wertvoller und zum Teil noch älter, als die im anderen Zimmer. Hier hingen jedoch an den kalten Steinwänden auch Wandteppiche und Gemälde. Alle aus dem Schloss, wo er gelebt hatte, als er noch ein Mensch war. Vor dem großen Unglück.

Hirose schloss die Augen und versuchte zu schlafen. Aber irgendwie wollte der tödliche Schlaf ihn nicht überkommen. Noch lange lag er wach und lauschte den Geräuschen in seinem anderen Zimmer. Wenn er sich anstrengte, konnte er den unruhigen Atem seines 'Gastes' hören. Was dieser wohl wirklich alles über Vampire wusste? Welcher Bücher er zum studieren benutzt hatte? In den meisten stand eine Menge Unsinn über sie drin. Allein das mit dem Sarg. Er hatte noch nie in seinem Vampirleben in einem Sarg geschlafen. Allein die Vorstellung widerte ihn an. In so etwas Primitiven würde er keinen Fuß hineinsetzten. Auch das mit dem Weihwasser oder dem Pflock! Ja, mit einem Pfahl konnte man sie schwächen, aber keinesfalls umbringen. Schon gar nicht die Älteren. Um so älter man als Vampir wurde, um so stärker wurde man auch.

Langsam fielen ihm doch die Augen zu. Seine letzten Gedanken galten erneut seinem Gast. Er war schon gespannt, auf das Gespräch, das er mit ihm führen würde.

 

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TEIL 4

Ein stechender Schmerz in der Brust ließ Takuto aus seinem traumlosen Schlaf aufschrecken. Instinktiv wollte er danach greifen, doch er konnte nicht. Mit Entsetzen musste er feststellen, dass er an seinen Händen gefesselt war. Und das war auch die Ursache seiner Schmerzen, die er nun am gesamten Körper fühlen konnte. Er war völlig verspannt. Anscheinend verbrachte er schon einige Stunden angekettet in dieser Stellung. Plötzliche Panik durchzuckte ihn, trieb sein Herz an, in rasendem Rhythmus gegen seine Brust zu hämmern. >Was...wo bin ich? Was ist geschehen?< Verwirrt und ängstlich blickte er sich um. Doch so angestrengt er auch um sich spähte, er konnte rein gar nichts erkennen. Seine Sicht war noch völlig vom langen Schlaf getrübt und so war der Raum indem er sich befand, in eine absolute Schwärze getaucht, die sogar die dunklen Schatten verschlang.

Das konnte doch nicht war sein! Wie konnte es nur geschehen, dass er in solch eine Situation geraten war? Takuto war zwar eher klein und zart in seiner Gestalt, doch keiner konnte gegen seine Gewandtheit ankommen. Schon öfter war er in so manche Schlägerei geraten, meist ausgelöst von irgendwelchen Halbstarken, die ihn wegen seiner Vergangenheit als Waisenkind aufziehen wollten, doch immer trat er als Sieger hervor. Und jetzt lehnte er ausgestreckt und gekettet in einem fremden Bett, in einem fremden Gemach, ohne je eine faire Chance sich zu wehren gehabt zu haben.

Wie ein Blitz durchfuhr ihn jetzt die Erinnerung an den letzten Augenblick bevor er bewusstlos geschlagen wurde. >Dieser Mann!< Ja, plötzlich konnte er sich erinnern. Sah die kalten, stechenden Augen mit diesem unergründlichen Funkeln vor sich. Dieser Blick, der ihn völlig in den Bann zog, es nicht zu ließ, daß er sich von ihm abwandte. Die unheimliche Aura des Fremden, die ihn völlig verwirrte und ängstigte. Und doch...nein, Takuto konnte die Wirkung des blonden Mannes auf ihn nicht deuten, er wollte es auch besser gar nicht. Und das beängstigte ihn noch mehr.

Er konnte die Anwesenheit des Fremden auch jetzt noch richtig intensiv spüren. Rasende Angst kroch ihm langsam, wie eine hinterlistige Schlange durch seine Zellen. Er musste hier weg, und zwar schnell.

Angestrengt schloss er seine Augen, in der Hoffnung, sie würden sich endlich an die Finsternis gewöhnen. Und tatsächlich, als er sie wieder aufschlug, konnte er einige Dinge im Raum besser erkennen. Er drehte seinen Kopf etwas zur Seite und sein Atem stockte. Neben ihm lag der unheimliche Mann! Er schien zu schlafen, doch er wirkte wie ein Toter. Keine einzige Regung, kein Atemzug war zu Bemerken. Ein winziger Spalt in der Tür ließ einen schwachen Lichtschein von draußen herein und warf ein schauriges Licht auf die leblosen Züge des Fremden. Sein Gesicht wirkte wie das einer Porzellanpuppe. Weiß und ebenmäßig, von unbeschreiblicher Schönheit, und doch ohne jegliches Leben. Dieser Anblick jagte dem Jungen einen kalten Schauer über den Rücken.

>Das sind sie also. Die Vampire. Und ich dachte immer, Taka wäre auf seine Ammenmärchen reingefallen...< Ein hilfloses Lächeln huschte über Takutos Lippen. Doch so plötzlich es auch auftauchte, versteinerte es im gleichen Moment. >Taka!!!< 'Er ist für jemand anders bestimmt. Was dieser allerdings mit ihm macht...sollte dich nicht mehr interessieren.' Wie ein Echo hallten die Worte des fremden Mannes in Takutos Erinnerung wider. Die Angst in ihm wuchs immer mehr an, doch Furcht brachte ihn nicht weiter, würde ihn sogar behindern. Er musste stark bleiben! Er musste es schaffen, irgendwie hier weg zu kommen. Vielleicht gab es für Taka noch eine Rettung.

Takuto schloss erneut seine Augen und zwang sich, tief durch zu atmen. Sein rasendes Herz zu beruhigen, und vor allem sein Zittern zu unterdrücken, das sich leise klingend auf die Eisenketten übertrug, an denen er gefesselt war. Er konzentrierte sich, sammelte seine Gedanken um die Panik zu unterdrücken. Er wußte, dass er stark war. Er würde es schaffen! Und wenn nicht...was würde er verlieren? Dem Tod war er ohnehin ausgeliefert, ob er nun schnell eintreten sollte oder später, vielleicht auch noch unter Qualen. Nach all dem was Taka ihm immer aus seinen Büchern vorgelesen hatte, war es beinahe ein Wunder, dass er überhaupt noch lebte.

Der Gedanke, nichts verlieren zu können, bestärkte den Jungen und half ihm, mit klarem Kopf an seinem Entkommen zu arbeiten. Vorsichtig hob er seine Hände ein wenig höher, tastete sich so gut es ging zu dem Bettpfosten, an dem die Kette angebracht war, und verharrte einen Moment in dieser Position und Kräfte zu sammeln. Dann, mit einem kurzen, heftigen Ruck, drückte er seine Hand mit dem Daumen gegen das harte Holz. Es war nur ein flüchtiger, jedoch höllischer Schmerz, den Takuto mit zusammengebissenen Zähnen ohne Aufschrei unterdrückte, und sein Daumen sprang aus dem Gelenk. Verzweifelt versuchte er sein heftiges Atmen und das Verlangen, vor Schmerz zu Schreien, zurück zuhalten. Kalter Schweiß bahnte sich den Weg über seine Stirn und floss ihm brennend in die Augen, um sich mit Tränen zu vermischen. Doch der süße Gedanke an seine Freiheit half dem Gefangenen über jede Pein hinweg. Dank dem ausgerenkten Daumen war es ihm nun ein Leichtes, aus dem engen, kalten Eisen heraus zu gleiten. Gefasst auf den nächsten Schmerz, befreite er auch noch seine zweite Hand. Die Schmerzen brachten den Jungen beinahe um den Verstand, doch die Daumen wieder in ihre ursprüngliche Lage zu bringen, war mit weit größeren Qualen verbunden, und so schaffte Izumi es nur, den rechten wieder einzurenken. Die Anstrengungen waren zuviel für ihn, er war am Ende seiner Kräfte.

Fast ohnmächtig und schweißgebadet lag Takuto im Bett und betete, dass der Mann neben ihm nicht aus seinem Todesschlaf aufwachte. Nicht jetzt! Nicht nach all dem, was er für seine Befreiung auf sich genommen hatte! Die Götter erhörten ihn, zumindest in dieser Situation. Der Schlafende verharrte in seiner Position und rührte sich keinen Millimeter.

Mit neuen Kräften schlich Takuto sich nun aus dem Bett und steuerte der Tür entgegen. Da fiel sein Blick auf eine kleine Kommode, auf der ein schmaler Dolch glitzerte. Er blieb davor stehen und starrte ihn an, bewunderte die geschmeidige Form des tödlichen Instruments. War es Zufall oder ein Zeichen? Die Klinge lag einfach so da, als hätte sie nur darauf gewartet, von Takuto benutzt zu werden um ihren vorbestimmten Auftrag auszuführen. Verführerisch funkelte sie im schwach einfallendem Licht.

'...mit einem Pflock oder silberner Klinge, direkt ins Herz. Das erledigt diese gottlosen Geschöpfe der Nacht.'

Takasakas Worte klangen in Takutos Kopf, als er langsam mit seiner Hand darüber strich. Langsam schlossen sich seine Finger um den juwelenbesetzten Dolchgriff. Wie von einer fremden Macht befehligt, schritt er zielstrebig zu dem schlafenden Vampir. Ohne zu Zögern setzte er die scharfe Klinge an, direkt über dem Herzen der unheimlichen Kreatur. Entschlossen versuchte er, sein Vorhaben in Taten umzusetzen, doch als er den Schlafenden im Dämmerlicht betrachtete, hielt ihn dessen Anblick noch einmal kurz zurück. Der Mann wirkte einfach nicht wie ein Monster, dass man um jeden Preis vernichten musste. Er lag vor Takuto, schlafend, unschuldig...und von unbeschreiblicher Schönheit. Lange Haare, wie Silberfäden flossen sie um ein Gesicht, dass durch seine Ebenmäßigkeit und noble Blässe verzauberte. Über den harten Zügen, die darauf lagen, wenn er wach war, lag nur noch ein weicher Glanz, der nichts mehr von der Kälte hatte, die einem das Blut gefrieren ließ.

Wie konnte ein Wesen von solch engelhaftem Anblick den Teufel verkörpern und ziellos mordend durch die Nächte wandern?

'...direkt ins Herz...'

In seinen Gedanken hörte er die Stimme seines Freundes, die ihn anfeuerte, endlich zu handeln. Endlich das zu tun, weswegen sie hier waren. Doch wie konnte er einen wehrlosen Menschen im Schlaf töten? Obwohl, dieses Wesen war kein Mensch mehr. Was war es dann? Takutos Griff verkrampfte sich um den Dolch, dass seine Knöchel weiß hervorstachen. Seine Hände zitterten, das Herz in seiner Brust drohte zu zerspringen. Der innerliche Kampf zwischen Gewissen und Pflicht, Faszination und Abscheu, riss den Jungen hin und her. Er konnte weder denken noch handeln. Er stand nur noch da, hielt sich verzweifelt an dem Dolch fest und flehte um ein Zeichen. Plötzlich schlug der Schlafende seine Augen auf.

 

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TEIL 5

Amüsiert betrachtete Koji, wie Izumi den silbernen Dolch hielt und sich über ihn gebeugt hatte. Im ersten Moment, als er bemerkt hatte, dass sich sein Gefangener befreit hatte, war er verärgert gewesen, aber jetzt fand er es eher amüsant. Glaubte dieser allen Ernstes, er könnte ihn damit umbringen? Koji konnte nicht anders als schallend anzufangen zu lachen, woraufhin ihn der Junge nur erst verdutzt, dann wütend anstarrte. „Hey!“

„Ihr Menschen glaubt aber auch alles, was in den Büchern steht, oder?“

Lachend schüttelte Koji den Kopf, und packte dann mit einer Schnelligkeit die Handgelenke von Izumi, dass dieser im ersten Augenblick nicht wusste, was mit ihm geschah.

„Ich gebe dir einen Tipp für die Zukunft. Verärgere mich nicht. Ich habe nicht vor, dich in der nächsten Zeit zu töten. Eher im Gegenteil. Du gefällst mir. Aber...das kann sich SEHR schnell ändern! Also, übertreibe es nicht.“

Koji´s Gesicht war dabei todernst. Nichts von dem Lachen war mehr zu sehen. Izumi schlucke. Auf keinen Fall würde er diesem...diesem Vampir zeigen, dass er Angst hatte.

Nach ein paar Augenblicken lächelte Koji wieder und auch sein Blick wurde sanfter. Sanft nahm er dem Jungen das Messer ab, schleuderte es achtlos auf den Boden und lies die Handgelenke los. Dabei kam er mit dem ausgerenkten Daumen in Kontakt. Izumi stöhnte leise auf. Anerkennend zog der Vampir die Augenbrauen hoch.

„Nicht schlecht. Du hast dir den Daumen ausgerenkt, um dich aus den Fesseln zu befreien?“

Izumi zog es vor, als Antwort zu schweigen. Wütend starrte er Koji an.

„Was hast du mit mir vor?“

„ Du sollst mir Gesellschaft leisten. Du machst mich neugierig.“

Dabei rückte Koji immer näher. Erneut konnte er dieses Kribbeln in sich spüren. Was war das nur? Er hatte doch noch nie solche Art von Gefühlen gehabt. Zart lies er seine Finger über Izumis Hals streichen. Seine langen Fingernägel berührten dabei sacht dessen Haut. Ein angenehmer Schauer überkam ihm dabei.

“Vielleicht sollten wir uns erst mal vorstellen. Ich heiße Koji und dich nennt man Izumi? Jedenfalls hat dich so der andere von gestern genant.“

Entsetzt riss Izumi die Augen auf. Erneut hatte er über der ganzen Aufregung hin Takasaka vergessen.

„Was...Was ist mit ihm?“

Ein Seufzen entrang sich Kojis Kehle.

„Sollte er jetzt noch leben, wäre es ein Wunder. Hirose hat die Angewohnheit, jeden Vampirjäger auf der Stelle zu töten. Was ihm natürlich auch immer wieder Spaß macht ist, sie selber zu einem Vampir zu machen und dann, gegen Morgengrauen, an die Schlossmauer zu hängen. Nicht gerade angenehm, wenn die Sonne aufgeht und sie anfangen zu schreien, weil ihr Körper verbrennt. Allerdings hab ich heute morgen nichts dergleichen gehört. Also scheint deinem Freund wenigstens diese Art von Tod erspart gewesen zu sein. Und jetzt Schluss damit! Dies sollte dich alles nicht mehr interessieren. Du gehörst jetzt mir.“

Koji wusste selbst nicht warum, aber dieses ständige Gefrage nach diesem Vampirjäger ging ihm auf die Nerven. Er fühlte eine regelrechte Eifersucht. Hatte der Junge nichts anderes im Kopf? Wütend packte er ihn und drückte den jungen Mann in die Kissen. Dann hielt er kurz inne. Er musste sich beherrschen, sonst würde er Izumi in seiner Wut noch verletzten. Langsam hatte er sich wieder unter Kontrolle und sein Blick fiel auf das Gesicht von Izumi. Ein geschockter Ausdruck über das, was er gerade von Koji gehört hatte, lag auf seinem Gesicht und er schien, über den Verlust von seinem Freund, mit den Tränen zu kämpfen. Das war nicht fair. Taka hatte doch noch nie jemanden etwas getan! Und jetzt sollte er tot sein? Das...ein jäher Schmerz riss ihn aus seinen Gedanken.

Koji hielt sein verletztes Handgelenk, nicht gerade sanft, und betrachtete es.

„Ich werde es dir wieder einrenken. Sonst kannst du die Hand bald nicht mehr benutzen.“

Ohne auf eine Antwort abzuwarten, renkte er den Daumen mit einem Ruck wieder ein. Izumi biss sich auf die Lippen, um keinen Ton von sich zu geben. Die Genugtuung von einem Schmerzensschrei würde er diesem Vampir nicht geben.

Anerkennend sah Koji Izumi an und entdeckte dabei, das sich dieser die Lippe aufgebissen hatte. Ein kleiner, rötlicher Faden zog sich von dessen Mundwinkel hinunter zu dessen Kinn. Ein süßlicher Geruch stieg Koji von dem Blut in die Nase.

„Verzeih, aber da kann ich nicht widerstehen.“ Flüsterte Koji, bevor er mit seiner Zunge die Blutstropfen an dessen Kinn berührte. Genüsslich leckte er die rote Flüssigkeit auf, bis er zu dessen Mundwinkeln gelangte. Kurz zögerte er, ehe er seine Lippen auf die von Izumi drückte.

 

Hirose erwachte kurze Zeit nach Koji, stand jedoch nicht sofort auf, wie er es sonst immer tat, sondern blieb liegen und überlegte, was er jetzt mit seinem Gefangenen machen sollte. Wäre es nicht doch besser gewesen, wenn er ihn auf der Stelle getötet hätte? Oder er hätte ihn wenigstens in eines der Verliese sperren lassen sollen. Wer weiß, was dieser mit seinem Zimmer angestellt hatte! Er traute diesen Vampirjägern alles zu. Allerdings diesem hier...Nein, solch einer war er nicht. Er war nichts weiter als ein Gelehrter, und als so einer würde er sich hüten, die Bücher kaputt zu machen oder sonst was in dem Zimmer anzustellen.

Schließlich erhob er sich. Es würde sich zeigen, wie die heutige Nacht verlief. Vorsichtig schlich er sich von seinem geheimen Gemach zurück in sein Zimmer und verschmolz wieder mit den Schatten. Takasaka lag immer noch in dem Bett und zitterte vor Kälte.

„Kalt?“

Erschrocken drehte sich der Angesprochene in die Richtung, aus der die Stimme kam. Hirose trat aus den Schatten heraus und entfachte mit einer Handbewegung ein Feuer im Kamin.

Kalt lächelnd setzte sich Hirose auf einen Stuhl, der neben dem Bett stand.

„Verzeih, was bin ich doch für ein schlechter Gastgeber. Du hast sicher Hunger. Ich werde dir etwas zu essen zu kommen lassen.“

Damit erhob er sich wieder und öffnete die Tür. Erst jetzt konnte Taka erkennen, das Wachen davor standen. Hirose sagte zu denen etwas und kehrte dann wieder zurück.

„Man wird dir gleich etwas bringen. Ich hoffe, du nimmst mir es nicht übel, wenn ich kurz verschwinde, aber...ich denke nicht, dass du es gerne hättest, wenn ich mein...'Essen' hier bei dir zu mir nehme, oder? Allerdings...alleine isst es sich doch so schwer. Ich könnte dir natürlich auch Gesellschaft leisten und hier mein Mahl zu mir nehmen.“

Dabei lies er seine spitzen Eckzähne aufblitzen. Gespannt wartete er, was Taka darauf sagen würde.

„Schließlich wollte ich dir doch Gelegenheit geben, uns Vampir zu studieren. Du hast bestimmt noch nie einen Vampir beim Bluttrinken zu gesehen, oder?“

Trotz großem Unbehagen ließ Takasaka sich nicht das Geringste anmerken. "Ich habe tollwütige Wölfe gesehen, wie sie ein schwächliches Schaf gerissen haben." entgegnete er trocken, "Eure Essgewohnheiten unterscheiden sich nicht sehr viel von diesen wilden Bestien."

Taka war selbst über seine kühne Antwort erstaunt. Im Inneren kam er jedoch beinahe um vor Angst, aber er nahm all seine Kraft zusammen, um nach Außen hin Stärke zu bewahren. Doch so sehr er sich auch bemühte, er hatte keinen Enfluß auf seine körperlichen Regungen. Sein Gesicht nahm die fahle Farbe der Laken an und Schweißtropfen glitzerten verräterisch auf seiner Stirn.

Hirose verengte seine Augen und funkelte seinen Gefangenen amüsiert an.

"Soso. Ich würde dir raten, deine Zunge etwas zu zügeln, mein Schäfchen" zischte der Vampir belustigt, "ansonsten werde ich dir den feinen Unterschied zwischen Wölfen und Vampiren lehren." Dabei rückte er ganz nahe an Takasaka, dass diesem beinahe das Herz stehen blieb, als der kalte Atem des Vampirs ihn an der Schläfe streifte. Bevor Taka noch etwas erwidern konnte, was ihm seine beklemmende Angst ohnehin nicht erlaubte, klopfte es an der Tür und Hirose bat herein. Ihr Furcht erregendes Gespräch von eben verflüchtigte sich wie ein unbedeutender Traum und verlor an Bedrohlichkeit, als ein Diener mit geordertem Essen auf einem riesigen Tablett eintrat. Schweigend stellte er die Speisen neben das Bett auf den Nachttisch und begann den heißen Tee einzuschenken. Nach erledigter Aufgabe entfernte sich der Bedienstete auf einen Wink von Hirose und ließ die beiden wieder in ihrer beklemmenden Zweisamkeit alleine.

Takasaka starrte auf die vielen Köstlichkeiten vor ihm. Ein Frühstück, als wäre es für Fürsten angerichtet. Exotische Früchte, frisches, duftendes Gebäck, verschiedene Sorten von erlesenem Schinken und Käse, sowie eine Auswahl der verlockendsten Mehlspeisen, lachten ihm entgegen. Obwohl ihm das Wasser im Mund zusammenlief, vermied er es, zu zugreifen.

"Bitte, greif zu" forderte Hirose den anderen auf, "du siehst schon sehr schwach aus....so blass."

"Danke, aber ich habe keinen Hunger." wies Takasaka das Angebot ab, obwohl sein Magen ihn dafür lautstark verdammte. Hirose beugte sich wieder bedrohlich nahe zu Taka, dass dieser beinahe aus dem Bett fiel als er versuchte ihm auszuweichen.

"Du verstehst nicht. Ich will meine 'Gäste' wohlgenährt wissen." erklärte der Vampir mit bestimmendem Nachdruck und stellte das Tablett vor ihn auf das Bett.

Trotzig funkelte der Gelehrte seinen Gastgeber an und griff sich ein Brötchen, welches er finsteren Blickes begann, aufzuschneiden. Hiroses kalte Augen verfolgten seine Aktionen ohne sich von ihm abzuwenden. Takasaka war noch immer bemüht, sich nichts anmerken zu lassen, doch der hypnotisierende Blick des Vampirs, dessen Nähe und die Ungewissheit über sein Überleben, ließen seine Hände erzittern. Und so geschah das Unvermeidliche. Takasaka rutschte mit dem Messer ab und schnitt sich in seine Hand. Mit einem kurzen Aufstöhnen vor Schmerz und Überraschung, ließ der Verletzte das blutige Messer auf die weißen Laken fallen, gefolgt von dem halb aufgeschnittenen Brötchen, dass sich sofort an der frisch blutenden Wunde satt saugte.

Doch nicht nur das Weißgebäck durfte vom roten Saft des Lebens kosten. In einem anderen Flügel des Schlosses machte sich soeben Hiroses Bruder Koji über die süßen, blutenden Lippen seines Gastes her.

Takuto erstarrte unter dem erzwungenen Kuss und blickte den Vampir aus weit aufgerissenen Augen entsetzt an. Es dauerte nur Sekunden, doch die kamen dem Jungen wie endlose Minuten vor, ehe er seine Gedanken überhaupt wieder gesammelt hatte und er begriff, was in diesem Moment geschah. >Er küsst mich! Ein Vampir küsst mich! Ich bin verloren...es ist vorbei...<

Doch die Art, mit der Koji ihm seine Lippen auf den Mund presste, war fern von blankem Töten und Zerfleischen eines Opfers. Verlangen, ja, das war zu spüren, jedoch irgendwie hatte Izumi nicht das Gefühl, dass es dem Mann nur nach seinem Blut dürstete. >...Mann...ein MANN küsst mich!< Das waren die letzten Gedanken, bevor Izumi den Größeren mit seiner Faust bekannt machte. Darauf war der Vampir nicht gefasst gewesen. Getroffen vom schmerzenden Schlag und Izumis heftiger Reaktion, sackte dieser wieder auf das Bett zurück, mit einem Ausdruck völliger Überraschung. Takuto war nicht minder erschrocken über das, was er gerade eben getan hatte. Wie ein in die Enge getriebenes Kaninchen rückte vor Koji zurück und wartete auf die Folgen seiner unüberlegten Tat. Doch dieser war noch immer völlig verblüfft und rieb sich sein schmerzendes Kinn, während er sich die Tat seines Opfers bewusst machte. Izumis starrte mit rasendem Herzen auf den Vampir, doch die erwartete Reaktion blieb vorerst aus.

In Takuto vermischte sich Angst mit Zorn und der Hilflosigkeit seiner aussichtslosen Situation gegenüber. Außerdem war da noch ein Gefühl... Etwas, das er sofort zu verdrängen versucht hatte, als ihn des Vampirs weichen Lippen berührten. Ein ungewohntes Kribbeln, eine brennende Hitze die in ihm aufstieg und ihm den Atem schnürte. Izumi konnte noch immer die glühenden Spuren an seinem Kinn und Mund fühlen, die ihm der unheimliche Mann in seiner Erinnerung hinterlassen hatte. Er wollte nicht länger darüber nachdenken, wie dieses Erlebnis ihn innerlich aufwühlte. Zornig schob er seine Gedanken beiseite, nun noch mehr verärgert, dass dieser verdammte Mann auf dämonische Art mit seinen Gefühlen spielte.

In ihm loderte nun nur noch Hass, der mit seiner anhaltenden Furcht um die Wette kämpfte. Er wusste, er war zu weit gegangen, hatte vielleicht doch etwas überreagiert, aber nun gab es sowieso kein Zurück mehr. Sein Schicksal schien besiegelt. Doch anstatt seiner Angst nachzugeben und sich von nun an still zu verhalten, machte sich in ihm das Gefühl von berstendem Zorn selbstständig und lähmte seine Vernunft. Mit tödlichem Funkeln in seinen dunklen Augen blitze er den Vampir an und streckte ihm drohend seine geballten Fäuste entgegen.

"Was soll das?" brüllte er, "Wenn du mich töten willst, dann tu es und spiel nicht mit mir!!"

Erregt vor Zorn und Furcht trat er wieder näher auf Koji zu und erhob seine Stimme, die sich schrill überschlug.

"Worauf wartest du? TÖTE MICH!!!"

Mit einer flinken Handbewegung riss sich der Junge sein Hemd vom Leib und bot dem Vampir seinen nackten Hals dar.

 

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TEIL 6

Koji war zuerst zu geschockt, um zu handeln. Es war nicht nur, dass Izumi den Mut hatte, ihn von sich zu stoßen, sondern er war vielmehr über sich selber überrascht. Was war nur in ihn gefahren, dass er den Jungen geküsst hatte? Seitdem er den jungen Mann das erste Mal gesehen hatte, waren seine Gefühle durcheinander geraten. Er hatte keine Ahnung, was mehr mit ihm los war. Gerade dieser Kuss machte in ihm Hunger auf mehr. Er wollte diesen Jungen, wie er noch nie etwas in seinem langen Leben gewollt hatte. Diese wild, vor Wut funkelnden Augen...Koji konnte nicht anders als sie fasziniert zu betrachten. Und als dieser dann auch noch sein Hemd aufriss...Keine Frau hatte ihn bis jetzt so in ihren Bann ziehen können, wie es der Junge bereits, ohne es zu wissen, getan hatte.

"Töten?" flüsterte er, dabei stand er auf und kam bedrohlich näher auf Izumi zu. Ein eiskaltes Lächeln erschien dabei auf dem Gesicht des Vampirs. "Ganz bestimmt werde ich dich nicht töten! Dafür gefällst du mir zu sehr."

Blitzschnell drückte er den Jungen an die Wand. Erneut kam er mit seinem Gesicht näher an Izumi heran.

"Lass mich los du....du..." Koji konnte die Angst des anderen riechen. Doch Izumi würde sich wohl eher die Zunge abbeißen, als zuzugeben, das er sich fürchtete.

Koji kam noch näher ran und brach dann wieder in schallendes Gelächter aus. Er lies Izumi los, so das dieser auf den Boden sank, da ihm seine zitternden Knie nicht mehr halten konnten.

"Hab keine Angst. Ich habe kein Interesse an Männern. Dein Blut hat einfach nur ZU verführerisch gerochen." Er war sich im klaren, dass diese Ausrede nicht sehr glaubhaft war, auch war er sich nicht sicher, ob sie eher für Izumi war, oder es ihn selber beruhigen sollte.

Doch ehe er sich weiter Gedanken machen, oder Izumi etwas erwidern konnte, wurde die Tür geöffnet und ein über das ganze Gesicht strahlender Katsumi trat ein. Blieb allerdings abrupt stehen, als er Izumi auf dem Boden sitzen sah. Verblüfft starrte er den braunhaarigen Jungen an. Warum lebte der Junge noch? Er sah das aufgerissene Hemd, aber keinerlei Spuren an dessen Hals. Koji schien nicht einmal den Versuch gemacht zu haben, von ihm zu trinken. Das sein Erschaffer Interesse an dem jungen Mann hatte, war ihm gestern schon bewusst geworden, aber... Selbst wenn Koji sich entschlossen hatte, seine "Beute" zu behalten und später vielleicht sogar zu einem Vampir zu machen, trank er immer von ihr. Allein schon um sie zu schwächen. Aber der Junge schien putzmunter. Sehr merkwürdig. Aber er würde schon noch heraus bekommen, was in seinem Freund vor sich ging.

"Was willst du hier?"

Kojis kalte Stimmer riss ihn aus seinen Gedanken.

"Das Mädchen von gestern ist wieder aufgewacht. Ich sollte bescheid sagen, wenn sie wach wird."

"Ich werde mich nachher darum kümmern. Und jetzt geh...oder nein, bleib. Besorg etwas zu essen für meinen...Gast. Ich bin mir sicher, er hat Hunger." Dabei lächelte Koji Izumi freundlich an. Katsumi riss dabei die Augen vor Überraschung weit auf. Er hatte Koji noch nie SO lächeln sehen. Irgendetwas schien er in dem Jungen zu sehen!

"In...Ordnung," stotterte Katsumi, ehe er sich dran machte das Zimmer zu verlassen und das Gewünschte zu besorgen. Koji lächelte noch immer Izumi an, stand dann auf und streckte Izumi die Hand entgegen.

"Komm schon. Ich hab vor, dich noch ein ganzes Weilchen zu behalten und da sollten wir doch gut miteinander auskommen, nicht?"

Koji wunderte sich über sich selbst. Wenn man ihn so sah, würde man nie vermuten, dass er einer der gefährlichsten Vampire hier war. Gespannt wartete er, ob Izumi die dargebotene Hand annehmen würde.

 

Langsam stand Hirose auf und kam auf Takasaka zu. Wie gebannt starrte er auf die blutende Wunde, doch er riss sich innerlich zusammen. Jedenfalls versuchte er das. Kühl setzte er sich neben den Gelehrten und ergriff dessen zitterndes Handgelenk. Grob hielt er es fest und betrachtete die Schnittwunde. Sofort stieg ihm der süßliche Geruch des Blutes in die Nase. Kurz schloss er die Augen, um sich wieder zu sammeln. Doch konnte er regelrecht spüren, wie ihm seine Selbstkontrolle immer mehr entglitt. Wenn er nicht aufpasste, würde er jede Sekunde an dem Hals von Takasaka hängen. Der Duft des Blutes war einfach himmlisch. Lange hatte er nicht mehr solch edles Blut gerochen. Wenn er sich nicht wirklich sofort...Da stieg ihm auf einmal ein anderer Duft in die Nase. Angst.

Er wendete sein Blick von der Wunde und schaute stattdessen seinen "Gast" an. Er konnte in dessen Augen regelrechte Panik erkennen. Und dennoch versuchte dieser nicht, seine Hand aus seinem Griff zu entziehen, musste Hirose anerkennend feststellen.

Er lies die Hand plötzlich los und suchte in seiner einen Tasche von seiner Hose. Schließlich zog er ein feines Spitzentaschentuch hervor.

"Die Wunde ist nicht tief, also nicht weiter schlimm." Und damit band er das Tuch um dessen Handgelenk. Dabei kam seine Hand allerdings kurz mit dem Blut in Berührung und erneut konnte er sich kaum noch beherrschen. Sofort, als er die Wunde verbunden hatte, stand er auf und lief zur Tür. Über seine Schulter hinweg rief er: "Ich werde doch alleine speisen, vielleicht biete ich dir ein andermal das Vergnügen mich dabei zu beobachten und auch dies zu studieren." "Außerdem möchte ich, dass du gesättigt bist, wenn ich wieder komme, damit wir uns in ruhe...unterhalten können. Du kannst gern in meine Bücher schauen, bis ich wieder da bin," fügte er noch hinzu, ehe er fast fluchtartig sein Zimmer verlies.

Draußen gab er zwei der Vampire den Befehl wache vor seiner Tür zu stehen, dann eilte er den Gang entlang, die Treppe herunter in die unteren Verliese. Dort blieb er keuchend stehen.

Was war nur über ihn gekommen? Dieser intensive Duft...warum hatte er nicht einfach zugebissen? Er hatte es nicht gekonnt. Dieser Gelehrte hatte etwas an sich...Es brachte sein Innerstes total durcheinander. Wütend über sich selbst wischte er hastig den kleinen, getrockneten Blutfleck von seinem Handgelenk und öffnete einen der Kerker. Er hatte keine Lust sich in einem Dorf oder einer Stadt ein Opfer zu suchen. Das tat er schon lang nicht mehr. In seiner Position lies man es sich bringen.

Langsam schritt er ein und schaute den jungen Mann auf dem Strohbett hypnotisierend an. Ihm war nicht danach seinen Durst an einem, vor Angst zitternden und flehenden Menschen zu stillen. Es sollte einfach nur schnell gehen. Wie gebannt stand der Mann auf und neigte seinen Kopf zur Seite, so dass Hirose ohne große Schwierigkeit seine Zähne in dessen Halsschlagader stoßen konnte. Gierig trank er den roten Saft des Lebens, fühlte wie sein Körper von ihm durchströmt wurde. Seine Augen begannen unheimlich rot zu schimmern, seine Lippen nahmen eine blutrote Färbung an und auch seine Wangen waren nicht mehr so blass. Schließlich nahm er den letzten Schluck und lies von dem jungen Mann ab. Sah zu wie dieser den letzten Atemzug nahm und starb. Gleichgültig drehte er ihm den Rücken zu und verlies den Raum. Für das erste war er erst mal satt. Er war in einem Alter, wo Vampire nicht mehr so viel Blut brauchten.

Er gab einen der Wache hier unten ein Zeichen, den Leichnam wegzuschaffen, dann machte er sich wieder auf den Rückweg. Gespannt, was sein Gast gerade machte. Er konnte es nicht leugnen, dass er neugierig war, ob und wenn für welches der Bücher sich der Gelehrte interessierte.

 

Takuto starrte verächtlich auf Kojis Hand, die ihm dieser helfend und versöhnend entgegenstreckte. Er hatte nur zwei Möglichkeiten: die erste würde Krieg bedeuten und möglicherweise doch noch seinen baldigen Tod hervorrufen. Als Alternative könnte er jedoch seine Stärke beweisen, indem er die gebotene Hilfe wie ein Mann annahm, um zu zeigen, dass nichts in der Welt ihn erschüttern und ängstigen könnte. Takuto entschied sich für die zweite Variante und griff mit bitterböse funkelnden Augen nach Kojis Hand.

Nun stand er wieder aufrecht seinem Feind gegenüber, ihre Blicke unabweichlich miteinander verschmolzen und durchbohrend.

Der Vampir lächelte ihn noch immer sanft an. Irgendwie passte dieser Ausdruck überhaupt nicht in das Bild, dass sich der junge Vampirjäger über diese Bestien der Nacht gemacht hatte. Und es machte ihn nervös. Er war nahe daran, sich von ihm abzuwenden, musste regelrecht dagegen ankämpfen, doch er wollte keine Schwäche zeigen.

"Ich will nur eines wissen," richtete der Junge seine Stimme an Koji, "Was hast du mit mir vor, wenn nicht töten?"

"Fragen, Fragen..." schmunzelte der Vampir, "du solltest nicht soviel grübeln und fragen. Stärke dich erst einmal und ruh' dich etwas aus. Danach werde ich gerne all deine Fragen beantworten." "Aber-" wollte der Junge noch erwidern, doch Koji legte ihm einen Finger über seine Lippen und blickte ihm dabei tief in die Augen. Takuto war, als ob diese Augen direkt in seine Seele blicken konnten. Als ob dieser unheimliche Mann seine stummen Worte durch Geisteskraft an ihn richtete. Er sollte schweigen, schon bald würde er alles erfahren. Alles, und noch viel mehr...viel mehr. Izumi durchlief ein kalter Schauer. Seine Halsmuskeln verkrampften sich wie sein Herz und er senkte kapitulierend seinen Blick. Noch einmal lächelte ihn der Vampir an, ehe er ihn mit seinen verwirrenden Gedanken alleine ließ.

Takuto hatte nicht lange Zeit, über die eben geschehenen Ereignisse und seine Gefühle nachzudenken. Wenige Sekunden nachdem Koji verschwunden war, betrat Katsumi den Raum, um wie befohlen etwas zum Essen zu bringen. Takuto spürte den abschätzenden Blick des anderen, der ihn keine Minute aus den Augen ließ während er das Zimmer durchquerte und auf den kleinen Tisch zusteuerte. "So, die Beute soll wohl gut genährt sein?" begann Izumi verächtlich und beobachtete Katsumi, der eben die gebrachten Speisen auftischte.

"Nun, Koji machte nicht gerade den Eindruck als würde er dich verspeisen wollen." entgegnete der Angesprochene. >Eher vernaschen...< dachte er insgeheim, schob aber sofort diesen irrsinnigen Gedanken beiseite, war er auch zu lächerlich. Koji hatte nie etwas für Männer übrig, im Gegenteil! Aber als Katsumi wieder an den Ausdruck dachte, mit dem Koji diesen Jungen hier ansah, war er sich nicht mehr so sicher, ob er dieses ausschließen konnte. Aber warum gerade DIESER Knabe?

"Was hat er dann vor mit mir? Und wo habt ihr meinen Freund hingebracht? Wie lange wollt ihr uns hier gefangen halten?" sprudelte es atemlos aus Takuto hervor.

Katsumi schritt lässig auf den jungen Vampirjäger zu und bedachte ihn mit einem mitleidigen, jedoch leicht amüsierten Blick. "Was Koji mit dir vorhat, weiß nur er alleine und ich bin überzeugt, er wird es dich bald genug wissen lassen. Und das betrifft auch deine restliche Flut an Fragen."

Katsumi wandte sich zum Gehen um. Er hatte nicht vor, weiter mit diesem Jungen zu diskutieren und seine Fragen zu beantworten. Im Augenblick waren ihm seine eigenen Fragen wichtiger, die ihm einfach nicht mehr aus dem Kopf gingen. So eigenartig hatte sein Freund sich noch nie verhalten. Es gab niemanden, für den Koji jemals soviel Interesse zeigte. Nicht einmal für ihn, der ständig für ihn da war, ihm in den ewigen Jahren zum treuesten Freund wurde.

"Glaub mir, Kleiner, auch mich würde interessieren, was ihn bis jetzt davon abhielt, dich nicht wie all die anderen zu töten."

Damit ließ der Blondschopf Takuto wieder alleine.

Takuto wartete nicht lange, sondern ging sofort zur Tür, obwohl er überzeugt war, dass diese verschlossen wäre oder bewacht wurde. Aber er würde nichts unversucht lassen, hier raus zukommen. Seine Vermutung stimmte leider. "Verdammt!" fluchte er leise. Verärgert über sich selbst, dass er naiv war zu glauben, er könnte hier einfach raus spazieren. Verärgert, dass er die einzige Chance, den Vampir zu töten, wegen seiner eigenen Schwäche vertan hatte. >Meine Schwäche< hallte es in Takutos Gedanken wider. Zornig boxte er mit geballter Faust gegen die harte Eichentür und lehnte seine Stirn an das kühlende Holz. "Verdammt." Sein Fluchen war nur noch ein kleines, ersticktes Wimmern. In Takutos Kopf kreisten unendlich viele Fragen, die ihn verwirrten und seine Angst mit jeder Sekunde vergrößerten.

Wieso hatte er es nicht geschafft, diese Bestie zu töten als er den Dolch ansetzte? Wieso hatte er Koji nicht sofort weggestoßen, als diese ihm seine Lippen auf den Mund presste? Wieso wurde er hier als 'Gast' festgehalten und verpflegt, anstatt bereits als blutleere Leiche in einer dunklen Ecke zu verrotten? Was hatte der Vampir noch alles mit ihm vor? Wieso ließ er ihn bis jetzt am Leben, obwohl sich sogar sein Diener über diese Ausnahme wunderte? Was hatten sie mit Taka vor, falls dieser überhaupt noch am Leben ist? Fragen, Fragen,...keine Antwort in Sicht. Kein Entkommen. Langsam aber sicher würde er hier noch verrückt. Resignierend und geschwächt vor Verzweiflung kehrte Takuto zu dem Tisch mit den Speisen zurück und ließ sich erschöpft auf einem der Sessel nieder.

Eigentlich hatte Izumi nicht vorgehabt, etwas zu essen, doch Angesichts der aufgetragenen Köstlichkeiten konnte er es sich nicht länger verkneifen, und er musste zugeben, dass er wirklich großen Hunger hatte, auch wenn ihm der Gedanke nicht gefiel, etwas von diesen Monstern anzunehmen. Widerwillig biss er in einen verlockend roten Apfel. >Henkersmahlzeit< schoss ihm dabei in den Kopf, aber er kaute die süße Erfrischung bedächtig weiter. >Wenn es doch nur endlich so weit wäre...<

Vor Takutos geistigem Auge tauchte wieder der Anblick des Vampirs auf. Nichts an ihm hinterließ den Eindruck, dass dieser Mann ihm den sicheren Tod bringen sollte. Sanft lächelte Koji ihn an, die toten Augen erfüllt von einem lebendigen Glanz, strahlten sie eine ungewohnte Wärme aus. Beinahe ein feuriges Verlangen, das ihn mit glühenden Fingern an sich riss um ihn in seine sündige Umarmung zu ziehen. Takutos Herz begann zu rasen und er war nicht mehr im Stande, seine Mahlzeit zu beenden. Zornig schleuderte er den angebissenen Apfel in die Ecke und warf seinen Kopf in den Nacken. Was hat dieser Mann mit ihm gemacht, dass es seine Gefühle und Gedanken derart verwirrte, schon seit dem Zeitpunkt, als er ihn zum ersten mal in dieser Nacht am Fenster sah?

 

Während Takutos Gedanken ihn beinahe in den Wahnsinn trieben, kam sein Freund und Lehrer nicht so sehr zum Grübeln. Takasaka dachte zwar im Augenblick als Hirose ihn alleine gelassen hatte, an Flucht, doch er wußte ohnehin, dass er keine Chance hätte. Sein Gegener war ziemlich ausgekocht und höchst intelligent, er hatte mit Sicherheit jede Fluchtmöglichkeit ausgeschaltet. Der Gelehrte hatte seine Angst zwar noch immer nicht gänzlich überwunden, aber inzwischen überwiegte die Resignation der aussichtslosen Situation gegenüber. Wenn er schon sterben sollte, wessen er sich noch immer ziemlich sicher war, würde er zumindest noch jede kostbare Sekunde seines Lebens auskosten um vielleicht noch mehr Wissen über diese Dämonen der Finsternis anzuhäufen. Möglicherweise würde ihm dies auch noch von Nutzen sein.

Mit diesem Gedanken ließ Takasaka seinen Blick über die gewaltige Sammlung an Büchern schweifen, und seine Augen leuchteten auf, als er in dieser Vielfalt einige sehr wertvolle Werke erspähte. Keine Sekunde später stand er schon vor den Regalen und griff nach einem dicken, in rotes Leder gebundenen Band, wischte andächtig und mit größter Vorsicht die Staubschicht hunderter Jahre fort. Mit fast glasigen Augen betrachtete er den aufwendigen Einband, strich zärtlich über die goldgeprägten, lateinischen Buchstaben, die aus dem blutroten Leder hervorstachen, und begann auch schon darin zu blättern. Doch aus dem Augenwinkel entdeckte er ein noch interessanteres Werk, legte seines zur Seite und fing an, das nächste zu verschlingen. Er kam sich vor wie im Paradies, obwohl er sich in der Hölle befand. Innerhalb kürzester Zeit hatte er seine Arme voll mit den erlesensten Schmökern beladen und setzte sich mit seiner Auswahl auf das Bett, um ausgiebig darin zu blättern.

Eines der Bücher zog ihn sofort in seinen Bann. Es war ein extrem dicker, prachtvoll ausgestatteter Band, reichlich mit Perlmuttplättchen verziert und in Gold eingefasst. Umgeben von einem kunstvoll ausgearbeiteten Wappen leuchtete der Name "Nanjo" in smaragdgrünen, geschwungenen Lettern aus dem mattschwarzen Ledergrund hervor. Dem Anschein nach handelte es sich um die Familien Chronik des Hauses Nanjo aus dem 11. Jahrhundert. Takasaka war sogleich in diesen wertvollen Wissensschatz vertieft, so dass er nicht einmal bemerkte, wie sich die Tür im Raum knarrend öffnete.

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