HIMMEL UND HÖLLE von Aruna

 

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Kommentar: Meine erste Story, ich bitte also um Nachsicht!!! - Pairing: Himmel x Hölle (uh, wie mysteriös)

KURZE ERLÄUTERUNGEN AM ANFANG

Die folgende Geschichte orientiert sich grob am Mythos von Olymp und Hades, es gibt Götter, die wie Menschen aussehen und in einem Palast im Himmel, bzw. in der Hölle leben. Sie können Kinder zeugen und von ihresgleichen getötet werden, was im Falle von Takutos Vater auch geschehen ist. Götter haben selbstverständlich übernatürliche Kräfte, die sie einsetzen können, wie es ihnen beliebt. Sie können sich auf die Erde teleportieren und auch dort ihre Macht gebrauchen.
Der Himmelspalast ist wie ein riesiges menschliches Gebäude, mit irdisch Dingen eingerichtet, obwohl Menschen dieses Bauwerk natürlich nie zu Gesicht bekommen werden.
Takuto ist der höchste aller Götter, der Himmelskönig, der vor einigen Jahren die Nachfolge seines Vaters antreten musste, der von seiner Frau (wer hätts gedacht) umgebracht wurde. Seither versteckt sie sich bei den Menschen. Fußball ist ein äußerst beliebter Zeitvertreib für Takuto, er mischt sich oft unter die Erdlinge und nimmt an Spielen teil, genau wie Hisaya Kunihide. (keine Sorge, ihr werdet schon noch herausfinden, wer zu welcher Seite gehört).

Soviel erstmal zu den ungefähren Umständen, genaueres werdet ihr dann schon noch erfahren. Und: wer nicht ausdrücklich als Mensch, Engel oder Dämon bezeichnet wird, ist ein Gott! Selbstverständlich gibt es noch andere neben Takuto, auch wenn er der höchste ist.

Nun gut, ich hoffe, ihr werdet meine erste Story mögen!!!

 

TEIL 1
Langsam kehrte das Leben in Takutos müde Glieder zurück. Eine wohlige Wärme durchströmte ihn und es kam ihm vor, als könnte er jede Zelle seines Körpers fühlen. Er atmete tief ein und sog den Geruch nach Rosen in sich auf, bis seine Lunge damit durchtränkt war. Dies war der Duft, den er so liebte, der Duft nach seinem Zuhause, dem wunderschönen Palast des Himmels. Nie hatte er auf der Erde einen solch intensiven Geruch feststellen können, auch wenn er sich mitten in einem Meer von Rosen befand.

Zufrieden seufzend drehte er sich auf den Rücken und öffnete die Augen. Seine Lider gaben wie ein Vorhand den Blick auf den Himmel frei, einem Meer aus rosaroten Wolken. Ohne diesen Anblick wäre ein jeder Morgen nur halb so schön gewesen, denn Takuto brauchte die frei Sicht nach oben, ansonsten fühlte er sich eingesperrt. Sein Zimmer war das einzige mit einer gläsernen Decke, worum ihn alle beneideten. Doch schließlich war er der "König des Himmels", also stand ihm auch ein uneingeschränkter Ausblick zu.

Plötzlich riss ihn ein Klopfen an der massiven Eichentür aus seinem Dämmerzustand. Er rieb sich die Augen und setzte sich auf, wobei die Bettdecke verrutschte und seinen nackten Oberkörper entblößte, welcher es seit jeher verstand, sämtliche Frauen in höchstes Entzücken zu versetzen. Vielleicht lag das an der wunderschönen Hautfarbe, die wie Bronze glänzte. Niemand sonst besaß einen solchen Teint, was ihn selbstverständlich nur noch einzigartiger machte.
"Herein."
Die goldene Türklinke wurde heruntergedrückt und der Kopf von Takutos engstem Vertrauten, Katsumi Shibuya, schob sich vorsichtig durch den Spalt. Als er seinen Herrn bereits wach sah, stahl sich ein Lächeln auf sein Gesicht und er schlüpfte vollends durch die schmale Öffnung.
"Guten Morgen, eure Majestät", sagte er in einem derart ehrerbietigem Ton, dass Takuto sich ein Grinsen nicht verkneifen konnte und ihm eine Idee durch den Kopf schoss. Er wollte sehen, wie weit Katsumi gehen würde.
"Guten Morgen Katsumi. Küss mir die Füße." Seine Selbstbeherrschung war zum Glück ausreichend um das Glucksen, das in seiner Kehle aufstieg, zu unterdrücken. Im Gesicht des jungen Mannes spiegelte sich große Verwirrung wider und er war sich nicht sicher, ob er diese Anweisung für voll nehmen sollte. Sein Gewissen erinnerte ihn jedoch daran, dass er jeglichen Wünschen seines Königs zu entsprechen habe, und so näherte er sich dem Bett. Den scherzhaften Unterton in Takutos Stimme hatte er nicht bemerkt.
"Bist du verrückt? Das war ein Scherz!" Amüsiert lachte Takuto ihn an, jedoch zog er reflexartig seine Beine an, um seine Füße aus Katsumis Reichweite zu bringen. Dieser lief in kürzester Zeit knallrot an.
"Ich bitte vielmals um Verzeihung, eure Majestät", stammelte er, während er sich so tief verbeugte, wie es seine Wirbelsäule zuließ. Sich schon am frühen Morgen derart zu blamieren, er hätte sich ohrfeigen können!
"Schon gut, ich werde es niemandem erzählen." Takuto lächelte immer noch, als er Katsumi deutete aufzustehen.

Jener hatte inzwischen wieder einigermaßen seine Fassung wiedergewonnen und auch die normale Farbe kehrte langsam wieder in sein Gesicht zurück. Trotzdem musste er schlucken, bevor er Takuto erneut in die Augen sehen konnte.
"Es ist Zeit aufzustehen, eure Majestät. Soll ich eure Gewänder bringen lassen?"
Ein Nicken gab ihm die Antwort, und er entfernte sich mit einer weiteren Verbeugung. Takuto sah ihm immer noch sehr belustigt hinterher. Als die Tür sich wieder geschlossen hatte schwang er die langen Beine über die Bettkante und schob die Bettdecke zur Seite. Seine nackten Füße berührten den weichen Angora-Teppich und er streckte seine Arme zur Seite, um seine Muskeln zu dehnen. Er bat einen herrlichen Anblick wie er so da saß, nur mit weißen Boxershorts bekleidet, die auch noch recht "sparsam" geschnitten waren. Sein Aussehen erinnerte etwas an einen ägyptischen Pharao, wegen der bronzenen Haut und den schwarzen Haaren. Wären diese etwas länger gewesen und hätte man sich ein langes Gewand und unzählige Goldketten dazugedacht, wäre das Bild vollkommen gewesen. Doch auch ohne diese Zeichen des Reichtums war er einfach göttlich anzusehen (im wahrsten Sinne des Wortes) Plötzlich klopfte es an die Tür und Takuto zuckte leicht zusammen.
Durch die Art des Geräusches konnte er erkennen, wer dort draußen stand und um Einlass bat. So zart und höflich wie das Schlagen war auch Yuri,Takutos persönliche Dienerin. Nie wurde sie aufmüpfig und vergaß, wo in der himmlischen Hierarchie sie sich befand. Zwar war sie ein außerordentlich schöner Engel, doch genau genommen war sie Takutos Sklavin und er konnte mit ihr machen, was er wollte. Nicht dass er diese Absicht gehabt hatte. So attraktiv Yuri auch war, nie wäre er auf den Gedanken gekommen, seinen hohen Rang auszunutzen. Frauen schienen ihn sowieso noch nicht sonderlich zu interessieren, auch wenn Katsumi das alles andere als gerne sah. Schließlich musste auch irgendwann einmal der Nachwuchs gesichert werden...

Takuto mochte Yuri und genierte sich auch nicht vor ihr, also blieb er gelassen in seinen Boxershorts sitzen und räusperte sich, damit er umso majestätischer "Herein" rufen konnte. Fast vorsichtig wurde die Tür geöffnet und der schlanke Körper des blonden Engels schob sich hindurch. Sie trug einen Stapel Kleider und lächelte, als Takuto sich zu ihr umdrehte. Vorsichtig machte sie einen Knicks.
"Einen wunderschönen guten Morgen, eure Majestät. Ich bringe euch eure Gewänder." Langsam hob sie den Kopf und richtete sich auf ein Nicken hin wieder vollständig auf.
"Leg sie da hin." Takuto wies neben sich auf das Bett und erwiderte ihr Lächeln. Hätte ein Außenstehender diese Szene beobachtet, so wäre er möglicherweise auf den Gedanken gekommen, dass zwischen den beiden mehr bestehen könnte als Respekt. Doch auch von Yuris Seite kam dies nie in Frage, denn sie hatte einen Verlobten, dem sie selbstverständlich treu war. Takuto war ihr Herr und sie hatte ihm zu gehorchen, das war alles.

Sie nickte leicht und trat an das Bett, um die Kleider niederzulegen.
"Das Frühstück ist bereitet, eure Majestät. Man erwartet euch bereits."

Mit einem weiteren Knicks entfernte sie sich wieder und schloss die Tür hinter sich.
Erst nach dieser Bemerkung wurde Takuto bewusst, wie hungrig er war. Schnell stand er auf und griff sich eine weiße lange Hose sowie ein blaues Hemd, das er nicht zuknöpfte. Vor dem riesigen Spiegel strich er sich noch eine Haarsträhne aus dem Gesicht und begab sich barfuß wie er war auf den Weg zum Speisesaal.

In den Korridoren, die er durchqueren musste, wurde er von vielen Untertanen begrüßt, die meisten verbeugten sich bis auf den Boden hinunter. Nach wie vor hielt Takuto dies für völlig übertrieben und reagierte auf diese Ehrerbietung auch nur mit einem kurzen Nicken. Endlich gelangte er zu der großen Tür, hinter der sich der Speisesaal verbarg. Katsumi stand davor und verbeugte sich selbstverständlich ebenfalls, als er seiner Anwesenheit gewahr wurde.
"Es ist angerichtet, eure Majestät." Er brachte seine Wirbelsäule wieder in die anatomisch korrekte Position und wartete auf Takutos Befehl zum Eintreten.
"Gut, ich komme gleich um vor Hunger." Sein Magen hatte sich inzwischen schon mehrmals deutlich bemerkbar gemacht und durch den Spalt unter der Tür konnte er die köstlichen Gerüche wahrnehmen, die aus dem Saal strömten.

Katsumi nickte und klatschte zwei Mal laut in die Hände. Dies war für die zwei Wächter im Inneren das Zeichen zu öffnen, das doppelte Geräusch war das Signal, das Takuto Einlass begehrte. Sogleich schwangen die goldenen Flügel auf und gaben den Blick in den Raum frei, der zu einem der wunderbarsten im ganzen Palast gehörte. Zwar war die Ausstattung längst nicht so üppig wie in anderen Zimmern, doch die lange Tafel mit den unendlich vielen Leckereien war das, worauf sich das Hauptaugenmerk richtete. Erleuchtet wurde der Saal von den unzähligen Kerzenleuchtern an den Wänden und auf dem Tisch. Sie verbreiteten ein sehr warmes Licht, was die Atmosphäre dieses Raumes noch zu unterstreichen vermochte. Takuto hielt sich hier sehr gern auf, wohl auch, weil dies der Ort war, wo er Tag für Tag seine Geschwister zu Gesicht bekam und sich während des Essens mit ihnen unterhalten konnte, wozu er die meiste Zeit keine Gelegenheit hatte.

Takuto trat über die Türschwelle und schritt die Stufen hinab, die ihn endlich zur gedeckten Tafel brachten. Katsumi folgte ihm und deutete den zwei Wächtern zu jeder Seite der Tür, selbige wieder zu schließen.
Die lange Tafel war zweifelslos das, was den Speisesaal dominierte, wie sollte es auch anders sein. Obgleich ihrer großen Ausmaße war sie doch nur für sechs Personen vorgesehen: Takuto hatte seinen Platz auf dem Thron an der einen Kopfseite, so dass er den Eingang jederzeit im Blick hatte. An der langen Seite zu seiner Linken saßen sein Bruder Yuugo sowie Hisaya Kunihide, ein enger Freund, der seine Begeisterung für den Fußball teilte. Ihnen gegenüber hatten Serika, Takutos Schwester, und Eri, Hisayas Verlobte, ihren Platz. Katsumi hatte die große Ehre am anderen Kopfende zu sitzen, was keineswegs alltäglich und nur auf Takutos Großzügigkeit zurückzuführen war. Als Serika ihren Bruder bemerkte, sprang sie auf und lief zu ihm, um ihn mit einer stürmischen Umarmung und einem Kuss auf die Wange zu begrüßen.
"Einen wunderschönen guten Morgen Takuto, ist das nicht ein herrlicher Tag?" Sie war gut gelaunt wie immer, eine Eigenschaft, die jeder sehr an ihr schätzte. Yuugo hingegen erhob sich lediglich von seinem Platz um sich in die Richtung seines Bruders zu verbeugen und leise "Morgen" zu murmeln. Takuto lächelte über das Verhalten seines pubertierenden Bruders, doch Katsumi missfiel dieses Benehmen ganz und gar. Er öffnete gerade den Mund um Yuugo zurechtzuweisen, als sein Herr ihm zuvorkam:


"Was ist denn Katsumi? Soll er mir auch um den Hals fallen und mich küssen? Er ist immerhin ein Mann, wenn auch noch nicht vollständig, und deshalb ist diese Geste des Repekts", er zeigte auf Yuugo, "durchaus angebracht. Bist du da anderer Meinung?" Er zog seine Augenbrauen etwas nach oben, um seine Frage zu untermauern.
"Nein, eure Majestät. Selbstverständlich nicht, eure Majestät." Katsumi verbeugte sich erneut bis auf den Boden, damit nicht jeder sofort bemerkte, wie ihm eine tiefe Röte ins Gesicht schoss.

"Dann ist ja alles in Ordnung." Ein triumphierendes Lächeln huschte über Takutos Gesicht.
"Lasst uns Platz nehmen und endlich unseren Hunger stillen." Sanft aber bestimmt schob er Serika zu ihrem Platz und deutete auch Yuugo sich zu setzen. Katsumi murmelte nochmals eine Entschuldigung und begab sich ebenfalls zu seinem Stuhl. Erst als Takuto sich schon eine Tasse Tee eingeschenkt hatte, bemerkte er, dass zwei Plätze an der Tafel unbesetzt waren. Sein Blick wanderte zu Katsumi, der sich gerade ein großes, noch warmes Brötchen genommen hatte.
"Wo sind Hisaya und Eri?"
Katsumi hielt in seiner Bewegung inne und man sah seinem Gesicht bereits an, dass er keine Antwort wusste.
"Es tut mir Leid, eure Majestät, aber ich weiß es nicht. Keiner von beiden hat mich über eventuelle Abwesenheit informiert."
Serika, mit einem wunderschön roten Apfel in der Hand, meldete sich zu Wort.
"Eri war gestern abend eigentlich noch mit mir verabredet, aber sie ist nicht gekommen. Selbst Hisaya wusste nicht, wo sie war."

Takutos Stirn legte sich in Falten. Hisaya und Eri waren noch nie zu spät erschienen, in der ganzen Zeit seiner Regierung noch nicht. Ihr Fehlen kam ihm äußerst merkwürdig vor. Er wandte sich an seinen Bruder.
"Yuugo, weißt du vielleicht-"

Ein lautes Klopfen an der Tür unterbrach ihn. Sofort erhob Katsumi sich und sag Takuto fragend an.
"Wahrscheinlich sind sie das, lass sie herein." Beruhigt von dem Gedanken, dass sein Freund und seine Verlobte gleich zu ihnen stoßen würden, angelte er nach einem besonders schönen Reisbällchen. Katsumi klatschte in die Hände und drehte sich um, damit er die Tür sehen konnte.

Die beiden Wächter öffneten und augenblicklich stürmte Hisaya die Stufen herunter, völlig außer Atem und sein Gesicht rot vor Zorn. Takuto, erschrocken vom Zustand seines Freundes, verschluckte sich fast und musste husten. Auch Serika und Yuugo hielten inne und schauten zu Katsumi, der nun an den offensichtlich äußerst Wütenden herantrat. Hisaya begann auf ihn einzureden, erregt und wütend, jedoch in geringer Lautstärke, so dass Takuto und seine Geschwister ihn nicht verstehen konnten, da die Entfernung zur Tür einfach zu groß war.

Auch Katsumis Gesicht begann sich zu verändern, es zeigte erst Zorn, dann jedoch eindeutig Besorgnis. Hisaya deutete mehrmals auf Takuto und er wollte jenem anscheinend unbedingt etwas mitteilen. Diesem war das nicht entgangen und so rief er durch den Raum.
"Hisaya, was möchtest du mir sagen?"
Katsumi blickte zu ihm und es schien, als würde er seufzen, als Hisaya zum Thron eilte und sich hastig verbeugte. Er musste beim Sprechen nach Luft schnappen, so erregt war er.
"Er... er hat... er hat Eri entführt. Zwei Engel haben... ihn gesehen, vorhin... vor dem Eingang..." Inzwischen stützte er sich auf dem Tisch ab und es fiel ihm offensichtlich schwer, nicht völlig auszurasten.
Takutos Gesicht hatte sich in ein einigermaßen großes Fragezeichen verwandelt.
"Wer hat Eri entführt? Und welcher Eingang?" Katsumi war in der Zwischenzeit hinter Hisaya getreten.

"Der widerlichste Bastard, den die Welt je gesehen hat. Der, der die Felder verdorren lässt, Krieg säht und alles Übel bringt. Der, der Familien trennt, Unschuldige ermorden lässt und Engel entführt, sie vergewaltigt und ihnen dann die Flügel stutzt." Aus seinen Augen sprang Takuto blanker Hass entgegen und er erhob sich, da Hisayas Worte ihn sehr beunruhigten.
"Er hat sie entführt. Die Engel haben sie vor dem Eingang zu seinem Reich gesehen, er hat sie... geküsst." Hisaya schüttelte sich und man sah ihm dann, dass der bloße Gedanke daran, dass ein anderer Eri berührte ihn fast wahnsinnig machte. Sein Freund jedoch schien immer noch nicht ganz zu verstehen, obwohl Serika schon in Bestürzung die Hand vor den Mund geschlagen hatte und Yuugo an einer Weintraube würgte.

"Aber so sag doch, wer war das?" Katsumi sah ihn verständnislos an. Hatte er wirklich noch nicht begriffen, über wen Hisaya sprach? Es gab doch nur eine Person, auf die diese Beschreibung zutreffen konnte. Gerade noch konnte er den vor Wut Schäumenden davon abhalten, völlig die Fassung zu verlieren und Takuto wegen soviel Naivität an den Hals zu gehen. Stattdessen ergriff er nun selbst das Wort.
"Es gibt nur eine Person, die solche Dinge tut. Das Böse in Person."
Dem jugen Gott schien es nun langsam zu dämmern, doch so ganz wollte er immer noch nicht glauben, was ihm da gerade zu Ohren kam.

"Der Höllenfürst, eure Majestät. Koji Nanjo..."

 

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TEIL 2

Als Katsumi den gefürchteten Namen aussprach, konnte Serika einen leisen Schrei nicht unterdrücken und auch Yuugo zuckte merklich zusammen. Den Ausdruck auf Takutos Gesicht konnte man eigentlich nicht mit Worten beschreiben, er war jenseits von Furcht oder Besorgnis. Der Höllenfürst, sein Todesfeind, derjenige, dessen Namen er seit frühester Kindheit nicht einmal ausgesprochen hatte vor Angst. Jeder hatte ihm erzählt, was für schreckliche Dinge er tat, wie er Unheil über die Erde brachte und ganze Länder mit Seuchen und Kriegen zu Grunde richtete.

Doch noch nie hatte er sich näher mit ihm befassen müssen, nie hatter er befürchten müssen, ihm einmal gegenüber zu stehen. Aber nun... Wie sollte er reagieren? Was sollte er bloß tun? Natürlich konnte er Eris Entführung nicht einfach durchgehen lassen, obwohl ihm dieser Gedankesehr schnell kam. Hisayas Augen funkelten noch immer vor Wut und anscheinend erwartete er, dass Takuto augenblicklich handelte. Sein Zögern trieb ihn nur noch mehr zur Weißglut.

"Sag endlich was! Hat´s dir die Sprache verschlagen?" Reflexartig schnellte Katsumis Hand nach vorn um Hisayas Arm festzuhalten, da er diesen vor seinem geistigen Auge schon zu einer Ohrfeige ausholen sah Zwar fiel es auch ihm schwer sich angesichts dieser Umstände zu beherrschen, doch als Takutos Berater fühlte er sich verpflichtet, jetzt sachlich zu bleiben und einen konstruktiven Vorschlag zu machen, der den jungen, ungestümen Gott vor ihm davon abhielt, auf den König loszugehen.

"Beruhige dich Hisaya." Seine Stimme schwankte ein wenig, doch er wahrte Haltung.
"Wir sollten an einem ruhigeren Ort über unser weiteres Vorgehen beraten. Die königliche Bibliothek wäre meiner bescheidenen Meinung nach geeignet. Eure Majestät?" Takuto nickte nur leicht und begab sich dann wie in Trance zur Tür. Hätten die Wächter diese nicht im letzten Moment geöffnet, so wäre er mit Sicherheit dagegen gelaufen. Katsumi atmete tief durch und schob Hisaya ebenfalls in Richtung Ausgang, wobei dieser fortwährend "Ich bring ihn um, diesen Bastard!" fluchte. Serika verließ den Saal ebenfalls, da sie mit den Tränen kämpfte und diesen Kampf haushoch zu verlieren drohte. Schließlich war Eri eine ihrer besten Freundinnen und sie mochte sich nicht einmal annähernd ausmalen, was wohl in der Zwischenzeit schon mit ihr geschehen war. Yuugo blieb als einziger außer den Wächtern zurück.

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Einige Minuten später hatten sich Takuto, Katsumi und Hisaya in der Bibliothek eingefunden. Der König saß in einem Sessel hinter seinem riesigen Schreibtisch und trommelte geistesabwesend mit den Fingern auf der Tischplatte. Katsumi schritt zwischen den Bücherregalen hin und her, wobei er nervös an den Fingern kaute und im Geiste nach einer möglichen Lösung suchte. Hisaya saß auf einem Stapel Bücher und bearbeitete einen Anti-Stress-Ball, den Takuto von der Erde mitgebracht
hatte. Als dieser der großen Belastung nicht mehr standhielt und zerriss, machte der immer noch sehr wütende Hisaya dem Schweigen ein Ende.

"Bringen wir diesen Bastard um! Warum zögern? Wozu haben wir denn Scharen von Engeln, Scharen von himmlischen Kriegern? Greifen wir ihn an!!!" Takuto erwachte aus seinem Dämmerzustand und starrte ihn fassungslos an.
"Das können wir nicht." Katsumi trat an den Schreibtisch.
"Seine Majestät hat Recht. Es ist völlig ausgeschlossen, einen Krieg gegen die Hölle zu führen. Sie haben ebensoviele Krieger wie wir und auch der Fürst hat immense Kräfte, von denen niemand weiß, wie groß sie wirklich sind."
"Sollen wir ihn etwa davonkommen lassen???" Hisaya war aufgesprungen und funkelte Katsumi an. Es sah so aus, als wollte er ihm jeden Augenblick an die Kehle springen. Takutos Gehirn arbeitete indes fieberhaft, doch eine wirkliche Lösung wollte ihm einfach nicht einfallen. Ständig tauchte der Gedanke nach einem Gespräch mit dem Fürsten auf, aber er unterdrückte ihn mit aller Macht. Auf keinen Fall wollte er Koji Nanjo gegenübertreten, seinem Todfeind. Katsumi schien in etwa die gleichen Gedanken zu haben und er brachte endlich den Mut auf, sie auch zu äußern.
"Eure Majestät, es tut mir Leid, dies als meinen einzigen Vorschlag vorbringen zu müssen, doch ich halte ein Gespräch für unausweichlich." Takuto zuckte zusammen.
"Nein! Ich kann nicht mit ihm reden! Er würde mich umbringen!" Jetzt sprang auch er auf und blickte Katsumi in der Hoffnung an, er würde doch noch eine Alternative anbieten können.
"Diese Gefahr habe ich durchaus in Betracht gezogen, aber es gibt eine Möglichkeit, dieses Risiko nahezu auszuschalten."
Der König blickte ihn verwundert an und auch Hisaya schaute Katsumi an.
"Im ältesten Teil des Palastes gibt es einen Saal, der seit Ewigkeiten nicht mehr benutzt wurde, obgleich er immer noch von einer Wächterin bewacht wird. Man nennt ihn den "Saal der Menschlichkeit", denn wenn man ihn betritt, werden alle göttlichen Kräfte außer Kraft gesetzt und
man kann nur noch wie ein gewöhnlicher Mensch agieren."

Takuto traute seinen Augen nicht. Warum hatte ihm nie jemand davon erzählt?
"Wieso weiß ich nichts über diesen Saal? Warum wurde mir das verschwiegen?"
Katsumi schaute entschuldigend zu Boden.
"Bis jetzt sah ich nie die Notwendigkeit, euch darüber zu informieren, die Voraussetzungen für eine Benutzung waren bisher nicht gegeben. Nun jedoch sehe ich es als einzige Möglichkeit, diese Sache zu regeln. Der Fürst weiß von der Existenz dieses Saales, man müsste untertänigst um sein Einverständnis bitten, dort mit euch zu verhandeln. Meiner Meinung nach stehen die Chancen nicht schlecht, dass er zustimmt."

"Und wieso sollte er zustimmen?" Hisayas Gesicht zeigte Unverständnis.
"Denks du nicht, der Höllenfürst möchte seinen Erzfeind einmal sehen? Einmal denjenigen sehen, der ihm seit jeher Widerstand leistet? Ich an seiner Stelle würde diese Chance beim Schopfe packen."

Angst stieg in Takuto auf. Er wusste, dass Katsumi Recht hatte und es keine andere Möglichkeit gab, doch er wusste auch, dass er dann dem Wesen gegenübertreten musste, das er mehr fürchtete als alles andere. Katsumi schaute seinen Herrn unsicher und besorgt an. Die eigentlich bronzene Farbe der Haut hatte sich in ein relativ blasses grau verwandelt, man konnte die eigentliche Tönung nur noch erahnen.
"Eure Majestät, soll ich mich mit dem Fürsten in Verbindung setzen und ihn um ein Gespräch ersuchen?" Takuto reagierte nicht.

"Eure Majestät?" Katsumi schaute ihn durchdringend an und wandte seinen Blick dann zu Hisaya, der ebenso besorgt dreinschaute. Plötzlich zuckte Takuto zusammen.
"Was? Achso, ja, setzt dich mit ihm in Verbindung... Ich werde- einen Spaziergang machen..." Immer noch wie in Trance erhob er sich und verließ das Zimmer ohne ein weiteres Wort zu sagen. Geistesabwesend lief er durch die Gänge, bis er den endlosen Garten des Palastes erreichte. Er wanderte zwischen hohen Bäumen und wunderschönen Blumenbeeten entlang, doch er konnte sich nicht daran erfreuen. In Gedanken war er immer nur bei der Frage, ob er Koji Nanjo würde
gegenübertreten müssen. Die Engel, die ihm entgegen kamen, bemerkte er nicht einmal, seine ganze Umgebung war für ihn nicht existent. Er hoffte, dass der Fürst sich nicht zu einem Gespräch bereiterklären würde, doch andererseits - was sollte dann passieren? Das war die einzige Möglichkeit ihn zur Rede zu stellen und Eris Rückgabe zu fordern. Ein Krieg war unmöglich und eine Alternative fiel ihm nicht ein. Takutos Kopf schmerzte und er lehnte sich erschöpft an einen Baum. Es war erst so früh am Tag und schon hätte er wieder schlafen gehen können, so eine tiefe Müdigkeit hatte ihn befallen. Er atmete mehrmals tief ein und aus, als hoffte er, so seine Gedanken ordnen zu können. Doch diese ungeheure Angst hatte von ihm Besitz ergriffen und er konnte sich nicht dagegen wehren, sie fraß sich immer tiefer in sein Innerstes vor.

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Nach etwa einer Stunde kehrte Takuto in den Palast zurück, wo ihm eine Wache mitteilte, er werde in seiner Bibliothek bereits von Katsumi und Hisaya erwartet. Sein Herz stockte für einen Moment und er musste sich regelrecht dazu zwingen, zu ihnen zu gehen. Als er eintrat blickten ihn seine Freunde bereits ungeduldig an und auch Katsumis obligatorische Verbeugung fiel kürzer aus als üblich.

"Eure Majestät. Ich habe mit dem Berater des Fürsten, Toshiyuki Takasaka gesprochen und er teilte mir mit, dass Koji Nanjo bereit sei, ein Gespräch mit euch zu führen. Allerdings nur unter der Bedingung, dass es bereits in drei Stunden stattfindet."
Takutos Herzschlag setzt aus. In drei Stunden? Er sollte seinem Todfeind in nur drei Stunden gegenüberstehen? Er musste sich setzen, da er sich einer Ohnmacht nahe fühlte.

"Der Fürst ließ mir weiter mitteilen, dass ihr jegliche Person eurer näheren Umgebung mitbringen könnt, er selbst wird mit seinem Berater und seinen drei Geschwistern erscheinen." Dass Koji wünschte, dass seine Familie seinen Erzfeind zu Gesicht bekam, verschwieg Katsumi.

Unter Aufbietung aller Selbstbeherrschung konnte Takuto sich zu einer Antwort zwingen.
"In Ordnung. In drei Stunden im "Saal der Menschlichkeit." Er schluckte und versuchte, den Kloß in seinem Hals herunterzuwürgen, was ihm leider nicht mal annähernd gelang.
"Hisaya, du wirst mitkommen. Katsumi, du natürlich auch. Fragt Yuugo und Serika, ob sie auch dabei sein wollen... Ich ziehe mich in meine Gemächer zurück." Langsam und verunsichert erhob er sich aus dem Sessel und tappte in Richtung Ausgang. In Hisayas Augen sammelte sich indes
schon wieder eine unheimlich Wut auf den Fürsten an. Katsumi rief Takuto noch etwas hinterher.
"Wir holen euch dann in etwa zweieinhalb Stunden ab, es ist ein langer Weg bis zum Saal. Und bereit euch gut auf das Treffen vor..." Die letzten Worte nahm der König schon gar nicht mehr wahr.

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Nach einem ausgiebigen Bad, das schon eine halbe Stunde in Anspruch genommen hatte, setzte sich Takuto erneut auf sein riesiges Bett und faltete die Hände. Sein Kopf schmerzte immer noch und seine Gedanken ließen sich einfach nicht ordnen. Sie tobte wie ein Orkan umher, inneneinander verwoben und immer nur einzelne Fetzen freigebend. Die Angst war schlimmer geworden. So schlimm, das Takuto einen Anfall bekam. Sein ganzer Körper begann zu zittern, seine Zähne klapperten und sämtliche Muskeln verkrampften sich so sehr, dass es unglaublich schmerzte. Eine Hitzewelle fuhr durch ihn hindurch und ließ ihm den Schweiß aus den Poren treten, um kurz darauf in eine eisige Kälte überzugehen, die von innen heraus kam und gegen die auch die zwei warmen Decken, die er sich umgelegt hatte, nichts ausrichten konnten. Sein Atem ging schwer und ihm wurde schwindlig, in seinen Ohren rauschte es so, dass er glaubte, direkt neben den Niagara Fällen zu
stehen. Dann wurde ihm schwarz vor Augen und er verlor das Bewusstsein.

Etwa eine Viertelstunde später erwachte er langsam wieder. Zwar fror er immer noch erbärmlich, doch hatte er seine Gliedmaßen wieder unter Kontrolle. Nun fürchtete er sich noch mehr vor der Begegnung mit Koji Nanjo, da er nicht die leiseste Ahnung hatte, wie er darauf reagieren würde.

Von Kindesbeinen an hatte man ihm erzählt, Koji Nanjo, der schon als kleiner Junge den Thron bestieg, wäre das furchtbarste Wesen, das jemals das Licht der Welt erblickt hatte und niemand wäre so grausam wie er. Foltern wäre sein Lieblingsspiel, dazu fing er Engel und ließ ihnen jede Feder einzeln ausreißen, bis sie elendig zu Grunde gingen. Die Inquisition sei eines seiner Lieblingsspiele gewesen und er habe unschuldige menschliche Frauen bei lebendigem Leibe verbrannt, um die Hexenverfolgung möglichst realistisch nachzuempfinden. Solche Geschichten hatte man Takuto abends vor dem Einschlafen erzählt, er wusste selbst nicht mehr, wie oft er nachts weinend aus einem Alptraum erwacht war. Jetzt kamen ihm all diese schrecklichen Erinnerungen wieder ins Gedächtnis und er fühlte, wie sich seine Innereien zusammenkrampften.

Später hatte ihm vor allem Hisaya erzählt, dass noch nie jemand das wahre Gesicht des Höllenfürsten gesehen hätte, weil er von solcher Hässlichkeit war, dass es keiner ertragen konnte ihn anzublicken. Sein Körper wäre verkrüppelt, er sei eine Missgeburt mit Hufen und Hörnern. Seine Haut wäre übersäht mit Narben und eitergefüllten Blasen, und manche sagten auch, er habe nur ein Auge im Gesicht, jedoch ein weiteres auf dem linken Handrücken. All diese Schauermärchen hatten Takutos Furcht vor diesem Wesen genährt und in diesem Augenblick befreiten sich all diese Eindrücke aus seinem Unterbewusstsein und stürmten auf ihn ein. Er wurde von einer unglaublich Welle der Furcht und des Ekels überrollt und brach schließlich in lautes Schluchzen aus und sank auf dem Bett in sich zusammen.

Erst kurz vor dem festgesetzten Zeitpunkt konnte er sich wieder beruhigen und zog sich hastig ein frisches Hemd und eine frische Hose an, beides wieder in weiß. Seine Zeremonie-Gewandung vervollständigten die weißen Stiefel, der bodenlange weiße Mantel mit breiter Goldborte an den Ärmeln und am Saum und nicht zu vergessen das wichtigst: die Krone. Es war eigentlich ein Stirnreif, jedoch mit einem großen Diamanten besetzt, der auf der Erde unbezahlbar gewesen wäre. Er war absolut rein, nicht die Spur eines Einschlusses ließ sich finden und das Licht brach sich in ihm, wie es niemand beschreiben konnte. Als er noch vor dem Spiegel stand und sich begutachtete, klopfte es an der Tür.

Takutos wiedergewonnene Ruhe verflüchtigte sich auf der Stelle, was auch Katsumi nicht entging, als sein Herr heraustrat. Neben ihm standen Hisaya, Yuugo und Serika, welche rote Augen vom vielen Weinen hatte. Sie wurden nur mit einem Nicken begrüßt und auf dem Weg zum "Saal der Menschlichkeit" sprachen sie nicht ein einziges Wort. Dieser geheiligte Ort lag in dem ältesten Teil des Palastes, den kaum ein Himmelsbewohner je betreten hatte. Die Fliesen auf dem Boden waren teilweise zersprungen und an den Fenstern rankte das Efeu. Takuto wurde immer beklommener zu Mute, als er und die anderen sich einen Weg durch die unzähligen Spinnweben bahnten.

Schließlich gebot Katsumi ihnen zu warten.
"Hier ist es", flüsterte er kaum hörbar. Sie standen vor einem großen weißen Portal, das auf ein zaghaftes Klopfen hin vollkommen lautlos von der Wächterin geöffnet wurde. Sie war eine zierliche Person im langen silbernen Kleid und ihr Gesicht strahlte eine unglaubliche Güte aus.

"Ich bin Marie, die Wächterin dieses Saales. Ihr wisst, worauf ihr euch einlasst?" Die Anwesenden nickten, auch wenn Takuto etwas zögerte.
"Gut. Folgt mir jetzt." Sie schwebte auf ein weiteres Portal zu, das jedoch noch wesentlich größer war als das erste.

"Hinter dieser Tür liegt der Saal der Menschlichkeit. Der Höllenfürst wird ihn von der anderen Seite aus betreten, er wartet bereits hinter dem anderen Portal." Bei diesen Worten fing Takutos Herz wie wild zu schlagen an und er glaubte, es würde zerspringen. Auch Katsumi wurde sichtlich unruhig und in Hisayas Augen sah man kurz eine gewisse Mordlust aufflackern. Serika klammerte sich angstvoll an Yuugo und es schien als bereue sie es, ihren älteren Bruder begleitet zu haben. Es ging zwar um Eri, aber sollte sie sich wirklich dem Anblick des Fürsten aussetzen? Yuugo schien dasselbe zu denken, auch wenn er seine Gefühle nicht so offen zeigte.

Takuto war indes direkt vor das Portal getreten und seine Hände verkrampften sich. Katsumi sprach ihm beruhigende Worte zu, obgleich sie nichts auszurichten vermochten. Er fürchtete sich mehr als je zuvor in seinem Leben und war sich nicht sicher, ob seine Beine ihn noch lange tragen würden. Sein einziger Gedanke war: "Werde ich seinen Anblick ertragen können? Werde ich dem Höllenfürsten ins Auge sehen können? Oder werde ich mich abwenden wie ein elender Feigling?" Sein Herzschlag dröhnte in seinen Ohren und so bemerkte er auch nicht, dass die Wächterin durch einen weiteren Gang verschwand.

Katsumi, der inzwischen nervös an den Nägeln kaute, wollte die Stimmung ein wenig entspannen und versuchte witzig zu sein: "Das ist ja fast wie bei ´Herzblatt´, oder wie diese Sendung heißt. Nur dass das mit dem Herzblatt wohl nicht so ganz..." Er verstummte und lief tiefrot an, als Takuto ihm mit einem vernichtenden Blick bedachte.
Nur Serika sah die unglaubliche Furcht in seinen Augen und sofort füllten sich die ihrigen erneut mit Tränen. Yuugo klopfte ihr aufmunternd auf die Schulter und flüsterte ihr tröstende Worte zu.

Hisaya wurde ungeduldig, er schien der einzige zu sein, der es nicht erwarten konnte den Höllenfürsten endlich zu sehen.
"Wann geht diese verdammte Tür denn endlich auf? Sollen wir hier Wurzeln schlagen???" Takuto wollte ihn gerade zurechtweisen als aus dem Saal ein lauter Pfiff ertönte. Daraufhin setzte sich die Tür langsam und knarrend in Bewegung und schwang allmählich nach innen auf.

Der König dachte, sein Herz müsste zerbringen und legte eine Hand auf seine Brust, als die schweren Eichenflügel den Blick freigaben. Sein Puls raste und er konnte nichts anderes mehr hören als seinen eigenen Herzschlag. Sein Blick fiel über den riesigen runden Tisch in der Mitte des Saales hinweg auf die andere Seite, auf das Portal zur Hölle, das sich ebenfalls langsam öffnete. Er hielt den Atem an und wartete zitternd auf den Augenblick, in dem er den Höllenfürsten würde erkennen können, den Teufel in seiner ganzen Hässlichkeit. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen, als die Türen sich vollständig geöffnet hatten und die Sicht auf den Todfeind frei war.

Doch als er sein Gegenüber deutlich erkannte, setzte sein Herz aus...

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TEIL 3

Auf der anderen Seite stand kein Monster, kein Teufel mit Hufen und Fell, auch kein Krüppel mit nur einem Auge. Dort stand das schönste Wesen, das Takuto je gesehen hatte. Und obwohl er ein gutes Stück von ihm entfernt war, konnte er jedes einzelne Detail seiner Gestalt wahrnehmen.

Der Höllenfürst war ein groß gewachsener, schlanker Mann, mit einem schwarzen Mantel bekleidet. Sein Gesicht war schmal und äußerst markant, aber wirkte dennoch auf eine gewisse Art weiblich und zerbrechlich. Eingerahmt wurde es von den langen Haaren, die sich wie flüssiges Silber über seine breiten Schultern ergossen. Seine Augen leuchteten wie zwei helle Sterne und ließen den großen Granat in seinem Stirnreif blass aussehen. Die Gesichtszüge wirkten ansonsten wie eingefroren, bis auf einen kurzen Moment, in dem Takuto meinte, ein kurzes Lächeln ausmachen zu können, das wie eine Sternschnuppe über das Gesicht des Fürsten huschte.

Dieses Wesen strahlte eine Faszination aus, die der König bis jetzt nicht gekannt hatte und die ihm Angst machte, ihn aber zugleich magisch anzog. Er musterte seinen Erzfeind von oben bis unten, sah die Hände in den schwarzen Handschuhen, die Strähne, die ihm ins Gesicht fiel und ihm war, als könne er durch die Kleidung hindurch sehen. Der muskulöse Oberkörper und die breiten Schultern waren so deutlich zu erkennen, dass Takuto meinte, direkt vor Koji Nanjo zu stehen.

Sein Herz schlug indes wieder schneller, und er atmete tief ein und aus, um sich und seine Nerven zu beruhigen. Erst jetzt fragte er sich, warum man ihn all die Jahre belogen hatte. Warum hatte man ihm nie erzählt, wie schön der Höllenfürst war? Wie viele Alpträume und bitterliche Tränen der Angst wären ihm erspart geblieben, hätte man ihm nur die Wahrheit gesagt.

Der Gedanke, dass man ihn so lange absichtlich getäuscht hatte, ließ Takuto schwindlig werden und er stützte sich mit einer Hand im Türrahmen ab. Als Katsumi besorgt neben ihn trat, drehte er sich ärgerlich zu ihm um.

"Warum hat man mir das nicht gesagt? Warum habt ihr mich all die Jahre belogen? Hisaya!" Auf den Ruf seines Namens hin trat selbiger ein Stück vor, die Wut in seinen Augen wurde nun von leichter Angst verdeckt. "Warum hast du mir erzählt, er wäre ein Monster? Warum hast du mir so viele Albträume bereitet? Warum?" Aus seiner Stimme sprachen Ärger, Unverständnis und Enttäuschung, die Hisaya zu Boden blicken ließen, ohne jedoch eine Antwort gegeben zu haben.

Takuto fühlte sich verraten und ein paar Tränen ließen das Bild des Fürsten verschwimmen. Die Konturen seiner Gestalt flossen ineinander, nur die Augen stachen noch immer daraus hervor und schienen ihn anzustarren.

"Er sieht aus wie ein Engel", schoss es ihm durch den Kopf, als er mit aller Macht gegen den Drang zu Weinen kämpfte. Koji Nanjo war die perfekte Verkörperung eines Engels, wie ihn sich die Menschen vorstellten. Mit der blassen Haut und den silbernen Haaren kam es Takuto so vor, als wäre er äußerlich viel besser zum Himmelskönig geeignet als er selbst mit seiner dunklen Haut und den schwarzen Haaren.

Auf der anderen Seite des Saales war Koji ebenso fasziniert wie Takuto. Natürlich hatte er sich den Himmelskönig schön vorgestellt, denn man würde wohl kaum einen fettleibigen Zwerg auf den himmlischen Thron setzen, doch diese Schönheit hatte er in seinen kühnsten Träumen nicht erwartet.

Sein Blickfeld beschränkte sich auf die Gestalt dieses jungen Mannes, der den alten Pharaonen bestimmt aufgrund seines Aussehens zu noch mehr Berühmtheit verholfen hätte.

Seine bronzene Haut sah auf die beträchtliche Entfernung hin völlig makellos aus und Koji zweifelte nicht daran, dass sich dies aus der Nähe ebenfalls als wahr herausstellen würde. Auch ihm schien es, als wäre der Stoff des Mantels seines Feindes durchsichtig, er sah die wohlgeformten Muskeln, den durchtrainierten Oberkörper, der ihm eine kurze Hitzewelle durch die Adern jagte.

Obgleich dieser wunderschönen Statur waren es die Augen, die Koji eigentlich faszinierten. Er verlor sich in ihnen, völlig ungeachtet der Distanz von etwa 15 Metern. Es war, als könne man darin lesen, als wären sie ein Spiegel der Seele, wenngleich auch ein verzerrter. Koji sah Bewunderung und Angst, unterdrückte Leidenschaft, Schmerz, Wut, Trauer und Sehnsucht. All diese Eindrücke strömten auf ihn ein und waren wie ein verzweifelter Hilfeschrei, von dem ihm der Kopf schmerzte.

Keiner der beiden wusste, wie lange sie sich nun schon so intensiv angestarrt hatten, es war, als wären ihre Blicke durch eine unsichtbare Schnur miteinander verbunden und könnten sich nicht mehr voneinander lösen. Niemand sprach ein Wort und so konnte man die Spannung, die zwischen den beiden Todfeinden herrschte, fast schon surren hören.

Doch plötzlich wurde sie unterbrochen, als die Stimme der Wächterin wie ein Paukenschlag in die Stille platzte. Takuto fühlte sich matt und erschöpft und zwang sich, den Blick abzuwenden, denn es kam ihm vor, als raube der Fürst ihm die Kraft. Koji hingegen fühlte sich, als hätte man ihm einen furchtbaren Schlag in die Magenkuhle versetzt und starrte die Wächterin wütend an, dass sie es gewagt hatte, diesen wunderbaren ersten Augenblick zu zerstören.

"Meine Herrschaften, ich möchte sie nun noch einmal auf die Besonderheit dieses Saales hinweisen. In dem Moment, in dem sie die Schwelle überschreiten, verlieren sie für die Dauer ihres Aufenthaltes in diesem Raum sämtliche übernatürlichen Fähigkeiten. Das gilt für alle hier anwesenden, nicht nur für den König und den Fürsten. Ich hoffe, sie sind sich dessen bewusst."

Koji nickte kurz und zwang seinen Herzschlag wieder auf einen normalen Rhythmus herunter, während Takuto erst von Katsumi angestoßen werden musste, um eine Reaktion zu zeigen. Die Wächterin nickte ebenfalls.

"Gut. Da sie sich alle mit den Bedingungen dieses Treffens einverstanden erklärt haben, möchte ich sie nun bitten einzutreten, damit ich sie einander bekannt machen kann. Und keine Angst, sie werden nur einen kurzen Stich verspüren, wenn ihre Kräfte versiegelt werden."

Sie lächelte Takuto aufmunternd zu, während Koji sich bereits in Bewegung setzte und über die Schwelle trat. Katsumi flüsterte seinem Herrn etwas ins Ohr. "Eure Majestät, ihr dürft euch eure Verwunderung keineswegs anmerken lassen, für Erklärungen ist jetzt keine Zeit. Seid höflich, aber nicht nachgiebig und macht ihm eure Position klar." Takuto fühlte eine Hand im Rücken, die ihn durch sanften Druck zur Bewegung animierte. Er atmete ein letztes Mal tief ein und schritt ebenfalls über die Schwelle, wobei er den Schmerz als ziemlich heftig empfand und zusammenzuckte. Ihm folgten Katsumi und Hisaya, dann Yuugo und Serika, die vom Höllenfürsten ebenso fasziniert war wie ihr Bruder.

Zu beiden Seiten der Wächterin machten die beiden Parteien halt, hinter Koji standen noch eine Frau und drei Männer, von denen sich einer an die Seite des Fürsten gestellt hatte.

Nun, da sie sich wirklich Auge in Auge gegenüberstanden, lief Takuto ein Schauer über den Rücken und er begann leicht zu zittern. Er stand wirklich seinem Todfeind gegenüber. Der Augenblick, den er gefürchtet hatte wie nichts anderes war nun da, und für einen Moment vergaß er, dass es sein Gegner war, der ihm da gegenüber stand. Derjenige, der Eri entführt hatte, was der eigentliche Grund für dieses Treffen war.

Takuto versuchte seine Gedanken zu ordnen, es wollte ihm einfach nicht in den Kopf, dass so ein wunderschönes Wesen solch schreckliche Dinge tun sollte, wie man ihm gesagt hatte. Er sah Koji in die Augen, als hoffte er, darin eine Antwort zu finden. Doch er sah nur ein tiefblaues Meer, unergründlich tief und nicht bereit, ihm irgendeine Auskunft zu geben. Koji hingegen konnte mehr erkennen, als er in die wunderschönen braunen Augen seines Feindes blickte. Jetzt, wo sie nur noch gute zwei Meter voneinander entfernt waren, sah er noch viel bezaubernder aus und seine Augen strahlten noch mehr. Sie zeigten seine Furcht, seine unausgesprochenen Fragen, die er nur allzu gern stellen würde. Koji versuchte noch einmal, weiter vorzudringen und zu erfahren, was er so gern fragen würde und wovor er sich fürchtete. Es verwunderte ihn nicht einmal, dass er selbst ohne seine göttlichen Kräfte so viel in den Augen des anderen lesen konnte.

Katsumi hustete leise und Takuto wandte sich ab. Er konnte ihm nicht allzu lange in die Augen sehen, es war, als würde der Fürst durch die Augen direkt in sein Innerstes sehen können, und das war ganz bestimmt nicht seine Absicht.

Die Wächterin räusperte sich kurz und machte dann erst einen höflichen Knicks in Takutos, dann in Kojis Richtung. Beide nickten kaum merklich. In einem sehr höflichen Ton begann sie zu sprechen. "Darf ich sie nun miteinander bekannt machen. Dies ist Takuto Izumi", sie zeigte mit der rechten Hand auf selbigen, "König des Himmels, mit Katsumi Shibuya, seinem Berater." Genannter trat vor und verbeugte sich kurz.

"Desweiteren Hisaya Kunihide, sowie Serika und Yuugo Izumi." Takutos Geschwister verbeugten sich ebenfalls etwas ängstlich, wobei man Serika ihre heimliche Faszination immer noch anmerkte. Hisaya hingegen starrte Koji nur hasserfüllt an, was jenen aber nicht im geringsten zu interessieren schien.

"Und dies ist Koji Nanjo", sie zeigte mit der linken Hand auf den engelsgleichen Mann, "Fürst der Unterwelt-" Koji unterbrach sie. "Ich denke", sagte er mit einem leichten Lächeln, "HÖLLE ist der passendere Begriff."

Die Art wie er sprach jagte Takuto leichte Schauer den Rücken herunter, er konnte jedoch nicht sagen, warum. Da war etwas in seiner Stimme, was ihn berührte, sie war keineswegs teuflisch, sondern klang eher nach einem Sänger.

Marie räusperte sich erneut und ihr Gesicht nahm eine leicht rosa Färbung an.

"Entschuldigt bitte, mein Fürst. Also: Fürst der Hölle, mit seinem Berater Toshiyuki Takasaka." Der Mann im grauen Anzug mit der Brille auf der Nase wirkte leicht hektisch, als er sich kurz verbeugte, machte aber ansonsten einen recht sympatischen Eindruck. "Desweiteren Hirose, Akihito und Nadeshiko Nanjo." Die beiden Männer zeigten keinerlei Anzeichen einer Bewegung, lediglich die Frau machte einen Knicks, wobei sie Takuto mit einem freundlichen Lächeln bedachte.

Er erwiderte es leicht, wandte seinen Blick dann jedoch zu Kojis Brüdern. Sie waren ihm vom ersten Moment an unsympatisch, besonders Hirose wirkte derart kalt und skrupellos, dass er den Titel "Höllenfürst" eigentlich viel mehr verdient hatte als Koji. Akihito bedachte Takuto mit dem selben eisigen Blick wie Hirose, allerdings sah er ein kleines bisschen wahnsinnig aus.

"Setzen sie sich doch bitte, meine Herrschaften", fuhr die Wächterin fort und wies auf die runde Tafel, die genau in der Mitte des Saales zu stehen schien. Der Tisch war aus rotem und braunem Holz gefertigt, man hatte die beiden unterschiedlichen Arten dazu benutzt um die Tischplatte optisch in zehn gleich große Stücke zu unterteilen, was Takuto an die Erzählungen über König Artus´ Tafelrunde erinnerte, die die Menschen in so vielen Büchern wiedergegeben hatten.

Zu jedem dieser Stücke gab es selbstverständlich einen Stuhl, sechs in dunkelbraunem Holz ohne jegliche Verzierungen, mit einer hohen, geschlossenen Lehne und einen Sitzkissen aus schwarzen Samt. Zwei sich gegenüberstehende schienen für die Berater der Anführer vorgesehen zu sein, sie waren etwas größer und durch einfache Schnitzereien verschönert. Desweiteren besaßen sie Armlehnen und ein Sitzkissen aus blauem Samt.

Links dieser Beraterstühle standen die offensichtlichen Throne (so dass die Berater zur Rechten der Könige saßen), zu erkennen an ihrer Größe sowie den unzähligen Verzierungen an Stuhlbeinen und Lehnen. In die geschnitzten Motive, größtenteils Löwen und Adler, waren Edelsteine von beachtlicher Größe eingelassen, die die Augen der Tiere fast lebendig erscheinen ließen.

Koji ließ sich zuerst in einem der beiden Throne nieder und platzierte seine eleganten Hände mit den langen Fingern auf den Polstern der Armlehnen. Zu seiner Rechten setzte sich Takasaka, daneben Nadeshiko, welche sich wie eine Elfe bewegte und deren tiefschwarze Haare wie Seide über ihre zarten Schultern hingen. Hirose und Akihito nahmen zu Koji´s Linken Platz, wobei sich Hirose als offensichtlich älterer den Platz direkt neben dem Fürsten sicherte.

Takuto setzte sich zögernd auf die gegenüberliegende Seite, zu seiner Rechten Katsumi und Yuugo, der damit leider Gottes neben dem nicht ganz zurechnungsfähigen Akihito Platz nehmen musste. Hisaya erschien links neben Takuto und geleitete Serika wie ein Gentleman zu ihrem Platz, auch wenn er die ganze Zeit voller Abscheu auf den Fürsten blickte. Serika saß nun neben Nadeshiko, was ihr offensichtlich viel mehr behagte als jeder andere Platz an dem Tisch, zumal sie zuweilen etwas ängstlich zu Hirose und Akihito hinüberschaute.

Die Wächterin stellte einen großen Kerzenleuchter mit zehn Kerzen direkt in die Mitte der Tafel, dort, wo sich alle Teilstücke des Mosaiks in einem Punkt trafen. Ihr Schein erleuchtete den gesamten Saal, auch wenn es nur ein relativ schwaches Licht war. Marie verbeugte sich tief und löste sich nach einem "Möge das Treffen beginnen" in einer Wolke aus silbrigem Nebel auf.

Takuto schaute unsicher zu Koji hinüber, welcher seinen Blick erwiderte. Ihre Augen waren wie ineinander verkettet, ehe sich Katsumi endlich zu einem Anfang entschloss.

"Nun, wir nun alle an diesem Tisch beisammen sind, sollten wir die Gelegenheit auch nutzen." Er war offensichtlich nervös, bemühte sich jedoch redlich um die nötige Höflichkeit und Seriosität.

"Ich bin mir sicher, euer Berater hat euch über den Grund dieses Zusammentreffens informiert, mein Fürst, dennoch möchte ich kurz die Sachlage zusammenfassen." Koji nickte zum Zeichen der Zustimmung, starrte Takuto aber immer noch intensiv an.

Katsumi reusperte sich versuchte, seiner Stimme so viel Autorität zu verleihen wie möglich.

"Ihr, mein Fürst, wurdet heute morgen von zwei Bewohnern unseres Palastes zusammen mit der Verlobten von Hisaya Kunihide", er wandte sich kurz in dessen Richtung, "gesehen. Hier liegt nun die Vermutung nahe, dass es sich um eine Entführung Eris handelt und ihr somit ein Verbrechen gegen den Himmel begangen habt."

Kojis Berater Takasaka ergriff nun das Wort, ohne auf eine Zustimmung Kojis zu warten. Anscheinend hatte ihm der Fürst vor dem Treffen Anweisungen gegeben.

"Der Fürst möchte zuerst die Forderungen des Königs hören, bevor er sich dazu äußert. Wenn ihr also erlaubt, eure Majestät?" Er blickte erwartungsvoll in Takutos Richtung, genau wie alle anderen an der Tafel.

Die plötzliche Aufmerksamkeit machte den jungen König nervös und er versuchte, die nötige Würde für sein Anliegen aufzubringen. "Wir bitten um die Freigabe des besagten Engels." Takuto schluckte nach diesen Worten, als Hisaya ihn jedoch mit einem wütenden Blick bedachte, fügte er hinzu: "Auf der Stelle."

Koji lächelte. Der Himmelskönig gefiel ihm, seine Nervosität, der Klang seiner Stimme. Immer noch schaute er ihm in die Augen und er sah ängstliche Erwartung, die sich zusehens steigerte. "Nun", begann er zu sprechen, "ich muss Euch leider mitteilen, dass Ihr im Irrtum seid, Izumi." Bei der Nennung seines Names zuckte Takuto kaum merklich zusammen, doch der Fürst schien es trotzdem registriert zu haben.

"Ich darf Euch doch so nennen, oder?" Der verführerische Unterton seiner Stimme ließ Takuto nicken, noch bevor er darüber nachgedacht hatte.

"Gut. Also, Izumi: ich habe Eri nicht entführt. Sie ist freiwillig mit zu mir gekommen." Er lächelte immer noch, doch war es nicht recht zu deuten. Lächelte er wie ein Lügner oder wie jemand, der die Wahrheit sagt?

Hisaya hatte sich bereits eine eindeutige Meinung dazu gebildet und sprang auf.

"Wir glauben Euch kein Wort, ihr seid ein elender Lügner!!!" Seine Stimme überschlug sich fast und Serika kostete es redliche Mühe, ihn wieder auf seinen Stuhl zu ziehen. Sie redete beruhigend auf ihn ein, als Hirose plötzlich aus seiner bisherigen Starrheit erwachte und das Wort ergriff. "Es interessiert uns nicht, was ihr denkt." Die Kälte in diesen Worten war kaum zu beschreiben, nie hätte ein Mensch so reden können.

Zu Takutos Verwunderung verschwand das Lächeln augenblicklich aus Kojis Gesicht und mit einer unmenschlich schnellen Bewegung drehte er sich zu seinem Bruder und verpasste ihm eine schallende Ohrfeige. Akihito zuckte erschreckt zusammen und wandte sich besorgt zu seinem Nebenmann, der von der Wucht des Schlages fast vom Stuhl geschleudert worden war.

Kojis Lippen bebten und seine Stimme machte seine Abneigung gegen seine Brüder nur noch deutlicher. Er schrie Hirose in einer Art an, die so gar nicht zu seinem engelsgleichen Äußeren passen wollte.

"Wer hat dir erlaubt zu sprechen?!" Im Himmel war das Duzen von Personen ein Zeichen des Vertrauens und der Zuneigung, jetzt jedoch klang es spöttisch und abschätzend, wie es wohl auch gemeint war.

"Ich bin der Fürst und meine Meinung ist es, die zählt! Niemand hat dich um die Mitteilung deiner Ansichten gebeten, also erspare sie uns gefälligst!" Hirose hatte sich inzwischen wieder aufgerichtet und presste eine Hand an seine linke Wange, von der etwas Blut tropfte. "Noch einmal: ICH bin der Fürst und ihr seid meine Untertanen. Ihr habt mir zu gehorchen und eure Gedanken für euch zu behalten! Hast du das verstanden, Hirose?" Er starrte seinen Bruder so hasserfüllt an, dass Takuto für einen kurzen Augenblick so etwas wie Mitleid emfand, was aber nicht lange anhielt.

Akihito wollte etwas einwenden, denn offensichtlich war ihm Hirose sehr wichtig und er tolerierte das Verhalten des Fürsten nicht. "Aber-" Wäre er nicht zu weit entfernt gewesen, hätte Koji ihm mit

Sicherheit auch eine Ohrfeige verpasst, denn er starrte ihn an, als wollte er ihn mit seinen Blicken töten, was ihm mit seinen göttlichen Kräften vielleicht auch geglückt wäre.

"Dich habe ich erst recht nicht nach deiner Meinung gefragt Akihito! Mal abgesehen davon, dass du Hirose sowieso immer und überall zustimmst! Ihr haltet jetzt den Mund, oder ich lasse euch auspeitschen bis ihr nicht mal mehr euren Namen wisst!!!" Bei den letzten Worten sprang er auf und seine Stimme schwoll bedrohlich an, so dass es durch den ganzen Saal hallte und in den Ohren schmerzte.

Nadeshiko stand auf und ging mit feinen Bewegungen zu ihrem Bruder, legte ihm beide Hände auf die rechte Schulter und sah ihn bittend an. "Bitte, Koji... Lasst es gut sein..." Koji strich ihr zärtlich über das schwarze Haar und küsste sie auf die Stirn. "Du hast Recht Nadeshiko, sie sind es nicht wert..." Mit einem letzten abschätzigen Blick setzte er sich wieder und seine Schwester ging zurück zu ihrem Platz.

Takuto zitterte indes leicht, der Wutausbruch des Fürsten hatte ihn tief erschreckt und deswegen hatte ihn die Zärtlichkeit, mit der die junge Frau bedachte noch mehr verwundert. Er konnte sich nicht einig werden, was er nun in Koji sehen sollte: den eleganten und zärtlichen jungen Mann, oder den extrem gefährlichen Teufel im Engelsgewand?

Koji beruhigte sich rasch wieder, er stützte die Ellbogen auf den Tisch und stellte seine Fingerspitzen gegeneinander, was ihn unglaublich weise aussehen ließ. "Natürlich kann ich eure Ansicht verstehen - Hisaya, doch vielmehr interessiert mich die Meinung eures Königs." Takuto schaute erschrocken auf und blickte in die tiefblauen Augen des Fürsten.

Das leichte Lächeln kehrte auf Kojis Gesicht zurück und er senkte den Kopf etwas, wobei er sein Gegenüber weiterhin intensiv anschaute. Durch seine Haltung wirkte er bedrohlich, und doch verführerisch... Takuto zitterte, sein Kopf schwirrte vor lauter unfertigen Gedanken.

Koji lachte leise und öffnete erneut die Lippen, um zu sprechen.

"Also Izumi... Glaubt Ihr mir???"

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TEIL 4

Takuto stockte der Atem und in seinem Kopf begannen nacheinander sämtliche Alarmglocken zu schrillen, um sich dann zu einem ohrenbetäubenden Lärm zu vereinigen. Sämtliche Gedanken, die gerade noch in einigermaßen geregelten Bahnen ihren Weg durch die Gehirnwindungen genommen hatten, flogen nun wild durcheinander und ließen ihm schwindlig werden. Die bronzene Farbe wich allmählich aus seinem Gesicht, als ihm bewusst wurde, was der Fürst da eigentlich gefragt hatte.

Katsumi beobachtete seinen Herrn besorgt und auch Serika sah etwas beunruhigt aus. Takuto bemerkte, wie die Augen aller auf ihm ruhten, was nicht zur Besserung seiner Verfassung beitrug. Sein Herz schlug schneller und ihm wurde schmerzlich bewusst, wie schlecht er unter Druck Entscheidungen fällen konnte. Und die Antwort auf diese Frage war eine enorm wichtige Entscheidung. Hisaya erwartete von seinem Freund ganz klar, den Höllenfürsten als Lügner zu deklarieren, doch konnte er das wirklich tun? Aber andererseits - er konnte seinem besten Freund doch auch nicht einfach in den Rücken fallen! Takuto wurde innerlich zerrissen und wusste beim besten Willen nicht, wie er jemals aus dieser Zwickmühle herauskommen sollte. Ein verzweifelter Blick zu Katsumi half ihm auch nicht weiter, denn dieser schien genauso ratlos zu sein wie er selbst. Hisaya stieß ihm indes in die Seite und gab ihm eindeutig zu verstehen, dass er mit seiner, aus seiner Sicht eindeutigen, Antwort nicht länger warten solle.

Koji schaute seinem Gegenüber immer noch tief in die Augen und schien die Ruhe selbst zu sein, man gewann den Eindruck, als würde er, wenn nötig, bis in alle Ewigkeit auf eine Reaktion warten. Seine Brüder hingegen starrten Takuto an, als wollten sie ihn zu Stein erstarren lassen, den Hass aus ihren Augen konnte niemand übersehen. Akihito sah sogar noch etwas wahnsinniger aus, denn die Schürfwunde an Hiroses Wange schien ihn fast mehr zu schmerzen als seinen Nebenmann.

Der König krallte seine Fingernägel in die Samtpolster auf den Armlehnen und biss sich auf die Lippen. Was zum Teufel sollte er bloß tun? Er wusste einfach nicht, ob er dem Fürsten vertrauen sollte. Vielleicht sollte er das genau so sagen? Den Gedanken verwarf er allerdings schnell wieder, denn nun forderte auch Katsumi ihn flüsternd auf, eine Antwort zu geben.

In Takutos Kopf lieferten sich Pro und Contra eine erbitterte Schlacht. Koji Nanjo war der Höllenfürst, nicht gerade die Person, der man unbedingt vertrauen sollte. Doch andererseits... diese Augen sahen nicht so aus, als würden sie lügen, warum sollte er auch. Doch warum die Wahrheit sagen?

Takuto presste die Hände an die Schläfen und schloss die Augen im verzweifelten Versuch, eine Antwort zu finden. Eine Stimme in seinem Hinterkopf schrie fortwährend "Lügner, Lügner", doch ihm war, als höre er gleichzeitig Kojis Stimme, die flehend um Vertrauen bat.

Das Herz schlug ihm bis zum Hals und er fühlte, wie sein Blut durch die Adern rauschte. Sein Adrenalinspiegel musste indes ins Unermessliche gestiegen sein und er war sich sicher, dass er inzwischen vor Hitze glühte.

"Izumi?" Die Stimme des Fürsten riss Takuto aus seinen ungeordneten Gedanken und er öffnete die Augen, nur um sofort in denen des Fürsten zu versinken. Seine Hände glitten in seinen Schoß und seine Muskeln entspannten sich. Diese blauen Augen waren wie ein erfrischender Windhauch, eine angenehme Kühle durchströmte Takutos Körper und ein leichtes Lächeln stahl sich auf sein Gesicht.

Koji hatte seine Hände inzwischen von den schwarzen Handschuhen befreit und auf dem Tisch gefaltet, er blickte besorgt zum König. Hätte er diese Frage nicht stellen sollen? Warum hatte er sie überhaupt gestellt? Was interessierte es ihn, was dieser junge Hüpfer dachte? Er wusste es nicht, doch irgendetwas in diesen wunderschönen braunen Augen seines Todfeindes hatte ihn tief in seinem Innern berührt und er hoffte inständig, er würde ihm vertrauen. Diese Bitte konnte Takuto in seinen Augen lesen, es war, als stände es in diesem blauen Ozean geschrieben: Vertrau mir.

Plötzlich schien alle Vernunft in ihm ausgeschaltet, die Worte kamen wie von selbst über seine Lippen. "Ja, ich glaube euch." Erst Sekunden später wurde ihm bewusst, was er da gerade gesagt hatte, doch nun war es zu spät. Neben ihm hörte er Hisayas wütenden Aufschrei und für einen Moment fürchtete er, sein Freund würde ihm an die Kehle springen.

"WAS??? Wie kannst du diesem Bastard glauben? Er ist ein Monster, er ist der verdammte Teufel höchstpersönlich!!! Wie kannst du ihm glauben???" Hisayas Stimme schwoll noch lauter an als Kojis nach der Ohrfeige für Hirose und Katsumi sprang entsetzt von seinem Stuhl auf um den jungen Gott, der außer sich vor Wut war, an körperlicher Gewalt zu hindern.

Takuto war wie betäubt, ihm war klar, dass Hisaya seine Antwort als klaren und unmissverständlichen Vertrauensbruch ansah. Er hätte es auch verstanden, wenn sein nun wohl ehemals bester Freund ihm einen Kinnhaken verpasst hätte, er verstand sich ja selbst nicht mehr. Mit seiner Antwort hatte er Eri unterstellt, dass sie Hisaya betrogen und sich freiwillig Koji hingegeben hatte. Was hatte er bloß getan?!

Auch Serika und Yuugo starrten ihren Bruder entgeistert an, obwohl man in den Augen seiner Schwester auch etwas wie Verständnis erkennen konnte. Katsumi war sich nicht ganz sicher, ob er sich da nicht verhört hatte und er schaute seinen Herrn entgeistert an. Takuto sah Koji in die Augen, als wäre er hypnotisiert, sein Gesicht zeigte keinerlei Regung. Katsumi setzte sich wieder und tippte dem König vorsichtig auf die Schulter, woraufhin dieser sich zu ihm umdrehte und ihn anstarrte. In seinen Augen glitzerte es verräterisch, doch er unterdrückte die Tränen und zwang seinem Gesicht einen entschlossenen Ausdruck auf. Katsumi schüttelte verständnislos den Kopf. Koji unterbrach die bedrückende Stille.

"Euer Vertrauen ehrt mich, Izumi." Er lehnte sich in seinem Thron zurück und sein Lächeln wurde breiter, was jeder Anwesende als überheblich und spöttisch deutete. Nur Nadeshiko sah in den Augen ihres Bruders den stummen Dank, den er Takuto für dieses Vertrauen entgegenbrachte. Koji wusste, wie er wirkte und er beschloss, seine Rolle perfekt zu spielen, schließlich war er es so gewöhnt.

"Ihr könnt euren Engel wiederbekommen, ich habe keinerlei Verwendung mehr für sie. Im übrigen war sie auch nicht wirklich eine Bereicherung für mein Bett." Hisaya sprang erneut auf und diesmal kam auch Yuugo hinzustürzt und half Katsumi, den vor Wut beinahe explodierenden Gott im Zaum zu halten. Seine Erregung verlieh im beachtliche Kräfte und die beiden hatten redliche Mühe, ihn davon abzuhalten, auf den Fürsten loszugehen.

"Ihr gottverdammter Bastard!!! Wie könnt ihr es wagen!!! Ich werde euch eure elende Zunge aus dem Mund reißen und euch jeden Knochen im Leib brechen!!!" Kojis Lächeln wirkte nun müde und gelangweilt, was Hisaya noch mehr zur Weißglut trieb. Er versuchte verbissen, sich aus Yuugos und Katsumis Griff zu befreien und Takuto schaute beschämt zu Boden.

´Ich bin dafür verantwortlich, wieso habe ich gesagt, dass ich ihm vertraue? Stimmt das überhaupt?´ Seine Hände verkrampften sich ineinander und er musste erneut gegen die aufsteigenden Tränen kämpfen, die ihm bereits die Sicht nahmen und alles verschwimmen ließen.

Kojis Lächeln war nun gänzlich verschwunden und mit einer herrischen Handbewegung deutete er seinem Berater, Yuugo und Katsumi zu Hilfe zu kommen. "Takasaka, hilf ihnen! Und Nadeshiko, du holst bitte Eri hierher. Sie wartet vor dem Portal." Der hektische Mann im grauen Anzug erhob sich kam gerade noch rechtzeitig, um Hisaya am losreißen zu hindern. Kojis Schwester nickte kurz, erhob sich und trat anmutig zum Portal auf der Höllenseite, welches sich fast augenblicklich öffnete. Dort stand Eri, der Engel, wegen dem dieses ganze Treffen stattgefunden hatte. Ihre langen Haare waren zu zwei Zöpfen geflochten und sie trug ein bodenlanges, weißes Kleid, das ihre schlanke Gestalt betonte.

Als Hisaya sie bemerkte, erlahmten seine Bewegungen und er starrte sie an. Sein Gesicht verriet die Freude, sie wiederzusehen und doch hatte er Angst, der Fürst möge vielleicht doch die Wahrheit gesagt haben. Katsumi, Yuugo und Takasaka ließen nun von ihm ab, rückten ihre Kleidung zurecht und bis auf Katsumi setzten sich alle wieder auf ihre Plätze. Er jedoch blieb hinter Hisaya stehen und beobachtete besorgt, wie Eri über die Schwelle in den Saal trat, Nadeshikos Hand nahm und von ihr zu Koji geführt wurde.

Der Fürst erhob sich langsam und bedächtig, richtete sich majestätisch zu voller Größe auf. Takuto hob seinen Kopf und sah ihn an, sein Anblick ließ ihm wohlige Schauer über den Rücken laufen, die er sich beim besten Willen nicht erklären konnte und die ihn noch weiter verunsicherten. Er schluckte und wischte eine Träne aus dem Augenwinkel, dann versuchte er, seinem Gesicht wenigstens etwas Würde zu verleihen, schließlich war nun der entscheidende Augenblick gekommen und es machte sicher keinen guten Eindruck, wenn der König wie ein Häufchen Elend da saß, wenn seine Forderung erfüllte wurde.

Hisaya starrte seine Verlobte immer noch an als wäre sie ein Geist, obwohl es ja dieser Augenblick war, auf den er gewartete hatte. Eri hingegen hing mit ihren Blicken in Kojis Augen, die auch auf sie eine fast magische Wirkung zu haben schienen. Nadeshiko hatte längst ihren Platz wieder eingenommen und schaute nun wie alle anderen zu ihrem Bruder und dem schönen Engel.

"Nun, Eri, ich werde nun der Forderung Izumis nachgeben und dich zurück in den Himmel entlassen." Bei diesen Worten schien es, als zucke sie zusammen, doch Takuto verwarf diesen Gedanken schnell wieder.

"Dein ´Verlobter´", er sprach das Wort absichtlich spöttisch aus, was Hisaya zu einem weiteren leise hervorgestoßenen Fluch animierte," war verständlicherweise nicht sehr erfreut über dein plötzliches Verschwinden und er ist auch nicht im geringsten geneigt, meiner Ausführung Glauben zu schenken." Eri schaute ihn an als begriff sie nicht, was er damit eigentlich sagen wollte und blickte dann unsicher zu Hisaya, welcher nun nicht länger zu schweigen gedachte.

"Dieser Bastard hat behauptet, zu wärst freiwillig zu ihm gegangen, er hätte dich nicht entführt. Er lügt doch, oder?" In seiner Frage schwang eine gehörige Portion Angst mit, die auch Takuto nicht verborgen blieb und ihn erneut zittern ließ, denn nun würde es sich zeigen, ob sein Vertrauen wenigstens begründet gewesen war.

Koji lächelte kurz, legte seine rechte Hand unter Eris Kinn und drehte ihren Kopf wieder zu ihm. Hisaya fluchte wiederum und Katsumi flüsterte ihm irgendetwas beruhigendes zu. "Sag ihm die Wahrheit, Eri. Und vergiss nicht: deine übernatürlichen Kräfte sind versiegelt. Wenn du lügst, wird man es dir höchstwahrscheinlich ansehen, du kannst es nicht mehr so verstecken wie sonst." Seine Stimme klang samtweich, und doch lag eine leise Drohung darin. Eri nickte schüchtern, machte einen Knicks und ging mit unsicheren Schritten zu Hisaya, blieb etwa zwei Meter vor ihm stehen. Sie schaute ihm nicht in die Augen und man sah, dass sie Angst hatte. Auch ihrem Verlobten blieb das nicht verborgen, und seine Hände ballten sich zu Fäusten. "Sieh mich an." Der Ton seiner Stimme war herrisch und Eri hob augenblicklich ihren Kopf. Sie zitterte ein wenig und Serika sah das leichte Glitzern in ihren Augen. Hisaya holte tief Luft und doch schaffte er es nicht ganz, das ängstliche Beben in seiner Stimme zu unterdrücken. "Eri, bist du freiwillig mit ihm gegangen?" Sein Gesicht zeigte seine Angst nun sehr deutlich und Takuto schluckte, denn er fühlte mit ihm. Die Blicke aller Anwesenden ruhten auf Eri und jeder sah die Träne, die ihr die Wange herunter lief als sie anhob zu sprechen...

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TEIL 5

"Er sagt die Wahrheit, Hisaya." Sie senkte den Kopf und kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen an. "Was?" Hisaya war wie gelähmt, er konnte an nichts mehr denken. Er sah nur seine Verlobte vor sich, wie sie in ihrem unschuldigen Kleid da stand und ihm gerade eröffnete, dass sie ihn betrogen hatte. "Es tut mir so Leid, Hisaya, ich-" "Warum?" Er bebte vor Wut und Enttäuschung, seine Augen waren nur noch zwei schmale Schlitze. Takuto beobachtete ihn mit wachsender Besorgnis, ebenso Katsumi und Serika.

"Warum hast du das getan? Was bist du, eine kleine Hure?" Er hob die rechte Hand und wollte ihr eine schallende Ohrfeige verpassen, doch Katsumi umklammerte seinen Arm und hielt ihn davon ab.

"Beherrsche dich! Dies ist nicht der Ort!" Er nickte kaum merklich in die Richtung des Fürsten und Hisaya schien zu verstehen. Dennoch starrte er Eri immer noch an, als wollte er sie am liebsten umbringen. Koji beobachtete das ganze etwas besorgt, wie es schien, ebenso sein Berater und Nadeshiko, Hirose und Akihito jedoch saßen weiterhin wie zwei Statuen auf ihren Plätzen und rührten sich nicht. Takuto hielt es für seine Pflicht nun einschreiten zu müssen und obwohl er es wirklich schrecklich fand, dass Eri Hisaya betrogen hatte, so freute er sich doch innerlich, dass sein Vertrauen dem Fürsten gegenüber gerechtfertig war und so hoffte er insgeheim, dass Hisaya ihm nun verzeihen würde.

"Yuugo, bring bitte Hisaya hinaus, Serika, du begleitest Eri. Geht jetzt." Seine Geschwister erhoben sich und taten wie ihnen geheißen, wobei Yuugo peinlich genau darauf achtete, dass er mit Hisaya ein gehöriges Stück hinter den Frauen blieb. Katsumi kehrte zu seinem Platz zurück und sah sich mit seinem Herrn nun allein dem Fürsten und seinen Begleitern gegenüber.

Koji lächelte zufrieden und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht, wobei er Takuto erneut in die Augen sah. Diesmal jedoch konnte er kaum etwas darin erkennen, undeutlich nahm er Angst und Unsicherheit wahr, aber anscheinend war der König völlig "überladen" mit Gedanken und Eindrücken, so dass sich das Chaos auch in seinen Augen niederschlug.

Takuto fühlte sich unter den stechenden Augen des Fürsten merklich unwohl, er rutschte unruhig auf seinem Thron hin und her wich tunlichst Kojis Blick aus. Katsumi spielte unter dem Tisch nervös mit seinen Fingern, doch schien er sich nicht recht zu trauen, erneut das Wort zu ergreifen. Schließlich war es Takasaka, der dem Schweigen ein Ende machte.

"Eure Majestät, da eure Forderung nun erfüllt ist sehe ich keinen Grund, hier noch länger zu verweilen. Teilt ihr meine Ansicht?" Takuto nickte erleichtert und erhob sich. Katsumi folgte seinem Beispiel, ebenfalls erfreut, den Saal endlich verlassen zu können. Der junge Gott wartete nicht erst auf die Erlaubnis des Königs sondern begann sofort zu sprechen. "Wir sind vollkommen eurer Meinung, mein Fürst." Er umrundete mit schnellen Schritten den Tisch, gefolgt von Takuto, bis sie vor Koji zu stehen kamen, der sich wie alle anderen Anwesenden ebenfalls erhob. Nadeshiko machte einen respektvollen Knicks als der König an ihr vorüber schritt und auch Takasaka verbeugte sich leicht.

"Wir danken euch, dass ihr die Zeit gefunden habt, hier mit seiner Majestät zusammenzutreffen, wir wissen das zu schätzen. Gehabt euch wohl, mein Fürst." Er verbeugte sich so tief wie es sein Rücken zuließ und entfernte sich rückwärts, wobei er den Weg für seinen Herrn freimachte.

Takutos Herzschlag hatte wieder ein beachtliches Tempo erreicht und so stand er recht unsicher und nervös vor dem Fürsten. Koji überragte ihm um gut 10 cm und seine Gestalt war um einiges muskulöser. Er kam sich unbedeutend und klein vor, wie er so vor seinem Todfeind stand, der so gar nicht in das Klischee eines Todfeindes passen wollte. Noch immer verwirrte ihn die Schönheit des Fürsten, vor allem seine Augen, in denen er wieder zu versinken drohte. Koji schien die perfekte Verkörperung der Sünde zu sein: wunderschön und dennoch extrem gefährlich. Nur wollte der gefährliche Teil einfach nicht zu Takuto durchdringen. Einen Moment lang hatte er das Gefühl, als gäbe es nur sie beide, weder Katsumi, der sich im Hintergrund bedeutsam räusperte, noch Takasaka, der in gebührendem Abstand zu ihnen stand, noch die anmutige Nadeshiko, noch Kojis Brüder, deren Gesichter immer noch wie eingefroren schienen.

Es kostete ihn viel Kraft, sich vom Blick des Fürsten zu befreien und auf einmal fühlte er sich unglaublich müde. Gerade so konnte er ein beherztes Gähnen unterdrücken und nun wurde ihm vollends bewusst, dass er so schnell wie möglich verschwinden sollte. Er bemühte sich, seiner Stimme soviel Autorität wie möglich zu verleihen und legte sich seine Worte im Geist zurecht, dass er nicht unhöflich, aber auch nicht zu unterwürfig wirkte.

"Ich danke euch für eure Kooperation." Takuto war sich nicht sicher, ob er nun seriös oder wie ein kleiner Schuljunge geklungen hatte, aber da niemand eine belustigte Reaktion zeigte, atme er unhörbar auf. "Lebt wohl, Koji." Glücklich, endlich die Abschiedsworte sprechen zu können, verbeugte er sich - und zuckte in der nächsten Sekunde furchtbar zusammen. Der Fürst verbeugte sich im selben Augenblick, allerdings schräg, so dass sein Kopf neben den des Königs gelangte. Jener war sich nicht sicher, ob dies nun ein dummes Versehen oder eine absichtliche Verunsicherung war, Hirose und Akihito schienen sich ihre Meinung allerdings gebildet zu haben. Sie starrten ihren Bruder spöttisch an und der ältere murmelte leise etwas, was wohl nicht einmal sein Nebenmann verstand. In ihren Augen machte Koji sich gerade lächerlich. Was sollte diese Aktion überhaupt?

Takuto wagte nicht, sich wieder aufzurichten, er war wie gelähmt. Er spürte Kojis Atem an seinem Ohr, fühlte, wie der warme Lufthauch ihn streifte. Dann hörte er, wie ihm diese samtige Stimme leise etwas zuflüsterte, was mit großer Sicherheit nur er verstehen konnte. "Es hat mich gefreut euch kennen zulernen, Izumi. Und vergesst mich nicht..." Diese Worte hatten einen seltsamen Unterton, den Takuto jedoch nicht einordnen konnte. Waren sie bedrohlich oder - verführerisch? Nun vollkommen verwirrt richtete er sich auf und schaute unsicher über seine Schulter zu Katsumi, der nur leicht mit den Schultern zuckte.

Koji lächelte wieder, was ihn vollkommen wie einen Bilderbuch-Engel aussehen ließ, obwohl er ja nun wirklich keiner war. Seine Brüder starrten immernoch eisig abwechselnd auf ihn und auf Takuto, was jenem eisige Schauer den Rücken hinunter jagte. Nadeshiko schien dies zu bemerken und trat zwischen Hirose und Akihito, hakte sich behutsam bei ihnen ein und schob sie sanft aber bestimmt zu ihrem Portal. Katsumi und Takasaka entfernten sich ebenfalls in die jeweilige Richtung, so dass nur noch Koji und Takuto in der Mitte des Raumes neben der großen Tafel standen.

Als bestände eine magische Bindung zwischen ihnen, verharrten beide völlig regungslos, ihre Blicke ineinander verkettet. Der König wollte sich umdrehen und endlich aus diesem verfluchten Saal verschwinden, doch irgendetwas hinderte ihn daran. Seine Gliedmaßen wollten ihm einfach nicht gehorchen und so konnte er sich kein Stück von der Stelle bewegen. Koji lächelte ihn immer noch an, während er sich langsam wieder die schwarzen Lederhandschuhe über die Finger streifte. Er hätte den Blick wohl abwenden können, doch er wollte es gar nicht. Diese braunen Augen waren viel zu schön um nicht hinzusehen.

Katsumi war indes schon an der Tür angelangt und beobachtete, wie Kojis Geschwister durch das Portal auf der anderen Seite nach draußen traten. Takasaka stand ebenfalls wartend am Ausgang, seine Augen auf den Fürsten und Takuto geheftet. Die beiden standen dort als wären sie eingefroren, zu keiner Bewegung mehr fähig. Katsumi konnte sich das nicht erklären, eigentlich sollte der König froh sein, endlich diesen Saal verlassen zu können, schließlich hatte er seinem Todfeind lange genug gegenüber gesessen. Doch er regte sich nicht das kleinste bisschen, was den jungen Gott, der nun ernsthaft genug davon hatte, erheblich aufregte. Natürlich war er der König, aber musste er sich deswegen die Beine in den Bauch stehen? Er entschloss sich, diesem Schauspiel ein Ende zu bereiten.

"Eure Majestät?" Seine leise Frage klang wie ein Paukenschlag in der vollkommenen Stille und so empfand Takuto dies wie einen Schlag in den Magen, er wandte die Augen von Koji ab und verzog erschrocken das Gesicht. Der Fürst war zwar weniger schreckhaft, doch warf er Katsumi einen Blick zu, der eindeutig als zornig interpretiert werden konnte. Aber er sah ein, dass es nun wirklich Zeit war zu gehen, und so lächelte er so charmant wie er nur konnte und ging mit großen Schritten zum Portal, schaute sich noch ein letztes Mal um und trat dann gefolgt von seinem Berater hinaus. Die Eichentür schloss sich und Takuto wurde schlagartig bewusst, dass er und Katsumi die einzigen noch anwesenden waren. Schleunigst ging er zu seinem Freund und dann verließen auch sie den Saal.

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Von Hisaya und den anderen war weit und breit nichts zu sehen, sie schienen sich gleich aus dem Staub gemacht zu haben, so dass Takuto und Katsumi allein durch die alten Gänge schritten. Der König sagte kein Wort und starrte auf den Fußboden, als wäre er an den zerbrochenen Fliesen und dem Moos interessiert. Katsumi war etwas verwundert, aber er wagte nicht, seinen Herrn aus seinen Gedanken zu reißen.

Etwa fünf Minuten gingen sie völlig stumm nebeneinander her, dann überwand Katsumi sich und blickte zu Takuto.

"Wohin gehen wir, eure Majestät? In den Thronsaal? Soll ich vielleicht Eri zu euch rufen lassen...?" Der König zögerte mit der Antwort, er überlegte angestrengt, was er jetzt am besten tun sollte. "N-nein, ich werde einen Spaziergang machen. Und lass mir mein Abendessen in meine Gemächer bringen - ich möchte heute weder Eri noch Hisaya noch sonstjemanden sehen." Er schluckte bei diesen Worten, doch hielt er es für das Beste, die Sache erstmal ein wenig ruhen zu lassen. Am nächsten Morgen wäre er sicher nicht mehr so verwirrt und besorgt...

"Seid ihr sicher, eure Majestät? Keine Audienzen mehr am heutigen Tag?" Katsumi hatte seinen Herrn noch nie so seltsam erlebt, er wirkte nicht nur verwundert, fast schon verstört. Aber er hatte ja auch einen Grund dazu...

"Warum habt ihr mich angelogen?" Plötzlich blieb Takuto stehen und sah seinem Berater direkt in die Augen. Er wollte eine Antwort, doch Katsumi konnte sie ihm nicht geben.

"Es tut mir Leid, eure Majestät... ich habe keine Antwort auf eure Frage..." Er verbeugte sich, als könne er erwarten, dass die Sache damit vom Tisch sei.

"Wie bitte? Du musst doch wohl wissen, warum man mir nicht die Wahrheit gesagt hat? Wieso hat man mir so viele schreckliche Dinge über Ko- den Fürsten erzählt? Warum hat Hisaya mich angelogen?" Seine Stimme wurde lauter, doch auch trauriger, es glitzerte verräterisch in seinen Augen.

"I-ich, ich... Ich weiß es wirklich nicht, eure Majestät. Hisaya hatte immer schon einen Hass auf den Fürsten und-" Takuto unterbrach ihn. "Aber warum??? Warum hat man mir von klein auf solch widerwärtige Dinge erzählt? Verdammt nochmal, er ist kein Monster! Er ist nicht einmal hässlich! Also WARUM???" Er konnte sich nicht mehr beherrschen, seine Stimme war nur noch ein lautes Kreischen und er konnte sich kaum noch gegen die aufsteigenden Tränen wehren.

Sie hatten ihn belogen, alle, niemand war ehrlich zu ihm gewesen, hatte ihm die Wahrheit gesagt. Konnte er überhaupt jemandem vertrauen?

Katsumi hatte ihn belogen, Hisaya hatte ihn belogen... Takuto fühlte sich plötzlich so leer, einsam und verraten, er fühlte sich einfach elend. Katsumi wollte noch etwas sagen, doch der König konnte seine Nähe nicht mehr ertragen und lief los, rannte den Gang hinunter und verschwand hinter der Biegung. Sein Berater machte gar nicht erst den Versuch ihm zu folgen. Sein Herr war schon ohne göttliche Kraft ein hervorragender Läufer und jetzt, wo er seine Macht wieder hatte...

Takuto lief völlig ziellos durch die Gänge, bemerkte nicht, wie er wieder in den neueren Teil des Palastes gelangte, sah nicht die vielen Engel, an denen er vorrüberlief, die er teilweise fast umrannte. Seine Tränen ließen ihm die Sicht verschwimmen, er konnte kaum noch etwas sehen. Sein Körper wurde von einem heftigen Schluchzen geschüttelt, er stolperte mehrmals und verlor letztendlich das Gleichgewicht. Er stürzte zu Boden und blieb auf den weißen Fliesen liegen, wie ein Häufchen Elend. Zum Glück war niemand in der Nähe, denn das Bild, was er darbot, war eines Königs nun wirklich nicht würdig.

Takuto kam sich furchtbar albern vor, wie er da auf dem Boden lag wie ein kleines Kind, doch er konnte sich einfach nicht gegen seine Tränen wehren. Erst jetzt wurde ihm allmählich klar, dass man ihn sein ganzes Leben lang belogen hatte, zumindest was den Fürsten anging. Doch vielleicht waren das nicht die einzigen Lügen? Vielleicht gab es noch viel mehr, vielleicht war sein ganzes Leben eine Lüge? Diese Gedanken machten Takuto fast wahnsinnig, mit letzter Kraft erhob er sich, schaute sich kurz um und realisierte, wo er sich befand. Er war im Kreis gelaufen, er war wieder nahe dem alten Teil des Palastes. Müde und erschöpft schleppte er sich noch zwei Gänge weiter, bis er wieder die alten Fliesen unter seinen Füßen sah, dann ließ er sich in eine Ecke fallen, geradewegs zwischen Moos, Dreck und Spinnweben.

Schluchzend kauerte er sich zusammen, zog seine Beine an sich und umklammerte sie mit beiden Armen. Verbissen versuchte er die Tränen zu unterdrücken, doch schließlich gab er ihnen nach und die salzige Flüssigkeit strömte über seine Wangen. Takuto kam sich noch elender vor, wenn er sich bewusst machte, *wie* elend er gerade aussehen musste.

Das war nun schon sein zweiter, oder vielleicht auch schon dritter emotionaler Kollaps an diesem Tag, er wusste es nicht mehr genau. Warum machte ihm das alles so zu schaffen, er war doch sonst nicht so sensibel?

Etwa zehn Minuten verbrachte er heftig weinend, dann hörte sein Körper allmählich auf zu zittern und ihm liefen einfach nur noch bittere Tränen über die Wangen. Er starrte ins Leere, unfähig einen Gedanken zu fassen.

Nach weiteren zwanzig Minuten versiegten auch seine Tränen, er saß nur noch da und rührte sich nicht, man hätte ihn fast für tot halten können.

Sein Kopf jedoch wurde langsam wieder klarer, das viele Weinen schien ihm seltsamerweise gut getan zu haben. Das viele Nachgrübeln brachte ja doch nichts, er sollte es einfach akzeptieren und nicht weiter darüber nachdenken. Heute würde er sowieso niemanden mehr zu sehen müssen außer seiner Dienerin, die ihm wohl das Essen brächte.

Takuto wischte sich mit der Hand über die Augen, vernichtete die letzten Spuren seines "Zusammenbruchs" und atmete mehrmals tief durch. Er war der König, er war stark und würde sich nicht von solchen Dingen herunterziehen lassen. Schnell erhob er sich, bevor ihm klar werden würde, dass er sich gerade etwas einredete, und ging zurück in den neuen Teil des Palastes, an vielen Untergebenen vorbei, bis er endlich den Garten erreichte. Dort verbrachte er den restlichen Nachmittag, unter Bäumen, zwischen wunderschönen Blumen, und er versuchte mit aller Kraft sich bewusst auf diese Dinge zu konzentrieren, damit ihm nicht mehr die Lügen seiner Vertrauten in den Sinn kamen. Auch an den Fürsten wollte er im Moment nicht denken, also studierte er intensivst die Blüten der ihn umgebenden Blumen, roch an ihnen, prägte sich jedes Detail ein, nur damit er beschäftigt war und nicht nachdenken musste.

Am frühen Abend kehrte er in den Palast zurück und begab sich in seine Gemächer. Er sah fast ein wenig erholt aus, auch wenn ihm nicht klar war, dass das alles nur einer trügerischen Autosuggestion zu verdanken war, die dank seiner göttlichen Kräfte ihre Wirkung nicht verfehlt hatte.

Auf seinem Zimmer nahm er erneut ein ausgiebiges Bad, ließ das warme Wasser seinen Körper umspielen und davontragen in zauberhafte fremde Welten, die noch schöner und vollkommener waren als der Himmel. Er fühlte sich glücklich, dachte nicht an all die Sorgen, die ihn noch vor wenigen Stunden so gequält hatten.

Yuri war auch wirklich die einzige Person, die er an diesem Tag noch zu Gesicht bekam, sie brachte ihm sein Abendessen und ließ ihm schöne Grüße von Katsumi, Serika, Yuugo und Eri ausrichten, was ihn daran erinnerte, dass Hisaya ihm noch nicht verziehen hatte.

Spät am Abend, als der Himmel schon vollkommen schwarz war und Takuto durch seine Zimmerdecke die Sterne sehen konnte, drängten sich ihm die Ereignisse des Tages wieder auf, er erinnerte sich an den Fürsten und ein Schauer lief ihm den Rücken hinunter. Ob es nun ein eisiger oder ein wohliger Schauer war, darüber war er sich nicht im klaren, was ihn ernstlich verunsicherte. Es war ihm sowieso unerklärlich, wieso Koji so eine "Macht" über ihn hatte, wieso er ihm vertraut hatte...

Dieser Blick... Takuto erinnerte sich an die Augen des Fürsten, wie sie ihn angestarrt hatten und jetzt im nachhinein kam es ihm vor, als hätte er tief in sein Innerstes gesehen, als hätten seine Gefühle und Gedanken wie ein offenes Buch vor ihm gelegen und er hätte nur darin lesen müssen. Ihm gefiel diese Vorstellung ganz und gar nicht, aber nun war es ja sowieso vorbei. Wahrscheinlich würde er Koji nie wieder gegenübertreten müssen, was ja nun wirklich etwas erfreuliches war. Schließlich war er sein Todfeind... Doch war er das wirklich? Konnte dieser engelsgleiche Mann wirklich sein Feind sein?

Über diese Frage sinnierte Takuto lange nach, ohne jedoch zu einer befriedigenden Antwort zu kommen. Er wurde in seinen Überlegungen immer wieder unterbrochen, ständig sah er die Augen des Fürsten vor sich, verlor sich in ihnen, obwohl es nur Einbildung war, und musste sich mit aller Kraft von ihnen abwenden. Schließlich sackte sein Kopf langsam nach unten und sein Körper kippte auf dem großen Bett zur Seite - er war eingeschlafen.

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Währendessen lag Koji im seinem Palast noch immer wach, er konnte einfach keine Ruhe finden. Das Gesicht des Königs ging ihm nicht aus dem Kopf, ständig musste er an ihn denken, an seine wunderschönen Augen, die ihm einen Einblick in Takutos Seele gegeben hatten. Er wollte ihn unbedingt wiedersehen, doch er war sich noch nicht im Klaren wie er das anstellen wollte. Schließlich konnte er nicht einfach mal im Himmel vorbeischauen und Hallo sagen. Wahrscheinlich war Takuto froh, dass das Treffen beendet war...

Koji grübelte keineswegs weniger über ihre Zusammenkunft nach als Takuto. Beim Abendessen, das er immer nur mit Nadeshiko und Takasaka einnahm (seine Brüder musste er schließlich schon oft genug sehen), war er völlig geistesabwesend und stocherte nur lustlos auf seinem Teller herum. Auch seine Dienerin Aya hatte er fortgeschickt, als sie ihm wie fast jeden Abend "zur Hand gehen" wollte. Und *das* hatte nun wirklich etwas zu bedeuten, denn Koji war sonst nicht der Typ, der sich eine Gelegenheit zur sexuellen Befriedigung nehmen ließ.

So starrte er nun in die Flamme einer Kerze, die neben seinem Bett stand, und auch in ihr sah er nur das Gesicht des Königs, das ihn schließlich doch noch in den Schlaf finden ließ.

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Takuto wälzte sich in der Nacht ständig von einer Seite auf die andere, murmelte unverständliches vor sich hin, rang mit der Bettdecke und weinte ohne es zu merken. Nicht ein einziges Mal wurde er wach, doch am nächsten Morgen fühlte er sich vollkommen ausgelaugt und erschöpft, als hätte er die ganze Nacht durchgefeiert. Und dabei war doch heute ein Fußballspiel, an dem er eigentlich teilnehmen wollte.

Mit einem herzhaften Gähnen setzte er sich auf und rieb sich verschlafen die Augen. Sein Augen schmerzten leicht und sein Kopf fühlte sich an, als wäre er schwer wie ein Stein und ließe sich kaum auf dem Hals halten.

Als Katsumi ihn wie jeden Morgen wecken wollte, wurde er nur mit einem mürrischen und leicht gereizt klingenden "Morgen" abgespeist, was nun wirklich nicht zu Takuto passte. Er hatte nur sehr selten schlechte Laune, genau wie Serika. Jetzt allerdings war mit ihm nun wirklich nicht gut Kirschen essen und Katsumi verschwand schnell wieder in Richtung Speisesaal.

Auch Yuri hatte nicht mehr Glück als sie ihrem Herrn seine Kleider bringen wollte - sie war noch schneller wieder verschwunden als Katsumi.

Takuto kleidete sich lustlos an, wieder ein weites weißes Hemd aber diesmal zur Abwechslung eine blaue Hose, wieder hauteng geschnitten. Heute kam er sich in dieser körperbetonten Kleidung zum ersten Mal lächerlich vor und im Stillen verfluchte er den Schneider. Seine Schuhe konnte er auch nicht finden und so machte er sich barfuss auf den Weg zum Speisesaal.

Die herrlichen Gerüche, die ihm durch den Türspalt entgegenströmten, besserten seine Laune etwas und Katsumi atmete innerlich auf, als sich ein leichtes Lächeln auf Takutos Gesicht schlich. Allerdings graute dem jungen Gott schon vor dem nun folgenden.

Auf sein Zeichen hin öffneten sich die Türen und die beiden Männer traten die Stufen hinunter, vorbei an den Wächtern. Im innern des Saales war die Tafel reich gedeckt wie immer, allerdings war niemand außer ihnen anwesend. Nachdem Takuto und Katsumi beide Platz genommen hatten, waren die Stühle an den Längsseiten des Tisches unbesetzt, was den König sehr verwunderte und auch ein wenig verärgerte.

"Wo sind die anderen?" Er häufte sich hungrig etwas Salat auf den Teller, blickte aber dennoch erwartungsvoll zu Katsumi. Diesem wurde nun allmählich etwas unwohl.

"Eri verspürte keinerlei Appetit und ließ mir außerdem mitteilen, dass sie sich noch nicht wieder im Stande sehe, mit Hisaya an einem Tisch zu essen. Es wäre noch zu schmerzhaft, für sie beide. Eure Schwester hat sich daraufhin entschlossen, mit ihr einen langen Spaziergang durch die Gärten zu unternehmen, um sie mental wieder etwas aufzubauen. Euer Bruder setzte mich über eine Verabredung auf der Erde in Kenntnis, bedauerlicher Weise hat er versäumt, euch darüber zu informieren" Takuto konnte damit leben, Katsumis Antwort schien ihm plausibel.

Allerdings hatte er jemanden vergessen...

"Und Hisaya?" Katsumi schluckte schwer und räusperte sich. "E-er, ähm, er - er verspürte ebenfalls keinen Appetit." Den letzten Teil des Satzes hastete er geradezu heraus, wofür er sich selbst im Stillen rügte, denn dem König war nicht verborgen geblieben, dass Katsumi gelogen hatte. Schmerzlich kamen ihm nun die Ereignisse des letzten Tages wieder ins Gedächtnis und er entschloss sich, dies zu seinem Vorteil auszunutzen, schließlich wollte er die Wahrheit wissen.

"Du hast mich schon lange genug über den Fürsten angelogen, sag wenigstens jetzt die Wahrheit!" Das hatte gewirkt, Katsumi blickte schuldbewusst zu Boden. Er rang mit sich, doch schließlich hatte er den Befehlen des Königs zu gehorchen. Er räusperte sich und sah Takuto in unsicher in die Augen.

"Wünscht ihr, dass ich euch seinen genauen Wortlaut wiedergebe?" Der König war verwirrt, was sollte diese Frage? Anscheinend hatte Hisaya sich nicht gerade nett ausgedrückt, doch was konnte er schon schlimmes gesagt haben? "Ja, nun sag endlich!" Er schob sich eine Gabel voll Salat in den Mund kaute gewissenhaft darauf herum um die aufsteigende Anspannung und Besorgnis zu unterdrücken.

Katsumi blickte wieder zu Boden. Jetzt musste er es sagen... Er nahm einen Schluck Wasser und räusperte sich erneut, ehe er anfing zu sprechen.

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TEIL 6

"Hisaya sagte, dass er nicht mit einem solch, ähm, verräterischen Bastard an einem Tisch sitzen werde." Takuto blieb der Salat im Hals stecken und er würgte und hustete heftig, um nicht zu ersticken. Tränen schossen ihm in die Augen, ihm wurde schwindlig und er rechnete damit, jeden Augenblick das Bewusstsein zu verlieren. Katsumi sprang besorgt auf und lief an die andere Seite der Tafel, doch Takuto stieß ihn weg.

"Es tut mir Leid, eure Majestät, aber ihr wolltet-" Der König warf ihm einen giftigen Blick zu und ließ ihn verstummen. "Ich weiß, was ich gesagt habe!" Er schrie Katsumi an, verschluckte sich erneut und kämpfte verbissen gegen seine Tränen, die in seinen Augen brannten und ihm die Sicht nahmen. Warum? Warum hatte Hisaya ihm nicht verziehen? Sein Vertrauen war doch begründet gewesen, warum also?

Bastard, so hatte er immer nur Koji genannt... Takuto verspürte einen Stich im Herzen, als ihm bewusst wurde, dass er wahrscheinlich seinen besten Freund verloren hatte.

Schwer atmend krallte er seine Finger in die Tischkante und schloss die Augen. Er wollte nicht schon wieder weinen, das hatte er gestern zur Genüge getan. Verdammt nochmal, er war der verfluchte König und hatte sich auch wie ein solcher zu benehmen. Ohne Hisaya war das Leben doch genauso schön... Diese Einbildung kämpfte gegen die Stimme in seinem Hinterkopf an, die fortwährend "Du hast ihn verloren" schrie und einen hämmernden Schmerz in den Schläfen verursachte.

Etwa fünf Minuten saß er so da, tief ein- und ausatmend, mit geschlossenen Augen. Katsumi kam sich vollkommen hilflos vor, er kannte seinen Herrn so nicht. Gerade wollte er ihn ansprechen, als Takuto urplötzlich die Augen öffnete und eine vollkommen gerade Haltung annahm. Sein Gesicht wirkte wie versteinert, nichts war mehr von den fast geweinten Tränen zu sehen. Katsumi war dies zwar nicht ganz geheuer, aber er fühlte sich etwas erleichtert, dass der König sich nun offensichtlich beruhigt hatte. Er sah nicht, wie sehr Takuto innerlich litt und wieviel Kraft es ihn kostete, diese Maske aufrecht zu erhalten. Zwar redete er sich die ganze Zeit ein, dass das alles nicht so schlimm wäre, doch tief in seinem Herzen wusste er, dass es gelogen war...

Mit einer ungewöhnlichen Bestimmtheit in der Stimme begann Takuto zu sprechen. "Und wie hat Hisaya sich das vorgestellt? Will er von nun an immer allein essen?" Es verwunderte ihn, dass seine Selbstbeherrschung offensichtlich groß genug war, um den bitteren Schmerz in seiner Stimme zu verbergen, denn Katsumi wirkte keineswegs erstaunt über diese Frage. "Ihr sagt es, eure Majestät, er wünscht, ab heute in seinen Gemächern zu speisen. Soll ich ihm eure Erlaubnis überbringen?" Erlaubnis? Ach ja, Takuto hatte völlig vergessen, dass er Hisaya dazu zwingen konnte, mit ihm zusammen zu essen, doch das wollte er nun wirklich nicht. Er könnte es nicht ertragen, seinem ehemals besten Freund gegenüberzusitzen und den Hass zu spüren, den er ihm nun entgegenbrachte.

"Ja, ich erlaube es. Dann nehme ich an, dass er auch nicht am heutigen Fußballspiel teilnehmen wird?" Takuto nahm einen großen Schluck Tee und verbrannte sich daran die Zunge, aber auch dies ließ seinen Gesichtsausdruck vollkommen unverändert. Er hielt die Fassade aufrecht, auch wenn er seinen Schmerz am liebsten laut hinausgeschrien hätte. "So ist es, eure Majestät. Ihr werdet aber teilnehmen, oder?" Katsumi setzte sich wieder auf seinen Platz und begann zu essen, da ihn die Verfassung des Königs ja anscheinend nicht zu beunruhigen brauchte.

"Selbstverständlich, ich sehe keinen Grund das nicht zu tun." Doch, natürlich sah er einen Grund, den Verlust seines besten Freundes, aber er verdrängte diese Tatsache erfolgreich. "Gut." Die restliche Zeit des Frühstücks sprachen sie kein Wort, jeder war mit seinem Essen beschäftigt.

Bevor sie anschließend den Saal verließen, erinnerte Katsumi seinen Herrn noch einmal an den Termin des Fußballspiels, damit er dort auch nicht zu spät erscheinen würde. Takuto nickte nur genervt und begab sich in seine Bibliothek, um sich vielleicht irgendwie abzulenken und die Zeit bis zum Spiel zu verkürzen.

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Koji hatte indessen sein Frühstück ebenfalls beendet, saß nun im Thronsaal auf seinem alles überragenden Platz und rollte genervt mit den Augen, als er seine Brüder eintreten sah.

Sein Thron befand sich auf einem Podest, das über eine Treppe von 15 Stufen zu erreichen war. Er hatte also immer einen vollkommenen Überblick und konnte auf seine Untertanen herunterschauen. Der Saal war ein langgezogener Raum mit hohen Wänden, die mit schwarzem und rotem Samt verkleidet waren, um durch die Farbunterschiede Muster zu gestalten. Die Verzierungen stellten hauptsächlich Dämonen verschiedenster Art dar, Dämonen mit großen, eleganten Schwingen, die die Verführung darstellten und dann auch solche, die an Hässlichkeit kaum noch zu übertreffen waren, mit krummen Gliedmaßen und vernarbter Haut. Koji selbst war nicht dargestellt, wie es sonst üblich war, er hatte dies mit der Begründung abgelehnt, dass er selbst um seine Schönheit wüsste und sie nicht noch an der Wand präsentiert bekommen müsste.

Den Fußboden des langen Saales bildeten schwarze Fliesen, zum Thron führte vom großen Portal an ein breiter, roter Teppich. Erleuchtet wurde alles von unzähligen Kerzen, in Haltern an der Wand und in Ständern im ganzen Raum verteilt. Das Licht hatte ebenfalls eine rötliche Färbung und so waren die vorherrschenden Farben im Thronsaal rot und schwarz.

Der Thron selbst war ein Kunstwerk. Die Sitzfläche war rund, mit einem großen roten Samtkissen darauf. Armlehnen rahmten Koji ein, wenn er darauf saß, diese waren vorne an den Enden mit zwei menschlichen Schädeln bestückt. Niemand wusste, welcher Fürst sie dort angebracht hatte, aber eine Legende der Hölle besagte, dass der an der linken Seite Sokrates, der an der rechten Jeanne D´Arc gehörte. Selbstverständlich war Koji das völlig gleichgültig, ihn störten diese kalten Dinger sowieso immer mehr.

Hinter ihm ragte die Stuhllehne noch gut einen Meter über seinen Kopf hinaus, ebenfalls gespickt mit menschlichen Gebeinen. Man hatte die Knochen höchst kunstvoll angeordnet, sie stellten ebenfalls kleine Bilder dar. Drachen mit riesigen, eleganten Schwingen, die mickrige kleine Ritter mit kümmerlichen Schwertern zu einem Häufchen Asche reduzierten, Löwen, in deren Mähne menschliche Knochen eingeflochten waren, Krokodile, in deren offenen Mäulern ein Opfer steckte. All dies war aus unzähligen kleine Knochen gefertigt worden, viele Dämonen hatten an der Gestaltung des Throns mitgewirkt.

Doch erst Koji verlieh im den letzten Schliff, wenn er majestätisch wie immer darauf saß, die Beine übereinanderschlug, sich mit dem Ellbogen auf eine Armlehne stützte und mit abschätzigem Blick auf die heruntersah, die das Glück hatten, eine Audienz zu bekommen.

Er war wieder vollkommen in schwarz gekleidet: schwarze Stiefel, eine schwarze, enge Hose und einen schwarzen Pullover. Um seinen Hals hing eine lange silberne Kette, daran ein großer Anhänger, der die Zahl "666" darstellte. Koji hasste dieses Ding, es war furchtbar schwer und absolut überflüssig, aber das Gesetz der Hölle verlangte, dass der Fürst während seines Aufenthaltes im Thronsaal dieses alte Zeichen der Macht trug, ebenso wie den Stirnreif mit dem tiefroten Edelstein.

In diesem spiegelten sich Hirose und Akihito wider, die nun den Saal betraten. Koji stönte leicht auf und hätte sie am liebsten sofort wieder hinausbefördert. Er starrte missmutig auf sie hinunter, als sie sich vor den Stufen zum Thron verbeugten und zögerte außerordentlich lange, bevor er ihnen erlaubte, sich wieder zu erheben. Er wollte ihnen klarmachen, wo sie sich in der Hierarchie befanden.

"Was wollt ihr? Müsst ihr mich schon am frühen Morgen mit eurer Anwesenheit belästigen?" Jeder andere, der so mit ihnen gesprochen hätte, wäre sofort ins Verlies geworfen worden, doch Koji war der Fürst, er durfte seine Brüder wie Dreck behandeln, auch wenn er sich nicht oft die Freiheit nahm, es wirklich zu tun. In Hiroses Augen funkelte es wütend, doch er durfte nichts auf diese Beleidigung erwidern. Akihito kniff die Lippen zusammen, doch auch er schwieg.

"Nun? Habt ihr eure Zunge verschluckt? Sagt was ihr wollt oder verschwindet wieder!" Hirose blickte ihm direkt in die Augen, sie starrten sich an, als stellten sie sich innerlich gerade vor, wie man den anderen auf besonders bestialische Art und Weise umbringen könnte. Akihito nickte seinem ältesten Bruder aufmunternd zu, woraufhin dieser zu sprechen begann.

"Wir dachten, da ihr schon so lange kein Chaos mehr angerichtet oder Hass und Zwietracht gesät habt, wäre es nun vielleicht mal wieder an der Zeit. Außerdem möchten wir untertänigst um die Erlaubnis bitten, uns ebenfalls etwas auf der Erde austoben zu können." Akihito fuhr fort. "Es gäbe da die perfekte Gelegenheit: heute findet in den USA dieses riesige Musikfestival statt, da könnte man ohne weiteres-"

"Schweig!" Kojis Lippen waren nur noch ein schmaler Strich und er schrie seinen Bruder in einer Lautstärke an, die es einem in den Ohren klingeln ließ. Akihito sah ihn verständnislos an, ebenso Hirose. Was hatten sie denn nun schon wieder getan?

"Wer hat gesagt, dass ich Hass und Zwietracht säen will? Wer hat gesagt, dass ich massenhaft Leute niedermetzeln will? Was glaubt ihr wer ihr seid, euch die Frechheit herauszunehmen-" Sein Schwall an Beschimpfungen wurde von dem lauten Klopfen am Portal zum Thronsaal unterbrochen, woraufhin er unwillig einhielt.

"Herein" gab er immer noch in einer beträchtlichen Lautstärke zur Antwort, während Hirose sich vor Wut bebend auf die Lippe biss und Akihito seine Fingernägel in den Handflächen vergrub.

Die schweren Türflügel öffneten sich und Takasaka schob sich vorsichtig hindurch. Er trug wieder einen grauen Anzug, in der Hand hatte er eine Aktenmappe aus schwarzen Leder. Als das Portal sich hinter ihm schloss setzte er sich in Bewegung und ging schnellen Schrittes an Kojis Brüdern vorbei zu den Stufen zum Thron und verbeugte sich ordnungsgemäß, wobei ihm seine Brille von der Nase rutschte. Hirose murmelte leise etwas Unverständliches, allerdings war es sehr wahrscheinlich, dass es sich dabei um einen Fluch handelte, schließlich unterbrach dieser hektische Berater ihre Unterhaltung. Andererseits hatten sie sowieso noch keine großen Erfolge verbuchen können, also traten er und Akihito wie auf Kommando mit geheucheltem Respekt zwei Schritte zurück.

Kojis Gesichtszüge entspannten sich merklich, konnte er sich doch jetzt zuerst mit seinem Berater beschäftigen und müsste seine Aufmerksamkeit nicht seinen missratenen Brüdern widmen. Takasaka erhob sich langsam und schaute kurz über seine Schulter zu Hirose und Akihito. Sie waren ihm schon immer bedrohlich erschienen und es behagte ihm ganz und gar nicht, dass er ihnen den Rücken zudrehen musste, auch wenn sie ihn ja wohl kaum vor den Augen des Fürsten umbringen würden. So wandte er sich wieder Koji zu und rückte seine Brille zurecht.

"Takasaka, was hast du mir zu sagen?" Den erfreuten Unterton in Kojis Stimme bemerkten auch Hirose und Akihito, was ihre Laune nicht wirklich verbesserte. Takasaka hingegen lächelte kurz und setzte dann zu einer Antwort an. "Ich habe erfreuliche Neuigkeiten. Mir ist es gelungen, die gewünschten Informationen über Takuto Izumi zu beschaffen." Hirose hob augenblicklich den Kopf und starrte seinen Bruder ungläubig an. Er hatte dem König nachspionieren lassen? Warum zum Teufel?

Koji nahm eine gerade Haltung ein und blickte erwartungsvoll auf seinen Berater hinunter. "Sprich." "Nun gut. Aus sicherer Quelle habe ich erfahren, dass der König dem Fußballspiel sehr zugeneigt ist und viel Zeit auf der Erde verbringt, um am Training und an den Spielen teilzunehmen. Er ist Mitglied in einem japanischen Verein in Tokyo, selbstverständlich hat niemand die leiseste Ahnung, wer er wirklich ist. Hisaya Kunihide, Eris Verlobter, spielt dort übrigens ebenfalls." Takasaka öffnete nun die Aktenmappe und zog ein Blatt Papier heraus, was anscheinend eine Art Flugblatt oder Plakat war.

"War das alles?" Koji erwartete mehr, seine Stimme hatte einen missmutigen Unterton.

"Nein, keinesfalls mein Fürst. Heute nachmittag findet ein Fußballspiel statt, an dem auch Takuto Izumi teilnehmen wird. Hier steht es." Er hielt dem Fürsten mit ausgestrecktem Arm das Plakat entgegen und als dieser aufmunternd nickte, stieg er schnell die Stufen zum Thron hinauf, um es ihm zu übergeben. Koji studierte das Plakat eingehend, es wurden Ort und Zeit genannt, ebenso wurde Takuto als herausragender Spieler gesondert erwähnt. Narren, da kannten sie seinen Namen und kamen nicht auf die Idee, dass er es wirklich sein könnte. Wahrscheinlich dachten sie, seine Eltern wären sehr religiös und hätten ihm deshalb den Namen des höchsten Gottes gegeben.

"Sehr gut, Takasaka, ich danke dir. Du kannst gehen." Sein Berater verbeugte sich, stieg die Stufen wieder herab und verließ auf direktem Weg den Thronsaal, machte nur eine angedeutete Verbeugung gegenüber Hirose und Akihito. Diese standen immer noch wie angewurzelt da und starrten Koji ungläubig an. Warum in aller Welt hatte er mehr über den König wissen wollen? Er war der Feind - oder wollte er ihn vielleicht umbringen? Der Fürst las den Text des Plakates immer und immer wieder, als würden sich ihm dadurch neue Erkenntnisse offenbaren. Erst als Hirose sich unüberhörbar räusperte, hob er den Kopf. "Ja?" Sein Bruder trat einen Schritt vor. "Darf ich mir die Frage erlauben, warum ihr Takasaka beauftragt habt, dem König nachzuspionieren?" Kojis Lächeln, was sich während der letzten Minute auf seinem Gesicht ausgebreitet hatte, wich nun wieder dem emontionslos kalten Ausdruck, der für ihn so charakteristisch war. "Nein, du darfst sie dir nicht erlauben. Außerdem habe ich nicht spionieren lassen, ich wollte nur etwas mehr wissen." Akihito trat nun ebenfalls vor.

"Aber wenn es eine Taktik ist, um den König letztendlich zu töten, dann-" Koji sprang auf und in seinen Augen blitzte es gefährlich. "Niemand hat dich nach deiner Meinung gefragt! Niemand hat gesagt, dass ich beabsichtige Izumi zu töten! Und außerdem bin ich euch keinerlei Rechenschaft schuldig! Und jetzt raus! Kommt mir heute nicht mehr unter die Augen, oder ich vergesse mich!" Seine Stimme schwoll wieder bedrohlich laut an, so dass Hirose und Akihito es vorzogen, nach einer schnellen Verbeugung schleunigst den Thronsaal zu verlassen, wobei der ältere seine Hände zu Fäusten geballt hatte und sich innerlich vorstellte, wie er Koji langsam und schmerzhaft die Kehle durchschnitt. Akihito zitterte und der ohnehin immer leicht wahnsinnige Ausdruck in seinen Augen war nun besonders stark. Koji hingegen wandte sich nun zufrieden wieder der ´Lektüre´ des Plakates zu, das so viel ändern sollte...

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Izumi hatte sich den ganzen Vormittag in der Bibliothek aufgehalten, ein paar Seiten in diversen Büchern gelesen, sie dann wieder gelangweilt zurück ins Regal gestellt. Irgendwie musste er sich beschäftigen, damit er nicht ständig über Hisaya nachdachte. Schließlich stellte er sich mitten in den riesigen Raum, der kreisförmig gebaut worden war, und begann Schattenboxen zu üben. Immer mehr steigerte er sich hinein, entledigte sich nach kurzer Zeit des störenden Hemdes und trat und schlug immer wilder nach imaginären Gegnern, die von allen Seiten auf

ihn einzuströmen schienen. Der Schweiß lief in Strömen an ihm herunter, als er endlich einhielt. Nun wurde ihm bewusst, dass er heute nachmittag ein Fußballspiel zu gewinnen hatte und es wohl keine gute Strategie war, sich schon vorher völlig zu verausgaben. Erschöpft ließ er sich auf den Boden fallen und atmete tief durch. Seine Gedanken hatte er durch die körperliche Anstrengung ablenken können, aber nun drehten sie sich wieder immer nur um das eine: Hisaya. Ein Kloß breitete sich in seiner Kehle aus und er fühlte, wie Tränen in seinen Augen brannten. Er hatte seinen besten Freund verloren... Diese wieder in Erinnerung gerufene Erkenntnis drohte ihn zu überwältigen, ihm jegliche Kraft zu rauben und ihn zusammensinken zu lassen wie eine Puppe ohne Rückgrat.

Diesmal jedoch gewann er den Kampf gegen den Schmerz, immer wieder sagte er sich, dass alles in Ordnung sei, ohne Hisayas Unterstützung und aufmunternde Worte kam er genauso gut klar, schließlich war er kein kleines Kind mehr. Außerdem war da immer noch Katsumi, der ja auch mehr Freund als Berater war. Er konzentrierte all seine Macht darauf die Tränen zurückzutreiben, was ihm letztendlich auch gelang. Seine eingebildete Selbstsicherheit gab ihm neue Kraft, er fühlte sich mächtig und erwachsen, wie ein wirklicher König.

Dies strahlte er auch aus, als er durch den Palast zu seinen Gemächern lief, um eine erfrischende Dusche zu nehmen. Sein Mittagessen nahm er im Garten ein, umgeben von Blumen, Bäumen und Schmetterlingen, in einer wahren Idylle. So in seine Selbsttäuschung vertieft wurde langsam die Erinnerung an die Zusammenbrüche des letzten Tages überdeckt und als Katsumi ihn schließlich abholte um ihn zum Spiel zu bringen, empfing ihn ein strahlender Takuto, der so gar nichts mehr mit dem unsicheren kleinen Jungen von gestern zu tun haben wollte.

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Sie teleportierten sich in eine Seitenstraße, nahe des Platzes, auf dem das Spiel stattfinden würde. Auf dem Weg dorthin pfiff Takuto eine fröhliche Melodie und Katsumi wurde langsam von der guten Laune seines Herrn angesteckt. Der König war extrem motiviert und strotzte nur so von Energie. Das heutige Spiel war schon so gut wie gewonnen...

Auch Takutos Mitspieler wurden von seiner Motivation angesteckt, beim Umziehen wurde gelacht und gealbert wie lange nicht mehr. Niemand war angespannt angesichts des bevorstehenden Spieles und der König verlor keinen Gedanken mehr an Hisaya oder Koji.

Als sich beide Mannschaften am Rande des Platzes aufwärmten, waren schon viele Zuschauer anwesend,die Plakate hatten anscheinend Interesse geweckt. Die Spieler waren motiviert wie noch nie und genossen die Blicke, die auf ihnen ruhten. Alle - bis auf Takuto. Seine gute Laune wich allmählich einem seltsam beklemmenden Gefühl, es kam ihm vor, als würde er von jemandem beobachtet. Selbstverständlich war Katsumi ebenfalls unter den Zuschauern, er konnte ihn hinter der Umzäunung stehen sehen. Doch dieses bedrückende Gefühl hatte seinen Ursprung nicht bei seinem Berater, es war etwas anderes. Takuto blickte ständig umher, während er sich dehnte und streckte, seine Augen flogen immer wieder über die Zuschauer, doch er konnte nichts entdecken, was dieses Gefühl erklärt hätte. Ein leichter Schauer lief seinen Rücken herunter und er bekam eine Gänsehaut. Seine Mitspieler schienen nichts derartiges zu bemerken, sie bereiteten sich mental auf das Spiel vor. Auch Takuto versuchte sich nun darauf zu konzentrieren, doch dieses leicht beklemmende Gefühl wollte einfach nicht ganz verschwinden.

Schließlich, nach dem Einmarschieren und Vorstellen der beiden Mannschaften, ging es endlich los. Der König war voll in seinem Element, jagte dem Ball hinterher wie ein Berserker und hatte alle Hände voll damit zu tun, den Schikanen der gegnerischen Mannschaft auszuweichen. Diese hatte inzwischen schon bemerkt, dass die größte Gefahr von Takuto ausging und setzte alles daran, ihn vom Ball fernzuhalten.

Nach der ersten Halbzeit war das linke Knie des Königs aufgeschrammt, an seinem Schienbein würde sich ein blauer Fleck von beträchtlicher Größe bilden, sein rechter Arm schmerzte und seine Lippe blutete. Von denen etlichen anderen kleinen Blessuren ganz zu schweigen. Katsumi beobachtete seinen Herrn etwas besorgt, doch da dieser sich wohl zu fühlen schien - immerhin hatte er es doch noch geschafft ein Tor zu schießen - verdrängte er diese Zweifel. Als er jedoch plötzlich zur anderen Seite des Platzes sah, stockte ihm der Atem und seine Augen weiteten sich. Erschrocken schaute er erst zu Takuto und dann wieder zur anderen Seite, doch das Bild hatte sich nicht verändert. Sein Herz schlug allmählich schneller und angstvoll hörte er, wie nun die zweite Halbzeit angepfiffen wurde.

Als die Mannschaften wieder auf den Platz traten, rollte eine unsichtbare Welle der Macht durch Takuto hindurch. Ängstlich drehte er seinen Kopf in alle Richtungen, versuchte die Quelle dieser enormen Kraft auszumachen, doch es gelang ihm nicht. Er sah nur viele unbekannte, menschliche Gesichter, nichts, dass eine solch starke Aura haben könnte. Sein Puls ging schneller und als das Spiel wieder in vollem Gange war, wirkte er leicht abwesend, auch wenn er sich redlich bemühte, sich auf den Ball zu konzentrieren. Seine Beine liefen wie von selbst, als wären sie nur eine Maschine, die man unter ihn montiert hätte, die gar nicht zu ihm gehörte. Er drehte immer noch ständig den Kopf, denn die Macht, die er spürte, wurde stärker, intensiver - bedrohlicher. Undeutlich hörte er, wie ihm jemand zurief, er solle sich mehr konzentrieren, doch dazu war er nicht mehr wirklich in der Lage.

Fast verstört suchte er mit den Augen abermals die Reihen der Zuschauer ab, sah jedoch nur Menschen, die dem Spiel mit größter Aufmerksamkeit folgten. Dann fiel sein Blick auf Katsumi, der anscheinend zu jemandem oder etwas auf der entgegengesetzten Seite des Platzes sah. Takuto drehte seinen Kopf in die gleiche Richtung- und erstarrte. Dort, hinter der Umzäunung, stand der Fürst, mit langem schwarzen Mantel und wehenden, silbernen Haaren. Er blickte ihm direkt in die Augen und der König war nicht mehr in der Lage, sich zu bewegen. Abrupt blieb er auf dem Spielfeld stehen, ein anderer Spieler konnte gerade noch ausweichen, um nicht in ihn hineinzurennen. Alle Geräusche um ihn herum wurden leiser, vereinten sich zu einem undeutlichen Brei aus Stimmen und verstummten schließlich ganz. Das einzige, was er noch hörte, war sein eigener Herzschlag und das Atmen Kojis. Wieso hörte er ihn atmen? Und wieso konnte er seine Augen ganz genau erkennen, obwohl er doch ein gutes Stück entfernt von ihm stand? Und vor allem: warum hatte er ihn vorher nicht bemerkt?

Nun verblassten auch die Menschen um sie herum, alle Farben verschmolzen zu einem weißlichen Nebel, in dem er nur Koji erkennen konnte. Der Fürst sah ihm immer noch direkt in die Augen, sein Blick hielt ihn fest. Takutos Herz schlug ihm bis zum Hals, er war wie gelähmt und sein Gehirn schien wegen akutem Eindrucksüberschuss ausgesetzt zu haben. Für ihn existierte nur noch Koji, er vergaß, wer er selbst war, vergaß seinen Namen und sein Leben - Takuto versank in Kojis unendlich blauen Augen.

Völlig hypnotisiert bemerkte er weder die lauten Rufe seiner Mitspieler oder das fast schon hysterische Gekreische Katsumis, der langsam um das Leben seines Herrn fürchtete, noch den Ball, der nun mit voller Geschwindigkeit auf ihn zugeschossen kam...

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TEIL 7

Takuto spürte plötzlich einen dumpfen Aufprall an der Schläfe, der ihm seltsamerweise keine Schmerzen verursachte, von dessen Wucht er aber zur Seite taumelte. Langsam begann sich alles um ihn herum zu drehen, der Nebel wirbelte um ihn und er versuchte verzweifelt, den Fürsten in diesem Chaos auszumachen. Er sah noch, wie Koji mit erschrocken aufgerissenen Augen die Hand nach ihm ausstreckte, dann gaben seine Beine unter ihm nach. Noch bevor er auf dem Rasen aufschlug wurde ihm vollkommen schwarz vor Augen und er verlor das Bewusstsein.

Katsumi stieß einen entsetzten Schrei aus und rannte sofort los um seinem Herrn zu Hilfe zu eilen. Koji schaute geschockt auf Takuto und wollte zu ihm laufen, doch er hielt in der Bewegung inne. Aus den Augenwinkeln konnte er bereits den Berater des Königs heranstürmen sehen, also genoss er nur noch einen kurzen Moment den Anblick des jungen Gottes, der selbst jetzt, bewusstlos auf dem Gras, unglaublich schön aussah. Als auch noch Takutos Mitspieler und die Sanitäter näherkamen zog Koji es vor, schnellstmöglich den Platz zu verlassen.

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Takuto öffnete fast wie in Zeitlupe die Augen, es kostete ihn enorm viel Kraft. Um ihn herum war es dennoch vollkommen dunkel, er konnte absolut nichts sehen. Vorsichtig richtete er sich auf, ohne Orientierung ins Dunkel starrend. Sein Kopf fühlte sich an, als hätte man ihn durch den Fleischwolf gedreht, doch viel schlimmer war das Unvermögen, seine Umgebung zu erkennen.

Langsam streckte er seine rechte Hand aus, ließ sie tastend über den Boden fahren. Er spürte eine rauhe und kalte Oberfläche, wahrscheinlich handelte es sich um Stein. Takuto stand nun vorsichtig auf, denn im Sitzen kam er sich noch hilfloser vor, als er es ohnehin war. Unsicher wie ein kleines Kind stand er inmitten der Dunkelheit, die kein Licht und keinen Laut zu ihm dringen ließ, nicht mal einen bestimmten Geruch konnte er ausmachen. Ängstlich schlang er die Arme um seinen Körper, versuchte verzweifelt, mit den Augen die unendliche Schwärze zu durchdringen, irgendwo einen Lichtschein auszumachen. Doch die Dunkelheit war unbezwingbar, schien ihn zu bedrängen.

Takuto atmete schwer, auf seiner Stirn standen kleine Schweißperlen und ihm wurde abwechselnd heiß und kalt. Er litt eigentlich nicht unter Claustrophobie, doch diese Schwärze ängstigte ihn zutiefst. Nervös drehte er den Kopf in alle möglichen Richtungen, doch es war überall einfach nur schwarz. Wo war er? Warum half ihm niemand hier heraus?

Der König begann zu zittern, sein Körper kämpfte gegen einen Angstanfall, wie er ihn schon vor dem Treffen mit dem Fürsten erlitten hatte. Seine Muskeln verkrampften sich und er starrte verzweifelt in die Dunkelheit, die sich doch nicht veränderte. Eine Welle der Angst stieg in ihm auf, schnürte ihm die Kehle zu und machte das Atmen fast unmöglich. Eine Träne rollte seine Wange herunter, er glaubte ersticken zu müssen.

Plötzlich spürte er eine Hand auf seiner Schulter. Ruckartig drehte er sich um, verlor beinahe das Gleichgewicht und starrte in Todesangst in die Dunkelheit. Dort flammte in einiger Entfernung ein kleines, rotes Licht auf, es prasselte wie ein normales Feuer. Takuto starrte auf die Flamme, die den Raum in einem kleinen Umkreis erleuchtete. Der Boden war aus Stein, wie er vermutet hatte, doch ansonsten konnte er nichts erkennen. Er sah weder eine Decke, noch Wände oder sonst etwas, was ihm zur Orientierung hätte dienen können.

Allmählich wuchs das Feuer und es schien sich auf Takuto zuzubewegen, was diesen dazu veranlasste, einen Schritt rückwärts zu machen. Seine Augen starrten weiterhin auf die Flamme, die nun schon ein beträchtliches Ausmaß erreicht hatte und immer näher kam. Er ging weiter rückwärts, doch dies brachte ihm keinen Distanzgewinn ein. Sein Herz schlug schneller und sein einziger Wunsch war es, dass irgendjemand dieses Feuer aufhielt.

Auf einmal zuckte ein Blitz quer durch die Dunkelheit, so hell, dass Takuto die Augen schloss, um nicht geblendet zu werden. Er hörte, dass etwas getroffen wurde, dann wagte er wieder hinzusehen. Doch was er jetzt erblickte, ließ ihm den Atem stocken und augenblicklich war sein Bewusstsein nur noch auf den Überlebenswillen reduziert. Das Feuer war zu einer riesigen Flammenwand angewachsen, die sich in erschreckend schnellem Tempo auf ihn zubewegte und eine ungeheure Hitze verströmte.

Takuto drehte sich um und begann zu laufen, schaute immer wieder über seine Schulter zurück. Doch die Flammen verfolgten ihn, jagten ihn vor sich her, ohne dass er wusste, wohin er überhaupt lief. Plötzlich blieb er mit dem Fuß an etwas hängen, verlor das Gleichgewicht und fiel vornüber, landete hart auf dem kalten Steinboden. Dabei verdrehte er sich den Fuß, ein stechender Schmerz zuckte durch seinen Knöchel. Der Versuch aufzustehen scheiterte kläglich, Takuto kam nicht von der Stelle. In seinen Augen spiegelte sich das Feuer, als er sich nun mit aufgestützen Ellenbogen auf den Rücken drehte und seinem vermeintlichen Tod entgegenstarrte.

Die Hitze war kaum noch zu ertragen, als er wie gelähmt die Flammenwand auf sich zurollen sah. Tränen strömten über seine Wangen, ein gequältes Schluchzen drang aus seiner Kehle und wuchs zu einem letzten verzweifelten Schrei an, als das Feuer ihn schließlich erreichte und mit einer unglaublichen Kraft durch ihn hindurchfuhr. Doch der Schmerz verschwand urplötzlich, und wich einer wundervollen Geborgenheit, als würde ihn jemand umarmen... und ihm dann doch einen Dolch ins Herz stoßen!

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Mit einen lauten Schrei öffnete Takuto die Augen, richtete sich im gleichen Moment auf und blickte direkt in Katsumis Gesicht, welches ihn halb erfreut, halb besorgt anschaute. "Eure Majestät?" Der junge Gott versuchte erst gar nicht, die Sorge in seiner Stimme zu unterdrücken, und sah seinem Herrn direkt in die Augen. "Das Feuer, das Feuer..." stammelte Takuto, und krallte sich mit den Händen in die Trage, auf der er lag.

"Welches Feuer? Hier war kein Feuer, eure Majestät." Katsumis Gesichtsausdruck war nun eindeutig ängstlich und nicht mehr erfreut. "Ihr wurdet vom Ball am Kopf getroffen und seid ohnmächtig geworden, erinnert ihr euch? Wahrscheinlich habt ihr während der Bewusstlosigkeit geträumt..." Ja, Takuto erinnerte sich allmählich. Erst jetzt bemerkte er, dass er sich am Rande des Spielfeldes befand, umgeben von Sanitätern, die ihn von den neugierigen Fans abschirmten. Nun drangen auch die lauten Siegeshymnen an sein Ohr, die in furchtbar falscher Tonlage von seinen Mitspielern gesungen wurden. Er sah sie in der Mitte des Platzes, sie umarmten sich und zeigten immer wieder wie kleine Kinder auf die Spieltafel, die das Ergebnis verkündete: 1:0 für Takutos Mannschaft. Sein Tor hatte also den Sieg gebracht.

"Wir haben gewonnen?"

"Ja, eure Mannschaft hat gewonnen, eure Majestät. Aber ruht euch besser noch etwas aus, ihr habt bestimmt eine Gehirnerschütterung." Sanft drückte Katsumi seinen Herrn auf die Trage zurück. "Aber ich kann doch gar keine Gehirnerschütterung-" erwiderte Takuto, allerdings noch viel zu schwach um irgendetwas gegen Katsumi auszurichten. "Ihr hattet keinerlei Schutz, ihr wart wie in Trance, da könnt ihr sehr wohl eine Gehirnerschütterung haben, eure Majestät."

In Takutos Kopf breitete sich langsam ein pochender Schmerz aus, der seinen Ursprung an der Stelle des Aufpralls hatte. Er legte seine Finger an die Schläfen, während er in den Himmel starrte. Seine Kräfte waren noch nicht zurückgekehrt, er konnte den Palast nicht sehen, was ihn beunruhigte. Auch Katsumi schien diese Sorge zu teilen, doch ihn verwunderte noch etwas anderes.

"Ich kann mir nicht erklären, wie ihr so lange bewusstlos sein konntet, eure Majestät. Normalerweise hätte euch eure eigene Macht sofort wieder aufwachen lassen müssen, doch es geschah nichts. Auch ich konnte mit meinen Kräften nichts ausrichten, es ist mir absolut unerklärlich." Takuto zog überrascht die Augenbrauen hoch. "Wie lange war ich denn bewusstlos?"

"Länger als 20 Minuten, was für einen Gott eigentlich völlig unmöglich ist." Der König schluckte. Er war 20 Minuten bewusstlos gewesen?

Einerseits war er schockiert von der Tatsache, dass er so lange wie tot auf dem Rasen gelegen hatte, andererseits hatte sich diese Zeitspanne viel länger angefühlt. Ihm war es erschienen, als hätte er mehrere Stunden im Traum in dieser furchtbaren Dunkelheit zugebracht. Nun, da seine Gedanken erneut zu seinem Albtraum gelenkt wurden, kam auch die restliche Erinnerung wieder zurück.

"Der Fürst... er war hier... richtig?" Takuto schaute seinem Berater direkt in die Augen, was diesen unsicher machte. "Ja, eure Majestät." Katsumi fühlte sich nie wohl, wenn er ausgefragt wurde, und anscheinend würde es darauf hinauslaufen. Noch unwohler fühlte er sich allerdings, weil er keine Erklärung hatte. "Warum?" "Ich weiß es nicht, eure Majestät. Es ist mir völlig unverständlich, warum der Fürst hier aufgetaucht ist. Doch es war offensichtlich, dass es wegen euch war."

Takutos Augen wurden größer und er wollte sich aufsetzen, doch Katsumi hielt in davon ab. "Wegen mir?" Sein Gegenüber nickte. "Er starrte euch die ganze Zeit an. Zumindest ab dem Zeitpunkt, ab dem ich ihn bemerkt hatte. Ich befürchte, er hat euch hypnotisiert, denn bevor euch der Ball traf, habt ihr ihn ebenfalls angeschaut, wenn ich mich nicht irre. Ihr habt nichts wahrgenommen, nicht die Rufe der anderen Spieler und auch nicht meine. Als wärt ihr in einer anderen Welt gewesen." Der König wandte den Blick ab und starrte gedankenverloren aufs Gras. Warum war er gekommen? Was wollte er? Und warum hatte er so eine Macht über ihn?

"Eure Majestät?" Katsumi holte seinen Herrn wieder in die Realität zurück.

"Ja?"

"Möchtet ihr euch hier noch ein wenig ausruhen, oder sollen wir in den Palast zurückkehren?" Takuto richtete sich ein wenig auf, stützte sich auf die Ellenbogen und blickte umher. Er sah die Spieler beider Mannschaften, die einen niedergeschlagen, die anderen vergnügt jubelnd. Er sah auch die Zuschauer, die mit ihrer Laune dem Beispiel ihrer favorisierten Mannschaft folgten. Doch den Fürsten erblickte er nirgends.

"Ist er... weg?" Katsumi schaute etwas verständnislos und unsicher drein. "Er...?" Dann jedoch dämmerte es. "Achso, ihr meint den Fürsten. Ja, er ist verschwunden, kurz nachdem ihr das Bewusstsein verloren habt. Dabei war er doch genaugenommen dafür verantwortlich." Takuto bereitete diese Erkenntnis weitere Kopfschmerzen und zum ersten Mal fühlte er Abscheu gegenüber den Menschen. Er wollte fort von ihnen, ihre Anwesenheit schmerzte ihn.

"Ich will in den Palast, sofort!" Katsumi zuckte ob dieser plötzlichen Entschlossenheit zusammen, erhob sich dann und reichte seinem Herrn vorsichtig beide Hände. "Seid vorsichtig, ihr seid noch schwach." In unglaublich langsamem Tempo nahm Takuto die ihm dargebotene Hilfe an, hievte sich mit Katsumis Hilfe auf die Beine und stützte sich dann auf ihn. Die Sanitäter ließen die beiden nur unwillig gehen, aber mit ein wenig göttlicher Überredunskunst war auch das kein lange währendes Hindernis. Sie teleportierten sich von der gleichen Seitenstraße aus zurück, in der sie auch angekommen waren.

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Im Palast verlor keiner der beiden ein Wort über das Vergefallene, Takuto wurde schnell in seine Gemächer gebracht und Katsumi wies alle Fragen höflich aber bestimmt ab. Auch an diesem Tag nahm der König sein Abendessen wieder allein ein, auch an diesem Tag war genaugenommen Koji der Grund dafür. Doch heute fragte auch niemand nach ihm, weder Serika, noch Yuugo, noch Eri und erst recht nicht Hisaya. So saß Takuto dann abends allein auf seinem Zimmer und stocherte lustlos in einem Berg Nudeln herum. Seine Gedanken kreisten selbstverständlich die ganze Zeit nur um Koji, er sah ihn immer wieder vor sich, wie er mit wehenden Haaren hinter der Umzäunung stand und kurz vor seiner Bewusstlosigkeit die Hand nach ihm ausstreckte. Es wollte einfach nicht in Takutos Schädel, dass dieser Mann, der anscheinend wegen ihm auf die Erde gekommen war, sein Todfeind sein sollte. Er hatte erschrocken ausgesehen, nachdem der Ball ihn getroffen hatte, und wer macht sich schon Gedanken um seinen Todfeind? Dadurch, dass er die ganze Zeit über Koji nachdachte, fand der schmerzliche Verlust Hisayas keinen Einlass in seine Gedanken, doch auch so war er verwirrt genug. Es war ja nicht nur der Fürst, der Traum machte ihm ebenso zu schaffen. Hatte das irgendetwas zu bedeuten? Oder war es einfach nur ein grauenvoller Albtraum?

Er fand keine Antwort darauf, grübelte im Liegen darüber nach, während der Himmel schon längst schwarz war und der Tag sich in eine sternenklare Nacht verwandelt hatte. Es dauerte lange, bis er endlich in einen unruhigen Schlaf gefunden hatte, er drehte sich von einer Seite auf die andere, krallte sich verkrampft in sein Kopfkissen murmelte leise vor sich hin.

Der Traum suchte ihn erneut heim und die beenge Dunkelheit hatte nichts von ihrem Schrecken verloren. Wieder spürte er eine Hand auf seiner Schulter, wieder entzündete sich wie aus dem nichts eine Flamme, die schließlich zu einer Flammenwand anwuchs und ihn überrollte. Mit einem gequälten Schrei wachte er auf, seine verschwitzten Haare hingen in sein Gesicht und seine Fingernägel hatten deutliche Spuren in seinen Handinnenflächen hinterlassen.

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Koji lag derweil schlaflos in seinem riesigen Bett, eine weitere Nacht ohne weibliche Gesellschaft. Er hatte das Angebot seiner Dienerin erneut ausgeschlagen, er war einfach nicht in der Stimmung. Immer wieder sah er, wie Takuto das Bewusstsein verlor und auf den Rasen stürzte. In Gedanken lief er zu ihm, weckte ihn wieder auf. Doch er hatte er nicht getan, er war einfach verschwunden und im Nachhinein kam er sich wie ein elender Feigling vor. Was sollte er jetzt tun? Er war daran Schuld, dass den König ein Ball getroffen hatte, er musste sich irgendwie bei ihm entschuldigen. Aber wie? Und wo? Ein Gedanke schoss durch seinen Kopf, und so stand er mitten in der Nacht auf und holte Takasaka unsanft aus den Federn, um ihn in seine Pläne einzuweihen.

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Takuto sah am nächsten Morgen wirklich furchtbar aus. Er hatte tiefe Ringe unter den Augen und war unglaublich blass, den bronzenen Ton seiner Haut konnte man nur noch erahnen. Katsumi erschrak merklich, als er das Zimmer betrat um ihn zu wecken. Doch der König verlor kein Wort über seine furchtbare Nacht, erzählte nicht vom erneuten Traum und auch nicht von der Angst vorm Wiedereinschlafen, so dass er fast den ganzen Rest der Nacht wachgelegen hatte. Katsumi bekam nur ein unfreundliches "Morgen" zu hören, bevor er wieder hinausgeschickt wurde.

Das Frühstück nahm Takuto heute immerhin schon in mehr Gesellschaft ein, seine Geschwister saßen wieder mit am Tisch, und auch sie waren sichtlich besorgt über seinen Zustand. Doch jegliche Nachfragen hatten nur eine Demonstration des Königs schlechter Laune zur Folge, und so wurden die Versuche zum Beginn einer Konversation bald abgebrochen. Takuto teilte Katsumi lediglich mit, dass er erst morgen wieder zum Fußballtraining gehen werde, dann verschwand er auch schon ohne ein weiteres Wort aus dem Saal.

Den Rest des Tages verbrachte er abwechselnd im Garten und in seinen Gemächern, wo er von Zeit zu Zeit ein wenig Schlaf suchte, den er jedoch nicht fand. Und er grübelte weiterhin darüber nach, warum der Fürst zum Fußballspiel gekommen war und was wohl dieser furchtbare Traum zu bedeuten hatte.

Auch die beiden anderen Mahlzeiten des Tages wurden in fast völliger Stille abgehalten, was Katsumi sichtlich beunruhigte. Serika startete noch ein paar kleine Versuche ihren Bruder zum Reden zu bewegen, doch sie scheiterte kläglich. Niemand bemerkte, dass Takutos schlechte Laune eigentlich nur ein Schutzschild war, damit niemand merkte, wie verunsichert und verwirrt er war.

Am Abend lag er wieder noch lange wach und schaute durch die gläserne Decke auf die Sterne, wünschte sich, er könnte in die unendliche Weite hinausfliegen, doch das war selbst Göttern nicht vergönnt.

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In dieser Nacht schlief er außergewöhnlich gut, kein Albtraum, der ihn schweigebadet aufwachen ließ, keine anderen Störungen, so dass er am Morgen relativ gut gelaunt, so schien es zumindest, beim Frühstück erschien.

Den Vormittag verbrachte er heute in der Bibliothek, seit langem hatte er kein Buch mehr gelesen. Nun vertiefte er sich in einen Liebesroman, der ihn von seinen Sorgen ablenkte. Die Stunden vergingen wie im Fluge und ehe er sich versah war schon die Zeit fürs Training gekommen und er teleportierte sich auf die Erde. Katsumis Angebot ihn zu begleiten hatte er abgelehnt, er konnte gut darauf verzichten, auf Schritt und Tritt beobachtet zu werden.

Nach den besorgten Fragen seiner Mitspieler nach seinem Zustand freuten sich alle erneut über ihren Sieg und trugen Takuto auf Händen über den Spielplatz, da sie das ja noch nicht getan hatten. Das Training selbst war das, wonach sich der König gesehnt hatte, sein Temperament erwachte wieder und er wuchs über sich hinaus.

Er blieb nach dem eigentlichen Ende noch allein auf dem Platz, schoss Bälle aufs Tor und übte ein paar ausgefeilte Techniken, die nur er beherrschte. Sein Trikot klebte ihm eng am Körper, als er sich verschwitzt auf den Boden fallen ließ und zufrieden lächelte. So sah für ihn ein gelungener Tag aus. Im Umkleideraum war selbstverständlich niemand mehr, was ihn auch freute, denn seine Mitspieler konnten manchmal schon wirklich nervig werden, wenn sie ihre so penetrant obszönen Witze machten und Takuto sich völlig fehl am Platz vorkam.

Doch so ließ er sich glücklich auf eine der Bänke fallen und entledigte sich fast schon bedächtig seines Schuhwerks. Strümpfe trug er heute nicht, es war zu heiß. Trotz der fortgeschrittenen Zeit brannte draußen noch immer die Sonne vom Himmel, was ihm zusätzlichen Schweiß auf die Stirn getrieben hatte.

Als wäre es eine Art Ritual zog er langsam sein Handtuch aus der Sporttasche, zusammen mit einer großen Flasche Duschgel. Er nahm einen großen Schluck aus seiner Wasserflasche, bevor er sich das verschwitzte Shirt über den Kopf zog und es achtlos auf den Boden fallen ließ.

Einen Moment lang betrachtete er sich im Spiegel an der Wand, musterte seinen Oberkörper, beobachtete, wie kleine Schweißtropfen an den fein definierten Muskeln herunterliefen. "Du benimmst dich wie ein eitles Mädchen" schoss ihm dann plötzlich durch den Kopf und er musste grinsen.

Da niemand mehr anwesend war, entledigte er sich schon hier seiner Shorts und ging nackt hinüber zu den Duschen, die sich in einem separaten Raum befanden. Kaum hatte er das Wasser aufgedreht, fühlte er sich so wohl wie schon lange nicht mehr. Das angenehme Gefühl nach hartem Sport gepaart mit dem wunderbaren Prickeln des Duschstrahls auf der Haut entspannten ihn ungemein.

Er ließ sich viel länger Zeit als sonst, er genoss dieses schöne Gefühl ausgiebig. Seine Mitspieler sahen darin immer nur eine Notwendigkeit, doch er liebte es geradezu. Das warme Wasser zu fühlen, wie es den Rücken herunterlief, war einfach wunderbar.

Doch plötzlich wurde das Wasser eiskalt und Takuto drehte es so schnell es ging ab. Dieses Gefühl war wieder da, diese große Macht, die er spüren konnte. Sein Herzschlag beschleunigte sich und eine Gänsehaut machte sich breit. Mit zittrigen Fingern schlang er sich das Handtuch um die Hüften, nahm sich nicht mal die Zeit um sich abzutrocknen. Eigentlich konnte diese Aura nur eines heißen, und er fürchtete sich davor.

Vorsichtig trat er aus dem Duschraum heraus, um die Ecke, die ihn mit der eigentlichen Kabine verband - und dort saß er. Auf einer Bank an der Wand saß der Fürst und lächelte, als er König erblickte. "Seid gegrüßt Izumi." Seine Stimme verursachte bei Takuto eine weitere Gänsehaut und die Wassertropfen, die noch auf seiner Haut standen, erschienen ihm plötzlich unendlich kalt.

Koji musterte sein Gegenüber ausgiebig, er wanderte mit seinen Blicken den Körper des anderen auf und ab, beobachtete fasziniert, wie das durch die Fenster unter der Decke einfallende Licht Takutos Haut eine wunderbar warme Farbe verlieh. Und dieser Oberkörper... Der Fürst lächelte, obwohl es sonst nun ganz und gar nicht seine Art war sich darüber zu freuen, dass ein anderer Mann nur mit einem Handtuch bekleidet war. Doch bei Takuto traf das seltsamerweise zu.

Der König registrierte verunsichert, wie Kojis Augen auf- und abwanderten, er fühlte sich unwohl in seiner Haut. Bis jetzt hatte er noch kein Wort herausgebracht, er war einfach zu überrascht und geängstigt. Als Koji jetzt auch noch aufstand, machte er reflexartig einen Schritt zurück.

"Na na, ich beiße doch nicht." Der Fürst lächelte immer noch und schaute ihm nun wieder direkt in die Augen, was Takuto unfähig machte, seinen Blick abzuwenden. Er hing an ihm fest, konnte sich einfach nicht lösen. Doch er konnte immerhin einen Satz formulieren. "Was wollt ihr hier?" Kojis Lächeln verschwand und er wurde ernst. "Ich möchte mich entschuldigen. Dafür, dass ich vorgestern so einfach verschwunden bin. Es tut mir Leid."

Takuto glaubte nicht recht zu hören. Sein Todfeind entschuldigte sich bei ihm? Er war zu perplex um eine Antwort zu geben, stattdessen begann er leicht zu zittern. Koji schien auf eine Reaktion zu warten, so zwang der König sich mit größter Anstrengung zu einem leichten Nicken.

Als der Fürst nun noch ein paar Schritte näher kam, wich er nicht zurück, er konnte nicht. Sein schlimmster Feind war nur eine Armeslänge entfernt und er rührte sich nicht vom Fleck! Koji musterte ihn leicht besorgte, bemerkte die Gänsehaut, die diesen wunderschönen Oberkörper überzog. Langsam streckte er seine Hand aus.

Als seine Finger Takutos Arm berührten, glaubte dieser, er würde gleich noch einmal das Bewusstsein verlieren. Das geschah zwar nicht, doch er hatte es nur seinen göttlichen Reflexen zu verdanken, dass er sein Handtuch vor einem sehr ungewollten Abgang bewahren konnte. Anscheinend hatte er es zu locker um die Hüften geknotet und bei der Berührung des Fürsten zuckte er so sehr zusammen, dass es sich selbstständig machte.

Koji lächelte bei diesem beinahe-Missgeschick erneut, und strich leicht über Takutos Arm. Dieser stand völlig bewegungslos da, obwohl alle Sinneszellen, die sich unter und in seiner Haut befanden, eine Reaktion zeigten. Die fremden Finger hinterließen eine angenehme Wärme auf der Haut, und für einen Moment vergaß er, dass er seinem Todfeind gerade nur mit einem Handtuch bekleidet gegenüberstand und sich auch noch von ihm berühren ließ.

"Ihr habt euch nun entschuldigt. Was wollt ihr noch?" Takuto war selbst überrascht, dass er diese Worte sprach. Kojis Lächeln verschwand wieder, er zog seine Hand zurück und drehte ihm den Rücken zu. Dann machte er zwei Schritte vorwärts und drehte sich wieder zum König. Takuto starrte ihn an, unfähig zu einem klaren Gedanken. "Ich möchte es wiedergutmachen." Was überhaupt wieder gutmachen? Was hatte er denn so Schlimmes getan?

"Würdet ihr mit mir einen Tee trinken gehen, jetzt und auf der Stelle?"

Takuto stand da wie vom Donner gerührt, während sein Gehirn fieberhaft diese Frage verarbeitete.

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TEIL 8

Sein Todfeind wollte mit ihm Tee trinken gehen - hatte er das gerade richtig verstanden? Ungläubig zog er die Augenbrauen hoch und blickte Koji fragend an, der als Antwort noch zauberhafter lächelte. Takuto konnte es nicht glauben, warum tat er so etwas? Als Feind hätte er sich mordlustig auf ihn stürzen und jede Gelegenheit ihn umzubringen nutzen müssen, doch der Fürst tat das genaue Gegenteil. Und das Schlimmste war, dass der König absolut nicht wusste wie er damit umgehen sollte. Koji blickte ihm weiterhin in die Augen, wartete geduldig auf eine Antwort. Takuto wusste nicht, dass sein Gegenüber seine Unsicherheit sehen und weiterhin in seine Seele schauen konnte.

"Ich...ich..." stammelte der König und suchte verzweifelt nach einer Antwort. Ein Teil von ihm hätte sich am liebsten selbst geohrfeigt, dass er Koji so nah hatte herankommenlassen. Ein anderer Teil hingegen fand die Vorstellung mit ihm Tee trinken zu gehen durchaus reizvoll, und dieser Teil schien in Takutos innerem Kampf zu siegen. Koji lächelte immer noch und trat nun wieder näher an sein Gegenüber heran. "Darf ich das als ein ´ja´ auffassen?" Er schien sich darüber zu freuen, doch Takuto war immer noch nicht zu einer Reaktion fähig. Der Fürst machte noch einen Schritt näher und stand nun wieder direkt vor ihm, was den König nicht gerade beruhigte. Und er roch so gut, so wahnsinnig gut nach Rosen... Was dachte er da eigentlich? Takuto schalt sich innerlich, doch als er Kojis fragenden Gesichtsausdruck sah, half ihm das über seine letzte innerliche Barriere hinweg.

"Ja, ihr dürft." Der König war schockiert von sich selbst, er wollte freiwillig mit seinem Todfeind ausgehen??? Doch nun war es zu spät, und da Koji nun noch glücklicher lächelte wäre er ohnehin nicht mehr zu einem Rückzieher fähig gewesen.

"Gut. Dann schlage ich vor, dass ihr euch etwas mehr anzieht." Kojis Augen wanderten nur einen kurzen Moment lang zu dem Handtuch, das bedrohlich locker um Takutos Hüften gewickelt war, doch dieser Augenblick reichte schon aus um dem jungen Gott eine stattliche Röte ins Gesicht zu treiben.

Nervös schob er sich an Koji vorbei, wobei sein Arm versehentlich den des Fürsten streifte, und da dieser bei der ungeheuren Hitze auch nur mit einem kurzärmligen Hemd bekleidet war, berührte sich ihrer beider Haut. Takuto war einen Moment lang wie erstarrt, ein überwältigende Hitzewelle schoss durch seinen Körper und er war unfähig sich zu rühren. Erst als Koji ihn mit einem merkwürdig anmutenden Grinsen bedachte, ging er mit großen Schritten auf seine Tasche zu, wobei er vorsorglich sein Handtuch mit der linken Hand festhielt.

Koji beobachtete vergnügt, wie verlegen und nervös sein Gegenüber war. Unglaublich, dass man diesen Jungen mit ein paar einfachen Berührungen so unter Strom setzen konnte. War er noch so unschuldig..? Moment, was zum Teufel dachte er da gerade? Und warum wollte er überhaupt mit ihm Tee trinken? Diese Fragen kämpften sich erst jetzt in sein Bewusstsein vor und es kostete ihn reichlich Kraft, sie unbeantwortet wieder zu verdrängen.

Takuto fühlte sich unwohl, wühlte planlos in seinen Sachen und fahndete nach seinem Hemd, was er sicherlich völlig zerknittert wiederfinden würde. Er konnte die Blicke des Fürsten fast auf seinem Rücken spüren, und unweigerlich krampften sich die Finger seiner linken Hand noch ein wenig fester um das Stück Stoff, dass ihn bedeckte. Warum machte er so einen Aufstand, Koji war schließlich auch ein Mann! Doch der Gedanke, völlig unbekleidet vor seinem Todfeind zu stehen, behagte Takuto ganz und gar nicht und so war er recht erfreut, als er sein Hemd schließlich gefunden hatte.

Der Fürst überlegte, ob er den König noch ein wenig mehr in Verlegenheit bringen und sich einfach ihm gegenübersetzen sollte, doch er entschied sich dann doch für die Gentleman Variante. Es war nicht zu übersehen, dass Takuto sich vor ihm genierte, also wollte er ihn nicht noch weiter verunsichern. "Ich warte draußen". Mit diesen Worten schritt Koji hinter ihm der Tür entgegen, schnitt jedoch eine bedrohlich enge Kurve, so dass seine Hand nur wenige Zentimeter an Takutos Hüfte vorbeischwang.

"G-gut." Der König atmete erleichtert auf, diese Nähe verunsicherte ihn ungemein. Erst jetzt schlich sich wieder der Gedanke, dass er seinen Todfeind hautnah an sich heranließ in sein Bewusstsein und schockiert sah er dem Fürsten hinterher. Er würde gleich mit ihm Tee trinken gehen... was wohl Katsumi dazu sagen würde? Oder erst Hisaya? Aber nein, daran wollte er gar nicht denken, und so begann er recht zügig sein Handtuch gegen Boxershorts, eine kurze Jeans und ein Hemd einzutauschen.

Koji stand währenddessen draußen in der Sonne, schloss die Augen und ließ seine Haut von den warmen Strahlen wärmen. Obwohl- eigentlich wäre das gar nicht nötig gewesen, vielmehr hätte er ein Eisbad gebraucht. Innerlich glühte er, obgleich seine Haut so kühl war wie immer, das war den Bewohnern der Hölle wohl in die Wiege gelegt. Er verschränkte die Arme und öffnete die Augen wieder, schaute auf den Fußballplatz, auf dem der König zusammengebrochen war - und er verschwunden war wie ein kleiner Feigling. Was hätte schon passieren sollen?

Takuto hatte unterdessen seine Sachen mehr oder weniger ordentlich in seiner Tasche verstaut und auch das Duschgel lag nun wieder sorgsam eingebettet zwischen Trikot und Handtuch. Doch nun saß er auf einer der Bänke und band zitternd seine Schuhe zu. Gleich müsste er hinaustreten und Koji wäre immer noch da. Aber er könnte sich doch eigentlich auch zurück in den Himmel teleportieren, einfach verschwinden, sich drücken? Nein, das wäre nicht fair. Er war einverstanden gewesen, also musste er jetzt auch zu seinem Wort stehen, selbst wenn ihm sehr unwohl dabei war.

Der Fürst dachte an der frischen Luft weiterhin darüber nach, warum er Takuto eigentlich eingeladen hatte? Er war immerhin sein Todfeind, und normalerweise war das nicht gerade die Behandlung, die man einem solchen zuteil werden ließ. Doch irgendetwas faszinierte ihn an diesem Kerl... seine Augen? Sein muskulöser Körper? Seine ganze Ausstrahlung? Gott, was dachte er da bloß!? Wenn Hirose das wüsste...

Langsam erhob sich Takuto nun und schulterte seine Tasche. Er zitterte leicht, und sein Gemütszustand schwankte zwischen erwartungsvoller Vorfreude und Todesangst. Schließlich brachte er den Mut auf, sich in Bewegung zu setzen und schon waren seine Füße über die Schwelle getreten. Koji stand links von ihm an die Wand gelehnt, die Augen erneut geschlossen. Noch schien er ihn nicht bemerkt zu haben, also nutzte Takuto die Gelegenheit, seinen Feind aus der Nähe zu betrachten.

Es war einfach unglaublich, wie schön dieser Mann war. Die Haut wies keinerlei Makel auf, sie hatte eine fast weiße Farbe und verlieh ihm ein sehr hoheitliches Aussehen. Seine Augen waren zwar geschlossen, aber Takuto wusste auch so gut genug, wie sie aussahen. Viele lange, schwarze Wimpern ließen ihn etwas feminin wirken, was aber keineswegs irgendwie "tuntig" aussah. Vielmehr machte es ihn nur noch hübscher. Seine Haare hatten eine wirklich außergewöhnliche Farbe, noch nie hatte solch ein leuchtendes Silber gesehen. Und es war wirklich Silber, kein Grau, wie man es sonst bei Menschen findet, aber Koji war ja auch kein Mensch. Und schließlich die Lippen, welche sicherlich jegliche weibliche Person in Entzückung versetzten - und seltsamerweise auch Takuto ein leichtes Lächeln entlockten. Wie gemalt schienen sie, unwirklich perfekt. Doch wahrscheinlich aufgrund dieser Perfektion wirkten sie auch irgendwie kalt.

Takuto war völlig fasziniert von diesem Anblick und deshalb erschrak er auch furchtbar, als sich diese elegant geschwungenen Lippen nun öffneten und Koji mit seiner sanften Stimme zu sprechen begann. "Starrt ihr gerne andere Männer an?" Der Fürst hatte die Augen immer noch geschlossen, doch seine Lippen verzogen sich nun zu einem breiten Grinsen, als würde er spüren, wie eine tiefe Röte in Takutos Gesicht schoss.

"I-ich...ich dachte..." stammelte er.

"Dass ich euch nicht bemerkt habe?" Koji öffnete die Augen und drehte seinen Kopf in Takutos Richtung. "Ich kann eure Anwesenheit genauso spüren wie ihr die meine, das solltet ihr eigentlich wissen. Außerdem seid ihr viel zu bezau-" Der Fürst brach mitten im Satz ab als ihm klarwurde, was er da gerade sagen wollte. Der König schaute verlegen und immer noch peinlich berührt auf den Boden, versuchte seine Gedanken durch das Zählen von Ameisen abzulenken, was ihm jedoch nur bedingt gelang. Warum brachte ihn der Fürst immer wieder so aus der Fassung? Oder vielmehr- warum ließ er es zu? Schließlich hatte er auch seinen Stolz, seine Würde, er sollte seinen Todfeind einfach hier stehen lassen und ihn seinen Tee allein trinken lassen.

Koji blickte Takuto immer noch auffordernd an, als warte er auf eine weitere Reaktion. Als diese nicht eintrat, ergriff er selbst das Wort. "Kommt ihr? Sonst braten wir hier noch." Gerade wollte der König all seinen Mut zusammennehmen und ein "Nein" hauchen, als der Fürst ihn sanft aber bestimmt am linken Arm fasste und vorwärts zog. Takuto brachte kein Wort mehr heraus, seine Haut fühlte sich an, als würde man abertausende von Nadeln hineinstechen. Koji schleifte ihn am Platz vorbei auf die Straße hinauf, ohne sich auch nur ein Mal umzusehen. Takuto ließ es geschehen, stolperte vorwärts und fühlte, wie der Schmerz einer angenehmen Kühle wich, dich bei dieser Hitze nun wirklich mehr als angebracht war.

Doch plötzlich wurde ihm klar, dass er sich gerade von seinem Feind die Straße entlangziehen ließ und bis jetzt nichts dagegen unternommen hatte. Würde ein Engel oder gar ein Gott sie so sehen - nicht auszudenken! So atmete er schließlich tief durch und blieb abrupt stehen, womit er auch Koji zum Anhalten zwang. Dieser drehte sich um, schaute ein kleines bisschen verwirrt, aber lächelte immer noch. "Was ist denn?" Seine Stimme hatte auf einmal einen zuckersüßen Unterton, zufällig oder absichtlich, der Takuto ganz gehörig gegen den Strich ging. Was dachte der Fürst sich eigentlich? Schleppen wir heute mal den Todfeind ab??? Eine leichte Zornesfalte bildete sich auf der Stirn des Königs und er riss sich mit einer heftigen Bewegung los.

"Ich kann durchaus allein vorwärts gehen und überhaupt habe ich euch meines Wissens nach nicht erlaubt, mich wie ein kleines Kind hinter euch herzuziehen." Kojis Lächeln verschwand, er wich einem leicht spöttischen Gesichtsausdruck, der Takuto nur noch wütender machte. "Was denkt ihr überhaupt, wer ihr seid?" Der Fürst verschränkte die Arme und starrte sein Gegenüber kalt an. "Der Herrscher der Hölle, das dürfte euch eigentlich bekannt sein, Izumi." Takuto ließ unsanft seine Sporttasche auf den Boden fallen und funkelte Koji giftig an. "Natürlich weiß ich, wer ihr seid! Mein Feind! Mein Todfeind! Warum wollt ihr dann verdammt nochmal mit mir Tee trinken gehen? Ist das in euren Kreisen so üblich? Den Feind abzuschleppen - ist das euer Niveau?" Das mit dem Niveau hätte er sich lieber verkneifen sollen, das wurde Takuto schlagartig klar, als Kojis Lippen sich zu einem schmalen Strich verhärteten. Der Fürst besaß sonst zwar ein außerordentlich hohes Maß an Selbstbeherrschung, doch nun wollte er sich offensichtlich gar nicht beherrschen. Seine Stimme zitterte, als er den König in dennoch bemüht ruhigem Ton mehr anschrie als ansprach.

"Niveau? Was wisst ihr denn schon über Niveau? Ihr habt doch überhaupt keine Ahnung vom Leben, sitzt doch noch nicht lange auf eurem verdammten Thron! Euch wird doch alles in den Allerwertesten geschoben, wahrscheinlich kaut man euch sogar noch das Essen vor! Ihr wisst nichts über Freund und Feind, nichts über Liebe und Hass, wie also könnt ihr es wagen, euch die Frechheit herauszunehmen, mein Verhalten zu kritisieren???" Koji zitterte nun vor Wut, ebenso Takuto, letzterer jedoch viel mehr vor Angst. Dieser Ausbruch des Fürsten hatte ihm in Erinnerung gerufen, dass es sich bei diesem engelsgleichen Mann immer noch um seinen schlimmsten Feind handelte, auch wenn er ihn zum Tee eingeladen hatte.

Takuto hätte sich am liebsten eine heftige Ohrfeige für seine eigenen dämlichen Kommentare verpasst, er hatte doch keinen Streit vom Zaun brechen wollen. Außerdem vermisste er Kojis kühle Hand auf seiner Haut, doch das konnte er ja wohl kaum sagen... "Ich, ich..." war das einzige, was er hervorbrachte. Ein großer Kloß bildete sich in seiner Kehle, der das Atmen erschwerte und das Sprechen unmöglich machte. Koji schaute ihn immer noch an, doch war der wütende Gesichtsausdruck verschwunden und durch einen eher mitleidigen ersetzt worden.

Takuto fühlte sich schwindlig, wahrscheinlich hatte er sich beim Fußball einen Sonnenstich eingehandelt. Doch vielleicht lag es auch an etwas ganz anderem... Plötzlich spürte er Angst in sich aufsteigen, er wollte nur noch weg. Ihm war egal, was der Fürst von ihm denken mochte, ob er sich blamierte oder sonstwas tat, er wollte einfach nur noch fort. Seine Stimme war zittrig, als er mit größter Kraft die Worte zwischen den Lippen hindurchpresste. "Ich, ich gehe dann mal besser." Wacklig drehte er sich um und machte einen mehr oder weniger entschlossenen Schritt vorwärts.

"Izumi..." Koji wollte etwas sinnvolles erwidern, doch er beobachtete stattdessen nur die langsamen, fast tastenden Schritte des Königs, der sich vorwärts schleppte. Sein Gang war zunächst noch einigermaßen aufrecht, doch seine Schultern sackten immer mehr hinunter, so dass er sich wenig königlich die Straße entlang schleifte.

Takuto wurde noch schwindliger, als er die Stimme des Fürsten hinter sich hörte, doch er drehte sich nicht um, sondern achtete vielmehr so sorgsam wie möglich darauf, nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Die Tasche auf seiner Schulter erschien ihm plötzlich unendlich schwer, deshalb ließ er sie achtlos fallen. Das Geräusch des Aufpralls auf dem Boden gelangte um ein vielfaches verstärkt an seine Ohren und es irritierte ihn dermaßen, dass er wahrlich um sein Gleichgewicht kämpfen musste.

Ihm war wahnsinnig heiß, Schweißtropfen rannen über seine Stirn und sein Gesicht herunter, die Luft schien vor Hitze geradezu zu flimmern. Er keuchte, versuchte verzweifelt tief zu atmen, doch je mehr er sich bemühte, umso nutzloser waren diese Anstrengungen. Sein Kopf fühlte sich vollkommen leer an, bis auf einen einzigen Gedanken: Weg hier! Vielleicht war Flucht unehrenhaft, doch der Fürst war ihm egal - oder nicht? Um ihn herum drehte sich alles und auch er selbst wankte heftigst, sein Brustkorb hob und senkte sich hektisch und sein Atmen konnte man wirklich nur noch als Hecheln bezeichnen. Intuitiv begann Koji ihm mit langsamen Schritten zu folgen, er ließ ihn nie aus den Augen, auch wenn er nur seinen Rücken sehen konnte. Besorgt versuchte sein Gehirn einen sinnvollen Satz zu formulieren, doch es gelang nicht.

Schließlich begann sich Takutos Sichtfeld zu verkleinern, ihm wurde langsam schwarz vor Augen. Im nächsten Moment gaben seine Beine unter ihm nach und er spürte nur noch, wie starke Arme ihn vor einem unsanften Aufprall auf dem Pflaster bewahrten, bevor er ohnmächtig wurde.

Koji hatte einen unmenschlich großen Sprung nach vorne gemacht und Takuto gerade noch rechtzeitig aufgefangen, hielt ihn nun selbst schwer atmend im Arm. Wieso wurde er bloß so oft bewusstlos, wenn er bei ihm war? Lag das an seiner Gegenwart? Aber warum sollte es..? Egal, der Fürst wollte ihm nur irgendwie helfen, und das tat er sicherlich nicht, indem er hier an der Straße hockte und ihn in den Armen hielt.

Kojis Herz schlug unvermittelt schneller, er machte sich ernsthaft Sorgen. Behutsam stand er auf, die Hände unter Rücken und Beinen des Königs. Erst jetzt nahm er die vielen Schweißtropfen auf Takutos Gesicht war, spürte, wie verschwitzt sein Hemd war. Er musste einen Sonnenstich haben! Der erste Gedanke, ihn in den Schatten zu bringen, wurde von Kojis Gehirn für richtig befunden, und so machte er sich auf den Weg zurück zum Sportplatz, wo er sich an einen großen Baum erinnerte, der auch einen dementsprechend großen Schatten geworfen hatte.

Vorsichtig setzt er sich in Bewegung, die Tasche auf dem Boden ignorierte er erstmal, der König war momentan das einzige, was zählte. Mit federnden Schritte ging der Fürst den Weg, den sie gekommen waren zurück, schaute dabei immer wieder auf Takuto herunter, der völlig leblos in seinen Armen hing und der nur an seiner immer noch ein wenig unruhigen Atmung erkennen ließ, dass er noch lebte.

Nach kurzer Zeit hatte Koji den Sportplatz erreicht, und da war auch der große Baum, der genügend Schatten spendete. Vorsichtig legte er Takuto ins Gras, zog seine Hände unter ihm hervor und schnippte kurz mit dem Finger, um die Sporttasche neben ihn fallen zu lassen. Wozu hatte man denn schließlich göttliche Kräfte?!

Der König hatte noch immer kalte Schweißperlen auf der Stirn, wie Koji bemerkte, als er ihm ihn paar verschwitzte Haarsträhnen aus dem Gesicht strich. Ihm fiel ein, dass man Personen mit einem Hitzschlag am besten alle Kleidung ausziehen sollte - und er lächelte. Dem König würde diese Vorstellung sicherlich gar nicht behagen...

Koji kniete sich neben Takuto ins Gras und begann vorsichtig, das verschwitzte Hemd des jungen Gottes zu öffnen. Als es ihm zu kompliziert wurde die unwilligen Arme aus dem Stoff zu schälen, schnippte er erneut mit dem Finger, und schon war das Kleidungsstück verschwunden. Spontan entschied Koji sich, den König *nicht* auch noch von seiner Hose zu befreien, schließlich sollte er keinen Schock bekommen, wenn er das Bewusstsein wiedererlangte.

Doch solange das noch nicht geschehen war, musterte der Fürst ihn von oben bis unten, während er mit seinen Fingern immer wieder die kalten Schweißtropfen von seiner Stirn wischte. Takuto benahm sich nicht mehr wie ein Toter, es machte eher den Eindruck, dass er Albträume hatte.

Manchmal zuckten seine Gliedmaßen plötzlich oder er drehte ruckhaft den Kopf, immer wieder entwich seinen Lippen ein leises, gequältes Stöhnen. Koji beobachtete ihn besorgt, legte seine Hand auf den braungebrannten Oberkörper um zu fühlen, wie unruhig sich der Brustkorb hob und senkte.

Der Fürst hob Takuto schließlich erneut hoch, ganz langsam und vorsichtig, dann ging er mit fast lautlosen Schritten zum Stamm des Baumes und setzte sich wieder, mit dem Rücken daran angelehnt. Er streckte seine Beine und legte den König so vor, bzw. an/über sich, dass dessen Kopf auf seinen Oberschenkeln ruhte. Immer weiter strich er ihm über die Stirn, summte leise eine Melodie und konzentrierte seine Kraft darauf, ihm Kühlung zu verschaffen. Ein weiterer Fingerzeig und er hielt einen Fächer in der linken Hand, mit dem er dem König frische Luft zufächerte, während er mit der anderen immer weiter über seine Stirn fuhr.

Takuto atmete etwas gleichmäßiger, der angespannte Ausdruck wich allmählich von seinem Gesicht und verlieh ihm wieder den gewohnten, lieblichen Ausdruck. Koji lächelte, schloss die Augen, und horchte auf das Geräusch des Sommers. Ja, der Sommer hatte eine Melodie, auch wenn diese für Menschen nicht hörbar war. Doch er vernahm sie, summte sie leise mit und erfreute sich an der Schönheit dieses Tages. Erst als Takutos Lippen ein leiser Seufzer entwich, öffnete er sie wieder.

Der König lächelte zufrieden, als seine Lider langsam den Blick freigaben und er wieder in die Realität zurückkehrte. Ein unglaubliches Glücksgefühl durchströmte ihn - bis er Kojis Gesicht über seinem erkannte. Er schreckte ruckartig hoch, wurde aber vom Fürsten wieder zurückgedrückt. Takuto sah sich unsicher und ein wenig ängstlich um, dann wagte er wieder, seinem Feind in die Augen zu sehen. "Wo... bin ich?" Koji lächelte noch immer, seine Stimme hatte jeglichen kalten Unterton verloren. "Am Sportplatz. Ich habe euch zurückgebracht, nachdem ihr auf der Straße ohnmächtig geworden seid."

Der König schluckte nach dieser Erkenntnis, wandte den Blick ab. Erst jetzt bemerkte er die kühle Hand auf seiner Stirn, den angenehmen Luftzug, der ihn umspielte, und - sein nicht vorhandenes Hemd! "Mein Hemd?!" Takuto war schockiert, was zum Teufel hatte der Fürst mit ihm gemacht??? "Ihr scheint einen Sonnenstich zu haben. Deshalb habe ich euch in den Schatten getragen und des Hemdes entledigt. Ihr braucht Kühlung."

Darauf war der König nicht vorbereitet gewesen, einen Sonnenstich? Aber möglich war es ja... Also hatte der Fürst ihm lediglich geholfen... aber warum? Koji kam seiner Frage zuvor. "Hätte ich euch etwa auf der Straße liegen lassen sollen?"

"N-nein." Takuto drehte seinen Kopf zur Seite, wollte diese wunderbar blauen Augen nicht sehen. Fast unhörbar murmelte er etwas. "Danke."

"Nichts zu danken. Letztendlich kommt unsere Verabredung also doch noch zustande."

Der König drehte sich mit einem fragenden Gesichtsausdruck wieder zurück, verstand nicht ganz. Doch die Antwort befand sich direkt vor seiner Nase, und zwar in Form eines großen Glases Eistee, dass der Fürst gerade erst herbeigezaubert haben musste.

"So kann ich nicht trinken..." war alles, was Takuto auf dieses Angebot erwiderte, doch Koji verstand. Vorsichtig zog er die Knie an, so dass der König, immer noch an ihn gelehnt, aufrecht sitzen konnte. Er nickte mit einem leisen Lächeln, und nahm den Eistee.

Ohne ein weiteres Wort ließ er die schmackhafte Flüssigkeit seinen Rachen kühlen und schaute dabei angestrengt auf den Fußballplatz, um nicht daran zu denken, dass er gerade an seinen Todfeind angelehnt im Schatten saß und mit ihm Eistee trank. Koji lachte über dieses Benehmen in sich hinein, der König führte sich auf wie ein kleiner Junge, den ein impulsives Grundschulmädchen gerade geküsst hatte. Der Fürst lächelte noch mehr, als er sich vorstellte, dass er - das Lächeln erstarb urplötzlich und Koji hörte für einen Moment auf zu atmen. Die Erkenntnis traf ihn völlig unvorbereitet und er fühlte sich, als wäre ihm ein Truck in den Magen gerast. Takuto bekam nichts mit, er hörte auch nicht, als Koji leise "Oh mein Gott" murmelte und ihn dabei von der Seite anstarrte.

Der König starrte weiter auf den Fußballplatz, ignorierte den Mann, an dessen Beine er gelehnt war, völlig. Erst, als er sein Glas schon fast vollständig geleert hatte, drehte er seinen Kopf zu ihm, um ihn anschauen zu können. "Warum habt ihr mir geholfen?" Koji traf diese Frage etwas unvermittelt, außerdem war er immer noch ziemlich verwirrt. "W-wie meint ihr das?" Takuto wunderte sich über die plötzliche Schüchternheit des Fürsten und drehte sich noch etwas weiter zu ihm um.

"Warum habt ihr mich hierher gebracht? Ihr seid mein Feind, warum habt ihr mich nicht einfach auf der Straße liegengelassen?"

Koji hatte seine Selbstsicherheit zwar inzwischen wiedergewonnen, aber die Wahrheit konnte er ja wohl schlecht sagen. Stattdessen entschied er sich, wieder seine zwielichtig-anzügliche Rolle zu spielen.

"Wer sagt, dass ich euer Feind bin?" Takutos Augen weiteten sich etwas, so hatte er dass noch nie gesehen. "Bloß, weil ihr das Herrscher des Himmels seid und ich die Hölle regiere? Das ist noch kein Grund für eine Feindschaft, zumindest meiner Meinung nach." Koji war wieder voll in seinem Element, es freute ihn, wie er den König wieder aus der Fassung brachte. "Aber Himmel und Hölle sind schon immer verfeindet..." Erwiderte Takuto, auch wenn das nicht gerade ein stichhaltiges Argument war.

"Und Traditionen sterben auch irgendwann..." Koji legte soviel Dunkelheit wie möglich in seine Stimme und es verfehlte seine Wirkung nicht. Sein Gegenüber wandte den Kopf ab, er war verwirrt. Er schien sogar ein wenig zu zittern... "Ich muss jetzt gehen." Diese Worte kamen völlig unverhofft und der Fürst hob erstaunt die Augenbrauen, als Takuto sich erhob und dabei sein Glas vollends leerte. "Ich werde bestimmt schon erwartet, ich bleibe sonst nicht so lange auf der Erde."Mehr oder weniger entschlossen machte er ein paar Schritte vorwärts, auch wenn er noch ein wenig wankte. Koji erhob sich ebenfalls und trat neben ihn.

"Wollt ihr euch dann nicht etwas überziehen? Sonst denkt man noch, ihr hättet ein Schäferstündchen mit einem Fan gehabt..." Die Art, wie der Fürst dies sagte, trieb Takuto die Röte ins Gesicht und so schnippte er kurz mit dem Finger, um sein Hemd erscheinen zu lassen.

"Auf Wiedersehen." Der König wollte nur noch weg, er musste seine Gedanken ordnen, die ungestüm durch seinen Kopf wirbelten und ihn nicht mehr klar denken ließen. Koji schaute ihn enttäuscht an, doch er ignorierte es.

"Darf ich fragen, wann euer nächstes Training stattfindet?" Takuto drehte sich verwundert zu ihm. "Warum?" "Weil ich euch gerne zusehen möchte. Oder ist die Öffentlichkeit ausgeschlossen?"

Der Fürst genoss es, den anderen so in Verlegenheit zu bringen.

"N-nein, natürlich nicht. Ähm, ü-übermorgen, um 16.00Uhr ist Training." Der König konnte seine Verwunderung kaum verbergen, das entging auch Koji nicht.

"Vielen Dank, ich werde da sein."

Takuto lächelte kurz und gezwungen, dann setzte er sich in Bewegung und schritt auf die Straße zu, während er noch einmal "Auf Wiedersehen" murmelte. Koji verbeugte sich tief, auch wenn er wusste, dass der König das nicht mehr sah. Dann wandte er sich um und sein Blick fiel unter den Baum, etwa auf die Stelle, wo Takuto am Anfang gelegen hatte. Sein Lächeln wurde zu einem breiten Grinsen...

Der König drehte sich nicht mehr um, auch wenn er fürchtete, dass Koji ihm folgte. Bald hatte er die Straße erreicht und steuerte nun auf einen kleinen Seitenweg zu, aus dem er sich in den Palast teleportieren wollte. Doch aus diesem trat nun - Katsumi. Takuto blieb augenblicklich stehen, sein Herz schlug schneller. Sein Berater kam mit raschen Schritten auf ihn zu, sein Gesichtsausdruck konnte sich sowohl als besorgt, als auch wütend deuten lassen. "Eure Majestät, wo wart ihr denn? Ich habe auf euch gewartet!" Der junge Gott schien etwas aufgebracht, verständlicherweise. "Ich habe noch etwas länger trainiert, ist das etwa verboten?" Takuto wusste nicht, ob seine Ausrede sich überzeugend anhörte, er hatte noch nie besonders gut lügen können.

"Eure Schwester und Eri wollten mit euch reden, ich musste ihnen eine Audienz verwehren, weil ich nicht wusste, wo ihr wart! Ich habe mir Sorgen gemacht!" Anscheinend nahm Katsumi ihm seine Lüge ab, obwohl er sehr aufgebracht schien.

"Es tut mir wirklich Leid Katsumi, ehrlich." Sein Berater beruhigte sich langsam wieder, der angespannte Gesichtsausdruck wich und seine Züge glätteten sich. "Ich war so vertieft in das Training, dass ich die Zeit-" Plötzlich hörte man vom Sportplatz her eine Stimme, und sowohl Takuto als auch Katsumi wussten nur zu gut, wem sie gehörte. Der König drehte sich erschrocken um und Katsumi blieb glatt der Atem weg.

"Izumi!" Koji trat auf die Straße, in der rechten Hand Takutos Sporttasche. Zielstrebig steuerte er auf die beiden Männer zu. Katsumi konnte seinem Herrn nur noch einen fragenden Blick zuwerden, bevor er sich verbeugte. "Mein Fürst." Dieser nickte kurz. "Erhebt euch, Ka-, Ka - wie war doch gleich euer Name?" Genannter tat wie ihm geheißen und antwortete etwas zögerlich. "Katsumi Shibuya, mein Fürst." Koji lächelte, doch es war nicht das warme Lächeln, mit dem er Takuto stets bedachte. "Richtig, Katsumi." Während er das sagte, wandte er sich bereits dem König zu.

"Das hier habt ihr vergessen Izumi." Er reichte ihm die Tasche, wobei er darauf achtete, das seine Hand die des Königs streifte, was diesem auch augenblicklich eine leichte Gänsehaut verschaffte. "Danke." erwiderte Takuto fast unhörbar und blickte peinlich berührt zu Boden.

"Ich wollte auch gar nicht weiter stören, einen schönen Tag noch die Herrschaften." Koji entschwand so schnell wie er gekommen war wieder ihren Blicken und ließzwei verwirrte Männer zurück.

Takuto hob etwas ängstlich den Kopf und sah Katsumis Gesicht, in dem sich Verwunderung und Ärger mischten. Seine Stimme klang etwas wütend, als er seinen Herrn nun wenig respektvoll ansprach. "Was hatte das jetzt zu bedeuten?"

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TEIL 9

Takuto fühlte sich wie betäubt. Das war Absicht gewesen, verdammte Absicht! Koji hatte genau gewusst, in was für eine Situation er ihn brachte. Und nun musste er irgendwie wieder aus diesem Schlamassel rauskommen, doch wie?

Er schluckte, obwohl sein Hals eigentlich schon total trocken war, und versuchte, sich eine halbwegs plausible Ausrede einfallen zu lassen. "Ich..." Katsumi war immer noch fürchterlich aufgebracht, er schien sich gar nicht wieder beruhigen zu wollen. "Eure Majestät? Sagt mir bitte nicht, ihr habt euch mit dem Fürsten getroffen!?" Takuto schaute abrupt auf, was seinem Berater die Gewissheit gab, dass er genau ins Schwarze getroffen hatte. Seufzend wandte er sich ab, schüttelte verzweifelt den Kopf und wirkte insgesamt extrem hektisch und nervös. "Oh mein Gott... oh Gott..." Er begann, hin und her zu gehen, immer circa drei Meter, bevor er umdrehte.

Der König sah ein, dass er jetzt erst recht keine Chance mehr hatte, mittels einer Lüge aus dieser Sache herauszukommen, warum sollte er es also noch weiter leugnen. "Ich habe mich nicht mit ihm getroffen, er war nach dem Training einfach da. Und was bist du überhaupt so überrascht? Hast du uns vom Palast aus nicht gesehen?" Katsumi blieb kurz stehen, warf seinem Herrn einen verächtlichen Blick zu, der eindeutig ´Idiot´ sagte. "Ihr vergesst, dass ich diese Fähigkeit nicht besitze. Nur ihr könnt erkennen, was auf der Erde vor sich geht. Und mich einfach hierher teleportieren konnte ich ja auch nicht, schließlich bin ich in eurer Abwesenheit gewissermaßen euer Stellvertreter!" Der anklagende Ton in seiner Stimme war kaum zu überhören.

Takuto nickte, leicht peinlich berührt, dass er nicht daran gedacht hatte. Er schien Katsumi in einige Schwierigkeiten gebracht zu haben, und die Sache mit dem Fürsten machte das Ganze sicherlich auch nicht besser. "Es tut mir-" Sein Berater warf ihm einen giftigen Blick zu, wie Takuto ihn noch nie erlebt hatte. "Sagt jetzt nicht, es tut euch Leid, denn dem ist nicht so. Ihr vergnügt euch lieber mit euren Feinden, anstatt eure Pflichten wahrzunehmen." Der König wollte widersprechen. "Das ist nicht wahr, er-" Katsumi war jetzt richtig in Fahrt und trat direkt vor seinen Herrn, in seinen Augen funkelte es richtiggehend. "Er wollte was? Mit euch Tee trinken? Feinde laden sich nicht einfach mal so gegenseitig ein, das ist doch alles nur Taktik. Er will euch ausspionieren, mehr über euch wissen, damit er euch vernichten kann! Er ist der Fürst der Hölle, verdammt nochmal, er ist von Natur aus böse!"

Doch dieser letzte Satz regte Takutos Wut mächtig an, schließlich hatte Koji ihm nichts getan und er fühlte sich irgendwie verpflichtet, ihn zu verteidigen.

"Du lügst! Er ist nicht böse, er hat sich bei mir dafür entschuldigt, dass er einfach verschwunden ist, als ich beim Spiel das Bewusstsein verloren habe! Und vorhin hat er mich nur in den Schatten gebracht, als ich einen Sonnenstich hatte, und mir was kaltes zu trinken gegeben, und du hast keinerlei Recht über ihn zu urteilen!" Die Lautstärke seiner Stimme steigerte sich Wort für Wort, zum Schluss schrie er sein Gegenüber einfach nur noch an. Zum Glück war weit und breit niemand in der Nähe, denn ansonsten hätte das sicherlich Aufmerksamkeit erregt.

In Katsumis Augen spiegelte sich ein Anflug von Angst, doch er schien weder beruhigt noch auf irgendeine Art und Weise überzeugt von dem, was sein Herr ihm ins Gesicht schrie. "Und wenn schon! Habt ihr eine Ahnung, was passiert, wenn das jemand erfährt?" Katsumi war nun mindestens auf 250 und so war kaum noch Respekt in seiner Stimme vorhanden.

"Was soll schon passieren?" Sein Berater ballte die Hände zusammen und musste sich sichtlich anstrengen, um seine Wut einigermaßen zu verbergen. "Verdammt nochmal, das ist nicht die Zeit, um Spielchen zu spielen! Was ihr tut ist Hochverrat!!!" Der König riss seine Augen ungläubig auf, starrte sein Gegenüber völlig entgeistert an und versuchte, trotz seiner trockenen Kehle, zu schlucken. "Kein Bewohner des Himmels, weder Engel noch Gott, darf sich mit jemanden aus der Unterwelt einlassen! Erst recht nicht mit dem Fürsten!" Katsumi sah aus, als wäre er seinem Herrn am liebsten an die Gurgel gesprungen oder hätte ihm ein paar saftige Ohrfeigen verpasst, seine Fäuste zitterten und ein dünnes, rotes Rinnsal tropfte aus seiner rechten Hand, weil sich seine Fingernägel so fest in das Fleisch bohrten.

Der König wollte und konnte nicht so recht glauben, was er da gerade hörte, denn es schien alles viel zu schnell über ihm hereinzubrechen. In den letzten Tagen war mehr geschehen, als in all den Jahren seines Lebens davor. Doch auch, wenn sein Gehirn die vielen neuen Informationen verarbeiten musste, war er dennoch klar genug um zu widersprechen, und das in einer immer noch sehr beträchtlichen Lautstärke. "Ich habe mich nicht mit ihm *eingelassen*, wir haben doch kein Verhältnis!!!" Takuto wusste Katsumis nun folgenden Gesichtsausdruck nicht zu deuten, doch irgendwie schien es ihm, als sagte sein Berater stumm "Noch nicht." "Wir haben uns lediglich getroffen, daran ist doch herrgottnochmal nichts schlimmes, auch wenn er aus der Hölle kommt! Und außerdem kann ich mich ja wohl schlecht selbst verraten, oder?" Katsumi schien langsam zu kapitulieren, zumindest hatte seine Stimme wieder eine normale Lautstärke erreicht und er schien sich seiner Position langsam wieder bewusst zu werden, als er etwas kleinlaut antwortete. "Wenn ihr das so seht, eure Majestät... Doch ich warne euch, er ist und bleibt hinterhältig und gefährlich und ich hoffe sehr, dass dies ein einmaliges Ereignis bleibt."

Takuto nickte, verschwieg selbstverständlich die Tatsache, dass Koji sich schon für das nächste Training angekündigt hatte. Nun beruhigte auch er sich wieder, da die Fronten ja anscheinend geklärt waren. Zwar war ihm klar, dass Katsumi dieses Treffen alles andere als guthieß, aber es war schließlich nicht sein Leben, also sollte er sich auch heraushalten. Mit einem erleichterten Gesichtsausdruck schritt er nun auf die Seitenstraße zu, aus der er sich immer zurück in den Palast teleportierte. Katsumi ging neben ihm, doch sein Herr bemerkte nicht, wie er ihm aus den Augenwinkeln immer wieder ärgerliche, misstrauische, leidende und verzweifelte Blicke zuwarf, leise den Kopf schüttelte und sich insgeheim fragte, was daraus wohl werden würde.

Keiner von beiden bemerkte die Gestalt, die sich lautlos hinter einem Baum hervorschlich und ihnen mit vor Wut funkelnden Augen hinterher starrte.

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Sie kamen am Platz vor dem Palast an und wurden bereits von Serika erwartet. Kaum war der Nebel um die beiden Männer verschwunden, als sie ihrem Bruder auch schon um den Hals fiel, als hätte sie ihn einen ganzen Monat lang nicht gesehen. Anscheinend hatte sie sich ebenfalls große Sorgen gemacht, dabei war er doch wirklich gar nicht so viel länger auf der Erde geblieben als üblich. "Takuto, wo warst du denn?" Er lächelte, auch wenn es eher gezwungen wirkte, und schob sie zärtlich von sich. "Ich war nur noch länger beim Training, habe noch ein bisschen den Ball traktiert. Warum verfällt nur alle Welt in totale Panik, wenn ich mal später komme?" Der neckische Unterton in seiner Stimme entlockte seiner Schwester ein Lächeln, sie schien sehr viel leichter zufriedenzustellen als Katsumi - allerdings hatte sie auch nicht die peinliche Szene mit Koji erlebt. "Also, falls ich mich nochmal verspäte", ein misstrauischer/drohender/ ängstlicher Seitenblick von Katsumi, "mach dir keine Sorgen. Du wirst ganz gewiss bemerken, wenn es irgendetwas ernstes ist. In Ordnung?" "In Ordnung, großer Bruder." Serika schien wieder gute Laune zu haben, *großer Bruder* hatte sie ihn seit ihrer beider Kindheit nicht mehr genannt. Sie hakte ihn ein und zu dritt gingen sie in den Palast.

Takuto verbrachte die Zeit bis zum Abendessen in seiner Bibliothek, schritt immer wieder die Regale ab, als wäre er auf der Suche nach etwas bestimmten - doch das war er nicht. Seine Gedanken wuselten wild durcheinander, während er mit den Fingerspitzen über die Buchrücken fuhr. Er versuchte, die Erlebnisse des Nachmittages zu verarbeiten, sie auszuwerten und daraus möglicherweise Konsequenzen zu ziehen. Aber der Teil seines Gehirns, der für logisches Denken verantwortlich war, schien noch nicht wieder betriebsbereit zu sein, so drehten sich seine Gedanken stets in einem Kreis, dessen Zentrum der Fürst war.

Beim Essen gab Takuto sich die allergrößte Mühe normal zu wirken, was ihm auch hervorragend gelang. Selbst Katsumi staunte in sich hinein, wie gut der König sich unter Kontrolle hatte. Doch vielleicht setzte er auch einfach nur seine Kräfte ein, um die anderen zu täuschen. Auch heute blieb Hisayas Platz leer, er schien seine Drohung wirklich ernstgemeint zu haben. Natürlich schmerzte es Takuto, den Stuhl seines ehemaligen Freundes verlassen zu sehen, doch immerhin saß Eri wieder mit am Tisch, was ja auch schon eine Verbesserung der Situation war. Sie schien recht gut erholt, lächelte über Katsumis Späße, die er heute häufiger als üblich machte, und unterhielt sich recht angeregt mit Serika. Doch ihre Gesichtszüge konnten den traurigen Unterton nie gänzlich ablegen, ihr Lachen war nicht so unbekümmert wie früher. Der Schmerz darüber, dass ihre Verlobung aufgelöst worden war und Hisaya sie mied wie den König, machte sie seelisch sehr labil, auch wenn sie es recht gut verstecken konnte. Wenn sie allein auf ihrem Zimmer saß weinte sie viele bitterliche Tränen, verlor sich in Selbstvorwürfen und sehnte sich nach der Zeit, in der sie beide glücklich gewesen waren. Doch nun war es vorbei und sie musste damit fertigwerden, schließlich war es zu einem nicht unerheblichen Teil ihre eigene Schuld. Jedem, der Takutos Kräfte hatte wären diese trüben Gedanken wie ein fluoreszierendes Leuchtschild auf ihrer Stirn erschienen, aber er konnte lediglich visuell ihre Traurigkeit wahrnehmen, der Blick in ihre Seele blieb ihm verwehrt.

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Nach dem Essen verschwand Takuto mit dem genuschelten und nicht gerade überzeugenden Satz "Hab Kopfschmerzen, gute Nacht" in seine Gemächer. Serika schaute ihrem Bruder nur ungläubig hinterher, ärgerte sich im Stillen, dass sie ihn nun gar nicht mehr fragen konnte, ob er ihr die Liebesromane aus seiner Bibliothek, die eigentlich erst ab 18 gelesen werden sollten, ausleihen würde. Auch Eri runzelte leicht die Stirn, als der König es anscheinend recht eilig hatte, aus ihrer aller Gesellschaft zu entkommen. Auch Katsumi verzog besorgt das Gesicht, konnte er sich doch als einziger andeutungsweise ein Bild davon machen, worüber sein Herr jetzt nachdenken würde. Einzig Yuugo nahm das Verschwinden seines Bruders nicht misstrauisch auf, die jugendliche Naivität hatte auch ihre Vorteile.

Es war für Takutos Geschmack noch viel zu hell, als er sein Schlafzimmer betrat und durch die Glasscheibe in seiner Decke die unwahrscheinlich hellen Lichtstrahlen auf ihn herunterbrannten. Mit zusammengekniffenen Augen legte er sich auf sein Bett und starrte missmutig den hellen, blauen Himmel an. Wäre es doch schon Nacht... Takuto kam plötzlich ein Gedanke, eine Idee, die eigentlich funktionieren musste. Als König des Himmels hatte er auch Gewalt über das Wetter, selbst, wenn es sonst natürlich größtenteils seinen eigenen Willen hatte. Katsumi hatte irgendwann einmal erwähnt, dass Takuto es schneller oder langsamer als gewöhnlich Tag oder Nacht werden lassen konnte, und das wollte er jetzt versuchen. Zwar hatte er keine Ahnung, wie er das eigentlich anstellen sollte, doch er vertraute auf seine Kraft. Er schloss die Augen, hob seine Hände gen Himmel und konzentrierte sich auf seinen Wunsch, es Nacht werden zu lassen.

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Katsumi saß auf einer Bank vor dem Palast, als urplötzlich die Sonnenstrahlen verblassten und die Dämmerung einsetzte, obwohl es dafür eigentlich noch viel zu früh war. Die Menschen würden das jetzt wahrscheinlich für ein weiteres Phänomen halten, doch der junge Mann wusste es besser. Der König hatte also seine Macht ausprobiert, was er sonst eigentlich noch nie getan hatte. Sollte er etwas langsam doch noch erwachsen werden und sich in die Rolle als oberster König hineinfinden?

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Koji saß immer noch, beziehungsweise schon wieder, unter dem Baum am Sportplatz, wo er nur wenige Stunden zuvor mit Takuto gelegen hatte. Selbst jetzt konnte man noch deutlich den Geruch des Königs wahrnehmen, kaum abgeschwächt. Der Fürst dachte mit verträumtem Blick über die Geschehnisse dieses Tages nach, als es plötzlich dunkel wurde und ohne jegliche Vorwarnung die Nacht hereinbrach. Auch Koji wusste, dass dies Takutos Werk gewesen sein musste, und er lächelte still in sich hinein. Hätte er die Macht dazu, würde er das Ganze jetzt wieder umkehren, nur, um ihn zu verwirren. Doch Koji konnte nur über die Erde befehlen, konnte Vulkanausbrüche und Tornados hervorrufen, Geysire bis in den Himmel schießen lassen und den Boden mit einem riesigen Riss spalten. Aber über den Himmel und somit über Tag und Nacht hatte er keine Gewalt, das war Takutos Herrschaftsgebiet. Er lächelte immer noch, als man schon die Laternen von der Straße in einiger Entfernung sehen konnte, er selbst aber nur vom Mond beschienen wurde.

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Takuto öffnete vorsichtig die Augen, war sich nicht sicher, ob es gewirkt hatte. Zwar verspürte er auch jetzt noch ein leichtes Kribbeln in den Fingern, doch das konnte schließlich überall herrühren. Aber als er in den tiefschwarzen Himmel voller Sterne blickte, lächelte auch er, zufrieden über sein Werk. Allerdings war es jetzt in seinem Zimmer vollkommen dunkel, so ließ er Kerzen erscheinen und zündete sie mit purer Gedankenkraft an. Katsumi warnte ihn zwar immer davor, seine Kräfte für alltägliche Dinge zu benutzen, die man ebensogut von Hand erledigen könnte, doch sein Bett war jetzt einfach zu gemütlich um es zu verlassen, also verdrängte er die Stimme in seinem Hinterkopf, die eindeutig Katsumis Stimmlage hatte, vehement von dort.

Nun war der ganze Raum in ein warmes, leicht flackerndes Licht getaucht, was ungemein beruhigend wirkte. So gelang es Takuto sogar, etwas zu entspannen, bevor seine Gedanken wieder um Koji zu kreisen begannen. Der König kam sich im Nachhinein vollkommen lächerlich vor, schließlich war er in kurzer Zeit zwei Mal im Besein des Fürsten bewusstlos geworden. Es machte sicher nicht den besten Eindruck, wenn der Feind bei jedem Zusammentreffen ohnmächtig wurde, Koji lachte sich wahrscheinlich innerlich über diese kindliche Schwäche tot. Seine nicht vorhandene Stärke und Wiederstandsfähigkeit waren ein einziger Witz, eine Erniedrigung, der er sich selber ausgesetzt hatte.

Takuto ballte seine Hände zu Fäusten und seine Fingernägel bohrten sich ins Fleisch. Er verstand sich einfach selbst nicht mehr, war wütend auf sich, aber gleichzeitig auch auf alle anderen, einschließlich Koji, obwohl dieser ihm ja eigentlich gar nichts getan hatte. Was zum Teufel hatte ihn geritten, als er freiwillig dort geblieben war, mit nacktem Oberkörper an den Fürsten gelehnt, obwohl der Baum direkt daneben ebenfalls genug Stabilität gegeben hätte? Wieso hatte er seinen Feind so verdammt nahe kommen lassen, wieso hatte er ihm eine gehörige Ohrfeige oder sonstetwas verpasst? Und warum in Gottes Namen hatte er ihm gesagt, wann das nächste Training stattfinden würde?

All diese Fragen hämmerten immer lauter in seinem Kopf und Takuto fühlte sich, als würde sein Gehirn immer weiter aufgepumpt, bis es zu platzen drohte. Fest stand, dass er sich unglaublich blamiert und erniedrigt hatte, doch das war nun auch nicht mehr rückgängig zu machen. Das einzige, was er jetzt noch tun konnte, war Schadensbegrenzung. Er musste Koji unmissverständlich klar machen, dass er sich vom ihm fernhalten sollte, schließlich waren sie Feinde. Wenn er wirklich übermorgen beim Training erschien, wäre das die Gelegenheit, dieser Reihe von Erniedrigungen ein Ende zu machen.

Takutos Gesichtszüge hatten sich verhärtet, in Gedanken spielte er die Szenen schon durch, die sich möglicherweise abspielen könnten, er probte insgeheim den bestimmten Klang seiner Stimme, die gerade Haltung und die kalte Mimik, damit nichts seine Entscheidung ins Wanken bringen konnte. Während der König sich selbst einredete, dass er stark und unbesiegbar war, ein wahrer Gott eben, versuchte die kleine Stimme in seinem Hinterkopf verzweifelt zu ihm durchzudringen, ihm zu sagen, dass Koji doch gar nichts getan hatte. Sie wollte ihn daran erinnern, dass sein *Feind* ihm geholfen und sich um ihn gekümmert hatte, und außerdem auch an die banale Tatsache, dass Takuto sich von ihm auf eine seltsame Art und Weise angezogen fühlte und jedes Mal regelrecht in seinen Augen versank, wenn sie sich gegenüberstanden.

Doch all das verbannte Takuto erfolgreich aus seinen Gedanken, er war nur noch auf seinen Plan fixiert, dem Fürsten unmissverständlich mitzuteilen, dass er an weiterem Kontakt alles andere als interessiert war und er sich nie wieder in seiner Nähe blicken lassen sollte. Aber trotz aller Entschlossenheit, die sich in seinem Kopf breitgemacht hatte, fand ein seltsames Gefühl aus seinem Unterbewusstsein den Weg zu ihm, denn insgeheim fürchtete er sich ein wenig vor ihrer nächsten Begegnung, schließlich hatte er keine Ahnung, wie Koji reagieren würde. Und würde er seine Kräfte einsetzen - was dann? Niemand wusste, ob der Herrscher des Himmels oder der der Hölle mächtiger war, denn niemals hatten beide ihre Macht aufeinanderprallen lassen. Sollte es übermorgen wirklich dazu kommen, würden sie es herausfinden...

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Koji saß um Mitternacht immer noch unter dem Baum am Sportplatz, atmete des Königs Duft ein und lächelte leicht beim Gedanken an den vergangenen Nachmittag. Ständig hatte er Takutos Gesicht vor Augen, ganz gleich, ob seine eigenen nun geöffnet oder geschlossen waren. Immer noch spürte er das leichte Gewicht auf seinen Beinen, als der König bewusstlos darauf gelegen hatte und im Geiste strich er ihm immer noch über die Stirn. Kojis Lächeln erweiterte sich zu einem Grinsen, als er sich vorstellte, was wohl seine Brüder von seinem momentanen Gemütszustand halten würden! Akihito würde wohl einen hysterischen Anfall bekommen und Hirose... eigentlich konnte es ihm ja aber auch egal sein. Doch nun hatte er gewissermaßen ein Problem, dessen Name mit *T* anfing und mit *akuto* aufhörte... auch wenn der Gute nicht wusste, *was* für ein Problem er für den Fürsten darstellte - und Koji hatte auch nicht vor, ihn das so bald wissen zu lassen.

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Takuto wälzte sich unruhig in seinen Kissen hin und her, ihm war abwechselnd heiß und kalt, als hätte er Fieber. Sein Geist kam nicht zur Ruhe, ständig flackerten verwirrende Bilder vor seinen Augen, er sah Koji, Serika, Koji, Hisaya, Koji, Katsumi und nochmal Koji, bis alles ineinanderschmolz und er sich verzweifelt die Augen rieb, als hätte das irgendeinen Effekt haben können. Bis auf eine einzige waren inzwischen sämtliche Kerzen erloschen und so saß der König im Schein einer kleinen Flamme auf seinem riesigen Bett und atmete immer wieder tief durch. Zwar war ihm unglaublich heiß und Schweißtropfen hatten sich auf seiner Stirn gesammelt, doch gleichzeitig fühlte er sich, als säße er inmitten eines kühlen Luftzugs, der ihm eine Gänsehaut bescherte.

Er fuhr sich mit einer Hand durch die schweißnassen Haare, fühlte sich innerlich so aufgewült, als wäre er ein Raucher auf knallhartem Nikotinentzug. Zwar versuchte er seine Kräfte einzusetzen, um seinen Herzschlag wieder auf ein normales Maß zu reduzieren, doch es wollte ihm einfach nicht gelingen. Ständig sah er Kojis Gesicht vor sich, hörte seine sanfte Stimme, fühlte seine Hand auf seiner Stirn. So sehr er diese Eindrücke auch verdrängen wollte, insgeheim musste er zugeben, dass er genau diese Hand auf seiner Stirn gut hätte gebrauchen können, vielleicht hätte sie sich dann nicht mehr angefühlt, als stände sie in Flammen.

Takuto stand auf und lief ein wenig im Zimmer umher, langsam und bedächtig, obwohl er eigentlich auch einen Sprint hätte absolvieren können, so energiegeladen fühlte er sich. Er blickte in den Himmel, betrachtete die leuchtenden Sterne und wünschte sich, er könnte zu ihnen gelangen, ein Traum, den er schon seit seiner Kindheit hatte. Doch selbst dem höchsten Gott blieben diese Sphären verschlossen, nie würde er seine Hand nach den glitzerden Himmelskörpern ausstrecken können, denn er saß gewisssermaßen auf der Erde fest, er könnte nur mit Hilfe einer Rakete fortgelangen, wie gewöhnliche Menschen.

Doch auch wenn sie unendlich fern waren, beruhigten die Sterne ihn irgendwie, er fühlte sich plötzlich so klein und unbedeutend, nur ein Teil eines viel größeren Ganzen. Manche Leute hätte dieses Gefühl zu Minderwertigkeitskomplexen getrieben, doch Takuto fühlte sich erleichtert, denn für diesen Augenblick schien es, als wäre er ein niemand, als hätte er nicht die schwere Bürde als oberster Gott zu tragen. Lächelnd malte er sich aus, wenn er frei wäre, sich um nichts und niemand sorgen müsste, er weder Trauer noch Schmerz kenne und sein Bewusstsein nur vom ewigen Gefühl der Freiheit bestimmt wäre.

Immer noch mit diesem seligen Lächeln auf den Lippen legte sich Takuto zurück ins Bett, zog die Decke bis zu seinen Hüften und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Es war doch immer wieder verwunderlich, was für eine Wirkung die Sterne auf ihn hatten, schon seit seiner Kindheit. In Gedanken immer noch bei den leuchtenden Himmelskörpern schloss er die Augen, und schon bald enthob ihn der Schlaf in das Reich der Träume.

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Takuto verspürte einen stechenden Schmerz am Bein, als wäre er von etwas gebissen worden, und mit ärgerlich verzogenem Gesicht öffnete er die Augen. Doch als das Bild vor seinen Augen klar wurde, erschrak er. Da war wieder nur die Dunkelheit, diese furchtbare, bedrückende Dunkelheit, und die totale Stille. Doch dieses Mal sah er etwas im Schwarz, das ihn umgab, zwei kleine, leuchtend rote Augen bewegten sich über den Boden, doch das Wesen, zu dem sie gehörten, bewegte sich völlig lautlos, kein Rascheln, kein Fiepen, kein garnichts.

Der König war immer noch zutiefst verängstigt, obwohl er diese Situation ja inzwischen schon kannte. Aber diese Augen waren vorher noch nicht dagewesen, sie verunsicherten ihn und mit seinen Blicken verfolgte er ihren Weg über den Boden.

Als er plötzlich eine Hand auf seiner Schulter spürte, war er so auf die beiden rotglühenden Punkte fixiert, dass er furchtbar zusammenzuckte, obwohl er eigentlich auf dieses Gefühl hätte gefasst sein müssen.

Langsam drehte er sich um, obgleich er sich denken konnte, was jetzt kam. Es war seltsam, dass ihm bewusst war, dass er träumte, während er träumte. Doch vielleicht wusste er das auch gar nicht, vielleicht wusste er einfach nur, dass er diesen Ort bereits kannte und wusste, was nun folgen würde.

Und wie erwartet erschien die kleine, rote Flamme in der Dunkelheit, wuchs langsam an und bewegte sich auf ihn zu. Takuto rannte diesmal nicht weg, ihm war klar, dass er nur warten müsste, dann würde er hier wieder herauskommen. Einen Augenblick später zuckte der Blitz durchs Zimmer und die Flammenwand war bereit, den König zu überrollen. Takuto wartete, doch obgleich er wusste, dass ihm nichts passieren würde, konnte er die aufkeimende Angst nicht gänzlich unterdrücken, denn schließlich wusste er nicht, ob nicht doch etwas anderes geschehen würde.

Die Flammen bewegten sich auf ihn zu, wurden schneller und schneller, er konnte bereits die Hitze spüren. Er schloss die Augen und wartete, dass der kurzzeitige Schmerz eintreten würde, doch nichts geschah. Er öffnete die Augen wieder und riss sie sogleich weit auf. Die Flammenwand stand etwa zwei Meter vor ihm und bewegte sich kein Stück weiter, als würde sie aufgehalten. Ihre Wärme drang nicht mehr zu ihm durch, und plötzlich fühlte er sich, als hätte man ihn in eine Tiefkühltruhe gesetzt, er fror entsetzlich und glaubte direkt spüren zu können, wie seine Lippen blau anliefen. Takuto konnte sehen, wie das Feuer Wärme ausstrahlte, sie schlängelte sich in Wellenlinien durch die Luft, doch ihn erreichten die Strahlen nicht. Dabei war alles, was er wollte, zu den Flammen zu gelangen und sich an ihnen zu wärmen. Aber er konnte sich nicht bewegen, war dazu verdammt zu frieren und vor seiner Nasenspitze das warme Feuer zu sehen. Und immer noch schlichen die kleinen roten Augen um ihn herum, beäugten ihn und strotzten nur so vor Hinterhältigkeit.

Langsam wich das Gefühl aus seinen Gliedmaßen, zuerst spürte er seine Füße nicht mehr. Er wollte schreien, um Hilfe, um was auch immer, aber nicht ein Laut kam über seine Lippen. Die Kälte schnitt ihm buchstäblich das Wort ab, bevor er es überhaupt gesagt hatte. Nach kurzer Zeit hatte er im gesamten Unterkörper das Gefühl verloren und wunderte sich insgeheim, dass er überhaupt noch aufrecht stand und nicht wie ein nasser Sack zur Seite gekippt war. Noch nie in seinem ganzen Leben hatte er so sehr gefroren und sein einziger Wunsch war es, dieses Feuer möge ihn endlich überrollen, doch dieser Gefallen wurde ihm nicht getan. Stattdessen begann das kleine etwas mit den roten Augen an ihm hochzuklettern, obgleich er es nur aus den Augenwinkeln sehen konnte. Es war eine Ratte, eine schwarze Ratte mit leuchtenden Augäpfeln. Sie bahnte sich ihren Weg bis auf Takutos Schulter, verweilte dann dort und schien genüsslich zu warten, bis er absolut nichts mehr fühlte.

Und dieser Augenblick trat bald ein, der König spürte die Kälte nicht mehr, er spürte gar nichts. Nur der Wunsch war geblieben, er sehnte sich mehr als alles andere nach dem Feuer, sollte es ihm auch einen qualvollen Tod bescheren: alles war besser, als unbeweglich dastehen zu müssen und zu wissen, dass eine hinterhältige Ratte auf der Schulter saß, ihn wahrscheinlich gerade sogar annagte und man sich nicht dagegen wehren konnte. Takuto verlor allmählich das Bewusstsein, er sah nur doch die Flammen vor sich, die ihm so unendlich weit entfernt schienen, bevor er in tiefster Dunkelheit versank.

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Der König öffnete langsam und blinzelnd die Augen, registrierte, dass er sich in seinem Bett befand und demnach dieser Albtraum nun vorbei war. Vorsichtig bewegte er seine Arme um festzustellen, ob wirklich alles nur geträumt gewesen war. Die Flexibilität seiner Gliedmaßen beruhigte ihn schließlich und so stand er auf. Seine Laune war erstaunlich neutral, er verspürte weder dieses unglaublich freudige Gefühl, das ihn am liebsten die ganze Welt umarmen lassen würde, noch diese missgelaunte Spannung im Inneren, die ihn langsam aber sicher zu einem agressiven Kotzbrocken mutieren ließ. Takuto war einfach nur ein bisschen müde, ansonsten gar nichts.

In gemächlichem Tempo nahm er eine Dusche und zog sich an, doch auch zu dieser frühen Tageszeit, er fast zwei Stunden früher aufgewacht als sonst, begannen seine Gedanken wieder um Koji zu kreisen, obwohl er ihm heute glücklicherweise nicht begegnen würde - zumindest war eine Begegnung nicht geplant. Takuto war immer noch fest entschlossen, seinem Feind ein für alle mal klarzumachen, dass er an weiterem Kontakt alles andere als interessiert war und der Fürst sich von ihm fernhalten sollte.

Den ganzen Tag lang hatte der König diese Gedanken im Hinterkopf, er konnte sie nie ganz verdrängen. Und obwohl er seine Pflichten mit ungewohnter Genauigkeit und Disziplin wahrnahm, konnte er sich dennoch nicht gegen die immer wieder vor seinem geistigen Auge auftauchenden Bilder wehren, die ihn an den gestrigen Nachmittag erinnerten, ihm wieder und wieder vor Augen führten, dass Koji lediglich geholfen und ihn nie in irgendeiner Art und Weise angegriffen hatte. Aber Zweifel oder gar aufkeimende Schuldgefühle hatten im von neuem Selbstbewusstsein gefüllten Kopf des Königs keinen Platz, sie wurden erbarmungslos zerquetscht und verdrängt.

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Auch Koji nahm seine Pflichten wahr, jedoch war er dabei wesentlich unkonzentrierter als sein Gegenstück im Himmel. Der Fürst hörte fast nie zu, wenn jemand etwas sagte, es sei denn, diese Person war seine Schwester oder sein Berater, und man musste ihm so gut wie alles zweimal sagen. Hirose und Akihito waren merklich genervt, ihre Selbstbeherrschung hatte nicht gerade ihren besten Tag. Akihito war mehrmals kurz davor, seinem Bruder, der ihn immerhin in den Kerker werfen lassen konnte, einen Fluch oder eine Beschimpfung an den Kopf zu werfen, wurde jedoch stets im letzten Moment von Hirose zurückgehalten, dem er auch heute nicht von der Seite wich. Der älteste der Najos beherrschte es fast so gut wie Koji, eine kalte und undurchdringliche Maske aufzusetzen, was ihm immer wieder Unverständnis aber auch stumme Bewunderung von Akihito einbrachte.

Hirose verfluchte den Fürsten mehrmals innerlich, und es waren nicht gerade die harmlosesten Flüche, die er ihm an den Kopf warf. Er war sich nicht sicher, ob sein Bruder seine Gedanken lesen konnte, also ließ er seiner Wut nur "freien Lauf", wenn er nicht in der Nähe war. Jeder bemerkte Hiroses und Akihitos Unmut, außer Koji, der sie behandelte wie immer, und das hieß: nicht besonders gut. Jedoch konnte niemand ahnen, was der Grund für Kojis mangelnde Aufmerksamkeit war...

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Der Abend kam unvermittelt schnell, Takuto fühlte sich in der einen Sekunde noch taufrisch, als wäre er gerade erst aufgestanden, in der nächsten plötzlich hundemüde. Als er schließlich in sein riesiges Bett sank, fielen ihm die Augen augenblicklich zu und die Träume suchten sich Wege in seine Wahrnehmung.

Der König hatte erneut den Traum der letzten Nacht, völlig unverändert, wieder sah er diese widerlichen roten Augen und wieder machte die Flammenwand vor ihm halt, ließ ihn in der Kälte erfrieren. Takuto wachte am nächsten Morgen mit schweißnassen Haaren auf, was Katsumi recht besorgt dreinblicken ließ, als er ihn wecken wollte. "Eure Majestät?" Der junge Mann war an das Bett herangetreten und hatte den Kopf schiefgelegt, als könnte er seinen Herrn dadurch besser begutachten.

"Hm?" Takuto brummte nur müde eine Antwort, streckte sich und rieb sich den Schlaf aus den Augen.

"Geht es euch gut? Hattet ihr einen Albtraum?" Der König fühlte sich unangenehm an die letzte Nacht erinnert und verzog ärgerlich das Gesicht, er wollte sich an diesen verdammten Traum nicht erinnern und er hatte auch keine Lust, seinem Berater von dem ganzen zu erzählen. "Mir geht es gut, und jetzt verschwinde, ich will mich umziehen."

Katsumi seufzte deutlich hörbar und entfernte sich mit einer schnellen Verbeugung aus dem Zimmer. Langsam hatte er es satt, immer als Prügelknabe herzuhalten, wenn Takuto mal wieder schlechte Laune hatte.

Und die hatte er heute nun wirklich, der König war griesgrämiger als je zuvor. Das lag nicht nur am wiederholten Albtraum, sondern auch an der Tatsache, dass heute nachmittag Training stattfand und er dann höchstwahrscheinlich Koji gegenübertreten musste. Außerdem war Takuto immer noch verletzt und wütend darüber, dass Hisaya ihn nach wie vor mied, obwohl er ihm eigentlich nichts getan hatte.

Auch am Frühstückstisch fiel seine extrem schlechte Laune auf, selbst Serika wurde von ihm angeschnauzt. Takuto stocherte verbisschen in seinem Salat herum, reagierte auf die vorsichtigen Fragen der anderen nur mit äußerst mürrischen Kommentaren, so dass der Wille zur Konversation sehr schnell erstarb. Der König starrte mit leerem Blick auf Hisayas leeren Platz, in Gedanken sah er tausende von Bildern: wie er und Hisaya früher so viel Spaß gehabt hatten, dann jenes verhängnisvolle erste Treffen mit dem Fürsten und schließlich die Szenen der letzten Tage. Vor dieser Konfrontation war sein Leben in Ordnung gewesen, es war nicht besonders aufregend gewesen, das musste man zugeben, aber wenigstens hatte er nicht solche verdammten Probleme gehabt wie jetzt. Er hatte seinen besten Freund verloren und dafür seinen Todfeind am Hals, super!

Insgeheim freute sich jeder Anwesende, dass Takuto schnell den Saal verließ, während er etwas von "Keinen Appetit" murmelte. Yuugo atmete hörbar auf, was ihm einen strafenden Blick von seiner großen Schwester einbrachte. Doch Katsumi sah seinem Herrn besorgt hinterher, ließ dann seine Blicke schweifen und blieb letztendlich an Hisayas unbesetzten Platz hängen.

Auch beim Mittagessen hatte sich die Laune des Königs kein Stück verbessert, mit verkniffenem Gesichtsausdruck beförderte er kleine Reisbällchen in seinen Mund und würgte sie hinunter. Serika hielt sich nur mit Mühe zurück und fragte nicht, was ihren Bruder so verärgerte, denn die Reaktion auf diese Frage konnte sie sich nur allzugut ausmalen. Katsumi aß kaum etwas, die ganze Zeit beobachtete er seinen Herrn und schaute rechtzeitig zur Seite, falls dieser seinen Blick einmal erwiderte. Er kam sich vor wie ein kleiner Schuljunge, der seiner heimlichen Angebeteten verliebte Blicke zuwirft, doch das war nun wirklich nicht der Fall. Vielleicht konnte aus dem puren Betrachten Schlüsse ziehen, vielleicht würde der König ihm aus Versehen Einblick in seine Seele gewären. Zwar das ziemlich unwahrscheinlich, doch wenigstens einen Versuch wert.

Takuto selbst bemerkte nicht, dass sein Berater ihn die ganze Zeit anstarrte, es wäre ihm aber wahrscheinlich auch völlig egal gewesen. Das einzige, was momentan Platz in seinem Bewusstsein hatte, war Koji, vielmehr das bevorstehende Treffen mit ihm. Natürlich bestand immer noch die Möglichkeit, dass er gar nicht kommen würde, doch das hielt er für ziemlich ausgeschlossen.

Ihm war recht mulmig zumute, als er sich später vor den Palast begab, die Augen schloss und sich in die kleine Seitenstraße teleportierte, die so nahe am Sportplatz lag. Nun war es also soweit...

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Koji sah sich in seinem riesigen Spiegel an, begutachtete sich von allen Seiten. Er sah hervorragend aus, wie immer, doch trotzdem wurde jedes Detail genauestens beäugt. Seine langen Haare hatte er mit einem schlichten schwarzen Band zusammengebunden, seine Augen wurden von einer schwarzen Designersonnenbrille verdeckt. Ein hellblaues Hemd und eine enge schwarze Hose rundeten den Popstarlook ab, schließlich war beides von Versace. Und auch für die Schuhe hatte er ein Vermögen ausgegeben, aber schließlich war Geld nun wirklich kein Problem. Wozu konnte man es sich denn erschaffen, wenn man welches brauchte? Das war einer der Vorteile, der einem als Gott zuteil wurden.

Hirose und Akihito sahen ihrem Bruder misstrauisch hinterher, als er den Palast verließ und die steinernen Stufen zur Teleportationsstelle hinaufschritt, jedoch verkniffen sich beide die Frage, wohin er denn nun schon wieder wollte, sie hatten keine Lust, sich schon wieder von ihm beschimpfen zu lassen.

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Katsumi seufzte leicht, als Takuto in einer Nebelsäule verschwunden war. Er hatte ihm seine Begleitung angeboten, doch sein Herr hatte vehement abgewehrt, schließlich wäre er kein kleines Kind mehr, auf das man aufpassen müsste. Im Kopf des jungen Gottes tauchte immer wieder der Gedanke auf, dass er sich doch einfach hinunterteleportieren und

heimlich zugucken könnte, aber das Risiko war einfach zu groß. Sollte Takuto ihn entdecken, hatte er wirklich ein Problem.

So drehte sich Katsumi auf dem Absatz um und ging zurück in den Palast, er hatte schließlich etwas zu erledigen. Es war ein langer Weg bis zu der Tür, die er suchte, denn der Bewohner hatte seine Gemächer verlegen lassen, wollte nicht mehr direkt neben dem König wohnen. Katsumi räusperte sich und klopfte sanft aber bestimmt an das schwere Holz, als er sein Ziel endlich erreicht hatte. Hisayas Stimme schallte ihm etwas mürrisch entgegen, aber daran war er ja langsam gewöhnt. "Wer ist da?" "Katsumi, darf ich hereinkommen?" Er hörte, wie etwas in die Ecke geworfen wurde und dabei vermutlich eine Blumenvase umstieß, denn wie sonst sollte man das klirrende Geräusch erklären.

Augenblicke später hörte man das Drehen des Schlüssels im Schloss und die Tür öffnete sich, dahinter stand ein schwer atmender und verschwitzter Hisaya mit nacktem Oberkörper. Katsumi nickte dankend und trat ein, hinter ihm fiel die Tür wieder zu.

Anscheinend hatte Hisaya sich an dem Sandsack zu schaffen gemacht, dafür sprachen seine momentane Verfassung und die Boxhandschuhe, die kurzen Prozess mit der gläseren Karaffe gemacht hatten. Hisaya war noch etwas außer Atem, als er sich vor Katsumi auf einem Sessel niederließ. "Was willst du?" Die Frage klang nicht gerade nett, doch auch daran war Katsumi gewöhnt, Hisaya war nie der charmanteste. "Ich möchte dich etwas fragen, Hisaya." Katsumi schluckte und setzte sich dann ihm gegenüber auf das Sofa.

"Dann frag." Hisaya sah ihm direkt in Augen, jedoch wirkte es eher gelangweilt als interessiert.

"Willst du ihm jetzt für immer aus dem Weg gehen?" Sein Gegenüber guckte erst, als hätte er ihn nicht verstanden, doch Katsumi war sich sicher, dass er ihn sehr wohl verstanden hatte. Hisayas Gesicht verfinsterte sich.

"Ja, eigentlich hatte ich mir das so gedacht. Hast du ein Problem damit?" Katsumi rutschte etwas auf dem Sofa hin und her, fühlte sich nicht sonderlich wohl in seiner Haut, aber schließlich hatte er sich das selbst eingebrockt. "Ja, das habe ich." Hisaya blickte erstaunt, das hätte er von seinem doch relativ schmächtigen Gegenüber nicht erwartet. "Ich habe ein Problem damit, weil ich es nicht richtig finde. Er-" "Nicht richtig?" Das Gesicht des jungen Gottes verzog sich ärgerlich und Katsumi machte sich schon auf das Schlimmste gefasst.

"Aber du findest es richtig, dass er diesem Bastard einfach so vertraut hat, ja? Verdammt, der Fürst ist sein Todfeind und er vertraut ihm mehr als Eri!" Hisaya geriet langsam in Rage, doch darauf war Katsumi vorbereitet. "Aber letztendlich war dieses Vertrauen ja auch berechtigt, oder etwa nicht? So Leid es mir tut, Eri hat dich nunmal-"

"Ich weiß, was sie getan hat, du brauchst es mir nicht nochmal zu erzählen!" Der junge Mann sprang auf, seine Stimme war bedrohlich angeschwollen. Katsumi erhob sich ebenfalls, bemühte sich dabei um eine möglichst autoritäre und entschlossene Haltung.

"Ich bin mir durchaus darüber im Klaren, dass du traurig und enttäuscht bist, doch schieb bitte nicht Izumi die Schuld dafür in die Schuhe!" Hisaya hatte seine Hände inzwischen zu Fäusten geballt, er konnte sich noch nie gut beherrschen. "Er ist mir in den Rücken gefallen, hat meiner Freundin vorgeworfen, sie hätte mich betrogen, obwohl es keinerlei Anhaltspunkte dafür gab!" "Aber es stimmt doch, auch wenn es schmerzhaft für dich ist. Sicherlich war es voreilig, dem Fürsten so einfach zu vertrauen, aber du kannst Izumi das nicht ewig vorwerfen! Es war einfach Intuition, die letztendlich ja auch ins Schwarze getroffen hat, oder?"

Hisaya starrte Katsumi aus funkelnden Augen an, doch scheinbar gingen ihm langsam aber sicher die Argumente aus, obwohl sie bisher alles andere als einleuchtend gewesen waren. Katsumi fühlte sich nun bestärkt und in der Lage, sein eigentliches Anliegen vorzubringen. "Hisaya, ich möchte dich um etwas bitten." Der Angesprochene reagierte mit misstrauischem Blick auf diese Worte. "Bitte komm doch wieder zum Essen in den Speisesaal und verkriech dich nicht immer hier. Auch wenn er es nicht zeigt, Izumi leidet sehr darunter und es würde ihm sicherlich gut tun, wenn dein Platz endlich wieder besetzt wäre." Hisaya starrte ihn an, als hätte er ihm gerade erzählt, dass ihm plötzlich ein drittes Auge auf der Stirn gewachsen wäre, und seine ganze Wut entlud sich nun.

"Ich soll was? Wieder mit Eri und ihm an einem Tisch sitzen? Mit den beiden, die mir in den Rücken gefallen sind und mich verraten haben? Bist du noch ganz dicht? Eri hat mich betrogen, hintergangen, mit dem Fürsten! Und zu Izumi brauche ich wohl nichts mehr zu sagen! Wie kannst du es überhaupt wagen, mich um so etwas zu bitten!!!" Einen Moment lang fürchtete Katsumi, Hisaya würde ihm an die Kehle springen, doch glücklicherweise blieb es bei einem verbalen Wutausbruch. "Ich weiß sehr wohl, dass ich damit viel von dir verlange, aber ich bitte dich inständig, überlege es dir. Außerdem wäre da auch noch das Fußballtraining, oder willst du etwa nie wieder spielen, bloß, um Izumi nicht über den Weg laufen zu müssen?"

"Ich kann zu einem anderen Verein gehen, das-" Katsumi unterbrach ihn, wollte ihn gar nicht erst erklären lassen. "Du weißt, dass kein anderer Club so gut ist wie der, in dem ihr beide spielt. Und ich weiß auch, dass du Fußball genauso liebst wie Izumi und deshalb verstehe ich es nicht, dass du diese Leidenschaft wegen deinem verletzten Stolz aufgeben willst!"

Die letzten Worte brachten das Fass zum Überlaufen und ehe Katsumi sich versah, hatte Hisaya ihn am Hemdkragen hochgehoben und er schwebte in grobem Griff in der Luft. "Verletzter Stolz, ja? Wie würdest du dich an meiner Stelle fühlen, hm? Kannst du dir das überhaupt vorstellen?" Katsumi schnappt nach Luft, griff mit seinen Händen nach Hisayas Handgelenken und schickte einen Stromstoß hindurch, was den wütenden Mann dazu brachte, ihn wieder auf den Erdboden fallen zu lassen.

"Vielleicht kann ich es mir nicht vorstellen, möglich, aber dennoch tust du ihm Unrecht. Ihm und dir selbst, denn indem du nicht zum Training gehst, bestrafst du nicht nur ihn sondern auch dich selbst, denn ich weiß, innerlich brennst du darauf, endlich wieder auf dem Platz stehen zu können und diese Leidenschaft in deinen Adern zu fühlen, die dich immer beim Fußball überkommt. Aber wenn du das alles aufgeben willst, bittesehr. Ich kann und werde dich nicht davon abhalten."

Mit diesen Worten rückte Katsumi sein Hemd zurecht, deutete eine spöttische Verbeugung an und ging Richtung Tür. Auf der Schwelle drehte er sich noch einmal um, schaute den immer noch vor Wut zitternden Hisaya direkt an.

"Denk mal darüber nach." Nachdem er aus dem Zimmer verschwunden war, ließ Hisaya sich in den Sessel zurückfallen und atmete tief durch, starrte Katsumi wütend hinterher

"Wenn du wüsstest, was ich alles weiß..."

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Takuto hatte ein flaues Gefühl im Magen, als er sich aufs Spielfeld begab. Es war wieder ein recht heißer Tag, die Luft flimmerte in der Sonne und er schwitzte schon, obwohl er noch gar nichts getan hatte. Noch spürte er Kojis Anwesenheit nicht, doch er war sich fast 100% sicher, dass er kommen würde.

Auch das Aufwärmen verlief völlig normal, doch Takuto wurde wieder einmal schmerzlich bewusst, dass er Hisaya vermisste, mit ihm war das Training irgendwie anders gewesen. Vielleicht lustiger, vielleicht anstrengender, er konnte es nicht genau beschreiben. Doch jetzt war er nicht mehr da und Takuto musste auch damit irgendwie zurechtkommen.

Inzwischen waren sie in zwei kleine Mannschaften aufgeteilt, die gegeneinander spielten, selbstverständlich war Takutos dabei, haushoch zu gewinnen. Doch plötzlich spürte er sie - seine Anwesenheit. Nervös drehte er den Kopf und entdeckte ihn schließlich hinter der Umzäunung. Dort stand Koji, und selbst aus dieser Entfernung konnte er ihn genau erkennen, jedes noch so kleine Detail. Die Sonnenbrille, das blaue Hemd, das wieder sehr weit aufgeknöpft war, sogar das silberne Kreuz, das er um den Hals trug. Takutos Herz schlug schneller, nun wusste er mit Sicherheit, dass er seinen Plan ausführen musste, jedoch erst nach dem Training. Diese Zeit musste er noch irgendwie überstehen, obgleich ihm das sicherlich nicht leicht fallen würde. Es verunsicherte und verwirrte ihn, ständig diese ungeheure Kraft zu spüren, zu wissen, dass ein Paar ozeanblauer Augen auf ihm ruhte.

Takuto war nicht wirklich bei der Sache, ein paar eigentlich absolut sicherer Schüsse ging daneben, was ihm Spott und Ärger seiner Mitspieler einbrachte. Doch Koji amüsierte sich prächtig, er fand es erstens herrlich, diesem wirklich äußerst gut gebauten Gott zuzusehen und zweitens erheiterte es ihn ungemein, wie sehr er ihn doch aus der Fassung brachte. Aber ersterer Punkt überwog doch erheblich, Kojis Augen klebten förmlich an seinem Körper. Jeder Sterbliche hätte wohl nicht besonders viel wahrgenommen, doch die Sinne des Fürsten waren um ein vielfaches stärker als die der Menschen. Er sah jeden einzelnen Schweißtropfen, der an Takuto herunterrann, er konnte den besonderen des Königs riechen, den er so liebte. Und er spürte die Leidenschaft, die er beim Spiel entfaltete, obgleich sie heute etwas zurückgehalten wurde.

Als der Trainer mit einem lauten Pfiff den ´Feierabend´ erklärte, schlug Takutos Herz wieder schneller und das flaue Gefühl im Magen verstärkte sich. Während seine Mitspieler zu den Umkleidekabinen schlenderten, begab er sich auf die andere Seite des Spielfeldes, unter den Baum, wo ihn Koji bereits erwartete. Der König rief sich ein letztes Mal ins Gedächtnis, was er sagen wollte, dann stand er dem Fürsten direkt gegenüber.

Koji trug immer noch die schwarze Sonnenbrille, er hatte die Hände in die Taschen gesteckt und lächelte Takuto an. Dieser war sehr erfreut über die dunklen Gläser, die ihn vor den Augen des Fürsten schützten, denn er war nicht gerade scharf darauf, wieder in dieses seltsam hypnotisierende Blau blicken zu müssen. Der Fürst lehnte inzwischen in auffällig relaxter Haltung am Baum und begann zu sprechen. "Ihr wart sehr gut, Izumi. Es macht wirklich Spaß euch zuzusehen." Das war die Chance... "Dann hoffe ich, dass ihr euch diesen Anblick gut gemerkt habt, denn ihr werdet ihn nicht noch einmal bekommen." Takuto hoffte inständig, dass der bestimmte Klang in seiner Stimme deutlich genug zu hören war. "Pardon?" Kojis Lächeln verschwand ein wenig, er legte den Kopf leicht schief und blickte ihn etwas verwirrt an. "Ich wünsche nicht, dass ihr noch einmal hier erscheint." Nun war der Fürst vollkommen erstaunt und seine Gesichtszüge wandelten sich wieder zu der altbekannten Maske.

"Ich fürchte, ich verstehe euch nicht, Izumi." Takuto wurde langsam sicherer, seine Stimme verlor fast jegliches Zittern. "Ihr versteht sehr wohl. Haltet euch von mir fern, ich habe keinerlei Interesse an weiterem Kontakt. Wir sind Feinde, vergesst das nicht." Das hatte gesessen. Koji nahm die Sonnenbrille ab und sah Takuto direkt in die Augen, versuchte herauszufinden, ob das wirklich sein Ernst war. Doch leider blieb ihm ein Blick in seine Seele verwehrt, er sah nur Entschlossenheit.

Takuto zitterte unter dem Blick des Fürsten, doch er blieb standhaft

und wandte sich nicht ab. Wenn er jetzt nachgab, hatte er für immer verloren, und das wollte er um keinen Preis. Aber so leicht war Koji nicht zu besiegen. "Ich denke, dass ihr etwas vergesst, mein Lieber. Wer hat euch geholfen, als ihr auf offener Straße zusammengebrochen seid, hm? Die gute Fee?" "Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass das ein sehr nobler Zug von euch war und ich bedanke mich dafür, doch ich bin euch in keinster Weise verpflichtet." Langsam wurde der König herrischer, doch er war sich nicht sicher, ob das wirklich eine gute Idee war, denn Kojis Gesicht verfinsterte sich weiter. "Und ich denke nicht, dass ihr in der Lage seid, mir irgendwelche Vorschriften zu machen." Bei diesen Worten trat er einen Schritt vor, doch eine unsichtbare Barriere hielt ihn auf. Koji verstand, Takuto setzte seine Macht ein, um ihn von sich fernzuhalten. Gar nicht so dumm, der Kleine, doch lange nicht clever genug.

Der König spürte, wie der Fürst gegen ihn kämpfte, er verkrampfte sich und musste sich anstrengen, den Schutzwall um sich herum aufrecht zu erhalten. Kojis Macht war stark und er begann allmählich zu zittern. "Und ihr seid bestimmt nicht in der Lage, mich von euch fernzuhalten." Einem Beobachter müsste diese Szene sehr komisch erschienen sein: zwei Männer, von denen einer vor Anstrengung zitterte und der andere wie gegen eine unsichtbare Wand gelehnt war und dem man keinerlei Anspannung ansehen konnte.

Takuto musste sich sehr konzentrieren, ihm war nicht klar gewesen, dass selbst dass einfache, körperliche Fernhalten des Fürsten so viel Kraft erforderte. Und noch viel mehr als die Tatsache, dass er so sehr damit zu kämpfen hatte, verwirrte ihn, dass Koji sich anscheinend überhaupt nicht anstrengen musste, um seinen Schutzwall langsam aber sicher zu zermürben. Er hätte inzwischen sogar wieder ein leichtes Lächeln auf den Lippen, allerdings war es diesmal ein hinterhältiges, was Takuto einen kalten Schauer den Rücken hinunterlaufen ließ.

Plötzlich spürte der König keinen Widerstand mehr, da er jedoch seine Kraft noch voll konzentriert hatte, wurde Koji zurückgeschleudert und prallte mit voller Wucht gegen den Baumstamm. Takuto starrte ihn aus weit aufgerissenen Augen an, während der Fürst schon wieder aufstand und ihn anlachte. Ihm schien der schwere Aufprall überhaupt nichts

ausgemacht zu haben, er schien sich auf irgendeine Weise sogar darüber zu freuen. Takuto war nun mehr als verwirrt. "Wieso-" Koji lachte, doch es war immer noch ein hinterhältiges Lachen. "Ihr habt eure Kräfte nicht im Griff, Izumi. Es ist, als würdet ihr

euch mit aller Kraft gegen eine Tür lehnen, die jemand auf der anderen Seite zuhält. Dann verschwindet dieser jemand plötzlich und ihr fallt mit der Tür zu Boden. Ihr habt keinerlei Kontrolle über eure Macht, was nicht gerade gut ist. Wahrscheinlich war es auch nur Anfängerglück, dass ihr vor zwei Tagen das Einsetzen der Nacht beschleunigt habt."

Takuto war nun nicht mehr verwirrt, jetzt war er wütend. Was bildete Koji sich ein, ihn als einen Anfänger zu bezeichnen? Er war fast genauso alt wie er, also hatte er keinerlei Recht dazu. Nun gut, vielleicht hatte er seine Macht eben wirklich nicht ganz im Griff gehabt, doch er wusste ganz genau, was er nun damit anfangen würde.

Der Fürst flog erneut zurück gegen den Baumstamm und diesmal blieb er an ihm hängen, als hätte man ihn daran festgenagelt. Takuto trat an ihn heran, doch Koji lachte immer noch lauthals und schien sich bestens zu amüsieren. Der König war nun wirklich zornig, er wollte es nicht wahrhaben, dass er mit all seinen Kräften fast gar nichts bewirken konnte.

"Na, seid ihr jetzt wütend?" Kojis Stimme hatte diesen spöttischen Unterton, der Takutos Blut fast zum Kochen brachte, und so verpasste er ihm eine schallende Ohrfeige. Schon in der nächsten Sekunde fragte er sich, was zum Teufel er eigentlich tat - das war der Fürst, den er da gerade geschlagen hatte. Und so wie es aussah, konnte er diesem nicht Paroli bieten. Die Stimme in seinem Hinterkopf schrie wie wild, er sollte sich auf der Stelle entschuldigen, schließlich hatte Koji ihm nichts getan. Der Fürst lachte immer noch, ignorierte die dünne Blutspur, die sich aus seinem Mundwinkel über das Kinn zog.

Takuto war immer noch wie gelähmt, doch der Fürst hatte den Bann gebrochen und trat nun auf ihn zu. Diesmal stand ihm keine Barriere im Weg, der König war noch zu geschockt und auch zu ängstlich, er wusste nicht, was Koji mit ihm machen würde. Doch dieser sah ihn einfach nur an, immer noch mit diesem seltsamen Lächeln, was ihm eine Gänsehaut bescherte. Dann hob er langsam die rechte Hand, schob sie unter Takutos Kinn und zwang ihn, ihn geradeheraus anzusehen.

Der König war nun in der Situation, in der er nie hatte sein wollen, er stand direkt vor seinem Todfeind, konnte sich nicht bewegen und versank in diesen wunderschönen Augen, die wirklich aussahen wie das Meer. Koji näherte sich ihm noch weiter, bis ihre Gesichter nur noch 10 cm voneinander entfernt waren. Takuto wagte kaum noch zu atmen, der Wille, den anderen von sich zu stoßen, war nun gänzlich erstorben.

Koji wusste, was für eine Wirkung er auf ihn hatte, und er genoss es in vollen Zügen. Betont langsam ließ er seine rechte Hand weiter nach oben wandern, fuhr mit den Fingern den Rand des Gesichtes entlang und vergrub sie schließlich hinter Takutos rechtem Ohr in seinen Haaren. Dieser hielt immer noch still, atmete kaum. Der Fürst wunderte sich über sich selbst, wunderte sich, dass er sich immer noch beherrschen konnte, obwohl diese wunderschönen Lippen direkt vor seinem Gesicht waren. Doch er beschloss, Takuto noch ein wenig mehr zu schockieren.

Langsam beugte er sich weiter nach vorn, aus den 10cm wurden 9, aus den 9 wurden 8 und erst kurz bevor sich ihre Lippen berührte, drehte er den Kopf nach links und flüsterte ihm ins Ohr. "Ihr könnt es nicht mit mir aufnehmen, und das wisst ihr. Aber wenn ihr spielen wollt, bitteschön."

Takuto war absolut unfähig zu jeglicher Bewegung, obgleich er den Fürsten am liebsten von sich gestoßen hätte. Doch seine Hände gehorchten ihm nicht, und so bewegte er sich nicht einen einzigen Millimeter. Er spürte den warmen Atem auf seiner Haut, ein wohliger Schauer jagte den anderen und seine Haut brannte dort, wo Kojis Finger sie berührt hatten. Auch, als der Fürst seinen Kopf nun zurückzog wachte er nicht aus seiner Starre auf, er hing weiterhin an seinen Augen fest, obwohl ihm noch immer der Schock in den Knochen saß, dass Koji ihn fast geküsst hätte - zumindest hätte er die Möglichkeit dazu gehabt. Aber auch jetzt schien er gar nicht daran zu denken, sich zu entfernen, vielmehr legte er jetzt auch die linke Hand auf Takutos Wange, umrahmte sein Gesicht mit seinen blassen Händen, die trotz der spürbaren Kühle des Königs Haut in Brand setzten. Seine Stimme klang nicht mehr hinterhältig, vielmehr auf verbotene Weise verführerisch, als er weitersprach.

"Aber wenn ihr nicht nach *meinen* Regeln spielt, werdet ihr das bitter bereuen, denn dann werden alle, die ihr liebt, dafür bezahlen." Mit diesen Worten löste er sich von Takuto und machte einen Schritt rückwärts, ohne jedoch den Blickkontakt abzubrechen. Der König wachte langsam aus seiner Starre auf, der Fürst hatte mit dieser letzten Drohung den Bann gebrochen.

"Ihr könnt mir nicht drohen..." Koji lachte, löste mit der Hand seinen Zopf, so dass ihm die silbernen Haare um das Gesicht wehten, und setzte dann wieder seine Sonnenbrille auf.

"Und ob ich das kann, mein Lieber." Takuto wurde langsam wieder wütend, das musste er sich nicht gefallen lassen.

"Verschwindet!" Der Fürst lächelte immer noch auf diese spöttische Art und Weise, jedoch war der verführerische Unterton immer noch nicht ganz gewichen.

"Mit Vergnügen." Koji verbeugte sich, wobei seine Haare fast den Boden berührten, dann ging er in Richtung der Straße, die am Sportplatz vorbeiführte.

Takuto starrte ihm hinterher, verwirrt, wütend und schockiert, doch dann hielt er es für das beste, sich endlich zu duschen und sich umzuziehen. Er spürte immer noch eine seltsame Kraft, doch er war sich nicht sicher, ob es immer noch die des Fürsten war. Aber er war schon verunsichert genug, darüber konnte er sich jetzt wirklich keine Gedanken mehr machen. So verschwand er zu den Umkleideräumen und bemerkte nicht die Gestalt, die sich aus ihrem Versteck in den Büschen am Rand zurückzog.

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Beim Abendessen sagte Takuto kein Wort, was Katsumi wieder Anlass zu wilden Spekulationen gab. Hisayas Platz war wie erwartet frei, doch er hoffte, dass der junge Gott doch noch zur Vernunft kommen würde und sich vielleicht morgen oder übermorgen wieder beim Essen blicken ließ.

Katsumi suchte seinen Herrn später noch in seinen Gemächern auf, doch er war nicht gewillt, ihm irgendeine Auskunft zu geben. Er sagte ihm nicht, dass Koji wieder dagewesen war, und erst recht nicht, wie das Gespräch zwischen ihnen verlaufen war.

In der Nacht lag Takuto schlaflos im Bett, wälzte sich von einer Seite auf die andere und versuchte mit aller Kraft, die Bilder des Nachmittags aus seinem Bewusstsein zu verdrängen, Kojis Gesicht und seine Nähe zu vergessen. Doch es gelang ihm nicht im geringsten und ihm war am Morgen völlig unbegreiflich, wie er es geschafft hatte einzuschlafen.

Der nächste Tag verlief völlig ereignislos, Hisaya erschien wie gewohnt nicht zum Frühstück und Takuto war nie bei der Sache, seine Gedanken kreisten immer nur um den letzten Nachmittag und den Fürsten. Das einzig positive war, dass er in der Nacht keinen Albtraum gehabt hatte, aber dafür hatte er allerlei wirres Zeug geträumt, eine Aneinanderreihung von Szenen, in denen der Fürst vorkam, doch er konnte sich nicht mal mehr genau daran erinnern. Am Abend fühlte er sich hundemüde und fiel wie ein Stein ins Bett, obgleich er auch nicht sofort einschlafen konnte.

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Als Takuto am nächsten Morgen in den Speisesaal kam, traute er seinen Augen kaum: Hisaya saß am Tisch und frühstückte bereits! Sein Herz machte einen Freudensprung, doch gleichzeitig fürchtete er sich auch ein wenig, denn er wusste nicht, wie sein ehemals bester Freund ihn behandeln würde. Vorsichtig setzte er sich auf seinen Platz und schaute den so lange vermissten an.

"Guten Morgen, Hisaya", brachte er schließlich heraus. Vom Angesprochenen kam zur Antwort nur ein gemurmeltes etwas, er blickte nicht einmal auf. Auch Eri saß recht verkrampft auf ihrem Stuhl, bemühte sich redlich, ihren früheren Verlobten nicht anzusehen. Katsumi war einerseits sehr erfreut, dass Hisaya wieder bei ihnen war, andererseits war er sich nicht sicher, ob diese Stille seinem Herrn nicht noch mehr zusetzen würde. Daher entschied er sich, eine Konversation in Gang zu bringen.

"Hisaya, gehst du heute Nachmittag denn auch wieder zum Training?" Takuto hob bei diesen Worten den Kopf und wartete gespannt auf eine Antwort, betete still, dass er ´ja´ sagen möge. Vielleicht würde er dann ja etwas auftauen und nicht die ganze Zeit schweigen. Hisaya schaute ebenfalls auf, müde und gelangweilt.

"Das hatte ich vor, ja." Katsumi lächelte und auch der König konnte seine Freude erst recht nicht verbergen. "Das ist toll, dein Vertreter ist nicht annähernd so gut wie du. Letztes Mal haben wir-" Er verstummte abrupt, als Hisaya ihn mit einem Blick anstarrte, der eindeutig sagte: ´Ich hasse dich´. "Wenn ich etwas wissen will, frage ich. Außerdem habe ich keinerlei Bedarf an Anekdoten vom Training." Takuto nickte geknickt und nahm sich ein Brötchen, warf seinem ehemaligen Freund nur aus den Augenwinkeln weitere Blicke zu, weil er fürchtete, bei direktem Blickkontakt könnte Hisaya wütend werden.

Am Nachmittag wartete der König bereits zehn Minuten vor dem Palast auf Hisaya, hoffte, er könnte sich vielleicht zusammen mit ihm auf die Erde teleportieren, als Katsumi aus dem riesigen Portal nach draußen trat.

"Falls ihr auf Hisaya wartet, der ist bereits auf der Erde, eure Majestät." Takuto schaute ihn verletzt an, schloss dann die Augen und verschwand in einer Nebelwolke.

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Als der König auf dem Sportplatz eintraf, schallte ihm aus den Umkleidekabinen bereits lautes Gelächter entgegen, seine Mitspieler freuten sich riesige über Hisayas Rückkehr. Dieser lachte ebenfalls mit ihnen, bis er Takuto in der Tür erblickte. Sein Gesicht verfinsterte sich augenblicklich und er sagte kein weiteres Wort, zog sich stumm an und lief dann hinaus auf den Platz. Der König schaute ihm traurig hinterher, aber er hatte noch nicht das letzte Fünkchen Hoffnung verloren, dass er doch noch ein wenig gesprächiger und ´normaler´ werden würde.

Das Training verlief eigentlich so wie immer, doch Hisaya sprach weiterhin kein Wort mit ihm, entzog sich seiner Nähe. Takuto versuchte, sich auf den Ball zu konzentrieren, doch er fühlte, wie die Zurückweisungen von Hisaya an seinem Selbstbewusstsein zerrte.

Als wäre das noch nicht schlimm genug, fühlte er kurz vor Trainingsende plötzlich wieder etwas - er war da! Seine Macht war so deutlich zu spüren wie noch nie, aber er konnte ihn nirgendwo entdecken. Ängstlich schaute er zu Hisaya, doch dieser schien nichts bemerkt zu haben, war vollends damit beschäftigt, Bälle abzuwehren. Takutos Herz schlug schneller, dieses ekelhaft flaue Gefühl im Magen stellte sich wieder ein und er betete, dass der Fürst wieder verschwinden möge.

Aber auch noch Ende des Trainings war seine Anwesenheit deutlich zu spüren und der König wusste instinktiv, wo er ihn finden würde. Mit weichen Knien ging er zum Baum und fand Koji wie erwartet dort vor, diesmal mit rotem Hemd und einem Hut. Er lächelte, als er Takuto erblickte, doch dieser war alles andere als erfreut. Wütend stapfte er auf ihn zu, hielt aber ca. drei Meter vor ihm an. "Was wollt ihr hier? Ich habe euch gesagt, ihr sollt euch von mir fernhalten!" Der Fürst machte einen Schritt auf ihn zu, seine Stimme hatte wieder diesen merkwürdig verführerischen Unterton. "Tut mir Leid, aber das kann ich nicht." Takuto wollte gerade `wie bitte´ fragen, als er hinter sich einen zornigen Schrei hörte und sich umdrehte. Was er sah, ließ ihn erstarren - Hisaya rannte mit vor Wut förmlich sprühenden Augen auf sie zu.

"BASTARD!" Bevor der König irgendetwas tun konnte, stürzte sich der übermütige junge Gott auf den Fürsten - besser gesagt, er versuchte es. Koji wich ihm einfach aus und drückte ihn an den Baum. Seine Hand legte sich um Hisayas Hals und schnürte ihm immer mehr die Luft ab, er hob ihn etwas in die Höhe, bis die Füße des Torwarts den Kontakt zum Boden verloren. Takuto stand völlig schockiert da und wusste nicht, was er tun sollte. Kojis Lächeln war inzwischen zu einem eindeutig überlegenen geworden. "Was sollte denn das werden, hm?" Hisaya röchelte und schnappte nach Luft. "Denkt ihr allen ernstes, ihr könnt die Hand gegen mich erheben,

Hisaya?" Der weitaus schwächere konnte nichts entgegnen, er versuchte mit beiden Händen, Kojis Griff um seinen Hals zu lösen, doch genausogut hätte ein Mensch versuchen können, die chinesische Mauer zu verschieben.

Takuto stand immer noch da wie vom Donner gerüht, doch immerhin konnte er etwas sagen, bzw. schreien. "Koji, lass ihn los! Koji! KOJI!!!" Als jener immer noch nicht reagierte, lief Takuto schließlich neben ihn, holte aus und verpasste ihm einen Faustschlag direkt in den Magen. Der Fürst flog durch die Luft, denn der König hatte all seine übernatürliche Kraft einfließen lassen, und blieb ein paar Meter weiter auf dem Boden liegen. Hisaya hatte nun wieder festen Grund unter den Füßen und hustete, betastete mit beiden Händen seinen Hals.

Koji setzte sich indessen wieder auf, lachte lauthals und schien keineswegs verletzt. Takuto beugte sich währenddessen zu Hisaya. "Hisaya, ist alles in Ord-" Doch mit der nun folgenden Reaktion hatte er nicht gerechnet.

"VERPISS DICH, FASS MICH JA NICHT AN, VERDAMMTER BASTARD!!!" Auch der Fürst schien ein kleines bisschen erstaunt über diese Antwort, doch ihn brauchte es ja nicht weiter zu stören. Takuto jedoch war vollkommen schockiert, suchte stotternd nach Worten.

"A-aber ich, ich wollte d-doch nur-"

"Es ist mir egal was du wolltest! Denkst du, ich weiß nicht, was die letzten Nachmittage passiert ist? Dass du dich mit ihm", er zeigte auf Koji, "getroffen hast? Oh doch, ich weiß das alles. Ich habe dich und Katsumi reden gehört und vorgestern habe ich euch beide gesehen! Du hast dich fast von ihm küssen lassen, ist dir das eigentlich klar???" Takuto fühlte sich, als hätte man ihm den Boden unter den Füßen weggezogen und er würde in ein tiefes, schwarzes Loch fallen. Tränen schossen in seine Augen und er konnte kaum noch etwas sehen, alles in ihm krampfte sich zusammen. Koji war inzwischen aufgestanden und wieder näher an ihn herangetreten, verfolgte mit besorgtem Blick, wie Hisayas seinen ehemals besten Freund psychisch fertigmachte.

"Wie kannst du dein Volk nur so hintergehen? Du bist des Thrones nicht würdig, du bist doch nur Abschaum! Man sollte dich im tiefsten Kerker langsam verroten lassen, du Verräter! Wie konnte ich bloß jemals mit jemandem wie dir befreundet sein?" Mit diesen Worten rannte er davor, würdigte weder Takuto noch Koji eines weiteren Blickes.

Der König stand immer noch da wie gelähmt, doch plötzlich sackte er auf die Knie und begann zu schluchzen. Koji kam zu ihm und kniete sich vor ihn, streckte vorsichtig die Hände aus und versuchte ihn zu umarmen. Vergessen war, dass Takuto ihn angegriffen hatte, vergessen waren die Schmerzen, die der Schlag in seinem Magen hinterlassen hatte. Jetzt zählte nur noch, dass er junge Mann vor ihm bitterlich weinte und Hilfe brauchte.

Aber gegen diese wehrte er sich, er begann, mit beiden Fäusten auf ihn einzuschlagen, wenn auch unkoordiniert und fast völlig kraftlos. Koji ließ nicht locker, zog ihn schließlich mit Gewalt an sich, drückte ihn an seine Brust und strich ihm beruhigend über den Kopf. Takuto gab den Kampf auf, er vergass, in wessen Armen er da lag und schlang seine Arme um den Hals des anderen, ließ sich völlig gehen und weinte wie ein kleines Kind.

Während sein Körper von Krämpfen geschüttelt wurde, verdunkelte sich der Himmel und von einem Augenblick auf den andern war das Sommerblau schwarzen Regenwolken gewichen, die sich nun entluden. Takuto hatte seine Emotionen nicht mehr unter Kontrolle, seine Kräfte bewirkten diesen plötzlichen Wetterumschwung, doch er bemerkte es nicht einmal. Es war der schlimmste Wolkenbruch seit langem, als sollte eine Sintflut hereinbrechen. Sie waren schon nach kurzer Zeit bis auf die Haut durchnässt und froren, dennauch die Temperatur war inzwischen um mehr als 10°C gefallen.

Koji wusste, dass er hier nicht mit ihm bleiben konnte, so stand er behutsam auf, ohne Takuto loszulassen. Dieser legte die Beine seinem Gegenüber um die Hüften, obgleich er wahrscheinlich gar nicht merkte, dass er getragen wurde. Der Fürst überlegte kurz, dann schloss er die Augen und die beiden Männer verschwanden in einer Nebelwolke.

Als sie wieder etwas sehen konnten, standen sie vor einem großen Haus in einer Straße, in der es sonst nur Ruinen gab. Koji hatte sich die ganze Gegend gekauft, obwohl er nur diese Villa gelegentlich benutzte. Ihm war einfach danach gewesen, möglicherweise konnte man all diese verlassenen Häuser in neumodische Bungalows umwandeln und an reiche Leute vermieten.

Takuto weinte immer noch zum Herzerweichen, doch für einen Augenblick hob er den Kopf und sah über Kojis Schulter hinweg. Auch er erblickte die Ruinen und schlagartig wurde ihm klar, an wem er da gerade hing. Er stieß einen lauten Schrei aus und befreite sich aus dem Griff des größeren, taumelte ein paar Schritte zurück und fiel rückwärts über einen Haufen Steine. Völlig geschockt starrte er den Fürsten aus rotgeheulten Augen an, verstand nicht, warum er sich seinem Todfeind so ´geöffnet´ hatte. Doch er war nicht in der Lage klar zu denken, zu bald schlich sich wieder die Tatsache in sein Bewusstsein, dass er die letzte Chance mit Hisaya nun endgültig verspielt hatte.

Er wusste nicht, warum Koji ihn hierher gebracht hatte, aber er war nicht imstande, irgendetwas zu sagen, war mental völlig fertig. Alle Zweifel und Ängste bahnten sich ihren Weg aus dem Unterbewusstsein in seine Gedanken und er wurde von ihrer Flut geradezu erschlagen. Noch nie in seinem ganzen Leben hatte er sich so elend gefühlt und jetzt war der Fürst auch noch die einzige Person in seiner Nähe.

Koji trat auf ihn zu und beugte sich zu ihm herunter, langsam und vorsichtig, er wollte ihn keinesfalls irgendwie erschrecken. Er sprach leise und behutsam. "Wir sind am Rande von Tokyo. Dieses ganze Stadtviertel gehört mir, ich wollte euch nicht im Regen auf dem Sportplatz zurücklassen. Wir könnten hier hineingehen..." Er zeigte auf die riesige Villa hinter sich.

Takuto wusste nicht, was er denken oder tun sollte, sein Verstand war außer Kraft gesetzt. Das einzige, was er wusste, war, dass er sich in Kojis Armen geborgen gefühlt hatte, ganz gleich, ob er nun sein Todfeind war oder nicht. Der Fürst sprach ihn wieder an, immer noch mit dieser sanften Stimme, die wie die eines Sängers klang. "Ich zwinge euch zu nichts, es ist eure Entscheidung. Ihr könnt gehen und allein mit eurem Schmerz sein, oder ihr könnt hierbleiben und ich werde euch helfen so gut ich kann. Was wollt ihr tun?"

Der König schaute durch den Vorhang aus Tränen zu Koji auf, während sein Herz gegen den letzten Rest des Verstandes kämpfte, der noch funktionsfähig war.

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TEIL 10

Ihm war furchtbar kalt, sein vollkommen nasses Shirt klebte am Körper und er zitterte, dass seine Zähne von Zeit zu Zeit unkontrolliert aufeinander schlugen. Eigentlich dürfte er nicht mal darüber nachdenken, sich von Koji einladen zu lassen, doch in seinem Kopf war momentan kein Platz für Vorschriften oder Traditionen. Er wollte einfach nur wieder in den Arm genommen werden, ganz egal, ob dieser Arm nun seinem Todfeind gehörten, der wahrscheinlich die Macht hätte ihn umzubringen, oder nicht.

Koji wartete auf eine Antwort, ignorierte die Kälte und Nässe, ignorierte auch den immer noch nicht verklungenen Schmerz in der Magengegend, denn Takutos Schlag hatte gesessen, auch wenn er das nie zeigen würde. Sein Herz schlug in gewohnt gleichmäßigem Rhythmus, er hörte es lauter als je zuvor. Der gemächliche Takt beruhigte ihn, denn er war sehr angespannt und hing förmlich an Takutos Lippen. Er betete und hoffte im Stillen, dass der König nicht davonlaufen würde, denn noch nie hatte der Fürst ein so starkes Bedürfnis gehabt, jemanden zu beschützen - wenn man es genau nahm, hatte er das noch *nie* gehabt. Der völlig durchnässte junge Mann vor ihm wirkte wie ein kleines Kind: unschuldig und zerbrechlich. Seine Augen blickten ihn immer noch an und all das Leid stand in ihnen geschrieben, Koji sah all den Schmerz und die Trauer, die Takuto je erlitten hatte, nicht nur aufgrund von Hisaya: der Tod seines Vaters kämpfte sich seinen Weg aus dem Unterbewusstsein frei und half dabei, das schwarze Loch, in das Takuto psychisch gefallen war, noch schwärzer und qualvoller zu machen.

Der König wusste nicht was er tun sollte, er fühlte sich wie ein kleines Kind, das seine Eltern ausgesetzt hatten und ganz allein war. Doch er war nicht allein, jemand wollte ihm helfen, auch wenn er sich nicht sicher war, ob er sich von diesem jemand überhaupt helfen lassen wollte. Aber seine Augen sahen noch nie so ehrlich aus, so sanft... und so gar nicht wie Hisayas, in denen man bei ihrem "Abschied" nur noch Hass sehen konnte...

Takuto schluchzte erneut, frische Tränen strömten über seine Wangen und er begann wieder so herzzerreißend zu weinen, dass es Koji schmerzte. Er kämpfte gegen den Drang an ihn augenblicklich in den Arm zu nehmen, denn er wollte nicht, dass der König ihn von sich stieß, weil er sich bedrängt oder gar angegriffen fühlte. So schaute er ihn nur weiter an, hoffte, dass Takuto sehen würde, dass er ihn nur trösten wollte.

Dieser sah bald vor lauter Tränen gar nichts mehr, machte sich jedoch auch nicht die Mühe sie fortzuwischen. Stattdessen zog er die Beine an, legte den Kopf auf die Knie und schlang dann seine Arme um seine Unterschenkel, als wollte er sich unsichtbar machen. Er zitterte immer noch und sein ganzer Körper war von einer Gänsehaut überzogen. Als wenn dieser Anblick für Koji nicht schon schlimm genug war, schluchzte er auch weiterhin so furchtbar, dass der Fürst sich einfach nicht mehr beherrschen konnte.

Er machte einen Schritt nach vorne und kniete sich an Takutos Seite, ganz egal, ob er jetzt in einer fast 10cm tiefen Pfütze voller Matsch versank oder nicht. Sein Beschützerinstinkt war übermächtig geworden und so schlang er die Arme um das frierende Häufchen Elend vor sich, drückte ihn an sich und musste sich selbst eine Träne verkneifen, da er noch nie in seinem Leben mit einem solch heftigen Gefühlausbruch konfrontiert gewesen war.

Takuto spürte plötzlich die Wärme neben sich und ihm war bewusst, dass sein Todfeind ihn gerade umarmte, doch das störte ihn nun nicht mehr im Geringsten. Ihm war egal, was er gerade tat, es zählte nur die Tatsache, dass er getröstet werden wollte und Koji dazu imstande schien. Also drehte er sich zu ihm, jedoch ohne aufzusehen, und legte seine Arme um den Hals des Größeren, ließ seinen Kopf auf seiner Schulter ruhen und schloss die Augen. Der Fürst jubilierte innerlich, denn diese Umarmung war für ihn als ein ´ja´ interpretierbar. Er wartete noch einige Augenblicke, hielt Takuto weiterhin fest an sich gedrückt und strich ihm beruhigend über Rücken und Hinterkopf. Das Schluchzen schien ein wenig nachzulassen, vielleicht beruhigte er sich allmählich, und so hielt Koji es für eine gute Gelegenheit, sich endlich an einen trockenen Ort zu begeben, denn es schüttete immer noch als sollte die ganze Welt in einer Stunde ertränkt werden. Vorsichtig stand er auf, hob dabei den kleineren ohne jegliche Anstrengung hoch, denn der König war leicht wie eine Feder. Takuto wollte sich erst zur Seite drehen, damit Koji ihn besser tragen konnte, doch dann zog er es vor, erneut die Beine um die Hüften des anderen zu schlingen, denn er wollte diese angenehme Position nicht aufgeben. Der Fürst lächelte, als er den leichten Druck an den Seiten spürte und ging dann in recht schnellem Tempo auf seine Villa zu, öffnete via Telekinese zuerst das Tor und nach einigen Metern Steinweg auch die Haustür. Takuto hatte die Augen noch immer geschlossen, er vertraute Koji in diesem Moment ganz einfach.

Die beiden standen nun in der riesigen Eingangshalle, doch der Fürst verweilte dort nicht lange, sondern setzte seine Kräfte ein, um sie beide die Treppe hinaufschweben zu lassen, da er Takuto so sanft wie möglich tragen wollte. Schließlich hatte er sein Ziel fast erreicht, die schwere Tür zum Schlafzimmer öffnete sich und Koji betrat seinen Lieblingsraum des ganzen Hauses. Ein riesiges Bett dominierte das Zimmer, es war mehr ein Dreier- als ein Doppelbett und hatte genug `Spielraum´ für eventuelle Orgien. Direkt über dieser beeindruckenden Schlafgelegenheit befand sich ein Spiegel an der Decke, so konnte Koji sich selbst vor dem Schlaf noch begutachten.

Nun kniete er allerdings vorsichtig nieder und setzte Takuto auf dem Bett ab, dieser entließ allerdings erst nach einiger Zeit Kojis Hüften aus ihrer Umklammerung. Immer noch lag sein Kopf auf der Schulter des größeren und seine Arme waren nach wie vor um den Hals gelegt. Er umarmte seinen Todfeind und er fühlte sich so geborgen wie noch nie in seinem Leben, nicht einmal seine Mutter hatte ihm eine solche Wärme geben können.

Koji lächelte glücklich, während er vor dem Mann kniete, in den er sich verliebt hatte. Ihn in den Armen zu halten war unbeschreiblich, niemand sonst hatte ihn je so fühlen lassen. Er spürte den Körper des anderen durch ihre durchnässten Kleider, er spürte Takutos Herzschlag. Bei keiner Hure der Welt konnte man sich so ein Gefühl erkaufen...

Der König öffnete langsam die Augen, hob den Kopf ein wenig und lockerte den Griff um Kojis Hals, zog den Rücken zurück und setzte sich auf. Immer noch liefen ihm vereinzelte Tränen über die Wangen und er schluchzte leise vor sich hin, doch gröbste schien erstmal überstanden.

Nur schemenhaft nahm er die Einrichtung des Zimmers wahr, doch eigentlich interessierte es ihn auch nicht besonders. Es gab zur Zeit genau zwei Gedanken, die Platz in seinem Kopf hatten: 1.Kalt und 2.Nass. Takuto war sich nicht sicher, ob er sie laut ausgesprochen oder ob Koji seine Gedanken gelesen hatte, jedenfalls erhob er sich nun und verschwand durch eine Tür, anscheinend ins Badezimmer, denn Takuto erhaschte einen kurzen Blick auf einen gefliesten Fußboden. Kurz darauf kam er mit einem ganzen Stapel Handtücher zurück und machte sich dann an dem Schrank zuschaffen, verschwand kurzerhand in ihm. (Jede Frau hätte ihn um dieses riesige Teil beneidet)

Der König hatte sich noch immer kein Stück gerührt, als Koji mit einem weiteren Stapel zurückkam, diesmal Hosen, Hemden und Pullover. Als er Takutos leicht verwirrtes Gesicht bemerkte, lächelte er kurz. "Ihr wollte doch wohl nicht die ganze Zeit in diesen nassen Kleidern bleiben, oder? Ihr holt euch womöglich noch eine Erkältung! Und da ich nicht weiß, was euch gefällt, habe ich halt ein wenig Auswahl mitgebracht." Er verteilte die diversen Kleidungsstücke über das ganze Bett, bis Takuto davon umringt wurde. Zwar beschränkte sich die Farbe der Hosen auf schwarz und weiß, jedoch war durchaus eine Vielfalt bei den Hemden und Pullovern vorhanden, wenn auch immer unifarben.

Koji knöpfte sich sein Hemd auf und ließ es mit einem Schnipsen verschwinden, höchstwahrscheinlich in einen Wäschekorb, dann schnappte er sich ein Handtuch, bearbeitete damit zuerst seinen Oberkörper und dann seine Haare. Takuto saß immer noch regungslos da und schaute auf seltsame Art und Weise fasziniert zu, wie sich der Fürst dem Trocknen der silbernen Strähnen widmete. Tropfen fielen auf seine muskulöse Brust und bahnten sich ihren Weg in Richtung Bauchnabel - ein Schauspiel, dem der König ein wenig zu auffällig folgte, wie Koji bemerkte. Er hob leicht anzüglich grinsend den Kopf, ihm lag auch ein passender Kommentar auf der Zunge, doch er wollte Takuto nicht verärgern oder erschrecken, denn dafür war er eindeutig zu labil. Und das bloße Aufschauen reichte schon, denn auffällig abrupt drehte der König den Kopf zur Seite und starrte mit großem Interesse die Wand an.

"Wollt ihr euch nicht auch umziehen?" fragte Koji nach einer Weile, als Takuto immer noch nicht aus seiner Starre erwacht war. Der Angesprochene drehte sich um und man konnte die Antwort in seinen Augen lesen: Nicht, solange ihr im Raum seid. Gut, daran hätte Koji auch gleich denken können. Er deutete eine Verbeugung an, schnappte sich Hose und Shirt, ohne hinzusehen, was er da eigentlich erwischte, und verschwand im Badezimmer, ohne jedoch die Tür hinter sich zu schließen.

Takuto stand langsam auf, er fühlte sich, als wäre er erst vor kurzem aus einer Narkose erwacht und könnte seine Gliedmaßen noch nicht wieder richtig steuern. Unter leisem Wimmern und misstrauischen Seitenblicken zur leicht geöffneten Tür entledigte er sich seiner Schuhe, Strümpfe, Hose und Boxershorts, knotete sich aber schnell ein Handtuch um die Hüften. Er fror immer noch ziemlich erbärmlich, obwohl objektiv gesehen eine ideale Temperatur im Raum herrschte. Mit zittrigen Fingern versuchte er, sein Shirt loszuwerden, doch es wollte ihm einfach nicht gelingen. Das widerspenstige und ekelhaft klebrige Stück Stoff war wie verhext, rutschte ihm immer wieder aus den Händen und schien außerdem wie angetackert. Fürs erste gab er das also auf und fischte stattdessen nach schwarzen Boxershorts, die er unter einem widerlich gelben Hemd entdeckte.

Ein kurzes, schnelles Abtrocknen und er war untenherum zumindest notdürftig bekleidet und konnte sich nun wieder diesem verfluchten Shirt zuwenden. Immer noch zitterte er und sein Gehirn schien auch noch wie gelähmt zu sein, denn er dachte nicht einmal daran, seine Kräfte für diese lästige Aufgabe einzusetzen. Als er kurz vor dem Verzweifeln war, spürte er plötzlich Koji hinter sich, dann seine Hände unter seinem Shirt und dann dieses verdammte Teil, als es über seinen Kopf gezogen wurde. Takuto drehte sich abrupt um und stand Auge in Auge mit dem Fürsten, viel näher, als er gedacht hatte. Ihre Gesichter waren höchstens 15cm voneinander entfernt und Kojis Augen hatte nichts von dieser ungewohnten Sanftheit verloren, sie strahlten trotz ihrer kalten Farbe Wärme aus, wie auch immer das gehen mochte.

Takuto hörte wieder diese Stimme im Hinterkopf, die sagte: "Du stehst deinem schlimmsten Feind gerade fast nackt gegenüber, ist dir das eigentlich klar?", und er machte einen Schritt zurück, ließ Koji dabei aber nicht aus den Augen. Unbeholfen angelte er nach einem weiteren Handtuch, erwischte diesmal ein ziemlich großes, und hüllte sich ganz darin ein. Der Fürst spürte einen kaum merklichen Stich im Herzen, nickte verstehend und verschwand dann durch die zweite Tür aus dem Zimmer, durch die sie auch schon vorher hereingekommen waren.

Der König war erleichtert, denn auch wenn Koji ihm ein Gefühl von Wärme gab und es ihm gerade ziemlich egal war, dass es sich bei ihm um seinen schlimmsten Feind handelte, so hatte er doch noch einen gewissen Stolz und genierte sich vor ihm, obgleich er natürlich ebenfalls ein Mann war.

Er trocknete seinen Oberkörper ab und nahm sich ein weißes Shirt und eine schwarze Hose vom Bett, zog beides an und betrachtete sich eher zufällig im Spiegel an der Wand. Tiefe Ringe unter den Augen ließen ihn uralt erscheinen, seine Haare waren total zerzaust und obendrein auch noch immer nass, es sah aus, als trüge er ein durchweichtes Vogelnest auf dem Kopf. Seine Augen waren rotgeweint und auf den Wangen konnte er Tränenspuren erkennen. Grob gesagt bot er ein Bild des Jammers, da konnte auch die min. 10,000$ teure Hose nichts dran ändern.

Erschöpft ließ er sich wieder auf das Bett fallen, mitten auf Hosen und Pullover. Er machte sich nicht die Mühe sie beiseite zu räumen, saß einfach nur da und starrte an die Wand. Hisaya hatte wieder Einzug in seine Gedanken gehalten und der ganze Schmerz begann erneut, sich seiner zu bemächtigen. Takuto kämpfte gegen die Schuldgefühle an, obwohl er sich ja eigentlich gar nicht wirklich schuldig fühlen musste. Doch er hatte sich mit Koji getroffen, das war Fakt - und was Hisaya wohl erst dazu sagen würde, dass er gerade auf Kojis Bett saß...

Eine einsame Träne bahnte sich den Weg über seine Wange, obgleich der König langsam der Ansicht war, gar keine Tränen mehr haben zu können. Immer noch starrte er unbewegt die Wand an, bemerkte nicht, dass Koji wieder ins Zimmer trat und neben ihm stehen blieb. In Gedanken war er in glücklichen Zeiten, amüsierte sich mit Hisaya, spielte mit ihm Fußball. Das würde er jetzt wohl nie wieder tun...

Ein Schluchzen drang aus seiner Kehle und er musste sich sehr beherrschen, seinen Schmerz nicht einfach laut herauszuschreien. Tränen brannten in seinen Augen und er fühlte sich wie betäubt, einer Ohnmacht nahe. Erst der Fürst holte ihn in die Wirklichkeit zurück. "Izumi?" Der Angesprochene drehte ruckartig den Kopf und sah aus verweinten Augen zu ihm auf. Koji spürte einen deutlichen Stich im Herz, es tat ihm weh, ihn so zu sehen.

"Ich dachte, ihr wolltet vielleicht etwas Tee." Seine Hand streckte dem Unglücklichen eine Tasse mit dampfendem Inhalt entgegen, Takuto nahm kaum merklich nickend an. Er nahm nur nebenbei wahr, dass Koji nun auch wieder in neuen Kleidern steckte. Ihm fiel auch kaum auf, dass plötzlich alles, was auf dem Bett lag, verschwand, er Platz hatte, um sich auszustrecken, wenn er es wollte. Der Fürst setzte sich neben ihn, und sah in an. Selbst jetzt, wo man den bronzenen Ton seiner Haut nur mehr erahnen konnte und sein Gesicht völlig verheult aussah, war er noch bildhübsch. Koji war der festen Überzeugung, noch nie einem so wunderschönen Wesen begegnet zu sein - und er war schon so einigem begegnet.

Takuto trank ein paar Schluck vom furchtbar heißen Tee, dann stellte er die Tasse auf den Fußboden. Er fühlte sich immer noch schrecklich, hätte am liebsten diesen ganzen Tag und auch die davor ersatzlos gestrichen, hätte sie ungeschehen gemacht. Doch so groß war seine Macht nicht, auf die Zeit hatte er keinerlei Einfluss. Nun war Koji gewissermaßen seine einzige Stütze, denn Hisaya konnte er für immer abhaken. Und was Katsumi zu dem Ganzen sagen würde...

Koji erschrak leicht, als er das unverhoffte Gewicht spürte. Takuto hatte sich an ihn gelehnt, ließ seinen Kopf auf Kojis Schulter ruhen und starrte auf den Fußboden. Ein heiseres Schluchzen drang aus seiner Kehle und eine Träne bahnte sich ihren Weg zum Kinn. Der Fürst folgte seinem ersten Instinkt, drehte sich ein wenig und nahm ihn in die Arme, strich ihm über den Rücken. "Shh, shh..." Takuto wehrte sich offensichtlich gegen die Tränen, doch sie waren dennoch siegreich. Er fühlte sich immer schlechter, immer hilfloser, schlang die Arme um seinen Gastgeber und krallte sich an ihm fest, als würde ihm das irgendwie helfen. Koji verzog kurz das Gesicht, als die Fingernägel sich durch den Stoff seines Hemdes in seinen Rücken bohrten, doch es machte ihm nichts aus. Das einzige, was jetzt für ihn zählte, war, dass er Takuto irgendwie helfen konnte. So zog auch er ihn näher an sich, unterließ die leisen Beruhigungsversuche und hielt ihn einfach nur noch fest. Takuto spürte, wie sich der Druck um ihn verstärkte, doch er wollte es so. Sie hielten sich umklammert, als würde die Welt untergehen, ließen sie auch nur das kleinste bisschen nach.

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Katsumi schritt in seinem Büro unruhig auf und ab, starrte abwechselnd auf die große Standuhr und das kleinere Exemplar an seinem Handgelenk, betete im Stillen, dass der König endlich auftauchen würde. Es war bereits kurz nach neun, Takuto hätte schon längst hier sein sollen. Das Training dauerte nur bis 18.00 und er war normalerweise eine halbe Stunde danach zurück. Aber auch Hisaya hatte sich bis jetzt nicht blicken lassen, was nicht unbedingt eine Hilfe war. Vielleicht hatten sich die beiden doch endlich versöhnt und waren Essen gegangen, aber vielleicht eben auch nicht...

Das Ticken des Sekundenzeigers machte ihn langsam wahnsinnig, er ließ die Uhr kurzerhand verstummen. Doch auch die Stille danach ertrug er nicht, so revidierte er sein Handeln wieder. Warum zum Teufel kam er nicht? Warum kamen sie beide nicht? Katsumi versuchte verzweifelt, die Bilder, die beständig Einlass in seine Gedanken verlangten, abzuwehren, doch so ganz konnte er nicht verhindern, dass der Fürst vor seinem geistigen Auge auftauchte. Hoffentlich hatte Takuto sich nicht wieder mit ihm getroffen, hoffentlich...

Als mit einem Mal die Tür aufflog, glaubte Katsumi, sein Herz bliebe stehen. In seinem ganzen Leben hatte er sich nicht so erschreckt, und so war der erste Blick, den er gen Eingang warf, auch alles andere als freundlich. Doch als er Hisaya im Türrahmen ausmachte, änderte sich sein Gesichtsausdruck von Wut in Angst, denn der junge Mann, der dort stand, sah alles andere als glücklich und zufrieden aus.

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Schließlich war es Takuto, der von Koji abließ, denn Zweifel hatten erneut Eingang in seine Gedanken gefunden und er war sich nicht sicher ob das, was er gerade tat, eigentlich richtig war. Er klammerte sich wie besessen an seinem Todfeind fest und genoss das auch noch - war er denn noch zu retten?

Koji konnte diese Fragen in seinen Augen lesen, und er antwortete auf sie, ohne weiter darüber nachzudenken.

"Ihr könnte nach wie vor gehen, ich werde euch nicht aufhalten. Ihr seid nicht mein Gefangener." Takuto erschrak und starrte den Fürsten an, denn nun wusste er, dass dieser gewissermaßen seine Gedanken lesen konnte. Koji scholt sich selbst für dieses voreilige Handeln, doch rückgängig machen konnte er jetzt sowieso nichts mehr.

"Ihr, ihr könnte meine Gedanken lesen?" Der König blickte sein Gegenüber etwas verängstigt an, wurde ihm doch schlagartig klar, dass er vor Koji wie ein offenes Buch erscheinen musste. "Nur durch eure Augen, und auch nicht immer..." antwortete Koji leise, er fürchtete, dass Takutos Vertrauen nun schwinden würde.

Dessen erster Reflex war, ruckartig den Kopf zur Seite zu drehen und seine Augen vor dem Fürsten zu verbergen. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals und er atmete heftig. Wenn Koji wirklich seine Gedanken lesen konnte, stand er geistig so gut wie nackt vor ihm - keine angenehme Vorstellung. Takuto fühlte sich alles andere als wohl in seiner Haut, es war ihm ganz und gar nicht recht, dass ein anderer seine Gedanken lesen konnte, da diese nun eindeutig nur für ihn selbst bestimmt waren. Ein Instinkt aus seinem tiefsten Innern machte ihn darauf aufmerksam, dass es nicht unbedingt förderlich für das geistige und körperliche Wohl war, sich in der Nähe einer Person aufzuhalten, die einem quasi in den Kopf gucken konnte.

Takuto war hin- und hergerissen. Einerseits wollte er weg von hier, er wollte nicht, dass Koji womöglich Einblick in seine Gedanken bekam.

Doch andererseits wusste er gar nicht, wo er sonst hin sollte. In den Palast auf keinen Fall, da würde Katsumi sicherlich auf ihn warten und ihm eine Moralpredigt halten, außerdem könnte er unter Umständen Hisaya über den Weg laufen...

Bei dem Gedanken an seinen ehemaligen Freund krampften sich seine Eingeweide schmerzhaft zusammen und eine furchtbare Übelkeit stieg in ihm auf. Er schlug panisch die Hand vor den Mund, sprang auf und rannte ins Badezimmer, ließ die Tür hinter sich zuknallen, bevor er mit leerem Blick und aschfahlem Gesicht über der Toilettenschüssel hing.

Koji war inzwischen ebenfalls aufgestanden und etwas näher an die Tür herangetreten, er konnte die würgenden Geräusche hören und es fiel ihm nicht allzu schwer, sich auszumalen, was auf der anderen Seite gerade geschah. Er hoffte nur inständig, dass er nicht der Grund dafür war und es Takuto nicht allzu schlecht ging.

Der König klammerte sich mit beiden Händen am Porzellan des Toilettensitzes fest, seine Kehle brannte und ihn überkamen Würgeanfälle. Noch nie zuvor war es ihm so schlecht gegangen, zumindest konnte er sich an keine vergleichbare Situation erinnern. Seine Haare klebten an seiner schweißnassen Stirn und vor seinen Augen tanzten wilde Farbspiele, die nur in seiner Fantasie existierten. Er fühlte sich einer Ohnmacht nahe, rührte sich kein Stück und betete, dass es ihm gleich wieder besser gehen würde. An ein Einsetzen seiner Kräfte war gar nicht zu denken, dazu war er viel zu schwach. Dieser Tag hatte ihm psychisch mehr zugesetzt als all die Jahre davor, was sich nun auch physisch zu zeigen schien. Er betätigte mit zittriger Hand die Spülung, veränderte seine Position aber kaum und bot einen Anblick tiefen Elends, wie er völlig verschwitzt, mit tiefen Augenringen und blassen Lippen über der Toilette hing und gegen die Würgekrämpfe ankämpfte.

Koji wusste nicht recht, was er tun sollte, er wusste nur eins: irgendwie musste ihm geholfen werden. So klopfte er vorsichtig an die Tür, als die Geräusche dahinter allmählich verstummten. "Izumi?" Keine Antwort, nur ein leises Röcheln. "Izumi, kann ich euch helfen?" Wiederum keine Antwort, er hörte nur seinen eigenen Herzschlag, der um ein vielfaches verstärkt schien.

Warum nur musste das alles passieren, warum nur?

Takuto fühlte sich inzwischen ein wenig stärker, versuchte, sich vorsichtig aufzurichten, was ihm im zweiten Anlauf auch gelang. Mit zittrigen Beinen und wackligen Knien tappte er zum Waschbecken hinüber, stützte sich auf und sah aus kaum geöffneten Augen in den Spiegel. Was er erblickte, erschreckte ihn zutiefst. Es fiel ihm schwer, sich selbst in diesem Gespenst wiederzuerkennen. Nichs war zu sehen von seiner bronzenen Haut, den schönen Augen. Er sah aus wie ein Zombie aus einer schlechten Geisterbahn.

Mit zitternden Fingen drehte er den goldenen Wasserhahn auf und schöpfte mit beiden Händen etwas Wasser, benetzte sein Gesicht damit. Er musste sich beeilen, denn seine Beine drohten bereits nachzugeben und er stöhnte verzweifelt auf. Seine Gedanken waren nicht mehr auseinander zuhalten, in seinem Kopf herrschte ein einziges Chaos.

Katsumi hätte wahrscheinlich gesagt ´Ihr steht unter Stress´, und das tat er auch. Sein Körper wehrte sich gegen all diese Empfindungen und Emotionen, die so heftig ausgefallen waren wie nie zuvor. Eine einzelne Träne bahnte sich den Weg über Takutos erschöpftes Gesicht und er sah ihr im Spiegel zu, wie sie zu seinem Kinn herunter rann.

Koji wartete immer noch auf eine Antwort, hörte stattdessen das Rauschen von Wasser. In seinem Innern fochten zwei Impulse einen Kampf gegeneinander aus: Der eine sagte ihm, er sollte sofort nachsehen, wie es Takuto ginge, der andere mahnte ihn unter allen Umständen zur Zurückhaltung, um ihn nicht noch mehr zu verschrecken. Schließlich gab er dem ersten nach und drückte vorsichtig die Klinke herunter.

Takuto bemerkte das leise Geräusch kaum, er nahm auch nicht wirklich war, dass Koji hereinkam und er ihn entsetzt anstarrte. Er selbst blickte immer noch mit verschleiertem Blick in den Spiegel, versuchte dieser ausgemergelten Person in der glatten Fläche ein Lächeln aufzuzwingen - es gelang ihm nicht. Es war fast so, als hätte er plötzlich verlernt, *wie* man lächelte. Doch er hatte ja auch keinen Grund zum Lächeln.

Er registrierte beiläufig, dass Koji hinter ihn getreten war, er sah ihn im Spiegel, ohne ihn richtig wahrzunehmen. Wieder fühlte er sich, als verlöre er jeden Moment das Bewusstsein und vor seinen Augen tanzten schwarze Punkte. Seine Knie wurden noch weicher, als sie es ohnehin schon waren und schließlich gaben sie unter ihm nach.

Koji schnellte gerade noch rechtzeitig nach vorn, um den federleichten Körper vor dem Aufschlagen auf den weißen Fliesen zu bewahren, er hob Takuto hoch und trug ihn zurück ins Schlafzimmer. Der Getragene wehrte sich nicht, doch der Fürst war sich nicht sicher, ob er überhaupt etwas bemerkte. Selbst jetzt, wo Takuto nur noch ein erbärmliches Häufchen Elend war - für Koji strahlte er auch jetzt noch eine einzigartige Eleganz aus, seine Augen leuchteten nach wievor und der bronzene Ton seiner Haut schimmerte, als läge ein leichter Nebel auf ihr.

Vorsichtig legte er seinen Gast zurück aufs Bett, bettete seinen Kopf auf die weichen Samtkissen und setzte sich neben ihn. Takuto atmete schwer, er hatte die Augen geschlossen und schien unter Magenkrämpfen zu leiden, denn seine Hände hielten verkrampft seinen Bauch, immer wieder verzog er vor Schmerzen das Gesicht. Koji spürte ein seltsames Ziehen in der Herzgegend, als er ihn so betrachtete und je länger er das tat, um so heftiger wurde sein eigener Schmerz. Es war, als würden sich die Torturen auf ihn übertragen, als litten sie beide, weil sie irgendetwas verband.

Schließlich war es dem Fürsten genug, er legte sanft Takutos Hände zur Seite, schob das weiße Shirt ein wenig hoch, so dass der Bauch unbedeckt war und legte seine Hände auf die bronzene Haut. Takuto riss die Augen auf, als er Kojis kühle Finger spürte. Er wollte ihn eigentlich anschreien, doch seine Stimme war nur mehr ein zaghaftes Winseln. "Was tut ihr da?"

"Ich versuche, euch zu helfen." Takuto überlegte einen Moment und nickte dann schwach, wobei er alle Warnsirenen seines Unterbewusstseins ignorierte. Koji lächelte kurz, schloss dann die Augen und konzentrierte sich aufs Äußerste.

Takuto spürte plötzlich einen unglaublichen Schmerz in seinem Magen aufflammen, schlimmer als die Krämpfe zuvor, und er warf verzweifelt den Kopf nach hinten, versuchte zu schreien. Er brachte nur ein leises Stöhnen und heiseres Röcheln zustande, seine Stimmbänder versagten ihren Dienst. Was zum Teufel machte Koji mit ihm? Wollte er ihn umbringen? Für einen Moment dachte er daran, sich zur Wehr zu setzen, doch diese Idee verwarf er schnellstens wieder. Er war erheblich geschwächt, er hatte somit nicht die geringste Chance, irgendetwas gegen Koji ausrichten zu können. So kniff er die Augen zusammen, biss sich auf die Lippen und krallte seine Hände im Bettlaken fest, betete, dass diese furchtbare Qual bald vorbei sein würde.

Koji war noch nie in seinem ganzen Leben so konzentriert gewesen wie jetzt, denn auch für einen Gott war es schwierig, jemanden zu heilen, erst recht einen anderen ´Allmächtigen´. Den Erdboden aufreißen zu lassen und Vulkane zum Ausbruch zu bringen war dagegen eine Leichtigkeit, denn das Leben und die Gesundheit waren etwas, was eigentlich nicht in ihrem Machtbereich gehörte. So musste er seine Kräfte unglaublich bündeln, um sein Ziel zu erreichen. Er spürte, wie Takutos Körper sich aufbäumte, spürte, wie der Schmerz sich gegen seine Kräfte wehrte, wie er sich an den Organen geradzu festklammerte. Takuto selbst schien das verursacht zu haben, der enorme psychische Stress hatte seine Wirkung nicht verfehlt.

Koji wusste, dass er ihm wehtat, doch auch er selbst verspürte Schmerzen. Diese unglaubliche Anstrengung ging an ihm nicht spurlos vorüber, sämtliche Muskeln waren verkrampft und sein Herz schlug unregelmäßig. Ein schwächerer konnte bei dieser Tat durchaus sterben, doch Koji hielt wacker durch, ignorierte das Stechen in den Seiten, das Pochen in seinen Schläfen und die Spannung der Muskeln in seinen Armen, die fast zu zerreißen drohten. Er wollte ihm helfen, und er würde das auch tun...

Der König glaubte, von dieser Tortur das Bewusstsein zu verlieren, doch kurz bevor sein Gehirn im Nebel der Ohnmacht verschwand, breitete sich plötzlich ein neues Gefühl in ihm aus: Wärme. Der Schmerz war verflogen, er fühlte sich gestärkt und körperlich viel besser als zuvor. Seine Seele jedoch war nachwievor verletzt.

Koji öffnete schwer atmend die Augen und warf einen bangen Blick auf Takuto, dessen Lider sich nun ebenfalls hoben. Ein zartes Lächeln auf diesen wunderschönen Lippen genügte dem Fürsten zur Antwort, und glücklich lächelte er zurück. Takuto war noch immer schockiert und überrascht von dem, was Koji gerade getan hatte. Laut Katsumi war es fast unmöglich, in den Heilungsprozess einzugreifen - erst recht bei einem Gott. Er musste sich unglaublich verausgabt haben... "Danke..." Dieses eine Wort genügte Koji schon, er sah den Dank in Takutos Augen und die eigenen Schmerzen waren vergessen. Er spürte nicht mehr, wie sein Herz hart gegen den Brustkorb pochte, seine Lunge bei jedem Atemzug schmerzte und das Brennen seiner Finger - alles war vergessen. Jegliche Anstrengung war diesen Ausdruck in Takutos Augen wert gewesen.

Koji war zu erschöpft, um etwas zu erwidern, er hatte die Anstrengungen einer Heilung unterschätzt. Ihm war schwindlig und so nahm er, wenn auch ungern, die Hände von Takutos Bauch und legte sich neben ihn auf das Bett, streckte sich mit einem langen Seufzer und atmete tief ein und aus. Der König rückte ein wenig zur Seite und drehte besorgt den Kopf zu seiner linken, beobachtete das unregelmäßige Heben und Senken von Kojis Brustkorb. Dieser atmete noch immer leicht keuchend und vor seinen Augen tanzten Sterne, aber die Gewissheit, dass er Takuto Linderung verschafft hatte, beruhigte ihn.

Sie lagen eine ganze Weile so nebeneinander, starrte an die Decke und sagten kein Wort. Koji atmete wieder normal und gleichmäßig, hatte sich entspannt. Takuto jedoch war seelisch immer noch völlig aufgewühlt, der Anblick des wütenden Hisaya und der Hass in seinen Augen wollten sich einfach nicht vertreiben lassen. Aber auch die Tatsache, dass er gerade neben seinem Todfeind im Bett lag und der andere höchstwahrscheinlich stark genug war, ihn ohne große Schwierigkeiten zu töten, machte ihn nicht gerade ruhiger und Zweifel fanden ihren Weg in sein Bewusstsein. Was, wenn das alles doch nur ein Trick gewesen war, um ihn so schwach zu machen, dass er ihn umbringen konnte? Nein, dann hätte er das schon viel eher haben können, das machte keinen Sinn. Aber beging er nicht wirklich gerade Hochverrat, indem er sich sogar im Bett des Fürsten aufhielt?

Er war sich alles andere als sicher, was er nun tun sollte, sein Gewissen focht einen erbitterten Kampf aus. Entweder, er versuchte zu verschwinden, und musste eventuell mit Kojis Gegenwehr rechnen, oder er blieb, und wurde vielleicht doch umgebracht. Beide Wege waren nicht gerade zu Takutos Zufriedenheit, aber er irgendwann musste er einen von ihnen wählen. Vorsichtig setzte er sich auf und begann zu sprechen, während er gewissenhaft auf seine Beine starrte. "Vielleicht sollte ich jetzt lieber gehen..." Kojis Herz schlug bei diesen Worten Alarm und er richtete sich ruckartig auf. Er sagte nichts, denn er wusste nicht was. Zwar hatte er ihm am Anfang versprochen, ihn gehen zu lassen, wenn er es wollte, aber wann hatte er schon mal ein Versprechen gehalten? Außerdem wollte er auf keinen Fall, dass Takuto ihn jetzt verließ.

Doch dieser war nun schon aufgestanden, fuhr sich mit der Hand durch die Haare und schien allen Ernstes gehen zu wollen. Bis jetzt hatte er Koji noch nicht wieder angesehen, und dieser glaubte zu wissen warum. Das war wahrscheinlich seine einzige Chance. Er erhob sich ebenfalls, trat direkt vor ihn und legte eine Hand unter sein Kinn, zwang ihn, im direkt in die Augen zu blicken. Seine ganze Macht konzentrierte er auf die eine Botschaft, die nun in diesen blauen Edelsteinen zu lesen war, klarer als je zuvor: Bitte bleib bei mir.

Es war das allererste Mal, dass Takuto etwas in den Augen einer anderen Person lesen konnte, doch es verwirrte ihn. Nicht nur die Tatsache, dass es ihm gelang, sondern auch die Worte, die er sah. Bildete er sich das vielleicht nur ein, oder bat Koji ihn wirklich gerade, bei ihm zu bleiben? Aber das konnte er nicht, er war sein Feind. Auch wenn diese wunderschönen Augen ihm das angebot so verlockend erscheinen ließen. Unter Aufbietung all seiner Kräfte riss er sich von Kojis Anblick los und wandte den Kopf zur Seite, floh vor diesem durchdringenden, verzweifelten Blick. Er hielt es für besser, nichts mehr zu erwidern, so steuerte er mit verbissener Entschlossenheit auf die Tür zu, hoffte inständig, dass Koji ihn nicht aufhalten würde.

Der Fürst zuckte zusammen, als Takuto sich von ihm löste und seine Finger den Kontakt zu seiner warmen, weichen Haut verloren. Es war ihm unverständlich, wie er diese Botschaft ignorieren konnte. Sollte er es ihm ins Gesicht schreien? Koji drehte sich um, sah zu, wie Takuto die Türklinke herunterdrückte und ohne sich umzusehen hinaustrat. Er wollte sich auf ihn stürzen, ihn womöglich zu Boden werfen und anketten, er wollte alles tun, damit er ihn jetzt nicht verließ. Doch irgendetwas hielt ihn davon ab, etwas, was noch nie zuvor Einfluss auf sein Handeln gehabt hatte. Er war es gewohnt, sich zu nehmen, was er haben wollte, egal, worum es ging. Als Fürst hatte man ihmzu gehorchen und keiner seiner Wünsche war unerfüllbar. Und jetzt ließ er die Person, die er liebte, einfach so ziehen, obwohl er ihm schon so nah gekommen war? Koji hasste sich selbst dafür, doch er seufzte nur laut, setzte sich kraftlos aufs Bett und starrte auf den Boden. Warum hielt er ihn nicht auf? Noch konnte er das Haus nicht verlassen haben, noch hatte er eine Chance...

Aber eine kleine Stimme in seinem Hinterkopf sagte ihm, dass er ihn ziehen lassen sollte, aus welchem Grund auch immer. Diese Stimme erinnerte ihn an die seiner Schwester, aber das war nun völlig unmöglich.

Mit traurigem Blick hob er seine Beine auf die Matratze und streckte sich wieder aus, bettete seinen Kopf auf die weichen Kissen, verschränkte die Arme im Nacken und versuchte herauszufinden, warum er solch ein merkwürdiges Verhalten an den Tag legte.

Takuto ging fast in Zeitlupe die Treppenstufen hinunter, hielt sich fast krampfhaft am Geländer fest, als hätte er Angst, jeden Moment hinunterzufallen. Es fiel ihm schwer, dieses Haus zu verlassen, denn ein Teil von ihm wollte bleiben. Dieser Teil machte ihm Vorwürfe, dass er die Person, die für ihn wahrscheinlich ihr Leben bei seiner Heilung aufs Spiel gesetzt hatte, so eiskalt abservierte. Todfeind oder nicht, seine Bitte war ehrlich gewesen und seine Augen hatte ihn noch nie so verzweifelt bittend angeschaut. Wie konnte er es übers Herz bringen, einfach so zu verschwinden, ohne ein weiteres Wort?

Seine Schritte ließen sich nicht beschleunigen, auch wenn der König es noch so sehr versuchte, um möglichst schnell aus der Villa herauszukommen. Als zöge ihn eine unsichtbare Macht magnetisch an, wurde er eher noch langsamer, musste sich anstrengen, um seine Füße überhaupt vorwärts zu bewegen.

Was würde passieren, wenn er im Palast eintraf? Als erstes würde Katsumi ihm eine ordentliche Moralpredigt halten, denn Hisaya hatte ihm bestimmt alles erzählt. Das würde die Hölle werden, denn wenn Katsumi eines gut konnte, dann war es, anderen Leuten ihre vermeintlichen Fehler vor Augen zu führen und ihr schlechtes Gewissen auf den Plan zu rufen. Seine Schwester würde ihn auch fragen, wo er den ganzen Tag war, und er müsste sich eine Ausrede einfallen lassen, denn mit der Wahrheit konnte er schlecht herausrücken. Und überhaupt, wie sollte das jetzt mit Hisaya weitergehen...

Er blieb stehen, atmete tief durch und versuchte das erneut aufkommende Schwindelgefühl zu unterdrücken. Keinesfalls war er bereit, Hisaya unter die Augen zu treten und den Hass zu ertragen, den dieser ihm entgegenbrachte. Heute war bis jetzt der schlimmste Tag seines Lebens gewesen, und er war weit davon entfernt, sich schon davon erholt zu haben.

Tränen brannten in seinen Augen, verzweifelt schloss er sie und versuchte, die salzige Flüssigkeit daran zu hindern, sich ihren Weg zu bahnen, doch es war ein aussichtsloser Kampf. Er wollte weitergehen, öffnete die Augen und konnte im ersten Moment nichts sehen, seine Sicht war verschleiert. Seine Füße wollten ihm einfach nicht gehorchen und auch sein Herz wehrte sich krampfhaft gegen die Flucht von der Person, die ihn vielleicht als einzige trösten konnte.

Nachdem Takuto ungefähr fünf Minuten auf der Treppe gestanden und sich weder vor noch zurückbewegt hatte, gab er den Kampf auf. Er ignorierte seine Tränen, drehte sich um und rannte die Stufen wieder hinauf, zurück zu Kojis Schlafzimmer. Warum er das tat, er wusste es nicht, doch für ihn schien es momentan die einzige Lösung zu sein. Seine Seele war nach wie vor zutiefst verletzt und er brauchte jemand, der ihm helfen konnte. Und Koji war derjenige, der das hoffentlich vermochte.

Der Fürst hob den Kopf leicht an und drehte ihn nach links, als er die Schritte an der Tür vernahm. Seine Augen weiteten sich, als er die recht zierliche Gestalt Takutos im Türrahmen ausmachte. Dort stand er, etwas schneller als gewöhnlich atmend, als wäre er gerannt. Und Koji sah das Glitzern auf seinen Wangen, sah das Zittern seiner Hände und sah die Botschaft in seinen Augen: Hilf mir.

Er zog die Hände hinter seinem Kopf hervor und richtete sich weiter auf, saß nun aufrecht und schaute diese jammervolle Gestalt vor ihm an, die wirklich verletzt schien.

"Izu-" Bevor er aussprechen konnte, stürzte Takuto urplötzlich auf ihn zu und fiel ihm mit einem lauten Schluchzer in die Arme. Koji wurde zurückgeworfen und nun lagen sie beide auf diesem riesigen Bett, der eine in den Armen des andern, hilflos schluchzend wie ein kleines Kind.

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Hirose saß in einem schwarzen Ledersessel und rauchte missmutig eine Zigarette, vor ihm ein halbleeres Glas Rotwein, das aussah wie Blut. Neben ihm saß Akihito, gelangweilt ein Kaugummi kauend und mit außergewöhnlichem Interesse die Tischplatte betrachtend.

Sie befanden sich im Versammlungssaal der Hölle, hier wurde beratschlagt, wo man als nächstes einen Krieg anstiften sollte und welche Krankheit besonders grässliche Epidemien hervorrufen könnte.

Ihnen gegenüber hockte Takasaka auf seinem Stuhl, immer wieder nervös auf die Uhr blickend, während er aus den Augenwinkeln die Dämonen beobachtete, die als jeweils Stärkste ihrer Art galten und genervt an kleinen Knochen nagten.

Der älteste der Nanjos drückte seine Zigarette mit einer aggressiv anmutenden Bewegung im Aschenbecher aus, wandte sich dann an Takasaka. "Wo zum Teufel bleibt er? Wir warten jetzt schon eine ganze Stunde. Hat er dir nichts gesagt?" Seine Stimme klang furchtbar, man konnte seinen Ärger nicht überhören und die eisige Kälte, die seine Stimmbänder produzierten taten ihr übriges, um eine Gänsehaut zu verursachen. Kojis Berater blickte entschuldigend auf. "Es tut mir Leid, aber ich weiß auch nicht mehr als ihr. Eigentlich lässt der Fürst sich nie eine Gelegenheit zum Krieg entgehen, aber heute halte ich es für recht unwahrscheinlich, dass er noch auftaucht." Die Dämonen brummten ungehalten und in ihren Augen blitzte für kurze Zeit Mordlust auf.

"Verdammt nochmal, was bildet der sich eigentlich ein?" Akihito wollte seinem Bruder beruhigend eine Hand auf die Schulter legen, doch bevor er sie gehoben hatte, hielten Hiroses scharfe Nägel in seiner Haut ihn davon ab, sie auch nur einen Millimeter zu rühren. Der immer leicht wahnsinnig wirkende Nanjo biss sich auf die Lippe und unterdrückte nur mit Mühe einen Schrei, spürte er doch schon, wie die Finger seines Bruders Wunden in seiner Hand verursachten. Hirose beachtete seinen Bruder nicht mal, zeigte auch keinerlei Intention, die Situation irgendwie zu ändern.

Takasaka hustete nervös, die Dämonen warfen sich misstrauische Blicke zu und Akihito versuchte den pochenden Schmerz in seiner Hand zu ignorieren. Schließlich ergriff Hirose erneut das Wort und erhob sich beim Sprechen, was von seinem Bruder mit einem gequälten, aber dennoch erleichterten Stöhnen kommentiert wurde. "Wenn er sowieso nicht mehr kommt, brauchen wir hier auch nicht unsere Zeit zu verschwenden. Ich habe besseres zu tun, als hier zu sitzen und zu warten, dass mein Bruder seinen Arsch hierher bewegt." Takasaka und die Dämonen starrten ihn entgeistert an, während Akihito mit immer noch schmerzverzerrtem Gesicht die Wunden an seiner Hand begutachtete.

Hiroses Nägel hatten sich tief ins Fleisch gebohrt und man konnte teilweise schon etwas weißes durchschimmern sehen.

Ohne ein weiteres Wort verließ Hirose den Saal, Akihito folgte ihm unaufgefordert und so blieben nur ein verwirrter Takasaka und mehrere genervte Dämonen zurück.

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Takuto war inzwischen gar nicht mehr wirklich fähig zum Denken, sein Bewusstsein war auf ein übermächtiges Wärme- und Trostbedürfnis reduziert. Ihm war es egal, dass es die Arme seines Todfeindes waren, die ihn umschlungen hielten, und es war ihm auch egal, wie lächerlich Koji sein Verhalten unter Umständen fand. Er war im Moment der einzige, der ihm ein Gefühl von Geborgenheit geben konnte und er war nicht willig und wahrscheinlich auch nicht imstande, sich jetzt von Koji zu lösen.

Auf dessen Brust ruhte sein Kopf, er spürte den fremden Herzschlag an seinem Ohr, während er selbst das Gefühl hatte, dass sein eigenes Herz völlig aus dem Rhythmus gekommen war. Sein Körper war erschöpft, immer wieder wurde er von krampfartigen Anfällen geschüttelt, die auch Koji nicht unterbinden konnte, zu sehr hatte er sich bei der vorausgegangenen Heilung verausgabt. So zog der Fürst ihn immer noch näher an sich, wenn Takutos Glieder unkontrolliert zu zucken begannen und seine Zähne beängstigend laut aufeinander schlugen.

Koji war hin- und her gerissen zwischen zwei Gefühlen: auf der einen Seite die Sorge um Takuto, denn es ging ihm alles andere als gut, und auf der anderen das wahnsinnige Glück, ihn in den Armen halten zu dürfen. Mit der linken Hand fuhr er des Königs Wirbelsäule immer wieder auf und ab, mit der anderen streichelte er ihm durch die Haare, redete immer wieder leise und beruhigend auf ihn ein. Er war sich nicht sicher, ob seine Bemühungen von Erfolg gekrönt sein würden, doch er würde sicherlich nichts unversucht lassen, um Takuto seinen Schmerz zumindest ein wenig vergessen zu lassen.

Takuto schloss gequält die Augen, die Tränen brannten in den Augen und er betete, dass dieser Strom endlich versiegen würde. Er spürte Kojis warme Hände und für den Bruchteil einer Sekunde fühlte er sich so wohl, wie noch nie in seinem Leben. Doch dieser eine Augenblick war so kurz, dass er ihn sofort wieder vergaß, ohne ihn wirklich wahrgenommen zu haben. Seine linke Hand vor ihm auf Kojis Brust, seine zittrigen Finger nahmen die Wärme, die von dem fremden und doch seltsam vertrauten Körper ausging, kaum wahr.

Der Fürst legte seine Hand auf Takutos, spürte die feinen Glieder, die unter der unverhofften Berührung leicht erschauderten. Er schloss seinen Arm noch fester um den erschöpften Körper und begann, mit sanftester Stimme leise ein Lied zu singen. Kaum hörbar, ein Mensch hätte es gar nicht wahrgenommen. Doch Takuto hörte die leisen Worte, sie holten ihn aus dem Elend seiner Gedanken zurück und er öffnete die Augen, blickte unter einem Vorhang aus Tränen an Koji herauf. Dieser sah auf ihn hinunter, lächelte mit ungewohnter Gutmütigkeit und Takuto sah für einen kurzen Moment ein verräterisches Glitzern in seinen Augen. Der Fürst weinte doch nicht? Nein, der Fürst konnte gar nicht weinen, zumindest hatte man ihm das immer erzählt. Aber er konnte singen, und diese sanfte Stimme vermochte es, den quälenden Schmerz in seinem Innern ein wenig zu lindern.

Koji stellte zufrieden fest, dass Takutos heftiges Schluchzen immer leiser wurde und in ein bald verstummendes Wimmern überging, er schien geradezu an seinen Lippen zu hängen. Dabei hieß es doch immer, die Stimme des Höllenfürsten sei so schrecklich, dass man taub wurde, hörte man sie auch nur für den Bruchteil einer Sekunde. Er sang etwas, was er noch nie in seinem Leben gesungen hatte und doch nie vergessen würde: das einzige Lied, das seine Mutter ihm jemals vorgesungen hatte. Es war unendlich traurig, und gleichzeitig doch wunderschön, Melancholie in ihrer schönsten Vollendung.

Takuto schloss die Augen wieder und spürte, wie eine einzelne Träne über seine Wange lief, doch er vergoss sie nicht aus Schmerz über Hisaya, sondern aufgrund der traurigen Schönheit dieses einfachen Liedes, das aus dem Mund des Fürsten wie ein Zauber klang. Es dauerte nicht lange, und er schlief ein, selbst im Traum noch begleitet von Kojis Gesang.

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In Erinnerung an Hisayas letzten Wutausbruch machte Katsumi sich innerlich auf das Schlimmste gefasst, und er war sich nicht sicher, ob das nicht noch untertrieben war, denn der junge Gott, der nun auf ihn zutrat, strahlte unglaubliche Wellen des Hasses aus.

Für Hisayas Verhältnisse war er allerdings außerordentlich gefasst, auch wenn er dafür schwer gegen sich selbst kämpfen musste. Katsumi wollte gerade einen guten Abend wünschen, als der andere ihm zuvorkam. "Mein Stuhl kann aus dem Speisesaal entfernt werden, ich werde nie wieder mit diesem verdammten Bastard an einem Tisch sitzen, hast du das verstanden?" Katsumi legte etwas ungläubig den Kopf schief, versuchte zu verwerten, was Hisaya ihm gerade sagte. "Pardon?" "Was heißt hier ´Pardon´? Takuto ist eine Schande für das Geschlecht des Himmels, er ist es nicht mal wert, auch nur in die Nähe des Thrones zu kommen. Er sollte in einer elenden Gasse auf der Erde verrotten!"

Das wurde Katsumi nun doch zu viel, schließlich war es nicht irgendwer, den Hisaya gerade aufs übelste beschimpfte.

"Nun halt mal die Luft an Hisaya!" Dieser reagierte mit einem ungläubigen Gesichtsausdruck auf die relativ impulsive Antwort des schmächtigen Beraters, aber er wartete, was er zu sagen hatte. "Du solltest dir ganz genau überlegen, was du sagst, denn für diese Beschimpfungen kann man dich in den Kerker werfen lassen! Was ist überhaupt passiert?" Hisaya spürte, wie eine unglaubliche Wut in ihm aufstieg und er konnte sich nur mit größter Mühe beherrschen, nicht das ganze Volumen seiner Lunge zu nutzen und seine Worte herauszuschreien. "Was passiert ist?! Er hat sich wieder mit dem Fürsten getroffen, das ist passiert!! Bastarde unter sich, er-" Katsumi gebot ihm mit einer energischen Handbewegung Einhalt.

"Was heißt hier ´wieder´, Izumi hat sich nie-" Hisaya trat noch einen Schritt auf Katsumi zu, was diesen zu einem Ausweichmanöver nach hinten animierte. "Lüg mich nicht an! Ich habe euch gesehen, als Koji das erste Mal am Sportplatz wieder aufgetaucht ist, ich habe euch danach reden gehört. Und ich habe die beiden zum zweiten Mal nach dem Training gesehen, Takuto hätte sich fast von ihm küssen lassen!!!" Katsumi vergaß für einen Moment die Beruhigungsfloskeln, die er schon in Gedanken zurechtgelegt hatte und ließ Hisayas Worte auf sich wirken. Das zweite Mal nach dem Training? Welches zweite Mal? Hatte Takuto etwa... "Takuto hat sich noch einmal mit ihm getroffen?" Hisaya lachte dreckig und überlegen. "Das hast du wohl auch nicht gewusst, was? Er hat uns beide betrogen und belogen, er trifft sich mit seinem Todfeind, dem Feind allen Lebens, dem personifizierten Bösen! Das ist verdammt noch mal Hochverrat!!!"

Takutos Berater ließ sich enttäuscht, verärgert und besorgt in seinen Stuhl fallen, sortierte seine Gedanken. Er hatte Takuto doch beschworen, sich nicht noch einmal mit dem Fürsten zu treffen, warum hatte er es dann bloß getan? Oder log Hisaya etwa?

"Woher soll ich wissen, dass nicht *du* der Lügner bist, weil du Izumi immer noch nicht verziehen hast, dass er-" Das hätte er lieber nicht gesagt, denn nun rannte Hisaya auf ihn zu und stieß ihm mit voller Wucht die Faust ins Gesicht. Katsumi sah für einen Moment Sterne und verpasste Hisaya sogleich eine Retour, sodass nun beide mit einer blutenden Lippe ausgestattet waren. Allerdings würde der Berater auch noch eine ordentliche Prellung an der Wange davon tragen, aber das war jetzt nebensächlich.

"Tu das ja nicht noch einmal, Hisaya, oder ich werde dafür sorgen, dass du nie wieder irgendwen auch nur zu Gesicht bekommst." Hisaya schaute ihn unbeeindruckt und immer noch rasend vor Wut an. "Und ich werde dafür sorgen, dass dein Gesicht niemand mehr ansehen will, so entstellt wird es sein." Katsumi war inzwischen aufgestanden und kramte die Reste seiner Vernunft zusammen. "Wir sind quitt, benehmen wir uns wie Erwachsene. Weißt du, wo Izumi jetzt ist?" Hisaya glaubte seinen Ohren nicht zu trauen und kämpfte gegen einen erneuten Wutanfall. "Ob ich weiß, wo er ist? Es interessiert mich einen Scheißdreck, wo dieser gottverdammte Bastard ist, soll er doch irgendwo elendig krepieren! Vielleicht hat ihn ja sein Lover in spe mitgenommen, zu einem romantischen Schäferstündchen!!"

"Auch wenn der Fürst ihn vielleicht küssen wollte, so hat das noch lange nichts mit Izumi zu tun. Wir müssen ihn jedenfalls finden, sonst-" Hisaya lachte boshaft auf. "Sonst was? *Wir* müssen jedenfalls gar nichts, vor allem ich nicht. Ich genehmige mir eine Dusche und werde nie wieder einen Gedanken an diese Missgeburt verschwenden, die ich mal meinen Freund genannt habe. Und vielleicht solltest du meinem Beispiel folgen, wer weiß, was er im Schilde verführt. Vielleicht verbündet er sich mit dem Fürsten und will den Palast und alle seine Bewohner zerstören? Ihm ist inzwischen alles zuzutrauen und ich kann nicht glauben, dass ich ihm jemals *ver*traut habe." Mit diesen Worten und einem blinden Hass in den Augen stapfte Hisaya aus dem Raum und knallte die Tür hinter sich zu, dass die Wand zitterte. Katsumi setzte sich kreidebleich zurück auf den Stuhl und überlegte verzweifelt, was er jetzt tun sollte.

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Takuto schlief unruhig in dieser Nacht, wirre Bilder spukten in seinem Kopf umher, ohne sich jemals zu einem wirklichen Traum zusammenzusetzen. Er wurde öfters wach, schreckte hoch und wurde sogleich von Koji wieder zurückgedrückt, und er sprach beruhigend auf ihn ein. Es war verrückt, dass der König die Geborgenheit von Kojis Armen genoss, obwohl dieser ihn töten konnte, wenn er wollte. Entweder seine Vernunft war vollständig abgeschaltet, oder er spürte einfach, dass der Fürst nicht im geringsten vorhatte, ihm irgendwie wehzutun. Koji tat die ganze Nacht über kein Auge zu, aber er verspürte auch keinerlei Bedürfnis zu schlafen. Er ließ seine Augen keinen Augenblick von Takuto, beobachtete ihn im Licht des Mondes, der durch das Fenster ins Zimmer schien, und einiger Kerzen, wie sich sein Brustkorb mal langsamer und mal schneller hob und senkte, verhinderte, dass er sich durch unkontrollierte Bewegungen womöglich selbst verletzte und drückte ihn jedes Mal sanft zurück aufs Bett, wenn er mit einem heiseren Schrei erwachte.

Der Fürst fühlte sich seltsam, so glücklich und zufrieden. Eigentlich konnte ihn nichts wirklich glücklich machen, er empfand nicht einmal beim herrlichsten Gemetzel das kleinste bisschen Genugtuung. Größtenteils war ihm alles egal, worum es auch ging. Seit seiner Kindheit war das so gewesen, er konnte sich an nichts erfreuen und tat alles nur halbherzig, weil es man es von ihm erwartete. Hirose hasste ihn dafür, dass ihm alles so in den Schoß fiel und er es nicht zu würdigen wusste. Sein ältester Bruder beneidete ihn unglaublich und würde ihn am liebsten tot sehen, um selbst seinen Platz einnehmen zu können. Koji konnte das jedes Mal in seinen Augen sehen, obwohl sich Hirose wohl dessen nicht bewusst war.

Doch nun war er glücklich, weil er Takuto in den Armen halten durfte. Er wusste nicht, warum er sich ausgerechnet in ihn verlieben musste, aber es war nun mal geschehen. Schon im Saal der Menschlichkeit hatte er ihn fasziniert und wahrscheinlich war es auch dort schon um ihn geschehen. Diese Augen, diese Statur, dieses ganze Wesen - er liebte ihn, obgleich er so gut wie gar nichts über ihn wusste - und er ein Mann war! Er hatte noch nie etwas mit Männern gehabt, er war nicht so ein Typ, doch bei Takuto war ihm das Geschlecht völlig egal. Er liebte ihn und er begehrte ihn, doch dieses Verlangen ließ sich zum Glück noch kontrollieren, auch wenn das ziemliche Selbstbeherrschung verlangte. Takutos Gesicht war so nah an seinem, er konnte im dämmrigen Licht die für einen Mann ungewöhnlich vollen Lippen erkennen, die geradezu danach schrieen, von seinen berührt zu werden. Es war verdammt schwer, dieser Versuchung zu widerstehen, doch er würde nicht das Risiko eingehen, Takuto zu küssen, und ihn damit zu wecken. Denn das würde sein Vertrauen nicht gerade steigern, sondern es eher mit einem Schlag zunichte machen.

So begnügte er sich damit, ihn einfach nur zu betrachten jede seiner Bewegungen, jeden seiner Atemzüge und sich im Geiste vorzustellen, was es wohl für ein Gefühl sein musste, ihn zu küssen - oder mehr...

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Katsumi schlief in dieser Nacht fast gar nicht, immer wieder spulte sein Gehirn Hisayas Worte ab, immer wieder versuchte er, sie zu verstehen. Der König hatte sich noch einmal mit Koji getroffen - warum? Und Koji hatte versucht ihn zu küssen - warum? Vielleicht hatte Hisaya etwas missverstanden? Aber vielleicht hatte auch Takuto ihn...

Der junge Mann stand immer wieder auf, lief nervös und fast schon hysterisch in seinem Zimmer umher und fragte sich verzweifelt, wo sein Herr jetzt wohl steckte. Serika und Yuugo hatte er auch mit einer Ausrede abspeisen müssen, er hatte ihnen erzählt, Takuto wäre mit einem Freund essen gegangen und es wäre wohl etwas später geworden. Aber ein paar Antragsteller hatte er auch vertrösten müssen, denn einige Angelegenheiten konnten weder von ihm noch von Serika gelöst werden, dazu musste Takuto anwesend sein. Er musste einem der höchsten Engel erzählen, dass der König sich leider nicht wohl fühlte, und es war beileibe kein gutes Gefühl, einen solch hohen Himmelsbewohner belügen zu müssen, vor allem, weil niemand wusste, wie gut sie wirklich Gedanken lesen konnten.

Takuto hatte es also wieder vortrefflich geschafft, ihn in arge Bedrängnis zu bringen und Katsumi schwor sich selbst, dass er ihm diesmal mehr als nur eine Moralpredigt halten würde. So konnte das nicht weitergehen und sein Herr hatte das gefälligst einzusehen.

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Der König erwachte, als sein Gesicht von den einfallenden Sonnenstrahlen gewärmt wurde und stellte erstaunt fest, dass er sich nicht in seinem eigenen Bett befand. Es dauerte einen kurzen Moment, bis er wieder wusste, was am Tag zuvor geschehen war. Er hatte also wirklich eine Nacht bei seinem Todfeind verbracht und auch noch mit ihm in einem Bett geschlafen! Wenn das jemand erfuhr, würde es einen Skandal geben, denn die Himmelsbewohner wären sicherlich nicht begeistert davon. Aber dennoch - er fühlte sich nicht irgendwie schuldig, sondern im Gegenteil: er fühlte sich ausgeruht und erholt, und auch psychisch schien er wieder stabiler zu sein. Zwar war sein erster Gedanke ´Hisaya...´ und es schmerzte im Herzen, doch er musste nicht weinen und das war schon ein großer Fortschritt.

Koji konnte Takutos Gedanken in seinen Augen lesen und er freute sich wirklich, dass es ihm anscheinend besser ging. "Guten Morgen Izumi..." Er fuhr ihm mit einer Hand durch die Haare und zu seiner Verwunderung, brachte der König ein kurzes Lächeln zustande. "Guten Morgen." Er wollte sich aufrichten, doch etwas hielt ihn davon ab. Es war einfach zu gemütlich und zu behütet an Kojis Seite, als dass man sich früher als nötig davon trennen sollte. Diese Gedanken erschreckten ihn ein wenig, doch zum ersten Mal in seinem Leben war es ihm vollkommen egal und er rückte sogar noch etwas näher an ihn heran. "Ich hoffe, ihr habt gut geschlafen?" Takuto nickte, soweit das im Liegen möglich war.

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Akihito stand gerade vor seinem Spiegel und knöpfte sein Hemd zu, als ohne Vorwarnung die Tür aufflog und sein ältester Bruder hereinkam.

Hirose schien nicht besonders gut aufgelegt zu sein und so hielt er sich auch nicht mit unnötigen Begrüßungsfloskeln auf. "Bist du fertig?" Akihito stutzte. "Fertig wofür?"

"Wir gehen Koji suchen." Der jüngere wollte seinen Ohren nicht so recht trauen. "Wir tun was?" Hirose wurde etwas aufgebrachter, seine Stimme etwas lauter.

"Bist du schwer von Begriff? Wir gehen unseren verdammten Bruder suchen, er kann nicht einfach verschwinden, wann es ihm passt, ohne dafür die Konsequenzen zu tragen."

"Aber wir wissen doch gar nicht, wo er ist?" Der älteste der Nanjos trat direkt vor ihn und griff nach der Hand, in die er erst gestern seine Nägel gebohrt hatte. Akihito verzog das Gesicht, unterdrückte einen Schmerzensschrei nur mit Mühe. Sein Bruder schien heute wirklich alles andere als gut gelaunt zu sein. "Ich weiß aber, wo er sein *könnte*. Er denkt zwar, dass ich nichts von seiner kleinen irdischen Residenz weiß, aber da hat er sich geirrt. Wir gehen, und zwar jetzt sofort!"

Er ließ die verbundene Hand los und trat schon über die Türschwelle, ohne ein weiteres Wort der Erklärung verlauten zu lassen. Akihito blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen, wollte er ihn nicht noch mehr erzürnen. Zwar wusste er nicht, wohin sie überhaupt wollten, und sein Magen sehnte sich nach dem Frühstücksbuffet, doch Hirose jetzt zu verärgern, konnte nicht gut sein.

So teleportierten die beiden sich wenig später auf die Erde, Akihito immer noch völlig unwissend, was das Ziel ihrer Reise war, er ließ sich von Hiroses Kräften mittragen.

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Takuto war völlig in Gedanken versunken, genoss die wohlige Wärme und das Gefühl der Geborgenheit, das ihm Koji vermittelte. Doch irgendwann drang die leise Stimme zu ihm durch, die ihm sagte, dass es sicherlich für niemanden gut war, sich länger als unbedingt nötig in der Nähe des Fürsten aufzuhalten. Er hatte nun schon eine ganze Nacht mit ihm verbracht, wenn auch nicht im eigentlichen Sinn des Wortes, und nun war es Zeit zu gehen, so viel er ihm auch geholfen hatte. Sie waren von Geburt an Feinde und so schnell würde sich daran auch nichts ändern.

Der König richtete sich abrupt auf, als begriffe er jetzt erst, dass er die ganze Zeit eng an denjenigen geschmiegt lag, der das personifizierte Böse darstellte. Koji blickte ihn überrascht an, doch in seinen Augen konnte er sehen, dass die Zweifel und das Pflichtbewusstsein wieder Überhand gewonnen hatten. Takuto wollte schnellstmöglich hier weg, sein Bewusstsein konnte die anerzogenen Gut-und-Böse-Vorstellungen nicht länger ignorieren, er war geschockt von sich selbst und sein Gehirn ließ nun sämtliche Schuldgefühle auf ihn los.

Ohne ein weiteres Wort stand er auf, starrte mit seltsam leerem Blick erst aufs Bett und dann auf Koji, als versuche er zu realisieren, in was für einer Situation er sich befand. Der Fürst seufzte leise und sah ein, dass es jetzt wieder kompliziert wurde. Er sah sein Gegenüber fragend an und wartete auf eine Reaktion Takutos. Dieser zögerte einen Moment, doch dann öffneten sich seine Lippen. "Ich, ich muss gehen." Er war verwirrt, als wäre er jetzt erst aus einer Trance aufgewacht. Mit etwas unsicheren Schritten ging er zur Tür, drückte zaghaft den Griff herunter und trat auf den Gang hinaus. "Izumi..." Koji folgte ihm, keineswegs bereit, ihn so schnell gehen zu lassen.

Auf der Treppe holte er den König ein, hielt ihn an der Schulter fest und zwang ihn zum Anhalten. Er sah ihm in die Augen, doch diese waren seltsam verschlossen und gewährten ihm keinen Einblick. Takuto selbst wusste nicht, woher diese plötzlich Entschlossenheit kam, ihm war es rätselhaft, wie man solchen Stimmungsschwankungen unterliegen konnte. Doch es war sicherlich besser, wenn er so schnell wie möglich von hier fort kam, auch wenn Koji ihm nichts böses getan hatte. Sie waren Feinde, ob sie sich nun so verhielten oder nicht, und schließlich konnte ja nicht alles gelogen sein, was man ihm jemals über den Fürsten erzählt hatte. Wahrscheinlich war es schon ein großer Fehler gewesen, sich jemals hierher bringen zu lassen, doch jetzt war es zu spät. Das einzige, was er jetzt noch tun konnte, war Schadensbegrenzung. Auf eine Moralpredigt von Katsumi musste er sich so oder so gefasst machen und er hielt es für ratsamer, möglichst schnell wieder im Palast zu sein, vielleicht hatte Hisaya ihm ja noch nichts von ihrem Streit erzählt.

"Lasst mich los, Koji." Der Fürst lockerte seinen Griff nicht, es verwunderte ihn, wie Takuto so schnell seine Meinung ändern konnte.

Dabei war diesem Heißsporn noch nicht mal aufgefallen, dass er immer noch etwas von Kojis Kleidern trug. "So schnell kommt ihr hier nicht weg, Izumi." Das Gesicht des Königs verfinsterte sich, er war nicht zu Spielchen aufgelegt. Gut, Koji hatte ihm geholfen, aber er hatte ihm ein Mal gedankt, das war genug. Er wollte gehen und der Fürst würde ihn bestimmt nicht daran hindern. Mit einer groben Bewegung schlug er Kojis Hand zur Seite und stieg weiter die Stufen hinab, ohne sich noch einmal nach ihm umzusehen.

Der Fürst folgte ihm, doch Takuto beschleunigte sein Tempo, und so erreichte er die Eingangstür, bevor Koji sie verschließen konnte. Doch als der König sie öffnete, sah er sich Hirose und Akihito gegenüber, die gerade durch den Vorgarten gekommen waren. Takuto zuckte merklich zusammen, sein Herzschlag wurde schneller und er fühlte sich alles andere als wohl, da er nun einen Nanjo im Rücken und zwei direkt vor sich hatte.

Auch Hirose war mehr als nur erstaunt, in der Villa seines Bruders ihrem Todfeind zu begegnen. Akihito war vielleicht zum ersten Mal schneller als sein ewiges Vorbild.

"Der König?" Koji war inzwischen hinter Takuto getreten und starrte seine ungeliebte Verwandschaft herablassend an.

"Was wollt ihr?" Hiroses Blick ließ vom König ab und heftete sich nun an Koji und wahrscheinlich zum ersten Mal konnte er erahnen, was sein Bruder dachte. "Ausgerechnet er? Das kann nicht dein Ernst sein!" Der Fürst blieb vollkommen ruhig.

"Erstens heißt es immer noch ´euer Ernst´, und zweitens bin ich dir keinerlei Rechenschaft schuldig. Und ihr solltet hier schleunigst verschwinden, bevor ich richtig ärgerlich werde.

Takuto war in der wahrscheinlich ungemütlichsten Situation seines Lebens, und so schnell kam er hier auch nicht wieder heraus. Warum mussten bloß Kojis Brüder auftauchen, das Ganze war doch so schon schwierig genug. Hirose wurde unruhiger, auf seiner Stirn bildete sich langsam eine Zornesfalte. "Es gibt Millionen von Dämonen und Menschen und meinetwegen auch Engeln, warum gerade ihn? Den einzigen, den ihr nicht haben könnt!" Der König verstand nicht, was dieser unsympatische Mann sagte, doch Koji schien zu begreifen. Sein Blick verfinsterte sich und er konnte die Kälte spüren, die von ihm ausging.

"Ein letztes Mal: Verschwindet, oder ihr werdet es bereuen!"

Er wusste, das Hirose einen einzigen, kurzen Blick in seine Gedanken erhascht hatte und somit das eingetreten war, was er unter allen Umständen hatte verhindern wollen. Weil er Takuto liebte, war er einen Moment lang unaufmerksam gewesen und diese Schwäche hatte Hirose ausgenutzt. Und jetzt wusste er etwas, was er nie hätte wissen sollen. Aber wenigstens schien Akihito nichts verstanden zu haben, er schaute so drein wie immer, keine Veränderung war zu bemerken, nur der übliche Wahnsinn.

"Ich zähle jetzt bis drei, und wenn ihr dann nicht verschwunden seid, wird es euch Leid tun, das ihr jemals geboren wurdet!" Kojis Stimme besaß nun nicht mehr den kleinsten Hauch von Menschlichkeit, sie klang mechanisch emotionslos.

Hirose sah nach wie vor wütend aus, doch in seinen Augen blitzte die Hinterhältigkeit, die ihn so unsympatisch machte. Er verzog seine Lippen langsam zu einem triumphierenden Lächeln und begann schließlich zu lachen. Takuto erschrak, denn für ihn war diese Reaktion völlig unverständlich. Auch Akihito schaute seinen Bruder ungläubig an, versuchte, den Grund dafür herauszufinden. Kojis Augen waren nur noch schmale Schlitze und in seinem Innern brodelte es. Er machte ein winzige Handbewegung und verursachte damit eine gewaltige Kraft-Welle, die Hirose und Akihito durch die Luft fliegen und auf der Straße unsanft wieder langen ließ. Hirose lachte immer noch, inzwischen klang es sowohl hinterhältig als auch hysterisch, doch Akihito rieb sich mit schmerzverzerrtem Gesicht seinen Rücken, auf dem er gelandet war.

Takuto drehte sich voller Furcht zu Koji um, denn er wusste nicht, was er nun mit ihm machen würde, da er ja mehr als nur erregt schien.

Doch der Fürst starrte weiterhin seine Brüder an und der Hass in seinen Augen war kaum noch zu überbieten. Man konnte förmlich spüren, dass er sie am liebsten beiden in Stücke gerissen hätte oder vielleicht auch auf ein Rad geflochten. Er konnte sich nur mit größter Mühe beherrschen. "Ihr werdet diesen Tag noch verfluchen, besonders du, Hirose! Tretet mir heute nicht mehr unter die Augen, habt ihr verstanden?!" Keiner der beiden antwortete, aber Hirose hatte nun aufgehört zu lachen. "OB IHR MICH VERSTANDEN HABT!!!???" Takutos Ohren schmerzten, denn diese Lautstärke war nicht mehr menschlich. Ein Sterblicher hätte davon wahrscheinlich einen bleibenden Hörschaden davongetragen. Akihito hielt sich die Hände an die Ohren, auch ihn schmerzte es, doch Hirose schaute seinen Bruder nur kalt an. Er war es auch, der schließlich antwortete. "Ja, das haben wir." Der älteste der Nanjos erhob sich, zog seinen Bruder unsanft auf die Beine und hob kurz die Hand, um im Nebel zu verschwinden. Akihito folgte seinem Beispiel, nachdem er noch einen letzten, ängstlichen Blick auf Koji geworfen hatte.

Der König wollte die Chance nutzen, von hier fort zukommen, doch als er die Stufen hinunter rennen wollte, packte ihn eine Hand am Arm und zog ihn zurück ins Haus. Hinter schloss sich die Tür und er wurde nun von Koji gegen selbige gedrückt. Er umklammerte Takutos Hände mit seinen eigenen, hielt sie neben ihm an das Holz gepresst. Ihre Gesichter waren höchstens 15cm voneinander entfernt, Takuto spürte Kojis heißen Atem und spürte auch die Hitze seines Körpers.

Er selbst vor starr vor Angst - Todesangst. Jetzt war er in der Situation, vor der ihn alle immer gewarnt hatten: er war dem Fürsten ausgeliefert. Keinerlei Regung war möglich und so sehr er sich bemühte, seine Kräfte konnten ihm nicht helfen. In diesem Haus lag eine Art Bann über ihm, es war unmöglich, sich Koji irgendwie zur Wehr zu setzen. Seine blauen Augen schienen ihn hypnotisieren zu wollen, als wolle er Takuto mit seinen Blicken auflösen. Der Fürst atmete schwer, als koste ihn ein innerer Kampf sehr viel Kraft.

Koji wusste einen Moment lang nicht, was er tat. Es war eine reflexartige Handlung, Takuto zurück ins Haus zu zerren und bewegungsunfähig zu machen. Doch was jetzt? Erst hatte er sich sein Vertrauen erkämpft und nun trat er es mit Füßen? Der König hatte Angst, er roch danach, sie strömte aus jeder Pore seines Körpers. Kleine Schweißperlen glitzerten überall auf seiner Stirn, sein Körper war eisigkalt und sein Blutkreislauf schien stillzustehen. Seine Nerven waren bis aufs Äußerste gespannt und in seinen wunderschönen braunen Augen konnte man sehen, dass er damit rechnete, jeden Moment zu sterben. Es lag Angst in ihnen, aber auch Trauer. Trauer darüber, dass er sterben müsste, ohne jemals geliebt zu haben oder geliebt worden zu sein. Trauer darüber, dass er niemals erfahren würde, was es hieß, jemanden zu vergöttern und sich nach ihm zu sehnen.

Takuto spürte, dass Koji in ihn hineinsehen konnte, es war ein merkwürdiges Gefühl. Als würde etwas in seinem Innersten umher kriechen, jeden Winkel durchstöbern auf der Suche nach allen Geheimnissen, die er in seiner Seele trug. Er wollte das nicht, wenn der Fürst ihn töten wollte, sollte er das sofort tun und nicht noch vorher alles über ihn erfahren. Also zwang Takuto sich, die Augen zu schließen, obwohl sein Überlebenstrieb heftig dagegen rebellierte. Im Moment einer vielleicht tödlichen Bedrohung die Augen davor zu verschließen, war so ziemlich das schlimmste, was er tun konnte.

Seine Augenlider zitterten, man sah sich die Augäpfel unter der Haut unruhig hin- und herbewegen. Seine Lippen bebten und er war blass geworden. Hätte Koji ihn nicht festgehalten, wäre er vermutlich einfach zu Boden gefallen, denn seine Knie machten nicht den Eindruck, als könnten sie sein Gewicht noch tragen. Takuto betete im Stillen, dass es ohne Schmerzen vonstatten gehen würde und wartete auf seinen Tod.

Koji war erstaunt, als der König die Augen schloss, doch er brauchte nicht in seine Augen zu sehen, um in seiner Seele zu lesen. Im Moment dieser unsäglichen Angst war sie wie ein offenes Buch, das man gar nicht erst lesen musste. Man spürte, was darin geschrieben stand. Koji rang mit sich selbst, wusste nicht, was er tun sollte. Wenn er ihn einfach so gehen ließ, würde er wahrscheinlich nie wieder an ihn herankommen. Also, warum nicht diese eine Gelegenheit zu seinem Vorteil nutzen...

Für den Bruchteil einer Sekunde zögerte er noch, dann schob er sein Gesicht vollständig zu Takutos und presste seine Lippen auf die des Schwarzhaarigen. Er spürte, wie der andere erschreckte und sich wehren wollte, doch er wusste, dass er stärker war, und so schloss er die Augen.

Takuto wollte erst die Augen aufreißen, als er Kojis Lippen auf seinen spürte, doch es ging nicht. Sein Gehirn weigerte sich, diese Information zu verarbeiten, denn das war nun das letzte gewesen, was er erwartet hatte. Doch was sollte er tun? Verzweifelt versuchte er, sich irgendwie von Koji zu lösen, doch durch ihren Körperkontakt war das ein unmögliches Unterfangen.

Dieser Kuss war der erste, den Takuto je bekam, und er wusste noch nicht, ob er es nun schlimmer finden sollte, dass er ihn von seinem Todfeind bekam oder dass eben dieser Feind auch noch ein Mann war! Seine Gefühle überschlugen sich, er spürte das Verlangen, das in Koji steckte, er legte es in diesen einen Kuss. Er war begierig, besitzergreifend und das frevelhafteste, was Takuto je zugestoßen war. Doch nun passierte es, und es gab nichts, was er dagegen tun konnte.

Koji schien diesen Moment zu genießen, es gab nicht die geringsten Anzeichen dafür, dass er den Kuss unterbrechen wollte. Doch der König konnte kaum noch atmen, er war geschockt von dem Kuss selbst und von der Tatsache, dass Koji wahrscheinlich schon die ganze Zeit nur das Eine im Sinn gehabt hatte. Etwas in seinem Innersten schmerzte, der Teil, der glaubte, dass der Fürst nur mit ihm ins Bett wollte und ihm nichts weiter an ihm lag. Und der Rest seines Körpers fürchtete sich nun noch mehr als vorher, denn Koji war womöglich noch zu weit mehr imstande.

Der Fürst hatte noch nie im Leben so empfunden, es war das erste Mal, dass er jemanden küsste, den er wirklich liebte. Und auch wenn dieser jemand seine Gefühle nicht erwiderte, es war ihm egal. Jetzt hatte er ihn, zumindest für einen kleinen Moment, doch er war nicht bereit, ihn so schnell wieder gehen zu lassen. Er drückte sich noch enger an ihn, zwang ihn mit seiner Zunge dazu, die Lippen zu öffnen und verschaffte sich so gewaltsam Eingang.

Takuto verkrampfte noch mehr, als er spürte, was Koji tat. Doch er konnte sich nicht wehren, er war wie gelähmt. Er spürte Kojis Zunge, die nach seiner suchte und schließlich begann mit ihr zu kämpfen. Der König hatte noch nie in seinem Leben so gefühlt, es war eine Mischung aus Todesangst, Hass und Leidenschaft, die ihn vollkommen in ihren Bann zog. Er ließ Koji gewähren, ließ zu, dass er sich selbst schmutzig und verdorben fühlte. Für einen kurzen Moment gewann ein sorgfältig verborgener Trieb die Überhand, Takuto spürte den unbändigen Wunsch, diesen Kuss, so verboten er auch sein mochte, zu erwidern, Koji zu zeigen, dass auch in ihm Leidenschaft schlummerte, die nur darauf wartete, erwachen zu dürfen.

Und so geschah es auch, Takuto vergaß sämtliche Moralvorstellungen, die ihm seit seiner Kindheit beigebracht worden waren und ließ sich auf den Kampf ein, ließ seinem Temperament freinen Lauf und schaffte es, einen Moment den Fakt zu ignorieren, dass er gerade fast schon ekstatisch seinen Feind küsste.

Koji spürte, dass Takuto den Kuss erwiderte und es erfüllte ihn mit einem bis dato unbekannten Gefühl der Lust. Erst jetzt bemerkte er, wie sehr der König besitzen wollte. Er sollte ihm gehören, ihm ganz allein, wie ein Haustier. Doch je ekstatischer sie beide wurden, umso mehr drangen Takutos Zweifel zu ihm durch, ein schriller Ton, der im Kopf schmerzte. Schließlich wurde dieses widerliche Geräusch übermächtig und Koji ließ von Takuto ab. Beide öffneten gleichzeitig ihre Augen und sahen sich an, während sie heftig ein- und ausatmeten.

Der König konnte nicht fassen, was er gerade getan hatte, und er war immer noch nicht wirklich fähig, klar zu denken. Koji hingegen wusste, dass er jetzt eigentlich nur die Wahl zwischen zwei Dingen hatte: entweder er ließ Takuto gehen und sah ihn wahrscheinlich nie wieder - oder er tötete ihn.

Takuto schrie leise auf, als sich Kojis Hände von seinen Armen lösten und sich stattdessen um seinen Hals schlossen. Er versuchte, den Griff des Größeren zu lösen, doch das war aussichtlos. Erst küsste Koji ihn, und dann erwürgte er ihn, was für ein Tod!

Der Fürst wollte zudrücken, wollte verhindern, dass Takuto ihn je wieder verließ, nachdem er nun wusste, was er empfand. Doch er konnte nicht, sein Innerstes wehrte sich dagegen. Er keuchte, zitterte am ganzen Körper, doch als er eine kleine Träne aus Takutos rechtem Auge die Wange hinunterlaufen sah, war es um ihn geschehen. Geschockt von sich selbst ließ Koji los, trat einen großen Schritt zurück und besah sich seine eigenen Hände. Mit ihnen hätte er fast die Person getötet, die er liebte, wie konnte er nur???

Takuto glaubte ohnmächtig zu werden, als Koji endlich von ihm abließ, er hustete und verschluckte sich, spürte die brennenden Tränen in seinen Augen. Vor ihm sank der Fürst auf die Knie, reckte die Hände zu ihm empor und flehte ihn voll tiefster Verzweiflung an: "Vergebt mir, bitte, Izumi, ich wollte nicht..." Takuto tastete mit zitternden Händen nach der Türklinke, fand sie schließlich, und nach einem letzten Blick auf Koji drehte er sich um und öffnete sie. Er machte einen Schritt über die Schwelle und sah sich noch einmal nach ihm um. Der Mann, der das Aussehen eines Engels hatte und doch der Teufel war, kniete immer noch und schien vollkommen schockiert von sich selbst. Der König nahm allen Mut zusammen, der ihm noch geblieben war und antwortete:

"Ich, ich w-will euch NIE WIEDER SEHEN!!!" Die letzten Worte schrie er in Hysterie, dann wandte er sich um und rannte die Stufen hinunter, denn durch den Vorgarten und auf die Straße, dort verschwand er in einer Nebelwolke.

Koji ließ die Hände zu Boden sinken und realisierte, dass dies nun wohl der Anfang vom Ende war...

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